Verpflichtung zur Abführung des Veräußerungserlöses nach dem VermG an den Entschädigungsfonds

Mai 24, 2020

VG Cottbus 1 K 227/14
Verpflichtung zur Abführung des Veräußerungserlöses nach dem VermG an den Entschädigungsfonds
Tenor
Der Bescheid des Bundesamtes für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen vom 11. Februar 2014 (C…) wird aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 2.900,00 € vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1
Der Kläger wendet sich gegen die Durchführung eines Aufgebotsverfahrens nach § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 des Gesetzes über die Entschädigung nach dem Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen (EntschG) und gegen die Feststellung der Beklagten, dass die Rechte an dem Erlös aus dem Verkauf des Grundstücks L…in M…(Gemeinde Z…) auf den Entschädigungsfonds übergehen.
2
Das 1.383 m² große, ehemals landwirtschaftlich genutzte Grundstück (vormalige Parzellen 356 und 357 der Flur 6, nunmehr Flurstück 12 der Flur 6) stand seit dem 28. Oktober 1963 nach § 6 der Verordnung zur Sicherung von Vermögenswerten vom 17. Juli 1952 unter staatlicher Verwaltung des Rates der Gemeinde Z…. Das Grundstück war im Grundbuch von M…, Band 65, Blatt 1923 (nunmehr: im Grundbuch von Z…, Blatt 1947) seit dem 11. März 1940 als Eigentum der C…(oder K…) W…, geborene F…, eingetragen. Die Alteigentümerin, die am 06. Juli 1955 verstarb, wurde von ihrem Ehemann K…beerbt, der nach seinem Tod am 29. Dezember 1958 von seiner Tochter K… und der Tochter der Eheleute, U…, geborene W…, jeweils zur Hälfte beerbt wurde. K… verstarb am 07. August 1985 und wurde von ihrem Sohn J… beerbt, der am 20. August 1999 verstarb; U… teilte auf eine Nachfrage des Amtsgerichts V…vom 02. November 1999 unter dem 26. April 2000 mit, sie schlage die Erbschaft aus.
3
Am 02. Dezember 1999 ordnete dieses Amtsgericht eine Nachlasspflegschaft für J… an, die es am 27. September 2002 aufhob. Mit Wirkung vom 14. April 2005 bestellte der Landrat des Landkreises D… die Gemeinde Z…nach § 11b des Gesetzes zur Regelung offener Vermögensfragen (VermG) als gesetzliche Vertreterin der Alteigentümerin; die Vertreterbestellung hob er am 07. November 2007 auf.
4
Im November 2001 wurde das seinerzeitige Bundesamt zur Regelung offener Vermögensfragen (nunmehr: Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen; im Folgenden: Bundesamt) von der Gemeinde Z…in Kenntnis gesetzt, dass bisher keine Ansprüche auf das ehedem staatlich verwaltete Grundstück geltend gemacht worden seien. Das Bundesamt eröffnete daraufhin ein Aufgebotsverfahren und veranlasste Ermittlungen zur Klärung der Gesamtrechtsnachfolge nach der Alteigentümerin und nach J…, so unter anderem durch Anfragen an das Amtsgericht K…, das Landesausgleichsamt B…, das Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten B…, das Amtsgericht B… und das Amtsgericht V…, das den Nachlassvorgang J… übersandte.
5
Am 12. September 2007 erteilte das Amtsgericht V…in den Nachlassverfahren J…(V…) dem bayerischen Fiskus (Freistaat B…, vertreten durch das Landesamt für Finanzen) einen Erbschein.
6
Unter dem 25. September 2007 setzte eine Immobiliengesellschaft das Bundesamt in Kenntnis, dass die Berechtigten – U… und das bayerische Landesamt für Finanzen – ihr einen Verkaufsauftrag erteilt hätten.
7
Am 02. November 2007 machte die Behörde die Aufforderung zur Meldung nach § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 EntschG und § 15 des Grundbuchbereinigungsgesetzes (GBBerG) hinsichtlich der unbekannten Rechtsnachfolger nach J…im Bundesanzeiger bekannt. Es seien Aufgebotsverfahren unter anderem für die Vermögenswerte nach Nr. I. („Grundstücke einschließlich vorhandener Grundstückskonten“) und Nr. II. („Erlöse aus der Veräußerung von Grundstücken“) eingeleitet worden; die Bekanntmachung des streitgegenständlichen Vermögenswertes findet sich in der Rubrik Nr. I.
8
U… und der Freistaat B…wurden am 02. September 2008 in Erbengemeinschaft im Grundbuch von M…, Blatt 1947 eingetragen; am 12. Juni 2008 verkauften sie das Grundstück für 65.000 € und erklärten die Auflassung, die Käufer wurden am 05. März 2009 im Grundbuch als Eigentümer eingetragen.
9
Mit Bescheid vom 11. Februar 2014 stellte das Bundesamt fest, dass die unbekannten Erben nach J… mit ihrem Recht auf Herausgabe ihres Anteils an dem Erlös aus dem Verkauf und der Bewirtschaftung des streitgegenständlichen Grundstücks ausgeschlossen werden (Ziffer 1.) und dass die Rechte an dem vom Freistaat B…vereinnahmten Anteil am Erlös aus dem Verkauf und der Bewirtschaftung des Grundstücks auf die Bundesrepublik Deutschland (Entschädigungsfonds) übergehen (Ziffer 2.).
10
Die Verpflichtung zur Abführung des Veräußerungserlöses ergebe sich aus § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 EntschG; abzuführen seien Veräußerungserlöse nach § 11 Abs. 4 VermG und sonstige Vermögenswerte im Sinne von § 2 Abs. 2 VermG. Das Fiskuserbrecht, das nach § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 S. 3 EntschG nicht das ehemals staatlich verwaltete Immobilienvermögen umfasse, stehe nicht entgegen. Bis zum Ablauf der Aufgebotsfrist am 24. November 2008 seien keine Rechte angemeldet worden.
11
Der Kläger hat am 05. März 2014 Klage erhoben, zu deren Begründung er im Wesentlichen vorträgt:
12
Bereits das Aufgebotsverfahren sei rechtswidrig durchgeführt worden.
13
Zum einen seien die Rechtsnachfolger nach der Alteigentümerin und nach J…bekannt gewesen, zum anderen sei durch die Feststellung des Fiskuserbrechts und die Erteilung des Erbscheins zu Gunsten des bayerischen Fiskus ein Rechtsverlust für den Entschädigungsfonds eingetreten. Das Aufgebotsverfahren nach § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 EntschG i. V. m. § 15 GBBerG ändere die materielle Rechtslage ungeachtet des Ausschlusses der §§ 1936,1964 1965 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) durch 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 S. 3 EntschG nicht. Ein genereller Ausschluss sei hiermit nicht verbunden, ansonsten unterliege die Regelung erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken, weil die Norm den Erbrechtsvorschriften des BGB widerspreche. Der angefochtene Bescheid habe daher lediglich die unbekannten Rechtsnachfolger nach J… mit ihren Rechten ausschließen können, nicht jedoch den bayerischen Fiskus. Im Übrigen sei § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 EntschG erst mit Wirkung vom 17. Dezember 2003 in das Gesetz eingefügt worden und die Regelung könne sich daher nicht auf Erbfälle erstrecken, die vor Inkrafttreten der Vorschrift eingetreten seien.
14
Der Veräußerungserlös unterfalle auch nicht dem Regelungsbereich der Vorschrift; erfasst würden allenfalls Veräußerungserlöse, die durch den staatlichen Verwalter erzielt würden.
15
Das Aufgebotsverfahren habe sich schließlich nur auf das Grundstück selbst bezogen, ein Aufgebotsverfahren hinsichtlich des Veräußerungserlöses sei nicht durchgeführt worden; § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 EntschG enthalte keine Regelung dergestalt, dass sich die Ausschlusswirkung hinsichtlich des Grundstücks auch an einem Veräußerungserlös fortsetzte.
16
Der Kläger beantragt,
17
den Bescheid der Beklagten vom 11. Februar 2014 aufzuheben.
18
Die Beklagte beantragt,
19
die Klage abzuweisen.
20
Sie verweist auf die Begründung des Bescheides und macht im Übrigen im Wesentlichen geltend: Der Gesetzgeber habe zum Ausdruck gebracht, dass er die Möglichkeit einer Nachlasspflegerbestellung nicht für ausreichend halte. Der Erlös aus dem Verkauf des ehemals staatlich verwalteten Grundstücks sei ebenso wie das Grundstück selbst ein nicht beanspruchter Vermögenswert. Der § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 EntschG zeige deutlich, dass sich die Regelung auf den erzielten Erlös im Falle eines späteren Verkaufs erstrecke. Das Auslegungsergebnis ergebe sich zwingend auch daraus, dass sich die Rechte an einem Vermögenswert im gesamten Recht der offenen Vermögensfragen regelmäßig am Verkaufserlös fortsetzten, so etwa nach § 7 Abs. 3 GBBerG und § 3 Abs. 4 S. 3 VermG. Der Beschluss über das Fiskuserbrecht beinhalte lediglich eine widerlegliche Vermutung, § 1964 Abs. 2 BGB. Mit dem Entschädigungsrechtsergänzungsgesetz sei klargestellt worden, dass die Zuweisung der ehemals staatlich verwalteten Vermögenswerte an den Entschädigungsfonds die speziellere Vorschrift im Vergleich zum Schlusserbrecht des Fiskus sei. Anderenfalls würde die gesetzliche Regelung leerlaufen. Die Klägerin verkenne im Übrigen die Voraussetzungen der Norm. Das Gesetz knüpfe nicht an den Zeitpunkt des Todes, sondern an die gerichtliche Feststellung des Fiskuserbrechts an. Vor dem Inkrafttreten des § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 EntschG in seiner ab dem 17. Dezember 2003 geltenden Fassung sei eine entsprechende gerichtliche Feststellung aber nicht getroffen worden. Es werde auch nicht in das verfassungsrechtlich geschützte Eigentums- und Erbrecht eingegriffen. Der Kläger könne sich nach Art. 19 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG), soweit er öffentliche Aufgaben wahrnehmen, hierauf nicht berufen. Einer Identität zwischen dem in dem Aufgebot bezeichneten Vermögenswert und dem von der Ausschlusswirkung erfassten Vermögenswert bedürfe es nicht.
21
Die Kammer hat den Rechtsstreit nach Anhörung der Beteiligten mit Beschluss vom 05. Juni 2014 dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.
22
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge Bezug genommen. Sämtliche Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung des Gerichts.
Entscheidungsgründe
23
I. Die (Anfechtungs-)Klage ist zulässig und begründet.
24
Der Bescheid des Bundesamtes vom 11. Februar 2014 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 S. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
25
Nach § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 S. 1 EntschG sind an den Entschädigungsfonds Veräußerungserlöse nach § 11 Abs. 4 VermG und sonstige nicht beanspruchte Vermögenswerte, die bis zum 31. Dezember 1992 unter staatlicher Verwaltung standen, abzuführen, wenn der Eigentümer oder Inhaber sich nicht nach öffentlichem Aufgebot gemäß § 15 GBBerG gemeldet hat; nicht beanspruchte Vermögenswerte im Sinne des Satzes 1 sind auch die den nicht bekannten oder nicht auffindbaren Miteigentümern oder Miterben zustehenden Rechte, § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 S. 2 EntschG.
26
Die Voraussetzungen einer Verpflichtung zur Abführung des Veräußerungserlöses an den Entschädigungsfonds lagen im Ergebnis nicht vor.
27
Der Regelung kommt allerdings eine materielle Wirkung zu.
28
Über den Wortlaut des § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 S. 1 EntschG hinaus ist auf den Sinn und Zweck der Norm zu verweisen, die neben einer Finanzierung des Entschädigungsfonds im Wesentlichen zum Ziel hat, die Eigentumsverhältnisse bei unbekannten Berechtigten oder Berechtigten unbekannten Aufenthalts zu klären und die Bildung herrenlosen Vermögens im Beitrittsgebiet zu verhindern (vgl. u. a. BVerfG, Beschl. v. 21. Juli 2010 – 1 BvL 8/07 –, juris Rn. 89 ff. m. w. N.; BVerwG, Beschl. v. 21. Juni 2007 – BVerwG 3 C 24.06 –, juris Rn. 13 m. w. N.; Broschat in: Fieberg/Reichenbach/Messerschmidt/Neuhaus: VermG, § 10 EntschG Rn. 1 und 42). Hierfür spricht im Übrigen auch § 12 Abs. 2 S. 1 EntschG, wonach die für die Entscheidung über die Entschädigung zuständigen Stellen als Vertreter des Entschädigungsfonds den an diesen abzuführenden Betrag u. a. im Fall des § 10 Nr. 7 durch Verwaltungsakt gegenüber dem Verpflichteten festsetzen.
29
Das Gericht teilt im Ergebnis auch nicht die Auffassung des Klägers, das Aufgebotsverfahren sei entbehrlich gewesen, weil dem Beschluss des Amtsgerichts V…vom 12. Juli 2007 nach ein anderer Erbe als der bayerische Fiskus nach dem Erblasser J… nicht vorhanden gewesen sei mit der Folge, dass das Erbrecht des bayerischen Fiskus festgestellt wurde (so aber: VG Potsdam, Urt. v. 22. April 2010 – 1 K 272/08 –, Urteilsabdruck [UA] S. 6). Es erscheint allerdings zutreffend, dass die oben genannte Zielsetzung einer Klärung der Eigentumsverhältnisse auch dann erreicht ist, wenn – wie vorliegend – das Staatserbrecht nach § 1936 BGB festgestellt worden ist. Zwar begründet die Feststellung, dass ein anderer Erbe als der Fiskus nicht vorhanden ist, § 1964 Abs. 1 BGB, lediglich eine widerlegbare Vermutung für das Erbrecht des Fiskus, § 1964 Abs. 2 BGB, mit der Folge, dass unbekannte Erben ihrer Rechte nicht verlustig gehen (Weidlich in: Palandt, BGB, 72. Aufl. 2013, § 1964 Rn. 3); das ändert jedoch nichts daran, dass dem Gesetzeszweck, der Bildung herrenlosen Vermögens entgegenzuwirken und die Eigentumsverhältnisse – wenn auch, theoretisch, unter Vorbehalt – zu klären, in diesem Fall an sich genügt wäre; diese Sachverhaltskonstellation wäre damit von der in der Rechtsprechung – zutreffend verneinend – geklärten Frage zu trennen, ob ein nach § 11b VermG bestellter gesetzlicher Vertreter des unbekannten Eigentümers ein Aufgebotsverfahren nach § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 EntschG i. V. m. § 15 GBBerG entbehrlich macht (BVerwG, Beschl. v. 18. Mai 2006 – BVerwG 3 B 176.05 –, juris; BVerwG, Beschl. v. 21. Juni 2007 – BVerwG 3 C 24.06 –, juris Rn. 13).
30
Die Auffassung des Klägers, ein Aufgebotsverfahren sei unzulässig, wenn das Staatserbrecht festgestellt worden sei, geht jedoch aus anderen Gründen fehl.
31
Zum einen würde diese Auffassung, wie die Literatur zutreffend anmerkt (Broschat in: Fieberg/Reichenbach/Messerschmidt/Neuhaus: VermG, § 10 EntschG Rn. 42a), dazu führen, dass § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 EntschG leer läuft. Zum anderen und vor allem steht dieser Auffassung die eindeutige Regelung des § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 S. 3 EntschG entgegen. Maßgebend für die Auslegung von Gesetzen ist der in der Norm zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers, wie er sich aus dem Wortlaut der Vorschrift und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den sie hineingestellt ist; der Erfassung dieses objektiven Willens dienen die anerkannten – gleichberechtigten und sich ergänzenden – Methoden der Gesetzesauslegung, die vom Wortlaut der Norm auszugehen haben, aber auch die Systematik, den Sinn und Zweck sowie die Gesetzesmaterialien und die Entstehungsgeschichte der Norm berücksichtigen (st. Rspr., vgl. etwa BVerfG, Beschl. v. 17. Mai 1960 – 2 BvL 11/59 –, juris Rn. 16 ff.). Der Bundestag hat mit der Ergänzung des § 10 Nr. 7 EntschG um einen Satz 3 durch Art. 1 des Entschädigungsrechtsänderungsgesetzes (EntschRÄndG) vom 10. Dezember 2003 (BGBl. I 2003, S. 2471) dergestalt, dass die §§ 1936, 1964 und 1965 BGB und die Regelung des Staatserbrechts in § 369 des Zivilgesetzbuches der Deutschen Demokratischen Republik (ZGB) „keine Anwendung finden“, klargestellt, dass die Zuweisung des Vermögenswertes an den Entschädigungsfonds auch bei einem festgestellten Schlusserbrecht des Fiskus die speziellere Vorschrift ist. In der Gesetzesbegründung heißt es insoweit eindeutig, das sonst übliche Aufgebotsverfahren sei „verzichtbar“, es werde durch § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 EntschG i. V. m. § 15 GBBerG „ersetzt“ (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 15/1180, S. 20; a. A.: VG Potsdam, Urt. v. 22. April 2010 – 1 K 272/08 –, UA S. 6). Der nach Art. 12 EntschRÄndG am 17. Dezember 2003 in Kraft getretene § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 S. 3 EntschG ist in Ermangelung einer dem entgegenstehenden Übergangsvorschrift auch vorliegend anwendbar; im Übrigen soll der Einfügung des Satzes 3 in § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 EntschG ohnehin eine nur „klarstellende“ Bedeutung zukommen.
32
Es ist auch nicht zweifelhaft, dass der Erlös aus der Veräußerung des streitgegenständlichen Grundstücks dem Begriff eines „sonstigen nicht beanspruchten Vermögenswertes“ im Sinne von § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 S. 1 EntschG entspricht. Der Begriffsbestimmung in § 2 Abs. 2 des Vermögensgesetzes (VermG) nach sind Vermögenswerte im Sinne dieses Gesetzes u. a. bebaute und unbebaute Grundstücke, bewegliche Sachen sowie Kontoguthaben und sonstige auf Geldzahlungen gerichtete Forderungen. Dass nicht dieser Vermögenswert “bis zum 31. Dezember 1992 unter staatlicher Verwaltung stand“ ist unschädlich, weil der Veräußerungserlös lediglich das Surrogat für das verkaufte, ehemals unter staatlicher Verwaltung stehende Grundstück bildet. Auch insoweit wäre eine andere Auslegung der Vorschrift kaum mit deren Zielsetzung vereinbar; auf die überzeugende Begründung des Verwaltungsgerichts Berlin (Urt. v. 24. Januar 2008 – 29 A 259.07 –, juris Rn. 22 [Aufgebot hinsichtlich des Veräußerungserlöses]; a. A.: VG Potsdam, Urt. v. 22. April 2010 – 1 K 272/08 –, UA S. 5 und offenbar auch Hirschinger in: EntschG, 1. Aufl. 2006, § 10 Rn. 4) nimmt das Gericht Bezug.
33
Das Bundesamt hat den Anforderungen für die Eröffnung eines Aufgebotsverfahrens nach § 15 Abs. 2 S. 1 und 2 GBBerG ebenfalls genügt. Danach ermittelt das Bundesamt den Eigentümer oder Rechtsinhaber des Vermögenswertes und leitet das Aufgebotsverfahren ein, wenn diese nicht mit den zu Gebote stehenden Mitteln gefunden werden können. Zwar sind an die Bemühungen der Behörde im Hinblick auf den mit dem Aufgebots- und Ausschlussverfahren verbundenen Eingriff in die durch Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG geschützten Rechte strenge Anforderungen zu stellen (BVerwG, Vorlagebeschl. v. 21. Juni 2007 – BVerwG 3 C 24.06 –, juris Rn. 14). Diesen Anforderungen wurde hier indessen genügt, denn es ist nach Aktenlage nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen, welche weiteren Versuche, Gesamtrechtsnachfolger nach dem verstorbenen J… zu ermitteln, noch erfolgversprechend gewesen sein könnten.
34
Die Tante des Verstorbenen, U…, kam als Erbin nicht mehr in Betracht, nachdem sie die Erbschaft rechtswirksam ausgeschlagen hatte. Das Gericht verweist auf die Entscheidungen des Amtsgericht V…im Rahmen des Erbscheinerteilungsverfahrens und auch nach Aktenlage ist nicht ersichtlich, dass die sechsmonatige Ausschlagungsfrist nach § 1944 Abs. 2 BGB überschritten war.
35
Der angefochtene Bescheid vom 11. Februar 2014 ist jedoch rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, weil hinsichtlich des dort bezeichneten Vermögenswertes, nämlich des Veräußerungserlöses, gerade kein Aufgebotsverfahren nach § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 EntschG i. V. m. § 15 GBBerG durchgeführt worden ist und weil es entgegen der Auffassung der Beklagten nicht genügt, dass dieses Verfahren hinsichtlich des Grundstückes selbst im November 2007 durchgeführt wurde.
36
Nach § 15 Abs. 2 S. 3 – 5 GBBerG gibt das Bundesamt die Vermögenswerte im Bundesanzeiger bekannt und fordert die Eigentümer oder Rechtsinhaber auf, sich zu melden; in der Bekanntmachung wird „der Vermögenswert“ genau bezeichnet sowie das jeweilige Aktenzeichen und der Endzeitpunkt der Aufgebotsfrist werden angegeben. Bei Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten gehören dazu die heutige Grundbuchbezeichnung sowie die Grundbuchbezeichnung im Zeitpunkt der Anordnung der staatlichen Verwaltung. Nach § 15 Abs. 3 S. 1 GBBerG erlässt das Bundesamt einen Ausschlussbescheid, wenn sich der Berechtigte nicht innerhalb von einem Jahr seit der ersten Veröffentlichung der Aufforderung im Bundesanzeiger meldet; der bestandskräftige Bescheid hat nach § 15 Abs. 3 S. 5 und 6 GBBerG die Wirkungen eines rechtskräftigen Ausschließungsbeschlusses und „der Vermögenswert“ ist an den Entschädigungsfonds abzuführen.
37
Bereits aus diesen Regelungen ergibt sich, dass der an den Entschädigungsfonds abzuführende Vermögenswert mit demjenigen deckungsgleich sein muss, hinsichtlich derer das Aufgebotsverfahren durchgeführt worden ist (i. E. ebenso: VG Potsdam, Urt. v. 22. April 2010 – 1 K 272/08 –, UA S. 5; i. E. [jew. ohne Erörterung] a. A.: VG Berlin, Urt. v. 24. Januar 2008 – 29 A 259.07 –, juris und Urt. v. 12. Februar 2009 – 29 A 105.08 –, juris). Der entgegenstehenden Auffassung des Bundesamtes, eine Kongruenz zwischen dem im Aufgebot bezeichneten und dem abzuführenden Vermögenswert sei nicht erforderlich, wäre nur dann zu folgen, wenn sich Entsprechendes aus einer gesetzlichen Regelung entnehmen ließe. Das jedoch ist nicht der Fall. Der Verweis des Bundesamtes auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Berlin führt nicht weiter – insbesondere geht auch die Kammer ausweislich der vorstehenden Ausführungen davon aus, dass es sich bei dem Erlös aus dem Verkauf des Grundstück um einen nicht beanspruchten Vermögenswert im Sinne von § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 EntschG handelt, und die vorliegende Problematik wird in den genannten Entscheidungen nicht erörtert – und die von Seiten der Behörde benannten Regelungen – § 7 Abs. 3 GBBerG (a. F.), § 3 Abs. 4 S. 3 VermG, § 8 Abs. 4 S. 2 des Vermögenszuordnungsgesetzes (VZOG), § 16 Abs. 1 des Investitionsvorranggesetzes (InVorG) und § 7 Abs. 4 der Grundstücksverkehrsordnung (GVO) – normieren lediglich eine Verpflichtung des Verfügungsberechtigten zur Auskehr des Erlöses, besagen aber für die vorliegende Fragestellung ebenfalls nichts.
38
Schließlich trägt auch der Hinweis auf den Vorlagebeschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. Juni 2007 (BVerwG 3 C 24.06 –, juris, insb. Rn. 15) nicht; die vorliegend streitige Rechtsfrage war in dieser Entscheidung nicht erheblich und den Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts, die Bekanntgabe des Aufgebots im Bundesanzeiger, wonach sich die „Berechtigten bzw. ihre Rechtsnachfolger“ zu melden hätten, sei auch vor der Ergänzung des § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 EntschG um einen Satz 2 durch Art. 1 Nr. 6 lit. b) EntschRÄndG – unter anderem mit der Klarstellung, dass „nicht beanspruchte Vermögenswerte“ auch die dem nicht bekannten oder nicht auffindbaren Miteigentümer oder Miterben zustehenden Rechte seien – rechtmäßig und eine erneute Bekanntgabe allein wegen der Gesetzesänderung nicht erforderlich gewesen, kann ohne Weiteres beigetreten werden. Für die hier maßgebliche Rechtsfrage ergibt sich allerdings auch aus diesem Vorlagebeschluss nichts.
39
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
40
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der Kosten beruht auf § 167 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 VwGO in Verbindung mit § 709 S. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO).
41
Die Nichtzulassung der Revision ergibt sich aus § 135 und § 132 Abs. 2 VwGO.
42
Der Anregung des Bundesamtes, die Revision wegen der behaupteten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen, kann nicht gefolgt werden; die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegen nicht vor. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine abstrakte, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts mit einer über den Einzelfall hinausgehenden allgemeinen Bedeutung aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder im Interesse der Rechtsfortbildung in einem Revisionsverfahren geklärt werden muss. Diese Voraussetzungen sind u. a. dann nicht erfüllt, wenn die aufgeworfene Frage aufgrund des Gesetzeswortlauts mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Auslegung und auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantwortet werden kann (BVerwG, Beschl. v. 27. April 2017 – BVerwG 1 B 59.17 –, juris Rn. 3). Hiervon ausgehend kommt eine Zulassung der Revision durch das Verwaltungsgericht – jedenfalls deshalb – nicht in Betracht, weil weder hinreichend dargelegt noch für das Gericht ersichtlich ist, dass die maßgebliche Rechtsfrage im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung einer höchstrichterlichen Klärung bedürfte. Bei dem Verwaltungsgericht Cottbus war – soweit ersichtlich – lediglich das vorliegende Verfahren anhängig und eine (veröffentlichte) Rechtsprechung, die ausdrücklich von der vorstehend vertretenen Rechtsauffassung abweicht, ist nicht bekannt.

Haben Sie Fragen? 

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.

© Rechtsanwalt Krau. All rights reserved.
Powered by wearehype.eu.
© Rechtsanwalt Krau. All rights reserved.
Powered by wearehype.eu.