VG Ansbach, Beschluss vom 27.03.2020 – An 18 S 20.00538

Februar 8, 2021

VG Ansbach, Beschluss vom 27.03.2020 – An 18 S 20.00538

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.

2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe

I.

Der in … ansässige Antragsteller wendet sich im Wege des Eilrechtsschutzes gegen die in Bayern seit dem 21. März 2020 geltenden Ausgangsbeschränkungen.

Mit Allgemeinverfügung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 20. März 2020 – Aktenzeichen: Z6a-G8000-220/122-98 – wird jeder angehalten, die physischen und sozialen Kontakte zu anderen Menschen außerhalb der Angehörigen des eigenen Hausstands auf ein absolut nötiges Minimum zu reduzieren und, wo immer möglich, einen Mindestabstand zwischen zwei Personen von 1,5 m einzuhalten (Ziff. 1). Gastronomiebetriebe werden mit Ausnahme der Abgabe und Lieferung von Speisen zum Mitnehmen untersagt (Ziff. 2). Untersagt wird auch der Besuch von Krankenhäusern, Altenheimen und ähnlichen Einrichtungen (Ziff. 3). Das Verlassen der eigenen Wohnung ist nur bei Vorliegen triftiger Gründe erlaubt (Ziff. 4, Ziff. 5). Die Polizei ist angehalten, die Einhaltung der Ausgangsbeschränkung zu kontrollieren. Im Falle einer Kontrolle sind die triftigen Gründe durch den Betroffenen glaubhaft zu machen (Ziff. 6). Ein Verstoß gegen die Allgemeinverfügung kann nach § 73 Abs. 1a Nr. 6 IfSG als Ordnungswidrigkeit geahndet werden (Ziff. 7). Auf die Regelungen im Einzelnen und die Begründung der Allgemeinverfügung wird verwiesen. Die Regelungen traten am 21. März 2020 in Kraft und sind befristet bis Ablauf des 3. April 2020 (Ziff. 10).

Mit Schriftsatz vom 21. März 2020, eingegangen am 23. März 2020, hat der Antragsteller das Bayerische Verwaltungsgericht Ansbach um vorläufigen Rechtsschutz ersucht.

Zur Begründung wird ausgeführt, es mangele bereits an einer hinreichenden Rechtsgrundlage. Weder handle es sich bei der betreffenden Maßnahme um eine allgemeine Quarantäneanordnung im Sinne von § 30 Abs. 1 Satz 2 IfSG, noch könnten die Ausgangsbeschränkungen auf § 28 Abs. 1 Satz 2 IfSG oder die Generalklausel des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG gestützt werden. Des Weiteren werde durch die Allgemeinverfügung in unverhältnismäßiger Weise in die Freiheitsrechte der betroffenen Bewohner eingegriffen. So sei es dem Antragsteller etwa untersagt, sich alleine im eigenen Garten aufzuhalten oder mit seiner in eigener Wohnung lebenden Mutter einen gemeinsamen Spaziergang an der frischen Luft zu unternehmen. Auch könne eine derartige faktische Ausgangssperre nach dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Gewaltenteilung nur im Wege einer abstrakt-generellen Regelung durch den Gesetzgeber, nicht aber durch die Verwaltung im Wege der Allgemeinverfügung getroffen werden. Schließlich gehe mit der Regelung eine rechtsstaatswidrige Beweislastumkehr einher, wenn Betroffene im Fall einer polizeilichen Kontrolle die triftigen Gründe zum Verlassen der Wohnung glaubhaft machen müssten. Ein Verstoß gegen die vollziehbare Anordnung stelle nämlich nach § 75 Abs. 1 Nr. 1 IfSG eine Straftat dar.

Der Antragsteller führt weiter aus, dass ein Kontaktverbot deutlich effizienter gewesen wäre bei zugleich geringerer Eingriffsintensität. Die getroffenen Verbote würden an dem Schutzzweck der Verminderung der Ansteckungsgefahr vorbeigehen. Zudem bestehe die Gefahr strafrechtlicher Verfolgung. Die Allgemeinverfügung enthalte keinen Hinweis auf mögliche Aussageverweigerungsrechte. Die möglichen weiteren Straftatbestände des § 75 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4, § 75 Abs. 3 IfSG würden in der Allgemeinverfügung nicht genannt. Eine Strafbarkeit bei Verlassen der Wohnung stehe und falle mit dem Nachweis triftiger Gründe, was zu einer Verschiebung der Beweislast führe. Der rechtsstaatliche Grundsatz, dass niemand verpflichtet sei, sich selbst zu belasten oder an seiner eigenen Überführung mitzuwirken, solle keine Geltung mehr beanspruchen, da das Vorliegen triftiger Gründe gegenüber Polizei- und Sicherheitsbehörden glaubhaft zu machen sei. Der unter Ziff. 5 der Allgemeinverfügung enthaltene Katalog triftiger Gründe sei weder abschließend noch inhaltlich hinreichend bestimmt. Es fehle an der gem. Art. 103 Abs. 2 GG notwendigen Bestimmtheit der durch die Allgemeinverfügung auszufüllenden Strafandrohung. Ziff. 4 der Allgemeinverfügung sei unbestimmt bzw. unverhältnismäßig.

Der Antragsteller beantragt,

noch vor Einreichung der Anfechtungsklage die aufschiebende Wirkung anzuordnen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Die zeitlich begrenzte Ausgangsbeschränkung unterfalle als vorübergehende Maßnahme dem Anwendungsbereich des § 28 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 IfSG; der darin verwendete Begriff der notwendigen Schutzmaßnahmen sei weit zu verstehen und insbesondere nicht auf Fälle von besonders kurzer Dauer beschränkt. Jedenfalls aber könne die Ausgangsbeschränkung auf § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG gestützt werden, der die zuständigen Behörden in umfassender Weise zum Erlass der für den Gesundheitsschutz notwendigen Maßnahmen legitimiere. Im Interesse einer effektiven Gefahrenabwehr ermögliche § 28 Abs. 1 IfSG zudem die Inanspruchnahme von Nichtstörern, ohne dass dies auf bestimmte Maßnahmen beschränkt worden sei. Auch gehe mit der Allgemeinverfügung kein unverhältnismäßiger Eingriff in die Freiheitsrechte des Antragstellers – namentlich die persönliche Bewegungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG – einher; bei Vorliegen eines triftigen Grundes sei das Verlassen der eigenen Wohnung weiterhin zulässig, wozu insbesondere auch Bewegung und Sport an der frischen Luft zählten. Da der Gesetzgeber mit § 28 Abs. 1 IfSG eine entsprechende Rechtsgrundlage geschaffen habe, sei die Exekutive zum Erlass der streitgegenständlichen Ausgangsbeschränkungen befugt, wobei es im behördlichen Ermessen stehe, ob diese durch eine Rechtsverordnung nach § 32 IfSG oder durch Allgemeinverfügung erlassen werde. Soweit Ziff. 6 der Allgemeinverfügung eine Mitwirkungspflicht von kontrollierten Personen vorsehe, diene dies ausschließlich einer effektiven Gefahrenabwehr; im Fall eines etwaigen Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahrens bleibe es dabei, dass den Betroffenen ein etwaiger Verstoß unabhängig von einer gegebenenfalls fehlen-den Glaubhaftmachung nachgewiesen werden müsse.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.

II.

Bei sachgerechter Auslegung des Vorbringens (§ 122 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 88 VwGO) geht das Gericht davon aus, dass (auch wenn der Schriftsatz auf den Briefkopf der Kanzlei ausgefertigt wurde) Herr … … persönlich Antragsteller ist und sich der Antrag ausweislich des Bezugs auf die die streitgegenständliche Allgemeinverfügung erlassende Behörde (Bayerisches Staatsministerium für Gesundheit und Pflege) gegen den Freistaat Bayern als Rechtsträger richtet. Der Antrag hat im Ergebnis keinen Erfolg.

Das Gericht hat bereits Zweifel, ob der Antragsteller (noch) ein schutzwürdiges Interesse an einer gerichtlichen Entscheidung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes hat, nachdem seitens des Antragsgegners zwischenzeitlich eine inhaltsgleiche Rechtsverordnung (Bayerische Verordnung über eine vorläufige Ausgangsbeschränkung anlässlich der Corona-Pandemie vom 24. März 2020) in Kraft gesetzt wurde, die den Antragsteller selbst bei Obsiegen im vorliegenden Verfahren in gleicher Weise belasten würde. Letztlich kann dies aber dahinstehen, da der Antrag jedenfalls unbegründet ist.

Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht in den Fällen, in denen die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfes kraft Gesetzes entfällt, was vorliegend gemäß § 28 Abs. 3, § 16 Abs. 8 IfSG der Fall ist, die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs anordnen. Gemäß § 80 Abs. 5 VwGO hat das erkennende Gericht eine eigenständige und originäre Interessenabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Vollziehung und dem Aussetzungsinteresse des Antragstellers zu treffen, die notwendigerweise nur vorläufigen summarischen Charakter hat. Das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes kann nicht Ersatz für das Verfahren der Hauptsache sein, welches in erster Linie den Rechtsschutz im Sinne des Art. 19 Abs. 4 GG vermittelt; demgegenüber dient das Eilverfahren vornehmlich der Verhinderung von Rechtsnachteilen und Rechtsverlusten bis zum (rechtskräftigen) Abschluss des Hauptsacheverfahrens. Diese Zielsetzung bedeutet für die gerichtliche Überprüfung des Streitstoffes im Rahmen des Eilverfahrens, dass in diesem vordringlich nur die Einwände berücksichtigt werden können, die von dem Rechtsschutzsuchenden selbst vorgebracht werden, es sei denn, dass sich andere Fehler bei summarischer Prüfung als offensichtlich aufdrängen. Dabei müssen allerdings – wegen des summarischen Charakters des Eilverfahrens – weder schwierige Rechtsfragen vertieft oder abschließend geklärt werden. Solches muss dem Verfahren der Hauptsache überlassen bleiben (vgl. OVG NRW, B.v. 26.1.1999 – 3 B 2861/97 – juris Rn.4). Im Rahmen der gerichtlichen Interessenabwägung kommt vor allem den Erfolgsaussichten des in der Hauptsache eingelegten bzw. noch einzulegenden Rechtsbehelfs eine maßgebliche Bedeutung zu (vgl. BVerwG, B.v. 6.7.1994 – 1 VR 10.93 – juris Rn. 4). Dem Interesse des Antragstellers an der Aussetzung kommt hierbei regelmäßig nur dann Vorrang zu, wenn sich das Hauptsacheverfahren mit hoher Wahrscheinlichkeit als erfolgreich erweisen würde. Bleiben die Erfolgsaussichten in der Hauptsache hingegen offen, hängt ein Durchdringen mit dem Antrag allein davon ab, ob die von der Vorausbeurteilung der Hauptsache unabhängige Folgenabwägung zu Gunsten des Aussetzungsinteresses des Antragstellers ausgeht (BayVGH, B.v. 27.2.2017 – 15 CS 16.2253 – juris Rn. 13).

Im vorliegenden Fall spricht Überwiegendes dafür, dass die streitgegenständliche Allgemeinverfügung auch im Hinblick auf den Vortrag des Antragstellers nicht offensichtlich rechtswidrig ist. Die Erfolgsaussichten einer noch zu erhebenden Klage sind hier als offen zu beurteilen (dazu 1.). Die somit vorzunehmende Interessenabwägung geht hier zu Lasten des Antragstellers aus (dazu 2.).

1. Die Bedenken des Antragstellers greifen bei summarischer Prüfung nicht ohne weiteres durch.

Dass § 28 Abs. 1 IfSG – zumindest die Generalklausel des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG – als Rechtsgrundlage für die Allgemeinverfügung vom 20. März 2020 herangezogen werden kann, ist für das Gericht nicht von vornherein ausgeschlossen. Der anderweitige Vortrag des Antragstellers hierzu überzeugt jedenfalls nicht.

Insbesondere ist die mit der Allgemeinverfügung geregelte „vorläufige Ausgangsbeschränkung“ keine Standardmaßnahme der Quarantäne i.S.d. § 28 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 30 IfSG, weshalb die diesbezüglichen Ausführungen des Antragstellers, die Maßnahmen dürften nur gegen Ansteckungsverdächtige gerichtet werden, bereits fehlgeht.

§ 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG sieht vor, dass die zuständige Behörde, insbesondere wenn Kranke, Krankheitsverdächtige oder Ansteckungsverdächtige festgestellt werden, die notwendigen Schutzmaßnahmen trifft, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist. Die Generalklausel des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG verpflichtet die zuständige Behörde zum Handeln (gebundene Entscheidung), wobei sich die Maßnahmen nicht nur gegen die in der Vorschrift genannten Personen (Kranke, Ansteckungsverdächtige usw.), sondern entsprechend der gleichlautenden Vorgängervorschrift des § 34 BSeuchG gerade auch gegen Nichtstörer richten können (BT-Drs. 8/2468, S. 27; vgl. auch BVerwG, U.v. 22.3.2012 – 3 C 16.11 – juris Rn. 29).

Bei Covid-19 handelt es sich unzweifelhaft um eine übertragbare Krankheit i.S.d. § 2 Nr. 3 IfSG (vgl. hierzu den Steckbrief des Robert-Koch-Instituts zur Coronavirus-Krankheit: https://www…de/…/ nCoV_node.html) und im Zuge der Corona-Pandemie sind zwischenzeitlich auch zahlreiche Personen festgestellt worden, die hieran erkrankt (§ 2 Nr. 4 IfSG), krankheitsverdächtig (§ 2 Nr. 5 IfSG) oder zumindest ansteckungsverdächtig (§ 2 Nr. 7 IfSG) sind, so dass die tatbestandlichen Voraussetzungen für Maßnahmen nach § 28 Abs. 1 IfSG vorliegen.

Der Erlass der streitgegenständlichen Ausgangssperre ist auch nicht schon von vornherein als mögliche Rechtsfolge ausgeschlossen. Hierauf deutet insbesondere der in Erfüllung des Zitiergebotes nach Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG erfolgte Verweis des § 28 Abs. 1 Satz 4 IfSG auf Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG hin. Hieraus ergibt sich, dass der Gesetzgeber mit der Ermächtigung nach § 28 Abs. 1 IfSG gerade auch solche die körperliche Bewegungsfreiheit beschränkende Maßnahmen abzielt.

Dass sich unter den in § 28 Abs. 1 Satz 4 IfSG aufgeführten Grundrechten nicht auch ein Hinweis auf die Freizügigkeit des Art. 11 GG findet, spricht nach Auffassung des Gerichts nicht notwendig gegen vorstehendes Verständnis. Im Hinblick auf die mit der Allgemeinverfügung einhergehende Beschränkung des Antragstellers in seinem Grundrecht auf Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) spricht einiges dafür, dass bereits der Anwendungsbereich des Art. 11 GG nicht eröffnet sein dürfte. So besteht zwischen der Bewegungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG einerseits und Freizügigkeit des Art. 11 GG andererseits ein Verhältnis gegenseitiger Exklusivität (Maunz/Dürig/Durner, GG, Werkstand: 89. EL Oktober 2019, Art. 11 Rn. 166; BeckOK-GG/Ogorek, 42. Edition Stand: 1.10.2019, Art. 11 Rn. 56). Eine Freiheitsbeschränkung im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG liegt vor, wenn jemand durch die öffentliche Gewalt gegen seinen Willen daran gehindert wird, einen Ort oder Raum aufzusuchen oder sich dort aufzuhalten, der ihm an sich (tatsächlich und rechtlich) zugänglich ist (BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166/198 = juris Rn. 114). Eine derartige Beschränkung wird dem Antragsteller durch Ziff. 4 der Allgemeinverfügung vom 20. März 2020 auferlegt. Er ist vorläufig nicht dazu berechtigt, seine Wohnung ohne einen triftigen Grund zu verlassen, und damit nur noch in äußerst beschränktem Umfang dazu in der Lage, einen anderen Ort als seine Wohnung aufzusuchen oder sich dort aufzuhalten. Der Antragsteller ist mit anderen Worten nicht mehr „frei“, womit insoweit auch ein Rückgriff auf Art. 11 GG ausgeschlossen sein könnte. Soweit der Antragsteller daneben auf dem Standpunkt stehen sollte, dass derzeit nicht in Bayern aufhältige Personen – für die das Verbot, die eigene Wohnung zu verlassen, nicht gilt – in ihrer Freizügigkeit insoweit betroffen seien, als ihnen eine Einreise nach Bayern nur mehr bei Vorliegen eines triftigen Grundes möglich wäre, fehlt es ihm jedenfalls an der entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO notwendigen Antragsbefugnis.

Unabhängig davon dürfte mit der Ausgangsbeschränkung auch kein Eingriff in die Freizügigkeit verbunden sein. Zwar ist zuzugestehen, dass das Bundesverfassungsgericht sich längst vom klassischen Eingriffsbegriff gelöst hat und nach dem modernen Verständnis auch mittelbare und lediglich faktische Grundrechtsbeeinträchtigungen ausreichen lässt; allerdings müssen solche – insbesondere in Bezug auf die Freizügigkeit – „zielgerichtet“ sein, um qualitativ als Eingriff zu gelten (so BVerfG, U.v. 17.3.2004 – 1 BvR 1266/00 – BVerfGE 110, 177/191 = juris Rn. 35, 36). Gerade dieser Umstand, der nach Auffassung des Gerichts auch sinnvoll ist, um das oben genannte Exklusivitätsverhältnis der Schutzbereiche von Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG und Art. 11 GG (vor allem betreffend die freie Wahl des Aufenthaltes) nicht auf Eingriffsebene verschwimmen zu lassen, ist bei der vorliegenden Ausgangssperre nicht ersichtlich. Der Schutzbereich von Art. 11 GG bezieht sich insbesondere auf das Recht zur freien Wahl des Wohn- und Aufenthaltsortes im Bundesgebiet. Erfasst sind hiervon in Abgrenzung zu Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG vor allem Verhaltensweisen, die sich als Fortbewegung im Sinne eines Ortswechsels qualifizieren lassen und dadurch eine – eben über die bloße körperliche Bewegungsfreiheit hinausgehende – Bedeutung für die räumlich gebundene Gestaltung des alltäglichen Lebens haben (so BVerfG, B.v. 25.3.2008 – 1 BvR 1548/02 – juris Rn. 25). Mit der Ausgangsbeschränkung mag diese räumliche Lebensgestaltung zwar mittelbar beeinträchtigt sein, allerdings wohl nicht „zielgerichtet“, sondern lediglich als Folge des primären Eingriffs in die körperliche Bewegungsfreiheit. Dies deutet bereits die Begründung der streitgegenständlichen Allgemeinverfügung an (vgl. dort Zu 4.-6.: „Einschränkung des persönlichen Bewegungsfreiheit“), dürfte sich aber auch aus dem Zweck der Allgemeinverfügung ergeben, nämlich zur Eindämmung des Corona-Virus unbeschadet des jeweiligen Aufenthaltsortes (d.h. wo sich die Wohnung befindet) der Adressaten deren persönliche soziale Kontakte, die sich infolge uneingeschränkter Bewegungsfreiheit ergeben können, zu begrenzen. Da es sich aber letztlich bei den Fragen des Verhältnisses zwischen Grundrechten untereinander und deren Beeinträchtigung im konkreten Fall nicht lediglich um bloße Gesetzesanwendung, sondern schwierige und stark normativ geprägte Entscheidungsvorgänge handelt, muss dies nicht im Rahmen des nur summarischen Eilverfahrens geklärt werden, sondern kann der Entscheidung im Hauptsacheverfahren überlassen bleiben (vgl. dazu OVG NRW, B. v. 26.1.1999 – 3 B 2861/97 – juris Rn. 4).

Für das Gericht ist es auch nicht von vornherein ausgeschlossen, dass hier das Instrument der Allgemeinverfügung (Art. 35 Satz 2 BayVwVfG) gewählt werden konnte. Wie der Regelung des § 32 IfSG („auch durch Rechtsverordnung“) entnommen werden kann, kann die zuständige Behörde – soweit die Voraussetzungen hierfür vorliegen – von den Maßnahmen nach den §§ 28 bis 31 IfSG auch durch Verwaltungsakt Gebrauch machen. Welchen Regelungsinstruments sich die handelnde Behörde dabei im Einzelfall zu bedienen hat, hängt maßgeblich mit dem (materiellen) Inhalt der betreffenden Regelung zusammen. Nach Art. 35 Satz 2 Alt. 1 BayVwVfG ist eine Allgemeinverfügung ein Verwaltungsakt, der sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet. Mithin unterscheidet sich die sog. personenbezogene Allgemeinverfügung von der Rechtsnorm nicht etwa durch die Unbestimmtheit des betroffenen Personenkreises, sondern vielmehr durch die Konkretheit des geregelten Sachverhalts (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 19. Aufl. 2018, § 35 Rn. 161). Die Handlungsform der Allgemeinverfügung wird dabei namentlich dann in Betracht kommen, wenn die Behörde keine abstrakten Anweisungen treffen will, sondern sich ihr Handeln in der Regelung eines Einzelfalls des öffentlichen Rechts, also eines einzelnen realen Vorkommnis, erschöpfen soll (BVerwG, U.v. 28.2.1961 – I C 54.57 – juris Rn. 41). Dass die streitgegenständliche Allgemeinverfügung diesen Anforderungen nicht genügen würde, ist jedenfalls bei summarischer Prüfung nicht ohne weiteres feststellbar. Sie ist ausweislich ihres Titels gerade „anlässlich der Corona-Pandemie“ und damit der hieraus resultierenden konkreten Infektionsgefahr erlassen worden (vgl. insb. auch die Begründung der Allgemeinverfügung). Sie erschöpft sich damit in der Regelung eines einzelnen realen Vorkommnisses, nämlich der aufgrund der Ausbreitung des Corona-Virus konkret bestehenden Infektionsgefahr. Nichts anderes ergibt sich aus der Sicht des Gerichts durch den zwischenzeitlichen Erlass einer inhaltsgleichen Rechtsverordnung seitens des Antragsgegners, da die gerichtliche Beurteilung sich nicht nach dem Handeln der Beteiligten, sondern nach den rechtlichen Vorgaben richtet. Ferner dürfte der von der Allgemeinverfügung erfasste Adressatenkreis hinreichend bestimmbar sein. Dabei kann die insoweit notwendige Eingrenzung des bestimmbaren Adressatenkreises auch durch den Bezug auf einen bestimmten, räumlich begrenzten Bereich erfolgen (vgl. VGH BW, B.v. 22.10.1999 – 5 S 1121/99 – juris Rn. 5). Eine solche räumliche Eingrenzung könnte hier dergestalt erfolgt sein, dass dem Regelungsgehalt der Allgemeinverfügung alle im Zeitraum vom 21. März 2020 bis zum 3. April 2020 in Bayern befindlichen Personen unterfallen. Im Übrigen könnte es für das Vorliegen eines nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis ausreichend sein, wenn dieser erst durch den Inhalt der Regelung begründet wird, indem etwa allen denjenigen, die etwas Bestimmtes tun wollen, dieses verboten wird und sich die Regelung damit an jedermann wendet (Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl 2018, § 35 Rn. 287). Auch die streitgegenständliche Allgemeinverfügung knüpft an ein bestimmtes Verhalten, nämlich des Verlassen der eigenen Wohnung ohne triftige Gründe, an und beinhaltet damit ein gegenüber jedermann, der dies zu tun gedenkt, wirkendes Verbot. Zuzugestehen ist, dass es durchaus auch nachvollziehbare Argumente für eine Rechtsverordnung anstelle der Allgemeinverfügung gibt. Letztlich können hier aber auch die gerade den Grenzbereich zwischen Allgemeinverfügung und Rechtsverordnung auslotenden Fragen im summarischen Verfahren offen bleiben.

Schließlich ist für das Gericht auch nicht ohne weiteres erkennbar, inwiefern das Regelungskonzept der Allgemeinverfügung, wonach der den eigenen Wohnbereich Verlassende triftige Gründe hierfür vorbringen muss, strafrechtliche Prinzipien, nach dem Vortrag des Antragstellers namentlich die Grundsätze zur Beweislastverteilung sowie das Verbot der Selbstbelastung verletzt. Die die Ausgangsbeschränkung vollziehenden Behörden unterliegen nach wie vor dem Untersuchungsgrundsatz. Dieser korreliert im Verwaltungsverfahren aber mit den Mitwirkungspflichten des Betroffenen, die insbesondere dann umfangreicher sind, wenn der zu ermittelnde Sachverhalt in der Sphäre des Betroffenen liegt. Da die als Ausnahme zur Ausgangsbeschränkung vorgesehenen triftigen Gründe im Wesentlichen auf die Motivationslage für das Verlassen des eigenen Wohnbereichs und damit an subjektive Elemente anknüpfen, können diese naturgemäß am einfachsten durch den Betroffenen selbst vorgetragen werden, weshalb es nicht von Anfang an ausgeschlossen ist, von ihm eine erhöhte Mitwirkung im Sinne eines Vorbringens der Gründe zu verlangen; gleichwohl entbindet dies natürlich nicht die Vollzugsbehörden von der grundsätzlichen Geltung der Amtsermittlung. Hierin ist auch nicht per se eine Verletzung strafrechtlicher Prinzipien zu erkennen. Fraglich ist schon, ob und mit welchem Umfang sich diese auch auf das Verständnis verwaltungsrechtlicher Regelungen auswirken können oder die Auflösung von Konfliktsituationen in einem sich ggf. anschließenden Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahren gefunden werden muss. Jedenfalls aber führt die Obliegenheit, triftige Gründe vorzubringen, gerade nicht zu einer Selbstbelastung, da bei Nachkommen dieser Pflicht schon keine Zuwiderhandlung gegeben ist. Das Fehlen triftiger Gründe – allein daraus könnte sich überhaupt das Offenbaren einer Delinquenz ergeben -, muss der Betroffene gerade nicht offenlegen; hier steht es ihm vielmehr frei zu schweigen. Ob auf bloßem Schweigen der Nachweis einer Ordnungswidrigkeit bzw. Straftat gegründet werden kann, ist eine Frage des Beweisrechtes, die im jeweiligen Verfahren nach den dort vorherrschenden Grundsätzen entschieden werden muss. Nichts anderes dürfte sich aus Sicht des Gerichts daraus ergeben, dass nach dem Vortrag des Antragstellers die triftigen Gründe unbestimmt seien und der jeweilige Adressat damit sein Vorbringen im Hinblick auf eine Selbstbelastung gar nicht abschätzen könne. Auch dies ist keine im hier relevanten verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu klärende Frage. Für die verwaltungsrechtlich Beurteilung allein entscheidend kann nur sein, ob die triftigen Gründe jedenfalls bestimmbar sind (vgl. Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG; Stelkens in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 37 Rn. 7); dies ist hier der Fall (s. dazu eingehender noch unten).

Nach summarischer Prüfung lässt sich auch eine offensichtliche Unverhältnismäßigkeit oder Unbestimmtheit der Allgemeinverfügung nicht feststellen. Wie der Antragsteller selbst angibt, führt eine Ausgangssperre bzw. die hier vorliegende Ausgangsbeschränkung dazu, dass die Zahl der sozialen Kontakte reduziert wird, was nach Einschätzung von Virologen die Ausbreitung des Corona-Virus verlangsamt und damit Leib und Leben von Personen schützen kann, wie es dem Zweck des Infektionsschutzgesetzes entspricht (§ 1 Abs. 1 IfSG) und was auch der Zweck der erlassenen streitgegenständlichen Allgemeinverfügung ist. So soll – wie aus der Begründung ersichtlich ist – durch eine Verlangsamung des Infektionsgeschehens die Belastung für das Gesundheitswesen insgesamt reduziert, Belastungsspitzen vermieden und die medizinische Versorgung sichergestellt werden. So gibt auch das Robert-Koch-Institut an, dass durch gesamtgesellschaftliche Anstrengungen wie die Reduzierung von sozialen Kontakten mit dem Ziel der Vermeidung von Infektionen im privaten, beruflichen und öffentlichen Bereich, diese Ziele zu erreichen sind. Insgesamt soll die Zahl der gleichzeitig Erkrankten so gering wie möglich gehalten und Zeit gewonnen werden, um weitere Vorbereitungen zu treffen, wie Schutzmaßnahmen für besonders gefährdete Gruppen, Behandlungskapazitäten in Kliniken zu erhöhen und die Entwicklung antiviraler Medikamente und von Impfstoffen zu ermöglichen (vgl. zum Ganzen Risikobewertung zu COVID-19 des Robert-Koch-Instituts: https://www…de/….html). Die Erkrankung ist hoch infektiös, weshalb gerade soziale Kontakte generell die Gefahr der Verbreitung des Virus bergen. Es sollen hochrangige Schutzgüter (Leben, körperliche Unversehrtheit und Gesundheit der Allgemeinheit und Einzelner) geschützt werden, welche durch den sich schnell ausbreitenden und hochinfektiösen Virus bedroht sind. Die vorliegende Ausgangsbeschränkung ist – entgegen des Vortrags des Antragstellers – geeignet die, vorgenannten Zwecke zu erreichen, da gerade durch die effektive Beschränkung sozialer Kontakte die Ausbreitung des Corona-Virus verlangsamt werden kann (vgl. oben). Anderweitige Maßnahmen des Antragsgegners haben bislang nicht das gewünschte Ziel, die Eindämmung bzw. Verlangsamung der Verbreitung des Virus, erreicht. So hat der Antragsgegner zunächst durch eine Allgemeinverfügung zu Veranstaltungsverboten und Betriebsuntersagungen des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege und des Bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales vom 16. März 2020, Az. 51-G8000-2020/122-67, geändert durch Bekanntmachung vom 17. März 2020, Az. Z6a-G8000-2020/122-83 versucht, soziale Kontakte einzudämmen. Allerdings haben diese Maßnahmen nicht den gewünschten Erfolg erzielt bzw. konnten sie die sozialen Kontakte nicht im erforderlichen Maß reduzieren. Dass die vorgenannten Maßnahmen nicht ausreichend waren, zeigt sich insbesondere an den Zahlen der Neuinfektionen während dieser Maßnahmen. So wurden am 16. März 267 neue Fälle erfasst, am 17. März bereits 465, am 18. März 711 und am 19. März 778 (vgl. zur Entwicklung der Neumeldungen seit 28. Januar 2020: Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, Fälle nach Meldedatum in Bayern: https://www…de/…). Es mag zwar sein, dass aufgrund der Inkubationszeit die Erkrankungszahlen noch kein abschließendes Bild von der Wirksamkeit der getroffenen Maßnahmen zeigen konnten. Allerdings hat der exponentielle Trend deutlich gemacht, dass nur mit weitgehenden Beschränkungen der zu erwartenden massiven Steigerung der Infizierten begegnet werden kann. Ein milderes, genauso effektives Mittel wie eine vorläufige Ausgangsbeschränkung ist nach Überzeugung des Gerichts, besonders aufgrund der immens steigenden Zahlen von Neuinfizierten, nicht ersichtlich. Es erschließt sich dem Gericht nicht, dass ein vom Antragsteller vorgetragenes Kontaktverbot jedenfalls gleich effizient sein soll. Bei einem Kontaktverbot würde die Gefahr zufälliger Personenansammlungen an viel frequentierten Orten weiterhin bestehen, so dass die effektive Einschränkung von sozialen Kontakten nicht mehr gewährleistet wäre. Die Maßnahme ist auch bei Abwägung gegenüber den beeinträchtigten Rechtsgütern verhältnismäßig im engeren Sinne. Die hochrangigen Rechtsgüter des Gesundheitsschutzes und des Lebens der Allgemeinheit und auch des Einzelnen die durch die Verlangsamung der Ausbreitung der hochinfektiösen Viruserkrankung zwecks Gewährleistung ausreichender Kapazitäten des Gesundheitssystems geschützt werden, rechtfertigen auch die einschneidenden, freiheitsbeschränkenden Maßnahmen der streitgegenständlichen Allgemeinverfügung. Die Verhältnismäßigkeit ist insbesondere dadurch gewahrt, dass ein Verlassen der Wohnung nicht gänzlich verboten ist, sondern bei Vorliegen triftiger Gründe, welche unter Ziff. 5 der Allgemeinverfügung nicht abschließend aufgeführt sind, erlaubt ist. Die Einschränkung der vorrangig betroffenen Freiheitsgrundrechte wird dadurch relativiert. So ist es jedem Bürger und auch dem Antragsteller in jedem Fall erlaubt, die Wohnung zur Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit, zur Inanspruchnahme medizinischer Versorgung oder auch zur Versorgung mit Gegenständen des täglichen Bedarfs zu verlassen. Auch der Besuch bei zum Beispiel Lebenspartnern, die Begleitung von unterstützungsbedürftigen Personen, die Begleitung Sterbender und Sport und Bewegung an der frischen Luft (alleine oder mit Angehörigen des eigenen Hausstandes) und Handlungen zur Versorgung von Tieren sind triftige Gründe. Andere Tätigkeiten sind durch die Verwendung des Begriffs „insbesondere“ abgedeckt. Der Vortrag des Antragstellers, dass die Ziff. 4 in Verbindung mit Ziff. 5 der Allgemeinverfügung zu unbestimmt seien, überzeugt nicht. Hierbei verkennt der Antragsteller, dass sich weitere, nicht ausdrücklich genannte Gründe anhand des Sinn und Zwecks der Regelung sowie im Vergleich zu den bezeichneten Gründen bestimmen lassen, mithin Art und Umfang der trifftigen Gründe durchaus auslegungsfähig sind. So ergibt sich nach Auffassung des Gerichts aus dem Sinn und Zweck – Reduzierung sozialer Kontakte – und der ausdrücklich genannten Ausnahme „Sport und Bewegung an der frischen Luft eindeutig, dass auch ein Aufenthalt im eigenen dem Wohnbereich zugeordneten oder sich in der Nähe befindenden Garten erlaubt sein muss. Mit Blick hierauf verfangen auch die anderen aufgezählten Beispiele des Antragstellers nicht, um eine Unbestimmtheit zu begründen. Bei der Bewertung der Verhältnismäßigkeit ist auch zu berücksichtigen, dass die Allgemeinverfügung zunächst nur für den Zeitraum vom 21. März bis 3. April 2020 festgesetzt ist, womit der Antragsgegner gezeigt hat, dass er nach Ablauf dieser Zeit eine neue Risikoeinschätzung vornehmen wird und die dynamische Entwicklung der Erkrankung fortlaufend im Blick behalten wird.

Nach alledem kann die Frage nach der Rechtmäßigkeit der Allgemeinverfügung im Rahmen des summarischen Verfahrens nicht eindeutig verneint werden, sondern erweist sich allenfalls als offen.

2. Die somit vorzunehmende Abwägung zwischen dem öffentlichen Vollzugsinteresse und dem Aussetzungsinteresse des Antragstellers geht hier – auch und gerade im Lichte des aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG abzuleitenden staatlichen Schutzauftrages – zu Lasten des Antragstellers aus. Dabei sind die Folgen, die eintreten, wenn die aufschiebende Wirkung angeordnet wird, die angefochtene Verfügung sich aber als rechtmäßig erweist, gegen die Folgen abzuwägen, die eintreten, wenn die aufschiebende Wirkung nicht angeordnet wird, sich die Verfügung aber später als rechtswidrig erweist. Auf die betroffenen Grundrechte ist in besonderer Weise Bedacht zu nehmen (vgl. BVerfG, B. v. 12.5.2005 – 1 BvR 569/05 – juris Rn. 23 ff.).

Das vorliegende öffentliche Interesse an Leben, körperlicher Unversehrtheit und Gesundheit der Allgemeinheit und Einzelner überwiegt das private Interesse des Antragstellers an einer Anordnung der aufschiebenden Wirkung.

Die genannten hochrangigen Schutzgüter sind durch den sich schnell ausbreitenden und hochinfektiösen Virus bedroht. Das Robert-Koch-Institut, das bei der Vorbeugung übertragbarer Krankheiten und Verhinderung der Weiterverbreitung von Infektionen eine besondere Expertise aufweist (vgl. § 4 IfSG), schätzt die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland derzeit insgesamt als hoch ein. Die weltweite Ausbreitung von COVID-19 wurde bereits am 11. März 2020 von der WHO zu einer Pandemie erklärt. Mit Stand vom 27. März 2020 hat das Robert-Koch-Institut in Bayern 9.481 Fälle von Coronainfizierten erfasst, wobei in 55 Fällen die Krankheit tödlich verlaufen ist. Es wurde ein Anstieg im Vergleich zum Vortag von 1.488 Neuinfizierten verzeichnet. Deutschlandweit wurden am 27. März 2020 42.288 Fälle bei 253 Todesfällen erfasst und damit ein Anstieg von 5.780 im Verlauf eines Tages (vgl. zu den Zahlen Robert-Koch-Institut COVID-19: Fallzahlen in Deutschland und weltweit: https://www…de/…html). Die Fallzahlen steigen weiter rasant an (vgl. oben). Es handelt sich vorliegend um eine Krankheit, welche welt- und landesweit auftritt und sich sehr schnell ausbreitet. Es liegt eine dynamische und ernst zu nehmende Situation vor, insbesondere da bei einem Teil der Fälle die Krankheitsverläufe schwer sind und es auch zu tödlichen Krankheitsverläufen kommen kann. Hinzu kommt, dass nach dem derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnisstand auch bei Symptomfreiheit die Krankheit hochinfektiös ist und für diese aktuell weder ein Impfstoff noch eine spezifische Therapie verfügbar ist. Schwere Verläufe können auch bei Personen ohne Vorerkrankung auftreten und auch bei jüngeren Patienten beobachtet werden, insbesondere sind aber ältere Personen (mit stetig steigendem Risiko für schweren Verlauf ab etwa 50-60 Jahren), Raucher, Personen mit bestimmten Vorerkrankungen wie zum Beispiel des Herz-Kreislauf-Systems, der Lunge oder auch Patienten mit geschwächtem Immunsystem von einem erhöhten Risiko für schwere Verläufe betroffen (vgl. hierzu Steckbrief zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) des Robert-Koch-Intituts: https://www…de/…html).

Angesichts dieser Gefahren ist die individuelle Betroffenheit des Antragstellers, welcher insbesondere in seinen Freiheitsgrundrechten eingeschränkt wird, im Vergleich zu den Gefahren für oben genannte Schutzgüter hinsichtlich der Folgenabwägung jedenfalls im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung als geringer einzustufen.

Hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass zwischenzeitlich eine Rechtsverordnung (Bayerische Verordnung über eine vorläufige Ausgangsbeschränkung anlässlich der Corona-Pandemie vom 24. März 2020) erlassen wurde, welche den Antragsteller inhaltsgleich zu der streitgegenständlichen Allgemeinverfügung bindet. Insofern sind die Rechtsgüter des Antragstellers auch unabhängig von der Allgemeinverfügung schon durch die Rechtsverordnung in gleicher Weise betroffen, so dass sich für den Antragsteller bei einer Anordnung der aufschiebenden Wirkung keine wesentliche Verbesserung seines status quo ergeben kann. Selbst wenn die Rechtsverordnung eventuell keine Geltung mehr haben sollte, sei es durch eine Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs oder durch deren Aufhebung durch den Verordnungsgeber, bliebe es dem erkennenden Gericht nach § 80 Abs. 7 VwGO unbenommen, diesen Beschluss im Fall eines anderen Ausgangs der dann gebotenen Interessenabwägung von Amts wegen zu ändern oder aufzuheben. Im vorliegenden Eilverfahren kommt es jedenfalls bei Bewertung der Interessenlagen maßgeblich auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung an, so dass selbst eine eventuelle zukünftige Aufhebung der Rechtsverordnung im Rahmen dieser Entscheidung nicht berücksichtigt werden kann.

Hinzu kommt, dass der Antragsteller weiterhin seine Wohnung bei Vorliegen triftiger Gründe verlassen darf (vgl. ausführlich oben) und daher der Eingriff in die Rechte des Antragstellers deutlich verringert wird. Eine besondere individuelle Betroffenheit in seinen (Freiheits-) Grundrechten hat der Antragsteller nicht vorgetragen. Im Schriftsatz vom 21. März 2020 weist der Antragsteller lediglich darauf hin, dass es ihm untersagt sei, sich alleine im eigenen Garten aufzuhalten oder mit der in eigener Wohnung lebenden Mutter einen gemeinsamen Spaziergang an der frischen Luft zu unternehmen. Diese vorgetragenen individuellen Umstände überzeugen nach dem Sinn und Zweck der Allgemeinverfügung nicht (vgl. oben). Ein einschneidender Eingriff in eigene Belange kann daher nicht angenommen werden. Im Übrigen macht der Antragsteller keine individuelle Betroffenheit geltend, sondern verweist auf die Gefahr einer möglichen Straftat bei einem Verstoß gegen die Allgemeinverfügung. Im Schriftsatz vom 24. März 2020 weist der Antragsteller zum Beispiel noch darauf hin, dass er bevor die Ausgangssperre verhängt wurde, bereits seine eigenen Sozialkontakte eingeschränkt habe und zum Beispiel auch seine Kanzlei für den Publikumsverkehr geschlossen habe. Hierdurch macht der Antragsteller deutlich, dass er gerade nicht durch die Allgemeinverfügung individuell eingeschränkt wurde.

Im Hinblick auf die erlassene Rechtsverordnung und, da in Bezug auf den Antragsteller keine individuellen, besonderen Umstände vorgetragen sind, die einer Entscheidung gerade im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes bedürfen, überwiegt jedenfalls das öffentliche Vollzugsinteresse, welches hier dem Schutz überragend wichtiger Rechtsgüter dient.

Da die Folgenabwägung zu Gunsten des Vollzugsinteresses des Antragsgegners ausgeht, greift der Antrag nicht durch.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 und 2 GKG. Das Gericht orientiert sich dabei am Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Nach dessen Nr. 1.5 beträgt in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes der Streitwert in der Regel ½. Allerdings kann auch in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, die die Entscheidung in der Sache ganz oder zum Teil vorwegnehmen, der Streitwert bis zur Höhe des für das Hauptsacheverfahren anzunehmenden Streitwerts angehoben werden. Hiervon wurde vorliegend Gebrauch gemacht.

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