VG Cottbus 8 L 185/21

Mai 29, 2021

VG Cottbus 8 L 185/21
Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag der Antragstellerin, hinsichtlich der von ihr im Einzelnen benannten Konzertveranstaltungen im Zeitraum vom 4. Juni 2021 bis zum 27. Juni 2021 im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig festzustellen,

dass sie berechtigt ist, diese in der H… vor Publikum unter Einhaltung ihres Hygienekonzepts und der jeweils geltenden Hygienevorgaben der Siebten SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung durchzuführen,

hilfsweise, dass sie berechtigt ist, diese in der H… vor Publikum unter Einhaltung ihres Hygienekonzepts und der jeweils geltenden Hygienevorgaben der Siebten SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung durchzuführen, wenn und soweit die maßgebliche Sieben-Tages-Inzidenz den Schwellenwert von 100 nicht an drei aufeinanderfolgenden Tagen überschreitet mit der Folge, dass das Verbot aus § 28b Abs. 1 Nr. 5 des Infektionsschutzgesetzes gilt,

ist bereits unzulässig.

Denn soweit der Antrag der Antragstellerin darauf gerichtet ist, für die von ihr beabsichtigte Konzertreihe die Unanwendbarkeit – bzw. wörtlich die einstweilige Aussetzung – der die Untersagung von Konzertveranstaltungen normierenden Regelungen der §§ 7 Abs. 1, 22 Abs. 1 Nr. 1 der Siebten SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung (7. SARS-CoV-2-EindV) vom 6. März 2021 in der Fassung der Siebten Änderungsverordnung vom 11. Mai 2021 herbeizuführen, wendet sie sich ersichtlich (§§ 122 Abs. 1, 88 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO –) unmittelbar gegen diese Regelungen, deren Verhältnismäßigkeit sie in Frage stellt. Damit ist der Antrag aber nur als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung im Rahmen eines Normenkontrollverfahrens vor dem Oberverwaltungsgericht nach § 47 Abs. 1 und Abs. 6 VwGO statthaft, das andernfalls umgangen würde (vgl. hierzu schon Verwaltungsgericht Cottbus, Beschluss vom 5. November 2020 – VG 3 L 499/20 -, Seite 2 EA sowie Beschluss der Kammer vom 16. April 2021 – VG 8 L 153/21 -, juris Rn. 15 f.; ebenso Verwaltungsgericht Schleswig-Holstein, Beschluss vom 30. April 2020 – 1 B 70/20 -, juris Rn. 3 ff.). Eine Klage mit dem alleinigen Ziel der Unanwendbarkeit einer Rechtsnorm kann grundsätzlich nicht auf § 43 VwGO gestützt werden – und das entsprechende Eilverfahren nicht auf § 123 VwGO –, da eine solche Klage auf kein Rechtsverhältnis abzielt, sondern eine Umgehung des § 47 VwGO ermöglichen würde (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 23. August 2007 – 7 C 13/06 –, juris Rn. 20).

Aus der von der Antragstellerin diesbezüglich in Bezug genommenen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 31. März 2020 – 1 BvR 712/20 – folgt nichts Anderes. Denn das dortige Verfahren basierte auf der Berliner Rechtslage, die die Möglichkeit einer prinzipalen Normenkontrolle durch das Oberverwaltungsgericht gerade nicht vorsieht. Unterliegt die Gültigkeit einer untergesetzlichen Norm nicht der durch § 47 VwGO eröffneten Kontrolle durch die Fachgerichte, begründet sich die Statthaftigkeit eines dergestalt atypischen, nämlich unmittelbar auf die Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Norm gerichteten Feststellungsantrages mit dem aus Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes folgenden Gebot des effektiven Rechtsschutzes (vgl. Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 31. März 2020 – 1 BvR 712/20 –, juris Rn. 15; Verwaltungsgericht Schleswig-Holstein, Beschluss vom 30. April 2020 – 1 B 70/20 –, juris Rn. 5 m.w.N.), dem im Land Brandenburg jedoch bereits hinreichend durch die Möglichkeit einer Normenkontrollklage nach § 47 VwGO genügt ist (vgl. § 4 Abs. 1 des Brandenburgischen Verwaltungsgerichtsgesetzes). Auch dass die Antragstellerin nach ihrem Vorbringen keine Außervollzugsetzung der benannten Normen der Siebten SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung in ganz Brandenburg bezwecke, sondern einen Individualrechtschutz in Form einer umfassenden Verhältnismäßigkeitsprüfung im Einzelfall vor dem Hintergrund insbesondere ihres Hygienekonzeptes anstrebe, ändert nichts daran, dass sie insoweit ausschließlich eine unmittelbare Rechtmäßigkeitskontrolle der benannten Normen begehrt, die der Zuständigkeit des Oberverwaltungsgerichts unterfällt. Dass hinsichtlich der von ihr beabsichtigten Konzertreihe eine Ausnahmevorschrift – etwa § 22 Abs. 1 Nr. 1 („Autokonzerte“) oder ab dem 21. Mai 2021 Abs. 3 der 7. SARS-CoV-2-EindV – (entsprechend) Anwendung finden müsse, macht sie demgegenüber gerade nicht geltend.

Eine Verweisung des Rechtsstreites an das zuständige Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zwecks Durchführung eines Verfahrens nach § 47 Abs. 6 VwGO kommt hier nicht in Betracht, da die Antragstellerin ihren Antrag nicht gegen den Normgeber, sondern den Landrat des Landkreises D… gerichtet hat, der im Verfahren nach § 47 VwGO nicht passiv legitimiert ist.

Soweit die Antragstellerin darüber hinaus auch die einstweilige Aussetzung der Regelung des § 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) begehrt und sich damit unmittelbar gegen ein förmliches (Bundes-)Gesetz wendet, ermangelt es demgegenüber jeglicher Normverwerfungskompetenz der Fachgerichte (vgl. hierzu Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 31. März 2020 – 1 BvR 712/20 –, juris Rn. 16.). Insofern kann dahinstehen, dass die sog. Bundes-Notbremse des § 28 b IfSG im Landkreis D… bereits seit dem 10. Mai 2021 außer Kraft getreten ist, nachdem die Sieben-Tages-Inzidenz seit fünf Werktagen ununterbrochen unter dem Schwellenwert von 100 lag (Stand 17. Mai 2021: 43,3; abrufbar unter h…), so dass es diesbezüglich derzeit auch an einem Rechtschutzbedürfnis der Antragstellerin fehlen dürfte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO

Der festgesetzte Streitwert entspricht dem gesetzlichen Auffangstreitwert gemäß § 52 Abs. 2 i. V. m. § 53 Abs. 2 Nr. 2 des Gerichtskostengesetzes, wobei das Gericht im Hinblick auf die von der Antragstellerin begehrte Vorwegnahme der Hauptsache von einer Halbierung des sich danach ergebenden Betrages absieht.

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