VG Düsseldorf, Urteil vom 20.04.2009 – 4 K 686/09

Januar 31, 2021

VG Düsseldorf, Urteil vom 20.04.2009 – 4 K 686/09

Werden im Baugenehmigungsverfahren Inhaber von Grundstücksrechten beteiligt, die im Grundbuch „als Gesellschafter bürgerlichen Rechts“ eingetragen sind, so ist dies gebührenrechtlich die Beteiligung lediglich eines Angrenzers.
Tenor

Der Gebührenbescheid des Beklagten vom 29. Dezember 2008 wird aufgehoben, soweit darin Gebühren von mehr als 500,- Euro festgesetzt sind und gefordert werden.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand

Die Klägerin beantragte und erhielt vom Beklagten die Baugenehmigung für den Anbau einer Balkonanlage (1. Obergeschoss am freien Giebel) an das Haus Callee 94 auf dem Grundstück in E, G1. Die auf den 16. September 2008 datierende Baugenehmigung wurde am 8. Januar 2009 abgesandt. Zuvor wurden für die mit der Genehmigung ausgesprochene Abweichung von Abstandvorschriften (§ 6 BauO NRW) die Angrenzer des östlich anschließenden Grundstücks Hausnummer 96 (G2) beteiligt. Dem Grundbuch folgend waren das die Industrieterrains E1 AG als Eigentümerin und vier Erbbauberechtigte. Die Erbbauberechtigten sind im Grundbuch (Bl. 5657 und 6069) als Gesellschafter bürgerlichen Rechts unter der Bezeichnung „T GbR“ eingetragen. Für die Einzelheiten wird auf die von dem Gericht am 16. April 2009 eingeholten Grundbuchauszüge verwiesen.

Für die Erteilung der Baugenehmigung erhob der Beklagte mit Gebührenbescheid vom 29. Dezember 2008 Gebühren in Höhe von insgesamt 950,- Euro. Darin sind 750,- Euro (fünfmal 150,- Euro) für die Beteiligung von fünf Angrenzern nach § 74 BauO NRW enthalten.

Die Klägerin hat am 28. Januar 2009 Klage erhoben. Sie möchte erreichen, dass sie nur für die Beteiligung von zwei Angrenzern herangezogen wird, nämlich der Eigentümerin und der GbR als Erbbauberechtigter.

Sie verweist darauf, dass es sich bei der GbR um eine ungeteilte Erbengemeinschaft handele. Diese könne das Erbbaurecht nur gemeinschaftlich ausüben. Zudem habe der Beklagte die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs übergangen, wonach eine GbR im Außenverhältnis als Personengesellschaft zu behandeln sei.

Die Klägerin beantragt,

den Gebührenbescheid des Beklagten vom 29. Dezember 2008 aufzuheben, soweit darin Gebühren von mehr als 500,- Euro festgesetzt sind und gefordert werden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er macht geltend: Nach § 74 BauO NRW seien die Erbbauberechtigten zu beteiligen. Es handele sich um eine verfahrensrechtliche Bestimmung, die materiellrechtliche Rechtspositionen weder einschränke noch erweitere. Im Grundbuch seien vier Erbbauberechtigte eingetragen, die somit alle zu beteiligen gewesen seien. Es sei nicht Aufgabe der Bauaufsichtsbehörde, die Rechtspositionen einzelner „Gemeinschaften“ zu ermitteln.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.
Gründe

Die Klage hat Erfolg. Sie ist zulässig und begründet. Der Gebührenbescheid des Beklagten vom 29. Dezember 2008 ist, soweit er im Streit steht, rechtswidrig und verletzt in diesem Umfang auch die Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Der Beklagte hat die Gebühr für die Angrenzerbeteiligung nach Tarifstelle 2.5.3.2 des Allgemeinen Gebührentarifs zur Allgemeinen Verwaltungsgebührenordnung vom 3. Juli 2001 zu hoch festgesetzt. Die Tarifstelle sieht bei Abweichungen nach § 74 BauO NRW pro beteiligtem Angrenzer eine zusätzliche Gebühr in Höhe von 150,- Euro vor. Danach hätte der Beklagte insoweit nur 300,- und nicht 750,- Euro festsetzen dürfen; denn es wurden nicht fünf, sondern lediglich zwei Angrenzer beteiligt. Außer der Industrieterrains E1 AG als Eigentümerin war dies nur noch die T GbR als Erbbauberechtigte.

Dies geht aus den Eintragungen im Grundbuch hervor. Danach sind „Erbbauberechtigte nunmehr (folgen vier Namen) als Gesellschafter bürgerlichen Rechts unter der Bezeichnung ‚T GbR’“ (Blatt 6069). Mit dem gleichen Zusatz sind die vier Gesellschafter im Erbbaugrundbuch (Blatt 5657) eingetragen. Diese bereits am 12. März 2002 erfolgten Eintragungen haben den Inhalt, dass Inhaberin des Erbbaurechts die T GbR ist. Der Wortlaut – vier Erbbauberechtigte als Gesellschafter usw. – darf nicht zu der Annahme verleiten, in Wahrheit handele es sich um vier Rechtsinhaber. Dieser Wortlaut ist lediglich darauf zurückzuführen, dass in der obergerichtlichen Rechtsprechung der Zivilgerichte die Grundbuchfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) umstritten ist. Zumindest war sie dies noch bis ins Jahr 2008 hinein und damit jedenfalls auch im Zeitpunkt der Eintragungen.

In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist allerdings die Rechtsfähigkeit der (Außen-) GbR seit der Grundlagenentscheidung aus dem Jahre 2001 geklärt.

Vgl. BGH, Urteil vom 29. Januar 2001 – II ZR 331/00 -, BGHZ 146, 341 („Arge Weißes Ross“).

Seitdem steht damit zugleich fest, dass die (Außen-)GbR auch zur Grundstückseigentümerschaft fähig ist. Noch nicht geklärt ist demgegenüber die formale Frage, wie die Grundbucheintragung der rechtsfähigen GbR als Inhaberin von Grundstücksrechten richtigerweise zu lauten hat. Wird die GbR als „grundbuchfähig“ angesehen, so ist sie selbst einzutragen. Im anderen Fall sind die Gesellschafter „in Gesellschaft bürgerlichen Rechts“ oder „als Gesellschafter bürgerlichen Rechts“ einzutragen.

Vgl. zusammenfassend etwa Karsten Schmidt, NJW 2008, 1841, 1842.

Das Amtsgericht Düsseldorf als zuständiges Grundbuchamt (§ 1 Abs. 1 Satz 1 GBO) folgte offenbar der Meinung, die die Grundbuchfähigkeit der GbR weiterhin verneint

– so etwa Schl-H OLG, Beschluss vom 29. Oktober 2007 – 2 W 212/07 -, NJW 2008, 306; a.A. etwa OLG Stuttgart, Beschluss vom 9. Januar 2007 – 8 W 223/06 -, NJW 2008, 304 –

und hat deshalb die Eintragung so vorgenommen wie oben wiedergegeben.

Der Bundesgerichtshof hat zuletzt zu erkennen gegeben, dass er „im Ansatz“ derjenigen Auffassung folgt, die die Grundbuchfähigkeit der GbR bejaht und eine Eintragung der GbR unter ihrem Namen in das Grundbuch für möglich und geboten hält.

Vgl. BGH, Beschluss vom 4. Dezember 2008 – V ZB 74/08 -, NJW 2009, 594.

Eines vertieften Eingehens auf diese jüngste, bei Erlass des hier streitgegenständlichen Gebührenbescheides noch wenig bekannte Entscheidung bedarf es im vorliegenden Zusammenhang indessen nicht. Denn auch wenn – wie hier – im Grundbuch weiterhin nicht die GbR, sondern deren Gesellschafter mit dem Zusatz „als Gesellschafter bürgerlichen Rechts“ eingetragen sind, ist die Gesellschaft Eigentümerin des Grundstücks (oder Inhaberin des Erbbaurechts). Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs wird dies für den Rechtsverkehr durch diese Eintragung „unzweifelhaft zum Ausdruck gebracht“.

Vgl. BGH, Urteil vom 25. September 2006 – II ZR 218/05 -, NJW 2006, 3716.

Für den Beklagten konnte demnach bei Einblick in das Grundbuch objektiv kein Zweifel daran bestehen, dass er es nur mit einem Erbbauberechtigten zu tun hatte, nämlich der T GbR. Weiterer Nachforschungen zu Innenverhältnissen der GbR bedurfte es für die Gewinnung dieser Einsicht nicht.

Die Rechtsprechung des Gebührensenats des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen zur Wohnungseigentümergemeinschaft steht dem nicht entgegen. Das OVG NRW ist der Ansicht, wenn hinsichtlich des angrenzenden Grundstücks Wohnungseigentum begründet worden sei, seien (jedenfalls bis zum 1. Juli 2007) sämtliche Sondereigentümer, nicht aber die nach außen als teilrechtsfähig auftretende Wohnungseigentümergemeinschaft selbst zu beteiligen. Zur Begründung hat es tragend darauf abgestellt, dass sich aus dem Grundbuch die Wohnungseigentümergemeinschaft nicht als Eigentümerin ergebe. Zudem blieben das Sonder- und das Gemeinschaftseigentum ausschließlich in den Händen der Miteigentümer; sie seien nicht Teil des Vermögens des rechtsfähigen Verbands.

Vgl. OVG NRW, Urteile vom 24. Juni 2008 – 9 A 2792/06 und 3356/06 -.

In dem gegenwärtigen Fall liegen diese Dinge gänzlich anders. Die GbR ist aus dem Grundbuch als Inhaberin des Erbbaurechts ersichtlich. Das Erbbaurecht bleibt nicht in der Hand der vier Gesellschafter, sondern steht allein der GbR zu.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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