VG Freiburg Urteil vom 10.9.2021, 9 K 763/21

Oktober 15, 2021

VG Freiburg Urteil vom 10.9.2021, 9 K 763/21

1. Ein Soloselbständiger, der sein insgesamt unterhalb der Pfändungsfreigrenzen liegendes Nettoeinkommen aus insgesamt drei Einkunftsarten (selbständige Tätigkeit: Geigenunterricht, Auftritt als Musiker; Gewerbliche Tätigkeit: Geigenverleih, Pultmappenproduktion; Vermietung: einer Ferienwohnung) erzielt, betreibt ein im Grundsatz förderungsfähiges „Unternehmen“ im Sinne der „Corona-Soforthilfe-Richtlinie“ des Wirtschaftsministeriums Baden-Würrtemberg (vom 22.03.2020) bzw. der Verwaltungsvorschrift des Wirtschaftsministeriums Baden-Württemberg für die Gewährung von Überbrückungshilfen als Billigkeitsleistungen für von der Coronakrise in ihrer Existenz bedrohte Soloselbständige, kleine Unternehmen und Angehörige der Freien Berufe (vom 08.04.2020).

Das gilt ungeachtet dessen, dass bezüglich der Vermietung keine Gewerbeanmeldung vorliegt und ob die daraus erzielten Einnahmen weniger als ein Drittel des Gesamteinkommens ausmachen, da in diesem Fall wegen des geringen Nettogesamteinkommens eine künstliche Aufspaltung des Unternehmens in einzelne Betriebsarten und deren isolierte Einstufung als nicht förderungsfähige „wirtschaftliche Tätigkeit im Nebenerwerbsbetrieb“ mit dem Sinn und Zweck der Corona-Soforthilfe Regelungen unvereinbar sind.

2. Ein Unternehmen ist nur dann ein – grundsätzlich von der Förderung durch Corona-Soforthilfe-Leistungen ausgeschlossenes – „Unternehmen in Schwierigkeiten“ im Sinne von Rz. 20 a – c der Leitlinie der EU Kommission (2014/C 249/01) bzw. des Art 2 Abs 18 der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung (Verordnung [EU] N.651/2014 der Kommission vom 17.06.2014), wenn es im Zeitpunkt der Beantragung der Soforthilfe „auf kurze oder mittlere Sicht so gut wie sicher zur Einstellung seiner Geschäftstätigkeit gezwungen sein wird“.

Im Regelfall ist diese Prognose zu treffen, wenn das Unternehmen bereits „Gegenstand eines laufenden Insolvenzverfahrens ist“ oder die „Voraussetzungen für die Eröffnung eines solchen auf Antrag seiner Gläubiger erfüllt sind“.

Eine atypische Ausnahme von diesem Regelfall liegt aber vor, wenn die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gegen das vom Einzelinhaber fortgeführte Vorgängerunternehmen zwar mangels Masse abgelehnt worden ist und er keine Privatinsolvenz mit Restschuldbefreiung durchführen konnte und Pfändungsversuche von Altgläubigern regelmäßig erfolglos verlaufen, aber sich der Umstand daher noch immer bestehender von ihm niemals mehr abbaubarer hoher Altschulden nicht kausal auf den Weiterbetrieb seines Unternehmens auswirkt, weil er den Betrieb so konzipiert hat, dass er mit den insgesamt daraus erzielten Einnahmen unterhalb der durch ein Pfändungsschutzkonto gesicherten Pfändungsfreigrenzen liegt und seit Jahren in dieser Form sein geringes Einkommen an der Grenze zum Existenzminimum erzielt, ohne während des Betriebs Kredit aufnehmen zu müssen, bzw. seine selbständigen Leistungen als Vorleistung erbringt, bzw. seine Einkäufe von Rohmaterial für die Pultmappenproduktion nur gegen Vorkasse tätigt.

3. Für die Corona-Soforthilfe-Förderung nach der o.g. Verwaltungsvorschrift vom 08.04.2020 aber auch nach der ihr vorangegangenen Richtlinie vom 22.03.2020 genügt allein die Darlegung eines gegenüber dem Vorjahr festzustellenden Umsatzeinbruchs/Gewinnausfalls als eigenständiger Förderungsgrund nicht. Erforderlich ist vielmehr zusätzlich, dass sich daraus ein sog. „Liquiditätsengpass“ ergibt, weil eine Gegenüberstellung ergibt, dass aus den laufenden Einnahmen die laufenden kurzfristigen Verbindlichkeiten ganz oder teilweise nicht mehr erfüllt werden können, so dass die wirtschaftliche Weiterexistenz des Unternehmens gefährdet ist. Zu den in die Berechnung des Liquditätsengpasses einzustellenden Ausgaben zählen nur die im Bewilligungszeitraum tatsächlich getätigten und geflossenen Ausgaben, die auch Investitionen zur Aufrechterhaltung des Weiterbetriebs umfassen können. Nicht berücksichtigungsfähig sind hingegen nur geplante, aber zurückgestellte, nicht getätigte Einkäufe von Rohmaterialien und Waren auf Vorrat, die erst für die Zukunft nach Ende des Förderungszeitraums den Weiterbetrieb sicherstellen sollen.

4.Zwei sich offenkundig widersprechende und daher paradoxe Angaben zu einem förderungsrelevanten Gesichtspunkt enthalten in der Gesamtbetrachtung gar keinen Aussagegehalt, der einer Einstufung als richtig oder unrichtig zugänglich wäre, und stellen daher keine „unrichtige Angabe“ im Sinne von § 48 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 VwVfG dar. An einer „groben Fahrlässigkeit“, also einer besonders schweren Sorgfaltspflichtverletzung, fehlt es in Bezug auf die Richtigkeit eines Bewilligungsbescheids dessen Empfänger dann im Sinne von § 48 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 VwVfG, wenn er als juristischer Laie die Fehlerhaftigkeit des Bescheids schon deshalb nicht „ohne Weiteres“ und „aufgrund einfachster, ganz naheliegender Überlegungen“ hätte erkennen können, weil die beim Bescheiderlass vorgeschaltet tätige Vorprüfungsinstanz und die letztentscheidende Bewilligungsbehörde selbst als fachkundige Stellen nicht erkannt haben, dass der Bescheid „so nicht richtig sein“ kann. Ist auf einen positiven Bewilligungsbescheid hin die bewilligte Summe gleichwohl nicht an den Bescheidempfänger ausgezahlt worden, so kann er die bewilligte Leistung zwar nicht verbraucht haben, er hat dann aber eine die Schutzwürdigkeit seines Vertrauens auf den Bestand des Bescheids im Regelfall begründende, nicht mehr in zumutbarer Weise rückgängig zu machende Vermögensdisposition im Sinne von § 48 Abs. 2 S. 2 VwVfG getroffen, wenn er sich mit Blick auf den Bescheid und in Erwartung der baldigen Auszahlung der bewilligten Summe privat Geld zur Überbrückung bis zum Empfang der Bewilligungen geliehen und diese privaten Schulden infolge seiner am untersten Randes des Existenzminimums verlaufenden wirtschaftlichen Lage nicht einfach zurückzahlen kann.

Tenor

Der Bescheid der Beklagten vom 15.12.2020 und ihr Widerspruchsbescheid vom 18.02.2021 werden aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

1
Der Kläger wendet sich gegen die Rücknahme eines Bescheids, mit dem ihm eine Corona-Soforthilfe in Höhe von 2.150 Euro bewilligt worden ist.
2
1. Er war früher Inhaber eines auf Streichinstrumente spezialisierten Musikfachgeschäfts („Musikhaus X“) und verkaufte und verlieh dort Geigen. 1998 unterschlug ein Entleiher zwei Geigen im Wert von ca. 600.000. Da der Kläger die Geigen in Kommission genommen hatte, geriet er aufgrund der Ersatzforderungen des Eigentümers der Geigen mit seinem Geschäft in wirtschaftliche Bedrängnis und kämpft jahrelang um dessen Erhalt.
3
Durch Verkäufe und auch Sicherungsübereignungen von Geigen gelang es ihm zwar, einen Teil der Schulden abzubauen und das Geschäft noch bis 2007 weiterzuführen. Er blieb aber schließlich bei Lieferanten, dem Finanzamt und anderen Gläubigern doch insgesamt so hoch verschuldet, dass die AOK schließlich als Gläubiger 2007 einen Insolvenzantrag stellte, der jedoch mangels Masse abgelehnt wurde, weil nicht einmal genügend Vermögen zur Deckung der Kosten des Konkursverfahrens mehr vorhanden war. Der Kläger gab außerdem die eidesstattliche Versicherung ab und meldete auf Anraten des Gewerbeaufsichtsamtes, das mit einer Gewerbeuntersagung gedroht hatte, das Geschäft am 31.10.2007 als Gewerbe ab. Danach bezog er einige Jahre lang Hartz IV-Leistungen.
4
Der Kläger zog dann zu seiner alten Mutter, um sich um sie zu kümmern, da sie nicht mehr allein zu Recht kam. 2007 wurde auf den Namen seiner Mutter und nach deren Tod (2014) dann am 13.01.2015 (Behördenaktenseite [BAS] 100) auf seinen Namen eine kleines Gewerbe „Herstellung und Vertrieb von Musikzubehör und Geigenverleih“ (im Nebenerwerbsbetrieb – vgl. Ziff. 16 des Anmeldeformulars – BAS 100) angemeldet, dessen wirtschaftliche Betätigung aus einer Eigenproduktion von sogenannten Pultmappen für Musiker und dem Verleih von Geigen besteht. Dieses Gewerbe betreibt der Kläger seither als Unternehmer, nämlich als Solo-Selbständiger, bis heute ununterbrochen und erzielt damit Einkünfte aus einem Gewerbebetrieb als Einzelunternehmer.
5
Daneben erzielt er außerdem auch noch Einnahmen aus selbständiger, freiberuflicher Tätigkeit, nämlich aus gelegentlichen Auftritten als Musiker sowie aus der Erteilung von Geigenunterricht und seit 2019 auch noch aus Einnahmen aus Vermietung, nämlich aus der Untervermietung einer im Eigentum seines Bruders stehenden Ferienwohnung.
6
Trotz seiner hohen Altschulden aus der Insolvenz seines Musikgeschäfts, die der Kläger auf eine „sechsstellige Summe“ beziffert, die aus ca. 40 Schuldtiteln resultiere, (BAS 126), ist es ihm gelungen, im Einvernehmen mit dem Finanzamt und dem Gewerbeamt einen Zustand herzustellen, der es ihm seither ermöglicht, aus diesen drei Einkunftsquellen in den vergangenen sechs Jahren ein regelmäßiges Einkommen zu erzielen, das unterhalb der Pfändungsfreigrenzen liegt und ihm ein wirtschaftliches Überleben am unteren Rand des wirtschaftlichen Existenzminimums ermöglicht. Er erzielt ausweislich der von ihm vorgelegten Steuerbescheide aus den Jahren 2017 – 2020 (BAS 10 und Gerichtsaktenseite [GAS] 113 -118) jährlich ca. 10.000 Euro an Einkünften aus Gewerbebetrieb, freiberuflicher Tätigkeit, und Untervermietung und lebt schon seit Jahren von monatlich ca. 1.000 – 1.200 Euro aller Bescheidenheit am Limit in der günstigen Abgeschiedenheit eines kleinen ländlichen Ortes.
7
Mit dem Finanzamt hatte er vor der Anmeldung seines Kleingewerbes 2014 ein ausführliches Gespräch geführt. Da ihm bei der geringsten Unzuverlässigkeit eine Gewerbeuntersagung droht, bedient er seine laufenden geringen Steuerschulden pünktlich. Im laufenden Geschäftsbetrieb macht er keine Schulden. Die Zubehörteile für seine Pultmappenproduktion erhält er von den Lieferanten gegen Vorkasse. Sonstige geschäftliche Fixkosten hat er nicht.
8
Nachdem es ihm aufgrund der 2007 abgegebenen eidesstattlichen Versicherung lange Zeit nicht möglich war, ein Konto einzurichten, gelang es ihm 2016 schließlich, bei der X.Bank, deren Sachbearbeiterin ihn von seinem Musikgeschäft her noch kannte und ihm vertraute, ein Konto ohne Überziehungsrahmen einzurichten, das als Pfändungsschutzkonto ausgestaltet ist (vgl. BAS 120: Pfändungsfreibetrag 1.703,21 Euro; der Pfändungsfreibetrag berücksichtigt, dass der Kläger noch zwei ihm gegenüber unterhaltsberechtigte Kinder hat – vgl. BAS 142).
9
Der Kläger trägt vor, dass er vor diesem Hintergrund seine hohen Altschulden aus seiner früheren Insolvenz mit seinem Verdienst nie werde abtragen können. Von den drei Hauptgläubigern sei im Wesentlichen nur noch sein Bruder als Gläubiger übriggeblieben. Die meisten Altgläubiger hätten sich auch gar nicht mehr gemeldet. Soweit ein paar wenige Gläubiger aus den alten Schuldtiteln gelegentlich noch Pfändungsversuche unternähmen, blieben diese jedes Mal erfolglos. Vom Gerichtsvollzieher, der ihn schon gut kenne, bekomme er insoweit ab und zu mal Besuch und er erneuere in diesem Zusammenhang alle paar Jahre auch seine eidesstattliche Versicherung. Nach allem habe er auch gar nie einen Anlass und auch keine finanzielle Möglichkeit gesehen, eine Privatinsolvenz mit Restschuldbefreiung zu beantragen.
2.
10
2.1. Im Zuge der Corona Pandemie stellte der Kläger bei der beklagten Landeskreditbank unter Verwendung des entsprechenden Antragsformulars am 28.3.2020 einen Antrag auf Bewilligung einer Corona-Soforthilfe in Höhe von 2.150 Euro für die Überbrückung eines in der Folge der Pandemie durch Umsatzeinbrüche eingetretenen Liquiditätsengpasses zur Sicherung der Existenz seines Betriebs (BAS 1, 9 und 180). Laut seiner Eintragungen im Antragsformular ist er Einzelunternehmer, dessen gewerbliche, freiberufliche bzw. sonstige Tätigkeit aus der Produktion von Musikzubehör, Geigenunterricht, Auftritten als Musiker und der Vermietung einer Ferienwohnung besteht. Er schrieb im Antrag wörtlich, hiermit stelle er „als Freiberufler und hochverschuldeter ehemaliger Hartz-IV-Empfänger“ einen Antrag auf Soforthilfe wegen Einnahmeausfalls aufgrund der Corona-Pandemie. Dem in der Anlage beigefügten Steuerbescheid von 2018 (der zu versteuernde Einkünfte aus den drei oben genannten Einkunftsarten in Höhe von insgesamt 9.845 Euro ausweist – siehe BAS 10) seien seine bescheidenen Einkommensverhältnisse zu entnehmen. Er gab ferner an, da er wegen einer erlittenen Unterschlagung in 6-stelliger Höhe „seit vielen Jahren insolvent“ sei, habe er neben dem deutschen Pfändungsschutzkonto auch ein schweizerisches Konto, da es wegen zu hoher Umsätze nicht praktikabel sei, die Einnahmen aus der Untervermietung auf das Pfändungsschutzkonto zu verbuchen. Er bat, ihm die Soforthilfe entweder einmalig in voller Höhe auf das angegebene Schweizer Konto oder in drei Monatsraten auf das deutsche Pfändungsschutzkonto zu zahlen, da die bewilligte Soforthilfe, würde sie in gesamter Höhe auf das Pfändungsschutzkonto überwiesen dort sonst womöglich wegen Überschreitung der Pfändungsfreigrenze teilweise gepfändet werden könnte. Im Antragsformular wurde auf dessen erster Seite darauf verwiesen, man möge bitte als Ausfüllhilfe die auf der Internetseite des Wirtschaftsministeriums veröffentlichten FAQ als Hilfestellung für auslegungsbedürftige Begriffe nutzen. Unter Ziff.4 des Formulars kreuzte der Kläger die Erklärung an, dass es sich bei seinem Unternehmen „nicht um ein Unternehmen in Schwierigkeiten gem. Rz. 20 a) bis c) der Leitlinie für staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung nichtfinanzieller Unternehmen in Schwierigkeiten (2014/C 249/01) handelt“.
11
Zur Begründung der Höhe der für die Monate April, Mai und Juni 2020 beantragten Liquiditätsbeihilfe im Umfang von 2.150 Euro verwies der Kläger darauf, sein Einkommen bewege sich schon zu normalen Zeiten am Rande des absoluten Existenzminimums. Im Bereich Musikunterricht habe er trotz der Pandemie zum Glück durch online-Unterricht fast alle Schüler behalten können und für drei Monate insgesamt nur 150,- Euro Verluste erlitten. Seine Auftritte als Musiker seien hingegen komplett weggebrochen, nämlich eine Mitwirkung an einem Ostergottesdienst sei wegen der Coronasituation ebenso abgesagt worden wie an einer Hochzeit im Mai, wodurch er einen Verlust von ca. 500 Euro habe. Auch die Nachfrage nach Pultmappen sei im Zuge von Coronarestriktionen komplett eingebrochen. Bei einem Jahresgewinn im Vorjahr von sonst ca. 4.000 Euro habe er in den drei Monaten einen Verlust im Bereich Pultmappenproduktion von ca. 1.000 Euro erlitten. Schließlich seien alle Buchungen seiner von ihm untervermieteten Ferienwohnung für März und April wegen Corona storniert worden, wodurch er Verluste von ca. 500 Euro habe (150 + 500 +100 + 500 = 2.150 Euro).
12
Die IHK befürwortete die Bewilligung des Antrags. Alle Angaben seien vollständig, der Antrag sei unterschrieben, der Hauptsitz des Klägers in Baden-Württemberg und die Angabe, er sei „mit der Selbständigkeit wirtschaftlich und damit dauerhaft am Markt als Unternehmen oder im Haupterwerb als Freiberufler oder Soloselbständiger tätig“ sei bestätigt und die „Beschreibung zum Liquiditätsengpass“ sei „plausibel“ (BAS 11).
13
2.2. Nachdem die Beklagte zunächst am 23.04.2020 einen Ablehnungsbescheid (BAS 12) mit der Begründung erlassen hatte, der Kläger habe als Kontonummer in seinem Antrag eine unzutreffende IBAN Nummer angegeben (gemeint war, dass es eine Schweizer Kontonummer war – vgl. BAS 129), stellte der Kläger klar, er habe – wie bereits im Antrag ausgefüllt (BAS 1) – sein Schweizer Konto bei der postfinance X. angegeben, fragte an, ob er das Geld auch auf das deutsche Konto einer Freundin überweisen lassen könne und bat für den Fall, dass dies nicht möglich sei, darum, den Förderbetrag in drei Raten auf sein deutsches Pfändungsschutzkonto zu überweisen, damit eine Pfändung des Förderbetrags vermieden werde. Außerdem fragte er an, ob es sinnvoller sei, einen Widerspruch einzulegen oder einen Neuantrag zu stellen (siehe E-Mail vom 28.04.2020 – BAS 13). Auf Bitten der Beklagten, eine deutsche Kontonummer anzugeben, nannte der Kläger ihr dann die deutsche Kontonummer seiner Freundin bei der Sparkasse X. (siehe die E-Mails der Beklagten vom 02.05.2021 und die E-Mail des Klägers darauf vom 03.05.2020 – BAS 15).
14
2.3. Am 27.05.2020 erließ die Beklagte daraufhin einen Bewilligungsbescheid, mit dem sie dem Kläger im Wege der Festbetragsfinanzierung als Projektförderung „zur Überwindung einer durch die Corona-Pandemie entstandenen existenzbedrohenden Wirtschaftslage bzw. der Liquiditätsengpässe oder Umsatzeinbrüche“ „aufgrund seines Antrags vom 28.03.2020“ einen einmaliger Zuschuss in Höhe von 2.150 Euro unter Widerrufsvorbehalt bewilligte (BAS 17). Grundlage seien das Mittelstandsförderungsgesetz Bad.-Württ, die Landeshaushaltsverordnung sowie die Richtlinie für die Unterstützung der von der Corona-Virus-Pandemie geschädigten Soloselbständigen, Unternehmen und Angehörigen der Freien Berufe (Corona-Soforthilfe-RiL vom 22.03.2020). Es handle sich um eine nach EU-Recht zulässige De-minimis-Beihilfe im Sinne der EU VO 14007/2013 vom 18.12.2013. Die Auszahlung werde auf das angegebene Konto erfolgen. Unter Ziff. 6 enthielt der Bescheid einen Widerrufsvorbehalt für den Fall, dass der Kläger seine unter Ziff. 5 des Bescheids geregelten Mitteilungspflichten bezüglich nachträglicher Änderungen nicht erfülle. Außerdem wurde darauf hingewiesen, unrechtmäßig geleistete Zuwendungen seien vom Empfänger nach Erhalt eines Rückforderungsbescheids in der darin genannten Frist zurückzuzahlen. Unter Ziff. 7 des Bescheids wurde darauf hingewiesen, dass der Empfänger verpflichtet sei, zum Zwecke der späteren Nachprüfung der Bewilligung die dafür erforderlichen Auskünfte zu erteilen und Unterlagen vorzulegen.
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2.4. Im Ergebnis ist die bewilligte Soforthilfe allerdings auch in der Folgezeit tatsächlich nicht an den Kläger ausgezahlt worden:
16
Die Beklagte teilte dem Kläger zwar zunächst mit, der Betrag sei am 28.05.2020 auf das von ihm angegebene Konto (seiner Freundin unter der angegebenen IBAN Nummer bei der Sparkasse X.) überwiesen worden (BAS 108).
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Dort gelangte das Geld aber nicht auf das Konto (BAS 112), weil – wie sich herausstellte – die Sparkasse Corona-Soforthilfen nicht auf Konten von Inhabern gutschreiben darf, die (wie hier) mit dem Bewilligungsempfänger nicht identisch sind, so dass der von der Beklagten überwiesene Betrag von ihr wieder zurück an die Beklagte überwiesen worden war (BAS 107).
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Überwiesen wurde das Fördergeld aber auch nicht auf das auf seinen Namen lautende deutsche Pfändungsschutzkonto bei der X.-Bank, das er mit der Bitte genannt hatte (BAS 14, 21,22), die Förderung dorthin in Teilbeträgen zu überweisen, damit sie nicht möglicherweise teilweise gepfändet werden könne. Vielmehr wurde mit Blick auf die im späteren Verlauf dann von der Beklagten eingeleitete nachträgliche Überprüfung der Bewilligung (siehe dazu die nachstehenden Ausführungen) eine Auszahlung gestoppt (so ein interner Vermerk – BAS 129; siehe auch Sperrvermerke BAS 35, 43, 104) bzw. an anderer Stelle (BAS 184) führte die Beklagte aus, eine Auszahlung auf ein Schweizer Konto sei ebenso unzulässig, wie eine Auszahlung auf ein zwar deutsches Konto, das aber auf den Namen eines Dritten geführt werde (hier das Konto der Bekannten des Klägers), wobei von diesem Grundsatz auch nicht aufgrund des Hinweises des Klägers abzuweichen sei, dass er ansonsten in Deutschland nur ein auf seinen Namen laufendes Pfändungsschutzkonto besitze.
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Der Kläger – dem dies gegenüber nie offen von der Beklagten kommuniziert worden war und der sich daher in Spekulationen über die Gründe einer Nichtauszahlung erging – hat wegen der Auszahlung an ihn immer wieder um Auszahlung der Soforthilfe gebeten, zuletzt im November 2020 durch eine von ihm beauftragte Anwältin (BAS 134).
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Er hat insoweit mehrfach gegenüber der Beklagten vorgetragen, dass er dringend auf die Soforthilfe angewiesen sei und in welcher wirtschaftlich misslichen Lage er sich mangels Hilfe befinde, so dass er sich zwischenzeitlich mangels Auszahlung der Hilfe habe Geld leihen und insoweit neu habe verschulden müssen (vgl. dazu BAS 22 oben: „Es kommen schon viele 2. Mahnungen“; BAS 104 unten: „Habe zwar überleben können, teilweise aber nur noch mit Hilfe meiner Freundin“; GAS 3: „Habe mich privat bei Freunden und Bekannten verschulden müssen, weil die L-Bank ihre Zusage nicht eingehalten hat“, BAS 125: „Habe mich teilweise privat verschulden müssen, um diverse Versicherungen zahlen zu können“; BAS 126: Konnte mich mit Geigenunterricht über Wasser halten“, brauche Soforthilfe nicht zum „puren Überleben“. BAS 127: „Einnahmequellen total versiegt im Frühjahr“, „drei von vier Quellen versiegt“, „existenzbedrohend“).
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2.5. Mit Schreiben vom 25.06.2020 (BAS 24) forderte die Beklagte vom Kläger unter Hinweis auf die unter Ziff.7 dem Bescheid beigefügte Bestimmung über seine Auskunfts- und Darlegungspflichten einige Unterlagen zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Bewilligung an („Kopie des Personalausweises, Kontoauszug über Eingang der Corona-Soforthilfe, Gewerbeanmeldung [wenn vorhanden], Handelsregisterauszug [wenn vorhanden]“ und einen Nachweis über einen „Liquiditätsengpass in den drei dem Antrag auf Bewilligung von Corona-Soforthilfe [vom 28.03.2020] folgenden Monaten [also April – Juni 2020] in Form einer Gegenüberstellung von Einnahmen und Ausgaben in diesen drei Monaten und einer ebensolchen Gegenüberstellung von Einnahmen und Ausgaben aus dem entsprechenden Vorjahreszeitraum“).
22
Der Kläger legte entsprechende Unterlagen vor und gab eine Erläuterung dazu ab (E-Mail vom 07.07.2020 – BAS 103 und Unterlagen BAS 26 -101).
23
Mit Schreiben vom 14.08.2020 hörte die Beklagte den Kläger dann zu der von ihr beabsichtigten Rücknahme des Bewilligungsbescheids an (BAS 118). Zur Begründung führte sie aus, der Kläger habe im Antrag angegeben, mit seiner selbständigen Tätigkeit, für die er seinen Antrag auf Soforthilfe gestellt habe, werde das Haupteinkommen oder zumindest ein Drittel seines Nettoeinkommens erwirtschaftet, aus der vorgelegten Gewerbeanmeldung ergebe sich aber, dass die Tätigkeit im Nebenbetrieb betrieben werde. Außerdem habe er im Antrag angegeben, dass unmittelbar infolge der Corona-Pandemie eine existenzbedrohende Wirtschaftslage oder ein Liquiditätsengpass entstanden sei. Er möge insofern bitte mitteilen, ab wann er das von ihm erwähnte Pfändungsschutzkonto eingereicht habe.
24
Der Kläger teilte daraufhin unter Vorlage entsprechender Unterlagen mit, das Pfändungskonto sei am 17.065.2016 eingerichtet worden (BAS 120 -122).
25
2.6. Mit dem hier angefochtenen Rücknahmebescheid vom 15.12.2020 nahm die Beklagte gestützt auf § 48 Abs. 1 LVwVfG den Bewilligungsbescheid vom 27.05.2020 zurück.
26
Zur Begründung führte sie aus, der Bewilligungsbescheid sei rechtswidrig. Denn der Kläger habe im Antrag angegeben, dass es sich bei seinem Unternehmen nicht um ein „Unternehmen in Schwierigkeiten“ handle. Da er aber später mitgeteilt habe, dass er wegen der Unterschlagung von Instrumenten insolvent sei und Schulden in sechsstelliger Höhe habe, sei er im Zeitpunkt der Antragstellung nicht antragsberechtigt gewesen. Ein auch unanfechtbarer rechtswidriger Bescheid könne mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Rechtswidrig sei ein Bescheid, der durch unrichtige Anwendung bestehenden Rechts zustande gekommen sei. Das sei hier der Fall, da im Antrag falsche Angaben gemacht worden seien. Gründe dafür, mit Blick auf einen Vertrauensschutz nach Ermessen von der Rücknahme abzusehen (§ 48 Abs. 2 LVwVfG), seien nicht ersichtlich. Auf Vertrauensschutz könne sich der Kläger nicht berufen, weil er den Bewilligungsbescheid durch unrichtige oder unvollständige Angaben erwirkt habe (§ 48 Abs. 2 Nr. 2 LVwVfG).
27
2.7. Dagegen erhob der Kläger am 08.01.2021 Widerspruch. Zur Begründung führte er im Wesentlichen an, er habe keine falschen Angaben gemacht, sondern im Antrag seine hohe Verschuldung und Insolvenz in aller Deutlichkeit angegeben. Insoweit handle es sich aber um Altschulden aus seinem früheren abgemeldeten Gewerbebetrieb („Musikhaus X.“). Mit Blick auf Pfändungen aufgrund solcher Altschulden habe er das Pfändungsschutzkonto eingerichtet. Mit seiner Angabe „insolvent“ meine er, dass er nicht in der Lage sei, die festgestellten und titulierten Altschulden aus seinem früheren, insolvent gewordenen, als Gewerbe abgemeldeten Unternehmen zu begleichen, da auch seine Einkünfte nur im Rahmen der Pfändungsfreigrenze liege (BAS 137, 142).
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Mit seinem jetzigen Unternehmen, auf das bezogen er den Soforthilfeantrag zwecks Sicherung der wirtschaftlichen Existenz dieses Unternehmens gestellt habe, sei er im Zeitpunkt der Antragstellung auch nicht „zahlungsunfähig“ gewesen. Im Gegenteil, er betreibe es, ohne Schulden zu machen, seit Jahren erfolgreich und auskömmlich und wäre anderenfalls auch schon längst mit einer Gewerbeuntersagung konfrontiert worden. Er übe seine Tätigkeit seit Jahren ohne Schwierigkeiten oder Lieferengpässe und ohne Zahlungsschwierigkeit aus. Andernfalls hätte er ja auch sonst seine Zulieferer für die Pultmappenproduktion nicht über Jahre bezahlen können. Seine Soloselbständigkeit sei mithin kein „Unternehmen in Schwierigkeiten“, also eines, welches bereits vor der Corona Pandemie in wirtschaftlichen Schwierigkeiten gesteckt habe und daher nicht förderungswürdig sei. Vielmehr hätten seine Schwierigkeiten erst mit dem Wegbrechen seiner Einnahmen aus drei seiner vier Einkunftsquellen im unmittelbaren Zusammenhang mit der Corona Krise begonnen.
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Er sei auch mit Blick auf den Umfang seiner Einkünfte als Soloselbständiger antragsberechtigt. Denn er erwirtschafte als solcher nicht nur einen unbedeutenden Teil von weniger als einem Drittel seiner gesamten Nettoeinkünfte aus dieser Tätigkeit als Soloselbständiger, sondern seine gesamtes – bescheidenes die Pfändungsfreigrenzen nicht übersteigendes Einkommen – aus insgesamt drei Einkunftsquellen, nämlich aus freiberuflicher Tätigkeit (Geigenunterricht, Auftritte als Musiker), aus Vermietung (Untervermietung der Ferienwohnung) und aus gewerblicher Tätigkeit, nämlich aus dem angemeldeten Gewerbe (Herstellung und Vertrieb von Musikartikeln und Geigenverleih). Selbst wenn das Gewerbe nur als „Nebenbetrieb“ angemeldet sei, weil er mit Geigenunterricht und Auftritten mehr Einnahmen erziele als aus dem Pultmappenverkauf (BAS 126), sei es also nicht so, dass er mit seinem mehr als nur dieses Gewerbe umfassenden Unternehmen eines Soloselbständigen weniger als ein Drittel seiner Gesamteinkünfte, sondern seine gesamten Einkünfte erwirtschafte. Somit sei er auch antragsberechtigt gewesen (BAS 125), da das Soforthilfeprogramm auch für Solo-Selbständige und damit nicht nur für „Gewerbetreibende“ gelte, also auch für solche, die „aus freiberuflicher, selbständiger Tätigkeit“ Einkünfte erzielten (vgl. zu allem BAS 137 und 142 ff. sowie schon zuvor BAS 125,126).
30
Mit Widerspruchsbescheid vom 18.02.2021, der dem Kläger am 22.02.2020 zugestellt wurde, wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers vom 28.04.2020 gegen den ursprünglichen wegen der bloßen Angabe einer Schweizer Kontonummer ergangene Ablehnungsbescheid vom 23.04.2020 als unbegründet zurück (Insoweit behandelte die Beklagte die E-Mail des Klägers vom 28.04.2020, mit der dieser bezugnehmend auf den Ablehnungsbescheid die Angabe einer deutschen Kontonummer angeboten und angefragt hatte, ob es sinnvoller sei, Widerspruch einzulegen, als einen zwar als E-Mail nicht in der erforderlichen Schriftform eingelegten, aber gleichwohl von ihr als beachtlich angesehen Widerspruch). Zugleich wies sie auch seinen Widerspruch vom 07.01.2021 gegen den Rücknahmebescheid vom 15.12.2020 als unbegründet zurück.
31
Zur Begründung führte sie aus, der ursprüngliche Ablehnungsbescheid und auch der Rücknahmebescheid bezüglich des später ergangenen Bewilligungsbescheid seien rechtmäßig, weil der Kläger keinen Anspruch auf die beantragte und bewilligte Soforthilfe habe. Der Kläger sei als Einzelunternehmer/Soloselbständiger zwar im Sinne der Europäischen Kommission ein „Unternehmen“, weil es nicht auf die Rechtsform, sondern allein auf die wirtschaftliche Betätigung ankomme, so dass auch Selbständige oder sonstige Einheiten, die regelmäßig eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübten, als Unternehmen angesehen werden könnten. Er sei aber mit seinem Unternehmen nicht durch die Corona Pandemie in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten, die sich durch Liquiditätsengpässe manifestieren, sondern bei Antragstellung entgegen seiner im Formular angekreuzten Angabe ein „Unternehmen in Schwierigkeiten“ im Sinne der einschlägigen EU Richtlinie gewesen und habe insoweit bereits zuvor schon an einem Liquiditätsengpass gelitten. Das sei hier der Fall, denn er sei schon vor der Antragstellung seinen Angaben zufolge seit 2007 „insolvent“ gewesen, was auch die Existenz seines Pfändungsschutzkontos seit 2016 belege. Dass ihm gleichwohl zunächst sein Antrag bewilligt worden sei, lasse sich nur mit der unter Zeitdruck erfolgten Durchführung der Prüfung solcher Anträge im Rahmen des damaligen Massenverfahrens erklären.
32
Gegenüber der Rücknahme der Bewilligung könne sich der Kläger nicht gem. § 48 Abs. 2 S. 1 LVwVfG auf Vertrauensschutz berufen, da er die Rechtswidrigkeit des Bewilligungsbescheids ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erkennen müssen (§ 48 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 LVwVfG). Denn auf S. 1 des Antragsformulars werde in der Fußnote zur „Ziff.1.1.Antragsteller/in“ erläutert, dass nicht antragsberechtigt Unternehmen in Schwierigkeiten gem. Rz. 20a bis c der „Leitlinie für staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung nichtfinanzieller Unternehmen in Schwierigkeiten (2014/C249/01) seien, es sei denn, die Schwierigkeiten seien auf die Corona-Pandemie zurückzuführen. Zudem sei unter Ziff. 7 des Antragsformulars vom Kläger die Frage durch Ankreuzen bejaht worden, dass es sich bei seinem Unternehmen nicht um ein „Unternehmen in Schwierigkeiten“ im Sinne dieser Leitlinie handle. Ein Unternehmen sei aber entsprechend der Definition, wie sie auf der als Antragsausfüllhilfe im Antragsformular benannten Internetseite des Wirtschaftsministeriums unter FAQ-Stichwort „Bin ich ein Unternehmen in Schwierigkeiten“ enthalten sei, „in Schwierigkeiten“, wenn „ein Insolvenzverfahren eröffnet sei oder die Voraussetzungen hierfür gegeben seien“.
33
Da der Bewilligungsbescheid im Übrigen mit einem Widerrufsvorbehalt versehen gewesen sei, könne der Kläger einen Vertrauensschutz auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines Vertrauens auf den Bestand des Bescheids geltend machen.
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Ungeachtet dessen stehe einer Berufung auf Vertrauensschutz auch schon gem. § 48 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 LVwVfG entgegen, weil der Kläger den Bewilligungsbescheid auch durch Angaben erwirkt habe, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gewesen seien. Denn er habe unter Ziff. 7 angegeben, dass sein Unternehmen kein Unternehmen in Schwierigkeiten sei, obwohl ihm bekannt gewesen sei, dass seit 2007 ein Insolvenzverfahren anhängig sei.
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3. Am 17.03.2021 hat der Kläger Klage erhoben.
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Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, er habe den Bewilligungsbescheid entgegen der Ansicht der Beklagten nicht durch falsche Angaben erwirkt, sondern mit seinem Antrag in aller Deutlichkeit offen dargelegt, das er den Antrag als „selbständiger Freiberufler und hochverschuldeter ehemaliger Hartz-IV-Empfänger“ stelle und ein Pfändungsschutzkonto habe, weil er – aufgrund erlittener Unterschlagung in sechsstelliger Höhe – „seit vielen Jahren insolvent“ sei und dass er „in einer sehr schwierigen Situation (Konkurs, Pflege der demenzkranken Mutter) den Schritt in die selbständige Unabhängigkeit vom Jobcenter geschafft habe, auch wenn er sei Jahren an den Grenzen des Möglichen lebe“ (so seine Ausführungen im Antrag – BAS 180). Der Erlass des Bewilligungsbescheids beruhe daher nicht auf unrichtigen Angaben, sondern allenfalls darauf, dass die Beklagte seine Angaben nicht vollständig zur Kenntnis genommen habe.
37
Im Übrigen gehe die Beklagte zu Unrecht davon aus, dass sein Unternehmen insolvent sei. Ein Insolvenzverfahren sei gar nie eröffnet worden. Sein Unternehmen als Solo-selbständiger Freiberufler sei seit Jahren gesund und erfolgreich, wenngleich eben nur „auf kleinster Flamme“, so dass es gerade für sein minimalstes Auskommen reiche. Soweit er in seiner Widerspruchsbegründung geäußert habe, er sei seit 2007 „insolvent“, habe er dieses Wort deshalb auch nur in Anführungszeichen gesetzt verwendet. Denn es handle sich bei seinen Schulden aus der Geschäftsaufgabe des Musikgeschäfts X. um Altschulden. (Insoweit hat der Kläger einen Aktenordner mit Pfändungstiteln usw. aus der Zeit von 2007 bis spätestens 2012 vorgelegt). Dass sein Unternehmen, für das er die Sofort-Hilfe beantragt habe, ein Unternehmen in Schwierigkeiten sei, ergebe sich im Übrigen auch nichts aus dem Umstand, dass er ein Pfändungsschutzkonto habe. Denn nach jüngsten Urteilen (FG Münster vom 13.5.2021) sei die Corona-Soforthilfe unpfändbar. Das aber zeige, dass offenbar auch Unternehmen mit Schulden und anhängigen Pfändungen nicht bereits deshalb von vornherein als Unternehmen in Schwierigkeiten anzusehen und daher von der Soforthilfe schon grundsätzlich ausgeschlossen seien.
38
Er könne sich im Übrigen jedenfalls deshalb gegenüber der Rücknahme der Bewilligung auf Vertrauensschutz berufen, weil es ihm wohl kaum als grobe Fahrlässigkeit angelastet werden könne, wenn er die angebliche Rechtswidrigkeit der Bewilligung nicht erkannt habe, welche weder die Fachleute der IHK, die den Antrag befürwortet hätten, noch die fachkundigen Mitarbeiter der Beklagten dies, trotz offenliegender Faktenlage nicht vermocht hätten.
39
Auf Vertrauensschutz könne er sich zudem auch schon deshalb berufen, weil er im Vertrauen auf die Bewilligung eine Vermögensdisposition getroffen habe, die er nicht mehr bzw. nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen könne. Denn er habe sich in Erwartung einer Auszahlung im der bewilligten Hilfe privat verschuldet müssen, da ihm die Hilfe nicht ausgezahlt worden sei, es könne aber nicht angehen, dass Freunde und Bekannte Aufgaben der öffentlichen Hand zu übernehmen.
40
Der Kläger beantragt bei sachdienlicher Auslegung seines schriftsätzlichen Klagebegehrens (gem. §§ 86 Abs. 3, 88 VwGO),
41
den Bescheid der Beklagten vom 15.12.2020 und ihren Widerspruchsbescheid vom 18.02.2021 aufzuheben und festzustellen, dass die Hinzuziehung einer Bevollmächtigten im Vorverfahren notwendig war.
42
Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
44
Sie verweist auf die Gründe des angefochtenen Bescheids und des Widerspruchsbescheids.
45
Zur Rechtswidrigkeit der Bewilligung wegen Fehlens der rechtlichen Voraussetzungen für die Bewilligung einer Corona-Soforthilfe hat die Klägerin in ihrer ergänzenden Klagebegründung vom 20.08.2021 ausgeführt:
46
Bei dem Unternehmen des Klägers handle es sich um ein „Unternehmen in Schwierigkeiten“, das nach den Förderbedingungen von einer Förderung mit Mitteln der Corona-Soforthilfe ausgeschlossen sei. Der Kläger sei nämlich nach wie vor „zahlungsunfähig“, nämlich nicht in der Lage seine Altschulden zu begleichen, die aus der Schließung seines früher von ihm betriebenen und im Jahre 2007 gewerberechtlich abgemeldeten Musikgeschäfts resultierten. Denn er gebe nach eigenem Vorbringen immer wieder die eidesstattliche Versicherung ab, habe eine negative Schufa-Auskunft und der Gerichtsvollzieher besuche ihn ab und zu. Die Vollstreckungsverfahren aus den Schuldtiteln, zu denen der Kläger einen Aktenordner dem Gericht vorgelegt habe, seien nicht abgeschlossen, da die Verjährung rechtskräftig festgestellter Ansprüche 30 Jahre betrage. Das Abstandnehmen von weiteren Vollstreckungsversuchen durch manche Gläubiger führe nicht zu einer Verwirkung ihrer Ansprüche aus den Schuldtiteln. Im Übrigen gehe der Kläger, der im Laufe des Verfahrens um Auszahlung der Fördersumme in drei Raten auf sein deutsches Pfändungsschutzkonto gebeten habe, damit die Förderung nicht gepfändet werden könne, selbst davon aus, dass es hier noch Gläubiger geben, die solche Pfändungen gegen ihn durchführten.
47
Da bei einem Einzelunternehmer wie dem Kläger nicht zwischen Privat- und Betriebsvermögen zu unterscheiden sei, erweise sich sein Einwand als unerheblich, dass er in der Lage sei, seine laufenden Verpflichtungen aus seinen laufenden gewerblichen und selbständigen auf Gewinnerzielung angelegten Tätigkeiten zu bedienen und insofern keine neuen Schulden anhäufe. Vielmehr bleibe er so lange „zahlungsunfähig“, als er seine Altschulden nicht begleichen könne. Ob er selbst einen Insolvenzantrag gestellt habe oder nicht, sei gleichfalls unerheblich.
48
Entgegen der Ansicht des Klägers scheide hier auch eine isolierte Betrachtung seiner aktuellen wirtschaftlichen Betätigung aus. Diese lasse sich nämlich nicht von seiner früheren gewerblichen Tätigkeit trennen. Den Geigenverleih habe er nämlich schon früher im Rahmen seines Musikgeschäfts betrieben. Auch den Pultmappenverkauf habe er eigenen Angaben zufolge (BAS 178) schon vor dreißig Jahren, also auch schon im Rahmen seines Musikgeschäfts betrieben. Ein Kontinuitätsbruch, wie ihn die EU-Kommission voraussetze, um zu unterscheiden, ob sich nur ein früheres Altunternehmen „in Schwierigkeiten“ befunden habe und sich dessen Schwierigkeiten nicht auch auf ein neues Nachfolgeunternehmen erstreckten, liege damit gerade nicht vor. Es könne hier also nicht zwischen Altschulden und Neuschulden unterschieden werden. Vielmehr handle es sich beim Unternehmen des Klägers von Anfang an bis heute um das selbe Unternehmen, das schon vor Eintritt der Pandemie in wirtschaftlichen Schwierigkeiten gesteckt habe. Er hafte nach wie vor für seine Altschulden, denn er habe gerade keine Privatinsolvenz mit Restschuldbefreiung bezüglich seiner Altschulden beantragt, womit den Altgläubigern der Zugriff auf Neuvermögen versperrt worden wäre.
49
Der Umstand, dass er das aktuell von ihm betriebene Unternehmen schon seit sieben Jahren ununterbrochen zuverlässig und ohne neue Schulden zu machen betreibe und deshalb auch keine Gewerbeuntersagung erfolgt sei, besage nichts Gegenteiliges. Sein Unternehmen sei gleichwohl noch immer ein Unternehmen in Schwierigkeiten, auch wenn er sein Geschäft im Gläubigerinteresse weiterführe und seine Betriebseinnahmen, wenn sie die Pfändungsfreigrenze überschritten, an die Gläubiger abgeführt würden. Vielmehr bestätige dieser Umstand, dass sein Unternehmen nach wie vor „in Schwierigkeiten“ sei, denn er könne über die Erträge seiner Geschäftstätigkeit vor diesem Hintergrund ja gerade nicht frei verfügen, sondern habe seine Gläubiger zu bedienen. Da ihm insoweit nur das unpfändbare Minimum verbleibe, könne er auch nur noch in diesem Umfang, d.h. nur gegen Vorkasse, nicht aber auf Kredit, seine Geschäfte tätigen, wenn er sich nicht eines Eingehungsbetrugs strafbar machen wolle.
50
Unerheblich sei schließlich auch, dass nach der Rechtsprechung Corona-Soforthilfeleistungen pfändungsfrei seien. Denn die entsprechenden Gerichtsentscheidungen enthielten ausdrücklich keine Aussage dazu, ob die Corona-Soforthilfen zu Recht ausgezahlt worden seien oder nicht. Von daher lasse sich aus dem Umstand ihrer Zahlung nicht der Schluss ziehen, der Umstand, dass sich ein Schuldner auf Pfändungsschutz berufe, belege nicht zwangsläufig, dass sein Unternehmen ein Unternehmen „in Schwierigkeiten“ im Sinne der Bestimmungen über die Corona-Soforthilfen sei, weil ja offenbar solche Leistungen auch an Unternehmen möglich, denen gegenüber Gläubiger pfändbare noch offene Forderungen hätten.
51
Zuvor hatte die Beklagte in ihrer ersten Klageerwiderung außerdem zur Berechtigung des Klägers zum Empfang einer Förderleistung nach den Corona-Soforthilfe-Bestimmungen Folgendes ausgeführt:
52
Der Kläger sei hinsichtlich seiner Einkünfte aus Vermietung schon gar kein antragsberechtigtes Unternehmen, weil keine förderungsfähige Tätigkeit vorliege. Es fehle insoweit schon an einer Gewerbeanmeldung. Im Übrigen beliefen sich seine bezüglich dieser Einkunftsart genannten Einnahmen nach dem vorgelegten Steuerbescheid von 2019 (mit 1.151 Euro von insgesamt 9.845 Euro zu versteuerndem Einkommen) auf weniger als ein Drittel seines Nettoeinkommens, so dass es sich bei der Vermietung um einen bloßen Nebenerwerb handle, der nicht im Rahmen der Corona-Soforthilfe förderungsfähig sei. Denn die Förderrichtlinien (auf die in Fußnote 13 zu der vom Kläger im Antragsformular angekreuzten Ziff. 4 hingewiesen worden sei) sähen vor, dass „mit der Selbständigkeit, für die der Antrag gestellt werde, entweder das Haupteinkommen oder zumindest ein Drittel der Nettoeinnahmen der selbständigen Person erwirtschaftet“ werde und dass daher „Soloselbständige im niedrigschwelligen Nebenerwerb grundsätzlich nicht antragsberechtigt“ seien.
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Der Kläger führt dazu in seiner ergänzenden Klagebegründung aus: Auf eine Gewerbeanmeldung könne es nicht ankommen, denn die Corona Soforthilfe gelte laut Richtlinie ja für „in ihrer Existenz bedrohte Selbständige, kleine Unternehmer, und Freiberufler“, was auf ihn in allen drei Punkten zutreffe, da er aus seine wirtschaftliche Existenz als Solo-Selbständiger aus allen drei verschiedenen genannten Einkunftsquellen und den diesen zugrundeliegenden wirtschaftlichen Betätigungen bestreite.
54
Ferner führt die Beklagte aus, bezüglich der Einnahmen aus Vermietung von Geigen und Geigenunterricht habe der Kläger angegeben (BAS 104) im Vorjahreszeitraum 1845 Euro Einnahmen gehabt zu haben und ausweislich seiner Kontoauszüge für den gleichen Zeitraum im April – Mai 2020 insgesamt 2.623 Euro eingenommen zu haben, so dass insoweit gar kein Umsatzverlust, sondern ein Umsatzplus eingetreten sei. (Der Kläger hat insoweit im Antrag seinerzeit zwar gleichwohl einen Verlust von 150 Euro eingerechnet – BAS 180, ausweislich seiner Klagerwiderung dazu aber diesen Verlust gar nicht mehr in seine Berechnung eingestellt – GAS 91).
55
Bezüglich der Einnahmen aus Auftritten als Musiker sei ein coronabedingter Umsatzrückgang nicht plausibel gemacht. Der Kläger gebe hier für den Vorjahreszeitraum Einnahmen von 1.350 (zusammengesetzt aus Honoraren 150 + 1.200 Euro) an. Da nur 150 Euro im Jahr 2019 für einen Auftritt in einer Kirche an Ostern (Karfreitag) angefallen sei, der größte Teil aber, nämlich die 1200 Euro für einen Auftritte bei einer Praxiseinweihung (Dr.X.) im Jahr 2019 erzielt worden sei, also auf einem Auftritt aus einem privaten Anlasse beruhe, also gerade nicht auf einem öffentlichen Auftritt zu Ostern, sei ein coronabedingter Umsatzeinbruch an Einnahmen aus Auftritten als Musiker gegenüber dem Vorjahr durch den Verweis des Klägers auf seine zu Ostern 2020 abgesagten Auftritte im Umfang von 1200 Euro nicht plausibel gemacht. Selbst wenn aber coronabedingte Umsatzverluste durch Absage von Osterauftritten eingetreten sei, komme es für die Berechnung des Umfangs eines Liquiditätsengpasses darauf nicht an, weil allein Umsatzrückgänge bzw. entgangener Gewinn nicht förderfähig seien. Denn ein solcher liege nur vor, wenn aufgrund von coronabedingten Umsatzeinbußen laufende betriebliche Ausgaben nicht mehr durch vorhandene betriebliche Mittel bedient werden könnten.
56
(Der Kläger führt hierzu in seiner ergänzenden Klagebegründung aus, eine Unterscheidung zwischen öffentlichen und privaten Auftritten sei für ihn nicht nachvollziehbar. für ihn als Soloselbständigen sei jeder Umsatzeinbruch existenzgefährdend. Denn er lebe ja von den Einnahmen und könne mithin bei Entfallen von Auftrittshonoraren dann auch seine Lebenshaltungskosten nicht entsprechend decken, die er ja nach den Richtlinien bis zu 1180 Euro als fiktiver Unternehmerlohn als Unternehmensausgaben in die Berechnung einstellen dürfe – GAS 89, 91. Die Nachweise für ein im letzten Jahr an ihn durch Barzahlung eingegangenes Honorar in Höhe von 1.200 Euro für den Auftritt Praxiseinweihung Dr. X. hat er vorgelegt – GAS 141 – E-Mail vom 16.07.2021. Im Frühjahr hätte er erfahrungsgemäß immer die meisten Auftritts-Aufträge. Zum Beleg legt er noch eine Absage eines Hochzeitsauftritts für den 02.05.2020 per E-Mail vom 05.07.2021 an das Gericht vor – GAS 99).
57
Bezüglich des Pultmappenverkaufs bemängelt die Beklagte, dass der insoweit gegenüber dem Vorjahr erlittene Umsatzausfall in Höhe der vom Kläger dafür mit seinem Antrag geltend gemachten 1.118 Euro nicht nachvollziehbar dargelegt sei. Für das letzte Jahr habe er nur ausweislich der vorgelegten Kontoauszüge seines Pfändungsschutzkontos bei der X.Bank 689 Euro entsprechender Einnahmen nachgewiesen. Im Übrigen habe er durch Vorlage von Ausdrucken einer „Auftragsverwaltungs“-Software noch weitere Einnahmen aus diesem Geschäft in Höhe von 1.228 Euro angegeben, die aber weder in den Kontoauszügen der X.Bank noch den Auszügen betreffend seines Schweizer Kontos bei der Y. ausgewiesen seien.
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Ungeachtet dessen sei auch nicht plausibel dargelegt, dass coronoabedingt auch keine Nachfrage nach Pultmappen mehr bestanden habe und deshalb der Umsatz in- soweit im April bis Juni 2020 komplett weggebrochen sei. Denn Pultmappen ließen sich nicht nur für öffentliche Auftritte, sondern auch privat von Musikern nutzen, was sich aus einer entsprechenden Internetseite (loebnerblockfloeten.de) ergebe. Zudem seien Musiker und Orchester auch im Internet vor Online Publikum aufgetreten und am 06.05.2020 sei auch wieder der eingeschränkte Betrieb von Musikschulen aufgenommen worden. Ein entsprechender Liquiditätsengpass könne aber ungeachtet dessen jedenfalls schon deshalb nicht angenommen werden, weil Umsatzrückgänge und Gewinneinbußen nicht förderfähig seien, sondern eine Liquiditätslücke sei nur anzuerkennen, wenn Umsatzeinbußen dazu führten, dass laufende Betriebsausgaben nicht mehr durch vorhandene betriebliche Mittel gedeckt werden könnten.
59
Schließlich führt die Beklagte noch aus, auch wenn es mangels Antragsberechtigung des Unternehmens des Klägers darauf gar nicht mehr ankomme, sei doch hilfsweise auch darauf hinzuweisen, dass es in jedem Fall für die zurückgenommene Bewilligung der Corona-Soforthilfe in Höhe von 2.150 Euro an einem vom Kläger durch Gegenüberstellung von Einnahmen und Ausgaben für den Bewilligungszeitraum dargelegten Liquiditätsengpass in diesem Umfang fehle.
60
Insoweit seien nach dem Zufluss- und Abflussprinzip nur die tatsächlich im Bewilligungszeitraum getätigten Ausgaben und geflossenen Einnahmen zu berücksichtigen.
61
Was die Ausgabenseite seines Unternehmens angehe, würden sich aus den vorgelegten Kontoauszügen keine solchen ergeben, sondern nur private Unkosten, wie etwa für Krankenversicherung, Telefon, Grundsteuer, Kfz Steuer usw. (GAS 76).
62
Zwar könne maximal 1.180 Euro monatlich als fiktiver Unternehmerlohn als Betriebsausgabe anerkannt werden. Dass ihm insoweit in dieser Höhe Ausgaben entstanden seien, habe der Kläger aber nicht vorgetragen, sondern erklärt, er habe (auch ohne die Zahlung der Beklagten) wenngleich teilweise nur noch mit finanzieller Hilfe seiner Freundin wirtschaftlich überleben und sich mit seiner ihm einzig verbliebenen Einnahmequelle aus Geigenunterricht, die nicht eingebrochen sei, „über Wasser“ halten können und sei insoweit froh, die Soforthilfe nicht zum puren Überleben zu brauchen, wie manche seiner Künstlerkollegen.
63
Was die vom Kläger im Übrigen geltend gemachten Ausgaben in Bezug auf seine Einnahmequelle „Pultmappenproduktion“ im Umfang von 2.000 Euro angehe, die er für den alle drei Jahre anstehenden Einkauf der dafür erforderlichen Rohlinge und Materialien in seine Berechnung eingestellt habe, (Mindestbestellmenge von 3000 Stück bei seinem Lieferanten in Polen, den Auftrag habe er mangels Einnahmen nicht erteilen können), sei ein Liquiditätsengpass nicht belegt. Denn von einer im relevanten Zeitpunkt gegenwärtigen finanziellen Notlage insoweit könne keine Rede sein, da hier von ihm allein die Notwendigkeit finanzieller Mittel in dieser Größenordnung für Investitionen in die Zukunft geltend gemacht werde, die aber erst zum Jahresende 2020 erforderlich gewesen wären, weil der Kläger nach eigenen Angaben noch im Weihnachtsgeschäft 2020 ca. 30 Pultmappen aus seinen noch verbliebenen Vorräten verkauft habe, die länger als noch im Frühjahr gedacht, gereicht hätten. Künftige Investitionen, die außerhalb des Förderzeitraums lägen, seien aber nicht förderfähig, eine künstliche Vorverlegung von Zahlungen in diesen Zeitraum sei nicht zulässig.
64
(Der Kläger wendet demgegenüber ein, der Pultmappenverkauf sei ja im Förderzeitraum April bis Juni 2020 völlig eingebrochen gewesen. Bei normalem Verkauf hätte er in dieser Zeit so viele verkauft, dass er spätestens im Juni die Nachschubmaterialbestellung in Polen hätte tätigen müssen. Zur Zeit (August 2021) habe er noch – anders als es wohl missverständlich in der mündlichen Verhandlung geklungen habe – nicht noch einen Vorrat von 800 Rohlingen, sondern nur von 300 Stück. Das sei bei einer Lieferzeit für Nachlieferungen von 3 Monaten und extrem knapp, wenn das Weihnachtsgeschäft dieses Jahr (2021) wieder normal verlaufen solle. Da er entsprechende Fördergelder nach wie vor nicht ausgezahlt bekommen habe, könne er noch immer keine Bestellung von Nachschubmaterial gegen Vorkasse aufgeben. Das Gewerbe: Pultmappenproduktion sei also nach wie vor in der Existenz bedroht. Er habe einen Quartalsdurchschnittswert an Einnahmen aus Pultmappenverkauf in normalen Jahren vor der Corona Pandemie von ca. 2.150 Euro gehabt, hier aber nur 1.118 Euro – gemessen an diesem Umsatz im Vorjahr für April bis Juni 2019 und dem im April – Juni 2020 erlittenen völligen Ausfall solcher Umsätze – eingestellt. Dass seine besten Kunden für die Pultmappen selbst im vergangenen Jahr heftige Umsatzeinbrüche erlitten hätten, zeige, dass diese durchaus coronabedingt gewesen seien. Demgegenüber versuche die Beklagte krampfhaft, andere Ursachen als die Coronakrise für den Umsatzeinbruch heranzuziehen. Es sei aber so, dass eben Pultmappen gerade beim gemeinsamen Musizieren hilfreich seien [vier Notenblätter, kein Umblättern], da helfe auch nicht der von der Beklagten fiktiv angeführte ohnehin eingeschränkte online Musikbetrieb. Seit 30 Jahren verkaufe er stabil zwischen 1000, eher aber 1500 bis 2000 Pultmappen pro Jahr. Das Frühjahr gehöre insoweit neben Weihnachten traditionell zur umsatzstärksten Zeit. Die Bestellung der Pultmappen müsse er immer auch bis zu drei Monate im Voraus tätigen, da an seinem abgelegenen und im Winter in seinem nicht von Lieferfahrzeugen anfahrbaren Ort nicht ausgeliefert werde [BAS 104]. Wenn er ausweislich eines Vergleichs des Bewilligungszeitraums 2021 [April bis Juni] mit dem jeweiligen Vorjahreszeitraum 2019 [April bis Juni] insgesamt aus Pultmappenverkauf einen Umsatzverlust von 1.118, aus Vermietung einen Verlust [Differenz von von 1.323 zu 411, also von 912 Euro] und aus Musikerauftritten von 1.350 Euro einstelle, so komme er auf einen Gesamtverlust von 3.380 Euro. Selbst wenn man davon noch die Mehreinnahmen aus dem Geigenunterricht von 791 Euro abziehe, ergebe sich noch immer ein Gesamtverlust von 2.589 Euro. Dem stünden ein fiktiver Unternehmerlohn von 3 x 1.180 als Betriebsausgabe für seinen Lebensunterhalt [3.540 Euro] und von 2.000 Euro für den Materialeinkauf Pultmappen (also von insgesamt 5.540 Euro) und gegenüber, so dass eine Liquiditätslücke im Umfang des beantragten und bewilligten Förderbetrags von 2.150 Euro in jedem Fall vorgelegen habe.
65
Im Übrigen habe er seinen Bewilligungsantrag am 27.03.2020 gestellt. Erst die Verwaltungsvorschrift zur Corona-Soforthilfe vom 08.04.2020, welche die zum Zeitpunkt der Antragstellung noch gültige Vorgängervorschrift vom 22.03.2020 abgelöst habe, habe zahlreiche Verweise auf einen notwendigen Liquiditätsengpass enthalten, dessen Fehlen ihm die Beklagte nunmehr entgegenhalten wolle. Mit dem Bewilligungsbescheid vom 27.05.2020 sei ihm eine Corona-Soforthilfe aber ausdrücklich als Zuschuss „zur Überwindung einer existenzbedrohenden Wirtschaftslage bzw. der Liquiditätsengpässe oder von Umsatzeinbrüchen“ gewährt worden. Der Liquiditätsengpass stelle danach also nur einen von drei Faktoren dar, welche die Förderwürdigkeit bestimmten. In diesem Sinne habe er auch die am 27.03.2020 einsehbaren Förderbedingungen und Hinweise in Erinnerung. Vor diesem Hintergrund habe er mit seinem Antrag auch die klar berechenbaren Umsatzeinbrüche und Honorarausfälle beziffert und die gewünschte Förderhöhe von 2.150 Euro errechnet. Ein knappes halbes Jahr später nunmehr alles auf einen Liquiditätsengpass herunterzurechnen, sei nicht in Ordnung. Einer Rücknahme des Bewilligungsbescheids stehe daher jedenfalls der Umstand entgegen, dass er auf diesen Bescheid und darauf vertraut habe, dass in dem Bescheid als Gewährungsgrund auch Umsatzeinbrüche genannt worden seien).
66
Im Termin zur mündlichen Verhandlung sind die Beteiligten vom Gericht angehört worden. Auf die hierüber angefertigte Sitzungsniederschrift wird verwiesen.
67
Im Übrigen wird hinsichtlich der näheren Einzelheiten auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Akte der Beklagten (je ein Heft) verwiesen.
Entscheidungsgründe

68
Das Gericht entscheidet aufgrund der mündlichen Verhandlung vor der Kammer vom 22.07.2021 sowie im Übrigen ohne weitere mündliche Verhandlung durch den Berichterstatter, nachdem sich die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung übereinstimmend mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben (§§ 87b Abs. 2 und Abs. 3 sowie 101 Abs. 2 VwGO).
69
Es entscheidet zudem auf der Grundlage des Schriftsatzes der Beklagten vom 20.08.2021, den diese innerhalb des ihr in der mündlichen Verhandlung bis zu diesem Tag eingeräumten Schriftsatzrechts eingereicht hat, sowie aufgrund der zuvor schon vom Kläger per Fax am 18.08.2021 eingereichten Stellungnahme.
70
Die zulässige Klage ist begründet.
71
Der Rücknahmebescheid der Beklagten vom 15.12.2020 und ihr Widerspruchsbescheid vom 18.02.2021 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten und sind daher aufzuheben (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).
72
1. Soweit die Beklagte mit dem genannten Widerspruchsbescheid unter anderem auch einen Widerspruch des Klägers (vom 28.04.2020) gegen den – auf die fehlende Angabe einer gültigen IBAN-Kontonummer im Bewilligungsantrag gestützten – ursprünglichen Ablehnungsbescheid vom 23.04.2020 als unbegründet zurückgewiesen hat, ist der Widerspruchsbescheid rechtswidrig und deshalb aufgrund der auch insoweit auf Aufhebung dieses Widerspruchsbescheids gerichteten, gem. § § 79 Abs. 1 Nr. 2 VwGO zulässigen Anfechtungsklage des Klägers aufzuheben.
73
Denn zu Unrecht geht die Beklagte davon aus (siehe BAS 129), der Kläger habe gegen diesen Bescheid am 28.04.2020 Widerspruch eingelegt. Vielmehr hat er nach Ergehen dieses Ablehnungsbescheids mit seiner E-Mail vom 28.04.2020 eindeutig keinen Widerspruch dagegen erhoben, sondern lediglich nachgefragt, ob er – statt der von ihm angegebenen Kontonummer seines Schweizer Kontos – der Beklagten ein deutsches Konto (wahlweise das seiner Freundin bei der Sparkasse bzw. sein Pfändungsschutzkonto) nennen könne, und – was einen Widerspruch angeht – ausdrücklich nur gefragt, ob es „sinnvoller ist, einen Widerspruch einzulegen oder einen Neuantrag zu stellen“ (BAS 13, 14). Darin aber liegt erkennbar nur eine Anfrage bezüglich der Sinnhaftigkeit eines noch zu erhebenden Widerspruchs, nicht aber selbst schon die Erhebung eines Widerspruchs gem. § 69 VwGO. Zum Erlass eines diesen Widerspruch als unbegründet zurückweisenden Widerspruchsbescheids war die Beklagte daher schon gar nicht gem. § 73 Abs. 1 S. 1 VwGO ermächtigt.
74
Das gilt im Übrigen auch, wenn man abweichend davon in dem genannten E-Mail-Schreiben des Klägers vom 28.04.2020 tatsächlich einen Widerspruch sehen würde. Denn dann hätte die Beklagte mit dem Bewilligungsbescheid vom 27.05.2020, den sie erlassen hat, nachdem der Kläger ihr dann auf ihre Bitte hin ein deutsches Konto genannt hatte, diesem Widerspruch – auch wenn sie dies nicht ausdrücklich im Bewilligungsbescheid so formuliert hat, doch der Sache nach eindeutig – gem. § 72 VwGO abgeholfen, so dass auch in diesem Fall bei Erlass des Widerspruchsbescheids vom 15.12.2020 kein noch zu bescheidender Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid vom 23.04.2020 mehr vorgelegen hätte und die Beklagte daher ebenfalls nicht zu seiner Bescheidung durch Widerspruchsbescheid ermächtigt war.
75
2. Der Rücknahmebescheid vom 15.12.2020 und – insoweit – auch der Widerspruchsbescheid vom 18.02.2021 sind rechtswidrig, weil die gesetzlichen Voraussetzungen des § 48 LVwVfG für eine rechtmäßige Rücknahme des Bewilligungsbescheids vom 27.05.2020 nicht vorlagen.
76
Zum einen war der Bewilligungsbescheid teilweise, nämlich insoweit rechtmäßig, als damit dem Kläger eine Corona-Soforthilfe in Höhe von 493 Euro bewilligt wurde, so dass es insoweit für den Erlass des Rücknahmebescheids an der Voraussetzung des § 48 Abs. 1 S. 1 LVwVfG fehlte, wonach nur ein „rechtswidriger“ Verwaltungsakt von der Behörde zurückgenommen werden darf (dazu unter 2.1.)
77
Zum anderen war der Bewilligungsbescheid zwar im Übrigen, nämlich insoweit rechtswidrig, als dem Kläger mit der Bewilligung einer Förderung im Umfang von insgesamt 2.150 Euro ein über 493 Euro hinausgehender Betrag in Höhe von weiteren 1.657 Euro bewilligt wurde. Insofern fehlt es aber für die Rechtmäßigkeit des Rücknahmebescheids an der gesetzlichen Voraussetzung des § 48 Abs. 2 S. 1 LVwVfG, wonach ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der – wie hier – eine einmalige Geldleistung gewährt, nur zurückgenommen werden darf, wenn der Begünstigte nicht auf den Bestand des Bescheids vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung des öffentlichen Interesses an der Rücknahme nicht schutzwürdig ist (dazu unter 2.2.).
78
2.1. Der Bewilligungsbescheid vom 27.05.2020 ist rechtmäßig, soweit dem Kläger in Höhe von 493 Euro eine Corona-Soforthilfe bewilligt wurde.
79
Rechtsgrundlage des Anspruchs des Klägers auf die Bewilligung der Corona-Soforthilfe in diesem Umfang ist der Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG. Bei Billigkeitsleistungen, wie dieser Soforthilfe, die der Staat als freiwillige Leistung ohne eine sonstige weiter spezifizierte rechtliche Grundlage auszahlt, kommt es allein auf die Verwaltungspraxis an, auf deren gleichmäßige Ausübung jeder Einzelne einen Anspruch hat. Die Verwaltungspraxis kann durch ermessenleitende Verwaltungsvorschriften konkretisiert werden, von der nicht willkürlich abgewichen werden darf. Mangels Rechtsnormcharakter von Richtlinien unterliegen sie grundsätzlich keiner richterlichen Interpretation. Die Ermessensbindung, welche das Gericht indessen im Rahmen des § 114 VwGO prüfen kann, reicht nur so weit wie die vom Gericht auch zu prüfende und festzustellende richtliniengestützte Vergabepraxis (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 16.04.1979 – 3 C 111/79 -, juris; OVG NRW, Beschluss vom 29.05.2017 – 4 A 516/15 -, juris; VG Würzburg, Urteil vom 03.08.2020 – W 8 K 20.743 -, juris, Rn. 27 ff).
80
Im vorliegenden Fall wird diese Praxis hier für Baden-Württemberg konkretisiert durch die „Verwaltungsvorschrift des Wirtschaftsministeriums für die Soforthilfen des Bundes und des Landes für die Gewährung von Überbrückungshilfen als Billigkeitsleistungen für von der Coronakrise in ihrer Existenz bedrohte Soloselbstständige, kleine Unternehmen und Angehörige der Freien Berufe“ vom 8. April 2020 – im Folgenden abgekürzt als „VwV“ (im Internet im Volltext unter https://wm.baden-wuerttemberg.de/fileadmin/redaktion/m-wm/intern/Dateien_Downloads/20200408_Verwaltungsvorschrift_ des_Wirtschaftsministeriums_f%C3%BCr_die_Soforthilfen_des_Bundes_und_des_ Landes.pdf ).
81
Vorangegangen und zum Zeitpunkt der Antragstellung des Klägers (am 28.03.2020) gültig war die „Richtlinie des Wirtschaftsministeriums für die Unterstützung der von der Corona-Pandemie geschädigten Soloselbständigen, Unternehmen und Angehörigen der freien Berufe – Soforthilfe Corona“ vom 22.03.2020, die mit Inkrafttreten der Verwaltungsvorschrift vom 08.04.2020 zwar außer Kraft getreten ist, aber durchaus noch zum Verständnis der Corona-Soforthilfe wertvolle Detailausführungen und Begriffsdefinitionen enthält, die auch bezüglich der aktuellen Verwaltungsvorschrift berücksichtigt werden können.
82
Im Sinne dieser Verwaltungsvorschrift (VwV) war der Kläger grundsätzlich anspruchsberechtigt.
83
2.1.1. Er ist nämlich nach dem oben im Tatbestand zu seinen wirtschaftlichen Aktivitäten Gesagten als „Soloselbständiger“ und „freiberuflich Tätiger“ anzusehen (VwV Ziff.1.2 Abs. 1 S. 1 a) sowie auch mit allen seinen Tätigkeiten insgesamt (Geigenverleih, Geigenunterricht, Pultmappenproduktion, Vermietung von Ferienwohnung) als „Unternehmer“.
84
Denn ein „Unternehmen“ ist nach Anhang Art. 1 der „Empfehlung der EU Kommission vom 06.05.2003 (2003/361/EG) betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen“, auf welche die – in diesem Zusammenhang trotz ihres Außerkrafttretens durchaus noch als Auslegungshilfe zu berücksichtigende – o.g. Richtlinie des Wirtschaftsministeriums vom 22.03.2020 Bezug nimmt (Ziff.3, Fn. 1) „jede Einheit, unabhängig von ihrer Rechtsform, die eine wirtschaftliche Tätigkeit“ ausübt. Der Benutzerleitfaden der Europäischen Kommission zur Definition von der KMU (Kleine und mittlere Unternehmen) führt hierzu unter der Fragestellung „Bin ich ein Unternehmen?“ aus, dass „Selbständige“, Familienunternehmen, Personengesellschaften und Vereinigungen oder „sonstige Einheiten, die regelmäßig eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben“, als Unternehmen angesehen werden. In diesem Sinne ist daher der Kläger mit seiner gesamten auf vier Einkunftsarten fußenden wirtschaftlichen Tätigkeit, aus der er seinen gesamten Lebensunterhalt erwirtschaftet, gewissermaßen als „Ein-Mann-Unternehmen“ anzusehen (dazu, dass auch Soloselbständige [im konkreten Fall ein als Berufs-Coach und freischaffender Künstler tätiger Antragsteller] den Begriff des „Unternehmens“ in diesem Sinne erfüllen, siehe VG Düsseldorf, Urteil vom 14.12.2020 – 20 K 4706/20 -, juris, Rn. 33). Einen solchen weiten Unternehmensbegriff legt die Beklagte auch schon selbst zugrunde, wenn sie dem Kläger im vorliegenden Fall entgegenhält, er betreibe ein nicht förderungsfähiges „Unternehmen in Schwierigkeiten“.
85
Darauf, dass er seine Tätigkeit als Vermieter einer Ferienwohnung nicht gesondert als Gewerbe angemeldet hat, bzw. dass sein angemeldetes Gewerbe („Herstellung und Vertrieb von Musikzubehör und Geigenverleih“) nur als Nebenerwerbsbetrieb angemeldet ist, kommt es vor diesem Hintergrund für die grundsätzliche Förderungsfähigkeit seines „Unternehmens“ entgegen der Ansicht der Beklagten ebenso wenig an, wie darauf, ob er mit der Vermietungstätigkeit ein Drittel seines Nettoeinkommens erzielt.
86
Denn insgesamt kommt es nach Ziff.1.2. Abs. 1 S. 1 a VwV für die Antragsberechtigung nur darauf an, ob ein Unternehmen „wirtschaftlich und damit dauerhaft“ am Markt „oder“ der Antragsteller „im Haupterwerb als Freiberufler oder Soloselbständiger“ tätig ist. Nichts Anderes folgt aus Ziff.3 der Richtlinie vom 22.03.2020, wonach Soloselbständige insoweit als antragsberechtigt sind, als sie „mit ihrer selbständigen Tätigkeit“ das „Haupteinkommen oder zumindest ein Drittel des Nettoeinkommens eines Haushalts“ bestreiten. Denn der Kläger erzielt ja gerade aus den genannten insgesamt vier Tätigkeit das gesamte Nettoeinkommen seines Haushalts. Der die Förderungsfähigkeit zu Recht ausschließende Fall, dass jemand einen großen Teil seines Nettoeinkommens etwa aus einer angestellten Tätigkeit bezieht und nur im Nebenerwerb zum Zwecke der Einkommensaufbesserung noch ein kleines Gewerbe betreibt, dessen womöglich pandemiebedingter Umsatzausfall ihn daher nicht existenziell berühren kann, liegt beim Kläger damit gerade nicht vor, da er außer den genannten vier Einkunftsquellen keine weiteren Einkünfte bezieht. Auf eine Gewerbeanmeldung der Vermietertätigkeit kommt es hier auch deshalb nicht an, weil eine solche Anforderung allein dem Förderzweck dient, nur im Haupterwerb betriebene Unternehmen zu fördern (vgl. VG Weimar, Urteil vom 29.01.2021 – 8 K 795/20 We -, juris, Rn. 37, 38). Auf diese Abgrenzung zwischen Haupt- und Nebenerwerb kommt es hier aber nach dem oben Gesagten im Fall des Klägers gerade gar nicht an. Vielmehr erweist sich insoweit der zumindest bezüglich der Vermietungstätigkeit von der Beklagten vertretene Ansatz als verfehlt und dem Förderungszweck nicht angemessen, die wirtschaftliche Gesamttätigkeit des Klägers künstlich in einzelne kleiner Bestandteile aufzuspalten, die womöglich wegen ihres geringen Anteils am Gesamteinkommen dann nur noch als – nicht förderungsfähige – Nebenerwerbstätigkeit einzustufen sind. Deshalb hat die Beklagte im Übrigen ja auch den Kläger mit ihrem Schreiben vom 25.06.2020 zur Vorlage einer Gewerbeanmeldung schon selbst zu Recht nur mit dem einschränkenden Zusatz „[wenn vorhanden]“ aufgefordert.
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2.1.2. Bei dem Unternehmen des Klägers handelt es sich auch nicht um ein „Unternehmen in Schwierigkeiten“, welches grundsätzlich von der Förderungsfähigkeit ausgeschlossen wäre (vgl. Ziff. 3 der Richtlinie vom 22.03.2020: „Nicht gefördert werden Unternehmen in Schwierigkeiten gem. Rz. 20a – c der Leitlinie für staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung nichtfinanzieller Unternehmen in Schwierigkeiten [2014/C 249/01], es sei denn die Schwierigkeiten sind unmittelbar auf die Corona-Pandemie zurückzuführen“; Ziff. 1.2 Abs. 4 der VwV: „Antragsberechtigt sind nur Unternehmen, die nicht bereits am 31.12.2019 in wirtschaftlichen Schwierigkeiten waren gemäß Art. 2 Abs.18 der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung“ – und dazu Fn. 4: „Verordnung [EU] N. 651/2014 der Kommission vom 17.06.2014, Abl. EU L 187 v. 26.06.2014 S. 1“).
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Nach Rz. 20 S. 1 der maßgeblichen „Leitlinie für staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung nichtfinanzieller Unternehmen in Schwierigkeiten [2014/C 249/01] gilt ein Unternehmen dann als „Unternehmen in Schwierigkeiten“, wenn es „auf kurze oder mittlere Sicht so gut wie sicher“ zur „Einstellung seiner Geschäftstätigkeit gezwungen sein wird, wenn der Staat nicht eingreift“. Nach Rz. 20 S. 2c gilt ferner: Im Sinne dieser Leitlinie befindet sich ein Unternehmen daher unter anderem dann in Schwierigkeiten, wenn „das Unternehmen Gegenstand eines Insolvenzverfahrens ist oder die im innerstaatlichen Recht vorgesehenen Voraussetzungen für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens auf Antrag seiner Gläubiger erfüllt“ (so auch die Definition in Art. 2 Abs. 18 der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung – siehe oben; vgl. dazu, dass es eine nicht zu beanstandende Verwaltungspraxis darstellt, die Leistung einer Corona-Soforthilfe davon abhängig zu machen, dass es sich nicht um ein „Unternehmen in Schwierigkeiten“ handelt, VG Düsseldorf, Urteil vom 14.12.2020 – 20 K 4706/20 -, juris, Rn. 31 – 34 und zum Begriff des „Unternehmens in Schwierigkeiten“ und seinen unionsrechtlichen Ursprüngen und Entwicklungen ausführlich VG Magdeburg, Urteil vom 31.03.2021 – 3 A 325/18 -, juris, 28 – 37).
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Der Sinn und Zweck dieser Regelung ist deutlich erkennbar folgender: Fördergelder sollen nur die coronabedingten wirtschaftlichen Schwierigkeiten eines Unternehmens ausgleichen, um so seine Weiterexistenz sicherzustellen, welche ansonsten, d.h. ohne die Corona-Pandemie, beim normalen Verlauf der Dinge zu erwarten wäre (vgl. zu dieser Zwecksetzung VG Gießen, Urteil vom 21.04.2021 – 4 K 3825/20.GI -, juris, Rn. 33). Hingegen sollen Fördergelder nicht in Unternehmen fließen, die ohnehin binnen kurzem („auf kurze oder mittlere Sicht so gut wie sicher“) ganz unabhängig von der Corona-Pandemie wirtschaftlich zugrunde gehen und ihre Existenz am Markt verlieren würden, weil sie schon längst vorher – etwa infolge ihrer Überschuldung – gar nicht mehr in der Lage waren, wirtschaftlich weiter zu existieren.
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Genau davon, dass das Unternehmen des Klägers bei Antragstellung ungeachtet der Corona-Pandemie sowieso „auf kurze Sicht so gut wie sicher“ die Geschäftstätigkeit aus wirtschaftlichen Gründen, etwa wegen Überschuldung, hätte einstellen müssen, kann hier im vorliegenden Fall aber gerade nicht die Rede sein.
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Zwar ist das früher von ihm betriebene Musikgeschäft, das der Kläger jedenfalls hinsichtlich der schon damals ausgeführten Pultmappenproduktion und des Geigenverleihs mit seinem heute angemeldeten diesbezüglichen Gewerbetrieb weiter betreibt, seinerzeit tatsächlich infolge Überschuldung eingestellt worden und untechnisch gesprochen gewissermaßen in „Konkurs gegangen“. Dass ein Insolvenzverfahren seinerzeit auf den Antrag der AOK als Gläubiger schon gar nicht mehr förmlich eröffnet wurde, lag lediglich daran, dass die Überschuldung so hoch war, dass es selbst an einer wenigstens noch für die Konkursverfahrenskosten ausreichenden Konkursmasse fehlte („mangels Masse“ – vgl. § 26 InsO). Die daraus resultierenden alten Schulden treffen den Kläger auch nach wie vor noch, da sie in der Tat, soweit es sich um titulierte Forderungen handelt, weder verjährt sind, noch etwa Gläubiger durch vorläufige Einstellung ihrer bislang fruchtlosen und aussichtslosen Vollstreckungsbemühungen ihre Rechte aus den Forderungen verwirkt hätten.
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Diese Altschulden haben sich aber ganz offensichtlich schon seit Jahren nicht dergestalt auf den Geschäftsbetrieb des Klägers, d.h. sein heute aktuell im oben beschriebenen Sinne betriebenes „Ein-Mann-Unternehmen“ bzw. seine Soloselbständigkeit als Pultmappenproduzent bzw. Geigenverleiher und seine freiberufliche Tätigkeit als Geigenlehrer, sowie seine gewerbliche Tätigkeit ausgewirkt, dass er seine Tätigkeit hätte einstellen müssen bzw. im Zeitpunkt der Antragstellung es so gut wie sicher gewesen wäre, dass er dies binnen kurzem hätte tun müssen. Vielmehr existiert sein Kleinunternehmen schon seit Jahren ungeachtet der Altschuldenlast, weil der Kläger seinen Betriebsumfang so angelegt hat, dass er mit seiner Tätigkeit lediglich im pfändungsfreien Umfang ein Existenzminimum erwirtschaftet, womit er aufgrund seiner Bescheidenheit zufrieden ist. Einen Überziehungskredit kann der Kläger mit seinem Konto bei der X.Bank gar nicht in Anspruch nehmen. Neue Schulden entstehen nicht, weil er mit dem Geigenverleih, dem Geigenunterricht und der Vermietung regelmäßig in Vorleistung tritt und im Übrigen von seinen Lieferanten, die ihm die Rohlinge für seine Pultmappenproduktion liefern, nur gegen Vorkasse beliefert wird. Sein insoweit in den Blick zu nehmendes Klein-„Unternehmen“ (siehe dazu oben unter 2.1.1.) ist insofern auch nicht „Gegenstand eines Insolvenzverfahrens“, denn ein Insolvenzverfahren ist gar nicht anhängig.
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Von daher ist es dem Kläger ganz offensichtlich möglich, als Kleinunternehmer, Soloselbständiger und Freiberufler ungeachtet seiner Altschulden seit Jahren eine ihn wirtschaftlich am Leben erhaltenden Tätigkeit nachzugehen, ohne staatliche Hilfen oder Fürsorgeleistungen in Anspruch nehmen zu müssen. Die Anhängigkeit eines Insolvenzverfahrens bzw. das Vorliegen der Voraussetzungen für die Eröffnung eines solchen können insoweit nach diesen Vorschriften und deren Sinn und Zweck nur dann als Indizien dafür dienen, dass ein Unternehmen im genannten Sinne „in Schwierigkeiten“ ist, wenn sich aus diesen Umständen direkt kausal ableiten lässt, dass deshalb auf kurze Sicht so gut wie sicher die Geschäftstätigkeit einzustellen ist. Mit anderen Worten, das Vorliegen dieser Umstände ist – anders als es wohl die Beklagte hier versteht – kein Selbstzweck, nämlich nicht losgelöst von ihren prognostischen Auswirkungen auf die zu erwartende Fortsetzung bzw. Einstellung der Geschäftstätigkeit zu betrachten, für die eine Förderung beantragt wird. An einer solchen kausalen Auswirkung der Überschuldung des Klägers auf seine aktuelle Unternehmenstätigkeit, für deren Existenzsicherung er die Corona-Soforthilfe beantragt hat, fehlt es aber im vorliegenden Fall. Weil diese Kausalität der Altschulden für eine Prognose der sicher zu erwartenden Einstellung der Geschäftstätigkeit fehlt, muss der von der Beklagten aufgeworfenen Frage nicht weiter nachgegangen werden, inwieweit zwischen dem alten Musikhausfachgeschäftsbetrieb des Klägers und seinem aktuellen Klein-Unternehmen eine Kontinuität besteht, bzw. ein Kontinuitätsbruch vorliegt, oder nicht.
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Entgegen der Ansicht der Beklagten kommt es insoweit auch nicht darauf an, dass der Kläger mit der von ihm gewählten aktuellen Struktur seines Unternehmens keine Wareneinkäufe ohne Vorkassenvereinbarung tätigen kann und dass er, würde er ohne Vorkassenvereinbarung Ware bei einem Lieferanten bestellen, sich angesichts seiner Überschuldung eines Eingehungsbetrugs schuldig machen würde und dass er mangels Kreditwürdigkeit auch nicht in der Lage ist, ein Konto mit Überziehungsmöglichkeit von der Bank eingerichtet zu bekommen. Denn das alles spielt ganz offensichtlich schon seit Jahren für das Betreiben seines Unternehmens im aktuellen Umfang eines nur bis zur Grenze des pfändungsfreien Minimums profitablen Betriebs hier gerade keine Rolle und muss im Übrigen seiner freien unternehmerischen Entscheidung als Inhaber überlassen bleiben. Der bloße Umstand, dass ein Pfändungsschutzkonto besteht, indiziert nach allem hier nicht, dass im Sinne der Corona-Soforthilfe-Richtlinie bzw. Verwaltungsvorschrift das Unternehmen des Klägers ein nicht förderungsfähiges „Unternehmen in Schwierigkeiten“ darstellt. Der Beklagten ist aber umgekehrt zuzugeben, dass sich aus der Rechtsprechung zur Unpfändbarkeit einer Corona-Soforthilfe auch nicht umgekehrt zwingend der Schluss ziehen lässt, diese Rechtsprechung belege mittelbar, dass die Existenz eines Pfändungsschutzkontos einer Förderung offenbar nicht entgegenstehe (Die nach der Rechtsprechung [vgl. dazu etwa BGH, Beschluss vom 10.03.2021 – VII ZB 24720 -, juris, Rn. 11, 12 0 NJW 2021, 1322] bestehende Unpfändbarkeit einer Corona-Soforthilfeleistung gem. § 851 ZPO, die u.a. auch dazu führt, dass der Umfang eines bestehenden Pfändungsfreibetrags auf einem schon bestehenden Pfändungsschutzkonto um diesen Betrag zu erhöhen ist, stellt allerdings sicher, dass eine Corona-Soforthilfe einem Anspruchsberechtigten auch dann zugute kommt, wenn er offene Schulden bei Dritten hat, welche gegen ihn die Vollstreckung betreiben, damit nicht diese aus der dafür nicht vorgesehenen Corona-Soforthilfe bedient werden, sondern er mit seinem Betrieb weiterarbeiten kann [und dann ggf. später auch diese wieder auszahlen kann]). Unbeachtlich ist vor dem genannten Hintergrund schließlich der Einwand der Beklagten, der Kläger sei damit niemals in der Lage, sich jemals von seinen Altschulden befreien zu können. Dass der Kläger insoweit auch nicht den Weg gewählt hat, eine Privatinsolvenz mit Restschuldbefreiung (vgl. §§ 286 ff. InsO) zu beantragen, um so mit einem klaren Schuldenschnitt seine Altschulden loszuwerden, um dann mit einem insoweit unbelasteten Unternehmen neu in Zonen höheren Gewinns vorzustoßen, ist ebenfalls unerheblich. Eine Privatinsolvenz wäre ihm im Übrigen auch gar nicht möglich, weil auch diese zumindest eine dreijährige Wohlverhaltensphase erfordert, in welcher der Schuldner zumindest teilweise seine Gläubiger durch Abtretung des pfändbaren Teils seines Einkommens (§ 295 InsO) noch bedient, bevor deren Forderungen durch einen Schuldenschnitt endgültig annulliert werden. Das aber würde voraussetzen, dass er dazu überhaupt in der Lage ist, was er angesichts der geringen mit seinen diversen Tätigkeiten nur zu erzielenden Einkünfte, welche die Pfändungsfreigrenzen nicht erreichen, offensichtlich aber einfach nicht zu leisten vermag.
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In der „Leitlinie für staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung nichtfinanzieller Unternehmen in Schwierigkeiten [2014/C 249/01]“ wird unter Rz. 7 im Übrigen ausgeführt, wenn Teile eines mit Zahlungsschwierigkeiten konfrontierten Unternehmens weitgehend rentabel blieben, könne es Umstrukturierungen durchführen, bestimmt strukturell defizitäre Tätigkeiten aufgeben und die verbleibenden Tätigkeiten neu strukturieren, so dass eine realistische Aussicht auf langfristige Rentabilität bestehe. Ein modernes Insolvenzrecht solle Unternehmen dabei helfen, zu überleben, zur Sicherung von Arbeitsplätzen beitragen und Zulieferern die Möglichkeit geben, Kunden zu erhalten und den Inhaber des Unternehmens in die Lage versetzen, Werte im rentablen Unternehmen zu belassen. Ein Insolvenzverfahren könne auch bewirken, dass ein Unternehmen insoweit wieder auf den Markt zurückkehre. Dieser Gedanke in Verbindung mit dem Förderzweck, die wirtschaftliche Existenz von Soloselbständigen und Freiberuflern sowie Kleinunternehmern gegenüber existenzbedrohenden, durch die Corona-Pandemie verursachten Liquiditätsengpässen und wirtschaftlichen Schieflagen zu schützen (vgl. Richtlinie vom 22.03.2020 – Ziff. 1 und Ziff.2 sowie VwV Ziff. 1), zeigt, dass eine Förderfähigkeit des Klägers hier nicht allein und abstrakt betrachtet von vornherein schon wegen des Vorliegens von Altschulden ausgeschlossen werden kann, sondern nur insoweit ausgeschlossen werden könnte, wenn sich aus dem Umstand der Altschulden die Liquiditätsengpässe unmittelbar ergeben haben, die ein Antragsteller – nach dem Förderzweck zu Unrecht – mit der beantragten Corona-Soforthilfe in Form einer Liquiditätshilfe überwinden will. Daran aber fehlt es hier. Denn – wie im Nachfolgenden noch darzustellen sein wird – resultieren die Liquiditätsengpässe des Klägers im Bewilligungszeitraum aus der pandemiebedingten Situation, hingegen nicht aus der Existenz seiner Altschulden.
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Wie in dem vom Kläger am 28.03.2020 ausgefüllten Antragsformular (BAS 3) selbst von offizieller Seite ausgeführt wird, handelt es bei der Corona-Soforthilfe auch um ein Notfallprogramm, das Unternehmen „vor einer möglichen Insolvenz schützen soll“, ein „reiner Verdienstausfall oder Einnahmeausfall, der nicht zu einer existenzbedrohlichen Wirtschaftslage führt, wird nicht ausgeglichen“. Daraus folgt selbstredend, dass ein bereits insolventes Unternehmen keine Förderung verdient, hingegen eines, dass seine laufenden aus seiner Tätigkeit erwachsenden Verbindlichkeiten laufend bedienen kann und deshalb seinen Geschäftspartnern keinen Anlass zur Stellung eines Insolvenzantrags gibt, durchaus gefördert, nämlich dagegen geschützt werden kann, dass es dazu infolge coronabedingter Liquiditätsengpässe mit Sicherheit, nämlich „so gut wie sicher“, auf kurze Sicht nicht mehr in der Lage sein und daher in Überschuldung geraten wird. Daran gemessen handelt es sich aber nach Sinn und Zweck der Förderung bei dem oben beschriebenen Unternehmen des Klägers nicht um ein förderungsunfähiges „Unternehmen in Schwierigkeiten“, da es bislang seit Jahren seine laufenden, aus seiner – beschränkten, geringfügigen – Geschäftstätigkeit erwachsenden Schulden bedienen kann bzw. solche Schulden infolge von Vorkassevereinbarungen gar nicht entstehen lassen kann.
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2.1.3. In Höhe von 493 Euro ist dem Kläger auch zu Recht Corona-Soforthilfe bewilligt worden, weil (nur) insoweit ein durch die Förderung auszugleichender, anzuerkennende Liquiditätsengpass vorlag (vgl. zum Liquiditätsengpass als Fördervoraussetzung: VwV Zif. 1.1., 3. Absatz, Ziff. 1.2. Abs. 2: „wirtschaftlich existenzbedrohende Schwierigkeiten, weil die fortlaufenden Einnahmen aus dem Geschäftsbetrieb voraussichtlich nicht ausreichen, um die Verbindlichkeiten in den auf die Antragstellung folgenden drei Monaten aus dem fortlaufenden erwerbsmäßigen Sach- und Finanzaufwand, z.B. gewerbl. Mieten, Pachten, Leasingraten zu zahlen [Liquiditätsengpass]“; vgl. auch Ziff. 4, Fn. 2 der Richtlinie vom 22.03.2020: „unmittelbar infolge der Corona-Pandemie entstandene existenzbedrohliche Wirtschaftslage oder die Liquiditätsengpässe“, „…wenn die vorhandenen betrieblichen Mittel nicht ausreichen, die kurzfristigen Verbindlichkeiten [Mieten, Kredite für Betriebsräume, Leasingraten] zu zahlen. Zu den kurzfristigen Verbindlichkeiten kann ein kalkulatorischer Pauschalbetrag von 1.180 Euro pro Monat für den Lebensunterhalt des Inhabers hinzugezählt werden“; zur Berechnung des Umfangs des Liquiditätsengpasses siehe die Hinweise des Wirtschaftsministeriums, „häufig gestellte Fragen“ [Frequently Asked Questions – FAQ] https://wm.baden-wuerttemberg.de/de/service/foerderprogramme-und-aufrufe/liste-foerderprogramme/soforthilfe-corona/ dort Ziff. 1.4. und 1.7, 1.8: Von einem Liquiditätsengpass spricht man, wenn die laufenden Einnahmen aus dem Geschäftsbetrieb nicht genügen, um die laufenden Ausgaben zu decken. Es werden grundsätzlich nur Einnahmen und Ausgaben berücksichtigt, die im jeweiligen Bewilligungszeitraum liegen. Es werden grundsätzlich nur verursachte, fällige und geleistete Zahlungen berücksichtigt… Die Ausgaben müssen tatsächlich angefallen sein. Ausgaben dürfen nur mit einbezogen werden, wenn sie den regelmäßigen Ausgaben für den angegebenen Zweck entsprechen oder erforderlich waren, um den Geschäftsbetrieb aufrecht zu erhalten. Das heißt, auch Investitionskosten im Betrachtungszeitraum können berücksichtigt werden, wenn sie zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs während des Betrachtungszeitraums notwendig waren, z.B. Investitionen in Hygienemaßnahmen oder Lieferservices; z.B. Kosten für Roh-, Hilfs-, und Betriebsstoffe und bezogene Waren; Einnahmen dürfen nicht künstlich aus dem Betrachtungszeitraum hinausgeschoben werden. Als Ausgaben nicht anzurechnen und zu berücksichtigen sind unter anderem: In den Betrachtungszeitraum vorgezogene Kosten, die erst zu einem späteren Zeitraum fällig werden, alle nicht planmäßig anfallende Kosten, oder solche die erst zu einem späteren Zeitraum fällig werden; siehe auch die unter Ziff.1.4 der FAQ auf der Internetseite des Ministeriums zur Verfügung gestellte Berechnungshilfe und Excel Tabelle zur Ermittlung eine Liquiditätsengpasses; zum Vorliegen eines Liquiditätsengpasses und seiner Voraussetzungen im Einzelfall siehe etwa VG Gießen, Urteil vom 21.04.2021 – 4 K 3825/20.GI -, juris, Rn. 32 – 34).
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2.1.3.1. Nach der VwV vom 08.04.2020 (siehe Ziff. 1.1. und 1.2 Abs. 2 und 1.3. Abs. 2 S. 1 sowie 1.5. Abs. 2) ist damit der alleinige Fördergrund das Vorliegen eines „Liquiditätsengpasses“. Die Existenzbedrohung, der gegenüber die Soforthilfegewährung Schutz gewähren soll, ist nach diesen Vorschriften nur eine solche, die „aufgrund“ eines solchen Liquiditätsengpasses besteht Die Soforthilfe soll demjenigen zugutekommen, der „durch die Corona-Pandemie in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten ist, die seine Existenz bedrohen, weil die fortlaufenden Einnahmen aus dem Geschäftsbetrieb voraussichtlich nicht ausreichen, um die Verbindlichkeiten in den auf die Antragstellung folgenden drei Monaten aus dem fortlaufenden erwerbsmäßigen Sach- und Finanzaufwand (bspw. gewerbliche Mieten, Pachten, Leasingraten) zu zahlen“ (so auch das vom Wirtschaftsministerium herausgegebene Antragsformularblatt – Stand 07.05.2020 – Ziff. 5.1., wonach eine „existenzgefährdende Wirtschaftslage angenommen wird, wenn die fortlaufenden Einnahmen aus dem Geschäftsbetrieb voraussichtlich nicht ausreichen, um die Verbindlichkeiten in den auf die Antragstellung folgenden drei Monaten zu zahlen“ – https://wm.baden-wuerttemberg.de/fileadmin/redaktion/m-wm/intern/Dateien_Downloads/Foerderprogramme/Antrag_Soforthilfe-Corona_Bund. pdf).
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Auf die – vom Kläger seinen Berechnungen der Höhe der begehrten Förderung in der Antragstellung (BAS 180) und auch noch in der späteren Klagebegründung (siehe sein bei Gericht am 25.05.2021 eingegangnes Fax – GAS 87) zugrunde gelegte – Frage, inwieweit im Jahr 2020 „gegenüber den Einnahmen im vergleichbaren Vorjahreszeitraum ein Umsatz/Honorarrückgang“ vorlag, kommt es damit für die Förderung nach der bei Erlass des Bewilligungsbescheids maßgeblichen seit 08.04.2020 geltenden VwV vom 08.04.2020 nicht an.
100
Etwas Anderes gilt im Übrigen auch nicht etwa bezüglich von Förderanträgen, die – wie hier der am 28.03.2020 gestellte Antrag des Klägers – noch unter Geltung der alten Richtlinie vom 22.03.2020, d.h. vor dem Inkrafttreten der VwV zum 08.04.2020 gestellt wurden.
101
Denn auch aus dieser Richtlinie lässt sich, trotz ihrer an einigen Stellen insoweit durchaus missverständlichen Formulierungen, nicht etwa ableiten, ein Liquiditätsengpass stelle nicht den alleinigen Fördergrund dar, sondern ungeachtet eines Liquiditätsengpasses könne daneben als eigenständiger die Gewährung und die Höhe der Förderung bestimmender Fördergrund auch das Vorliegen einer wirtschaftlich existenzbedrohlichen Lage ausreichen, für deren Nachweis es genügt, dass ein gegenüber dem Vorjahr festzustellender Umsatz-/Honorarverlust in einem Umfang von mindestens 50 % dargelegt wird.
102
Nach der Richtlinie vom 22.03.2020 (Ziff. 2 und Ziff. 4 – Fn. 2) war zwar die Corona-Soforthilfe Soloselbständigen, Unternehmen und Freiberuflern zu gewähren, die unmittelbar infolge der Corona Pandemie in „eine existenzbedrohliche wirtschaftliche Schieflage“ oder „in massive Liquiditätsengpässe“ geraten sind. Diese beiden Förderungsgründe wurden in den beiden genannten Ziffern der Richtlinie auch scheinbar alternativ gleichrangig („oder“) nebeneinander aufgeführt. In Fußnote 2 zu Ziff. 4 wurden auch beide Begriffe jeweils gesondert erläutert: Danach liegt eine „existenzbedrohliche wirtschaftliche Lage“ vor, wenn sich für den Monat, in dem der Antrag gestellt wird, ein „Umsatz- oder Honorarrückgang“ von mindestens 50 Prozent „verglichen mit dem durchschnittlichen monatlichen Umsatz (bezogen auf den aktuellen und die zwei vorangegangenen Monate) im Vorjahr ergibt (Rechenbeispiel: durchschnittlicher Umsatz Januar bis März 2019: 10.000 Euro; aktueller Umsatz März 2020: 5.000 Euro)“. Der „Liquiditätsengpass“ wird nach den Erläuterungen unter dieser Fußnote angenommen, wenn die vorhandenen liquiden Mittel nicht ausreichen, die kurzfristigen Verbindlichkeiten (Mieten, Kredite für Betriebsräume, Leasingraten) zu zahlen. Zu den kurzfristigen Verbindlichkeiten kann auch ein kalkulatorischer Pauschalbetrag von 1.180 Euro monatlich für den Lebensunterhalt des Inhabers hinzugezählt werden“. Zur Höhe der Förderung wurde unter Ziff.5 S. 2 ausdrücklich ausgeführt: „Die Obergrenze für die Höhe der Förderung entspricht dem unmittelbar infolge der Corona-Pandemie verursachten Liquiditätsengpass „oder“ entsprechenden „Umsatzeinbruch“, maximal jedoch dem als Höchstgrenze für die Förderung für drei Monate insgesamt für Soloselbständige zu bewilligenden 9.000 Euro.
103
Allerdings wurde schon unter Ziff. 1 der Richtlinie als Zweck der Förderung angegeben, die Soforthilfe solle „die wirtschaftliche Existenz von Soloselbständigen. usw. sichern“ „und“ „Liquiditätsengpässe kompensieren“. Die Verwendung des Wortes „und“ indizierte damit, dass es sich dabei um eine nicht lediglich alternative, sondern kumulative Voraussetzung handelt. Dass zusätzlich zu einer wirtschaftlich existenzbedrohlichen Lage kumulativ auch noch das Erfordernis hinzutritt, dass sich diese Lage in Form eines Liquiditätsengpasses auswirken muss, der dann durch die Förderung kompensiert wird, ergab sich auch aus der Fn. 2 zu Ziff. 4 der Richtlinie. Hier wird zwar zunächst eine wirtschaftlich existenzbedrohliche Lage dadurch definiert, dass bei einem mindestens 50 %-igen Umsatz-/Honorarverlust gegenüber dem Vorjahresvergleichszeitraum vorliegt, dann aber wird, auch durch einen eigenen Absatz optisch hervorgehoben, ausgeführt, „und“ (d.h. als zusätzliches kumulatives Kriterium) die vorhandenen finanziellen Mittel dürften nicht ausreichen, die kurzfristigen Verbindlichkeiten zu zahlen. (Missverständlich ist allerdings in der Tat, dass im Anschluss an die im ersten Absatz der Fußnote enthaltene Definition einer „existenzbedrohlichen Wirtschaftslage“ dann die Worte „und/oder“ folgen, was den Anschein erweckt, es könne sich um einen eigenen selbständigen Fördergrund handeln). Danach lässt sich also eine wirtschaftlich existenzbedrohliche Lage nicht allein aus einem entsprechend massiven Umsatzverlust von mindestens 50% ableiten, sondern erst dann annehmen, wenn dieser Umsatzverlust außerdem dazu führt, dass kurzfristige Verbindlichkeiten nicht mehr bedient werden können (und damit dann eben die Gefahr einer Insolvenz droht, vor der die zur Abwendung einer Insolvenzgefahr vorgesehene Soforthilfe-Förderung den Unternehmer durch Kompensation der Liquiditätslücke bewahren will).
104
Ein dem Kläger günstigeres Ergebnis der Prüfung der Rechtmäßigkeit des Bewilligungsbescheids würde sich vor diesem Hintergrund also selbst dann nicht ergeben, wenn man davon ausginge, die Rechtmäßigkeit des Bewilligungsbescheids vom 27.05.2020 sei nach der Richtlinie vom 22.03.2020 zu beurteilen, weil der diesem Bescheid zugrunde liegende Förderantrag des Klägers am 28.03.2020, also zu einem Zeitpunkt gestellt worden sei, als sie noch in Kraft war, weil ferner der Bewilligungsbescheid selbst diese Richtlinie ausdrücklich als Beurteilungsgrundlage nennt, weil die Beklagte zudem ausweislich der Begründung ihrer Schriftsätze und der Beifügung eines Abdrucks dieser Richtlinie vom 22.03.2020 im Volltext selbst von deren Maßgeblichkeit ausgeht und weil schließlich die diese Richtlinie zum 08.04.2020 ablösende VwV vom 8.04.2020 zumindest keine dem ausdrücklich entgegenstehende Übergangsregelung enthält, es also nicht ausdrücklich ausschließt, noch zum Zeitpunkt der Geltung der Richtlinie gestellte Förderanträge auch noch nach dem 08.04.2020 nach dieser Richtlinie zu prüfen und auf der Basis dieser Richtlinie gegebenenfalls durch Bewilligung von Förderung positiv zu bescheiden.
105
Vor diesem Hintergrund hat die Beklagte in ihren letzten Schriftsätzen nach allem zu Recht darauf hingewiesen, dass es entgegen der Ansicht des Klägers auf einen sich aus einem Vergleich mit den Vorjahresdaten ergebenden Gewinnausfall oder Umsatz-/Honorarrückgang nicht ankommt.
106
Nach allem ergibt sich für den Kläger im vorliegenden Fall also nicht ein vom Nachweis einer Liquiditätslücke unabhängiger Förderungsanspruch allein aufgrund seiner Darlegungen zu einem gegenüber dem Vorjahr erlittenen Umsatz-/Honorarverlust. Selbst wenn aber ein solcher Einnahmeverlust genügen würde, wäre aber hier jedenfalls auch kein Rückgang der Einnahmen um mindestens 50 % gegenüber dem Vorjahreswert festzustellen. Legt man nämlich seine Angaben (aus seiner E-Mail vom 07.07.2020 – BAS 103) zugrunde, so ergibt sich beim Vergleich seiner Honorare-/Umsätze aus den Monaten April – Juni 2019 mit denen aus den Monaten April – Juni 2020, dass zwar ein deutlicher Umsatz-/Honorarverlust festzustellen ist, dass sich aber der Umfang dieses Verlusts hier auf weniger als die nach der Richtlinie „mindestens“ erforderlichen 50 % beläuft:
107
Einnahmen April – Juni 2019 aus:

Geig.verleih/unterricht: 1.845 Euro

Pultmappenverkauf: 1.118 Euro

Vermietung FeWo: 1.323 Euro

Musikerauftritte: + 1.350 Euro

= 5.636.Euro
Einnahmen April – Juni 2020 aus:

Geig.verleih/unterricht: 2.636 Euro

Pultmappenverkauf: 0 Euro

Vermietung FeWo: 411 Euro

Musikerauftritte: + 0 Euro

= 3.047 Euro
108
Mit 3.047 Euro sind die Einnahmen 2020 damit also noch immer höher als die sich auf 2.818 Euro belaufenden Hälfte der Vorjahreseinnahmen (50 % von 5.636 = 2.818).
109
2.1.3.2. Bei der Berechnung der Höhe des mithin zusätzlich zum massiven Umsatzverlust erforderlichen Liquiditätsengpasses waren nach den oben dargelegten Maßstäben und Berechnungsgrundsätzen im beantragten Bewilligungszeitraum (April bis Juni 2020) im Rahmen der für die Ermittlung des Vorliegens und Umfangs eines Liquiditätsengpasses vorzunehmenden Gegenüberstellung folgende Einnahmen und Ausgaben des Klägers (siehe dessen Aufstellung in seiner E-Mail vom 07.07.2020 – BAS 104) zu berücksichtigen:
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Einnahmen aus:
Ausgaben:

Geig.verleih/unterricht: 2.636 Euro
fiktiver Unternehmerlohn 3 x 1.180 Euro mtl.
Pultmappenverkauf: 0 Euro
= 3.540 Euro
Vermietung FeWo: 411 Euro

Musikerauftritte: + 0 Euro

= 3.047 Euro

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Daraus ergibt sich eine Liquiditätslücke von 493 Euro (= 3.047 – 3.540 Euro).
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Im vorliegenden konkreten Fall war auf der Ausgabenseite auch nur ein fiktiver Unternehmerlohn von monatlich 1.180 Euro für die drei Monate des beantragten Bewilligungszeitraums einzustellen, entgegen der Ansicht des Klägers waren jedoch nicht auch noch Kosten in Höhe von 2.000 Euro einzustellen für den von ihm in diesem Bewilligungszeitraum geplanten, tatsächlich aber bis heute nicht durchgeführten Einkauf von Rohmaterialien für seine Pultmappenproduktion.
113
Das ergibt sich aus den Maßstäben und Grundsätzen für die Ermittlung des Liquiditätsengpasses, wonach nur im Bewilligungszeitraum tatsächlich zugeflossene Einnahmen bzw. tatsächlich abgeflossene Ausgaben zu berücksichtigen sind (Zufluss-/Abflussprinzip). (vgl. FAQ https://wm.baden-wuerttemberg.de/de/service/foerderprogramme-und-aufrufe/liste-foerderprogramme/soforthilfe-corona/ dort Ziff. 1.4. und 1.7, 1.8: Von einem Liquiditätsengpass spricht man, wenn die laufenden Einnahmen aus dem Geschäftsbetrieb nicht genügen, um die laufenden Ausgaben zu decken. Es werden grundsätzlich nur Einnahmen und Ausgaben berücksichtigt, die im jeweiligen Bewilligungszeitraum liegen. Es werden grundsätzlich nur verursachte, fällige und „geleistete“ Zahlungen berücksichtigt… Die Ausgaben müssen tatsächlich angefallen sein. Ausgaben dürfen nur mit einbezogen werden, wenn sie den regelmäßigen Ausgaben für den angegebenen Zweck entsprechen oder erforderlich waren, um den Geschäftsbetrieb aufrecht zu erhalten. Das heißt, auch Investitionskosten im Betrachtungszeitraum können berücksichtigt werden, wenn sie zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs „während des Betrachtungszeitraums“ notwendig waren, z.B. Investitionen in Hygienemaßnahmen oder Lieferservices; z.B. Kosten für Roh-, Hilfs-, und Betriebsstoffe und bezogene Waren; Einnahmen dürfen nicht künstlich aus dem Betrachtungszeitraum hinausgeschoben werden. Umgekehrt sind als Ausgaben nicht anzurechnen und zu berücksichtigen unter anderem: In den Betrachtungszeitraum vorgezogene Kosten, die erst zu einem späteren Zeitraum fällig werden, alle nicht planmäßig anfallende Kosten, oder solche die erst zu einem späteren Zeitraum fällig werden; siehe auch die unter Ziff.1.4 der FAQ auf der Internetseite des Ministeriums zur Verfügung gestellte Berechnungshilfe und Excel Tabelle zur Ermittlung eines Liquiditätsengpasses).
114
Insoweit hat der Kläger zwar angegeben, in dem Zeitraum habe bei ihm turnusgemäß der Einkauf von (für ihn nur mit einer Mindestabnahmemenge von 3000 Stück zu einem Preis von 2000 Euro bei seiner Lieferfirma aus Polen beziehbaren) Rohlingen für die Produktion der Pultmappen „angestanden“, von denen er in all den vorangegangenen Jahren jährlich durchschnittlich zwischen 1000 und 2000 Stück verkauft habe (GAS 99). Er hat aber auch angegeben, dass er diesen Kauf im Bewilligungszeitraum nicht getätigt habe und in der mündlichen Verhandlung erläutert, er habe aktuell, also im Juli 2021, noch einen Restbestand an Rohlingen von 800 Stück vorrätig gehabt, bzw. von nur 300 Stück, wie er mit dem am 18.08.2021 bei Gericht eingegangenen Fax zwecks Korrektur dieser Angabe klargestellt hat. Soweit er seinerzeit (mit Schriftsatz vom 21.9.2020 – BAS 125) angegeben hat, er habe sich teilweise privat verschulden müssen, um diverse Versicherungen zahlen zu können und „um – wie schon beschrieben – notwendige Wareneinkäufe tätigen zu können“, kann diese Angabe vor diesem Hintergrund der Existenz eines noch im genannten Umfang vorhandenen Restvorrats an Rohlingen nur bedeuten, dass er es seinerzeit geplant hat, den Einkauf eines neuen Bestands an Rohlingen zu tätigen und sich dazu privat Geld zu leihen, diesen Plan dann aber doch nicht realisiert hat. Dafür spricht auch, dass er insoweit bislang keine konkreten tatsächlichen Einkäufe dieser Art auch nur angeführt oder gar belegt hat. Zudem hat er (auf S. 2 seines Widerspruchs vom 07.01.2021 – BAS 139 bzw. 178) auch Anfang 2021 selbst noch ausgeführt, er könne den notwendigen großen Wareneinkauf von 3000 Stück Rohlingen in Polen „nach wie vor“ noch „nicht tätigen“, weil ihm dazu die Einnahmen fehlten.
115
Nach allem stellte der für den Bewilligungszeitraum geplante Einkauf neuer Rohlinge nicht die Erfüllung einer zwingend kurzfristig zu erfüllenden, bereits eingegangenen und bestehenden vertraglichen Verbindlichkeit dar, in diesem Umfang vom Lieferanten Ware, nämlich die Rohlinge, abzunehmen, und war auch in dieser Zeit nicht als erst noch einzugehendes und abzuschließendes Vertragsgeschäft zur unmittelbaren Aufrechterhaltung des laufenden Geschäftsbetriebs erforderlich. Es mag zwar sein, dass der Kläger geschäftlich das Ziel hatte, mit der Pultmappenproduktion als zuverlässiger Lieferant für seine Abnehmer „am Markt“ zu bleiben, weil man insoweit, wie er in der mündlichen Verhandlung vortrug, auch ganz schnell vom Markt als nachgefragter Lieferant verschwinden kann, wenn man auch nur einmal nicht zeitgenau und im entsprechenden Umfang liefern kann. Da sein Abnehmermarkt den eigenen Angaben des Klägers zufolge im Bewilligungszeitraum aber ohnehin ganz zusammengebrochen war, was später auch dadurch bestätigt wurde, dass er bis Jahresende 2020 nur noch ca. 30 Pultmappen aus seinen Vorräten herstellen und verkaufen konnte, und da seinen Angaben zufolge das Hauptverkaufsgeschäft für ihn in diesem Bereich erfahrungsgemäß auch nur im Frühjahr und dann erst wieder zum Ende eines Jahres zur Weihnachtssaison läuft, war es auch mit Blick auf die noch vorhandenen Vorräte an Rohlingen im Ergebnis – selbst wenn man lange Lieferzeiten von 3 Monaten in Betracht zieht – nicht so, dass er im Bewilligungszeitraum zwingend gehalten gewesen wäre, den Einkauf zu tätigen, um damit den laufenden Geschäftsbetrieb aufrechterhalten, nämlich noch „am Markt“ bestehen zu können. Vielmehr stellte dieser beabsichtigte Einkauf in dieser Zeit gewissermaßen eine Investition in die Zukunft dar, die finanziell abzusichern nicht Sinn und Zweck der Corona-Soforthilfe darstellt, welche lediglich dazu dienen soll, kurzfristige Liquiditätsengpässe zu kompensieren, um eine ansonsten bereits im Bewilligungszeitraum drohende Gefährdung der Weiterexistenz eines Unternehmens zu verhindern (vgl. zum Abzugsposten „Ausgaben für Waren-/ Materialeinkauf“ im Zusammenhang mit der Feststellung eines Liquiditätsengpasses und dazu, dass insoweit allenfalls ein unmittelbar anstehender Einkauf verderblicher Ware durch ein Floristikunternehmen absetzbar sei, nicht aber ein in die Zukunft weisender Einkauf nicht verderblicher Ware, wie Blumenerde, Vasen, Bewässerungssysteme, die auch noch später nach dem Bewilligungszeitraum gewinnbringend verkauft werden könne VG Gießen, Urteil vom 21.04.2021 – 4 K 3825/20.GI -, juris, Rn. 32).
116
2.1.4. Selbst wenn aber die Bewilligung der Corona-Soforthilfe schon grundsätzlich, d.h. ungeachtet ihrer Höhe schon insgesamt rechtswidrig gewesen wäre, weil es sich entgegen den oben gemachten Ausführungen beim Unternehmen des Klägers doch um ein „Unternehmen in Schwierigkeiten“ handelte, würde sich der Rücknahmebescheid als rechtswidrig erweisen, da einer Rücknahme dann der Vertrauensschutz des Klägers gem. § 48 Abs. 2 S. 1 LVwVfG entgegenstünde, der entgegen der Ansicht der Beklagten hier auch nicht etwa deshalb entfällt, weil ihm vorgehalten werden könnte, er habe insoweit infolge grober Fahrlässigkeit die insoweit bestehende grundsätzliche Rechtswidrigkeit des Bewilligungsbescheids nicht gekannt (§ 48 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 LVwVfG) bzw. er habe, ohne dass es dabei auf Vorsätzlichkeit und ein Verschulden ankäme, jedenfalls den rechtswidrigen Bewilligungsbescheid durch unrichtige Angaben erwirkt (§ 48 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 LVwVfG).
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Denn der Kläger hatte ja nicht einfach im Antragsformular angekreuzt, sein Unternehmen sei „kein Unternehmen in Schwierigkeiten“, was (zumindest im Regelfall) bei insolventen Unternehmen nicht anzunehmen ist, wie er bei gehöriger Lektüre der im Antragsformular zur Definition dieses Begriffs enthaltenen Hinweise auf die FAQ – Frageliste und auf die Leitlinie der EU-Kommission (2014/C-249/01) leicht hätte feststellen können.
118
Vielmehr hatte er ja, gewissermaßen im gleichen Atemzug, zugleich mit seiner dem Antrag beigefügten und im Antragsformular insoweit auch geforderten (Fn. 11 – BAS 3) kurzen Erläuterung ganz klar und ausdrücklich von Anfang an auch vorgetragen, er sei „hochverschuldet“, „seit Jahren insolvent“ und Inhaber eines „Pfändungsschutzkontos“ und sei stolz, „in einer sehr schwierigen Situation (Konkurs, Pflege der demenzkranken Mutter“ den Schritt in die Unabhängigkeit vom Job-Center und Hartz-IV-Bezug geschafft zu haben (BAS 180).
119
2.1.4.1. Wenn dann aber vor diesem Hintergrund weder die mit der Vorprüfung des Antrags beauftragte IHK, welche die Aufgabe einer (Vor-)Prüfung der Anträge und Weiterleitung der geprüften Anträge an die Beklagte als eigentlich entscheidungsbefugte Behörde hat und auch die Funktion einer Gutachterstelle im Sinne der Corona-Soforthilfe-VwV innehat (vgl. dazu § 1 Abs. 1 Corona-Soforthilfe-Unterstützungsverordnung [CorUnVO] v. 25.03.2020 i.d.F. v. 08.04.2020 – Volltext siehe https://wm.baden-wuerttemberg.de/fileadmin/redaktion/m-wm/intern/Dateien_Downloads/Wirtschaftsstandort/Corona-Soforthilfeunterst%C3%BCtzungsVO_idF_v._08.04.2020. pdf), noch die Landeskreditbank als fachkundige letztentscheidende Behörde selbst, Bedenken gegenüber der grundsätzlichen Förderungsfähigkeit und Antragsberechtigung des Unternehmens des Klägers äußern, sondern statt dessen trotz dieser sich augenfällig widersprechenden Angaben im Antrag, welche sie aus ihrer Sicht als eklatante laienhafte Fehlsubsumtion hätten ansehen müssen, zum Ergebnis kommen, das Unternehmen des Klägers sei antragsberechtigt, stelle also kein Unternehmen in Schwierigkeiten dar, dann kann dem Kläger als einem Laien nicht der Vorwurf gemacht werden, er hätte die Rechtswidrigkeit des von der Beklagten auf der Basis seiner offen und klar und eindeutig gemachten zutreffenden Angaben erlassenen Bewilligungsbescheids klar erkennen können und es beruhe daher auf grober Fahrlässigkeit, wenn er dies nicht erkannt habe, und deshalb hätte er mit der Rücknahme des Bewilligungsbescheids rechnen müssen und könne sich daher einer Rücknahme gegenüber nicht auf Vertrauensschutz berufen.
120
Denn insoweit kann von einem Laien nicht mehr erwartet werden als von der fachkundigen Behörde selbst. Eine grobe Fahrlässigkeit liegt nämlich nur dann vor, wenn jemand die Fehlerhaftigkeit des Bescheids „ohne besondere Mühe“ erkennen könnte, also „ohne Weiteres“ die Rechtswidrigkeit des Bewilligungsbescheids schlussfolgern kann und in seiner Parallelwertung in der Laiensphäre erkennen musste, dass der Bewilligungsbescheid „so nicht richtig“ sein kann bzw. insoweit die gebotene Sorgfalt in „besonders schwerer Weise“ verletzt, weil er selbst „einfachste, ganz naheliegende Überlegungen“ nicht angestellt hat (vgl. dazu m.w.Rspr.Nw. Kopp/Ramsauer, VwVfG Kommentar, 18. Aufl. 2017, Rn. 121, 122 und 124 zu § 48 VwVfG).
121
Mit anderen Worten: Nach diesen Maßstäben und Grundsätzen müssten sich vielmehr die IHK und die Beklagte ihrerseits den Vorwurf grober Fahrlässigkeit gefallen lassen, wenn sie einfach ohne Weiteres einen Bewilligungsbescheid befürworten bzw. erlassen, weil sie offenbar die Angaben des Klägers, die ganz klar dem Antrag als Bestandteil beigefügt waren, offenbar schlichtweg nicht gelesen bzw. zwar gelesen, aber inhaltlich nicht verarbeitet haben, aus denen sich aus ihrer Sicht klar das Fehlen der grundlegenden Antragsberechtigung ergab.
122
2.1.4.2. Ebenso wenig kann ein dem Erlass eines Rücknahmebescheids entgegenstehendes schutzwürdiges Vertrauen des Klägers unter Hinweis darauf verneint werden, ungeachtet eines Vorsatzes oder Verschuldens des Klägers sei jedenfalls der Bewilligungsbescheid von ihm „durch unrichtige Angaben erwirkt“ worden.
123
Denn da der Kläger hier mit dem Ankreuzen der Formulierung im Formular, sein Unternehmen sei „kein Unternehmen in Schwierigkeiten“ und zugleich mit der Angabe, er sei hochverschuldet und seit Jahren insolvent, zwei sich ganz klar widersprechende und gegenseitig ausschließende Angaben gemacht hätte, wenn der bloße Umstand einer solchen Insolvenz ohne jede Ausnahme das Vorliegen eines „Unternehmens in Schwierigkeiten“ begründen würde, lag insoweit eine insgesamt mit Blick auf beide Aussagen betrachtet nur paradoxe und damit inhaltsleere Angabe vor, die schon von daher gar nicht einen darauf gründenden Erlass eines Bewilligungsbescheids verursachen, nämlich „erwirken bzw. bewirken“, konnte (zum Kausalitätserfordernis in diesem Zusammenhang vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG Kommentar, Rn. 116 zu § 48 VwVfG m.w.Nw.). Bewirkt worden wäre daher der Bewilligungsbescheid nicht durch eine unrichtige Angabe des Klägers, sondern durch den schlichten, allein der Beklagten anzulastenden Umstand, dass sie seine Angaben in der dem durch Ankreuzen ausgefüllten Antrag beigefügten Erläuterung gar nicht gelesen bzw. womöglich gelesen, aber einfach nicht verarbeitet und umgesetzt hat.
124
Daher kann sie sich auch nicht etwa darauf berufen, den Bewilligungsbescheid aufgrund der pandemiebedingten Sondersituation und einer Überlastung mit dem entsprechenden Massenverfahren allein auf der Grundlage der Angaben und Erklärungen des Antragstellers (Klägers) ohne jegliche vorherige Überprüfung dieser Angaben schnell und unbürokratisch erlassen zu haben. Denn die Widersprüchlichkeit der Angaben war klar und auf einen Blick ohne jede sonstige weitere Überprüfung ersichtlich, wie sie ansonsten – etwa hinsichtlich der Angaben zu einer bestimmten Höhe von Einnahmen bzw. Ausgaben – regelmäßig erst noch durch Anforderung von Belegen und Unterlagen oder weiteren Erläuterung erfolgen müsste (vgl. zu einer fehlenden Mitverantwortung einer Bewilligungsbehörde bei ungeprüfter Übernahme und raschem, unbürokratischen Erlass von Bewilligungsbescheiden in Massenverfahren im Zusammenhang Corona-Soforthilfenzahlungen VG Düsseldorf, Urteil vom 14.12.2020 – 20 K 4706/20 -, juris, Rn. 48; dass mangelnde Sorgfalt einer Behörde – außer in Fällen einer analog § 242 BGB unzulässigen Rechtsausübung – nichts am Ausschluss eines Vertrauensschutzes nach § 48 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 VwVfG ändert, wenn jedenfalls falsche Angaben gemacht wurden [vgl. BVerwG, Urteil vom 14.08.1986 – 3 C 9/85, juris, Rn. 29, 30 = NVwZ 1987, 44], ist im vorliegenden Fall irrelevant, weil es hier nach dem oben Gesagten infolge zweier widersprüchlichen, miteinander nicht zu vereinbarenden Angaben überhaupt an einer Angabe und damit auch an einer eindeutigen Angabe fehlt, deren Inhalt sich als richtig oder unrichtig qualifizieren lässt).
125
Der Kläger, der ja selbst ganz offensichtlich davon ausging, es könne womöglich auf seine Verschuldung und Insolvenz ankommen, und diese deshalb ausdrücklich mit dem Antrag erwähnt, aber zugleich auch dargelegt hatte, warum dies seines Erachtens für den Weiterbetrieb seiner ungeachtet der Verschuldung schon seit Jahren ausgeübten Geschäftstätigkeit seines Unternehmens irrelevant sei, zu dessen Sicherung er die Corona-Soforthilfe beantragt hatte, durfte, als er dann einen positiven Bewilligungsbescheid erhielt, davon ausgehen, dass die Bewilligungsvoraussetzungen aufgrund dieser seiner Angaben von der Beklagten geprüft und bejaht worden seien, und durfte daher insoweit auf den Bestand des Bewilligungsbescheids vertrauen (§ 48 Abs. 2 S. 1 LVwVfG), der diesbezüglich ja offensichtlich nicht mehr von einer späteren Überprüfung von Belegen und Unterlagen abhing, die sich die Beklagte ausweislich der Ziff. 7 ihres Antragsformulars noch vorbehalten hatte.
126
2.2. Da nach dem oben (unter Ziff. 2.1.) Gesagten nur die Bewilligung einer Corona-Soforthilfe in Höhe von 493 Euro rechtmäßig war, dem Kläger mit dem Bewilligungsbescheid aber eine Förderung in Höhe von insgesamt 2.150 Euro gewährt wurde, erweist sich der Bewilligungsbescheid zwar insoweit als rechtswidrig, als dem Kläger damit ein über 493 Euro hinausgehender Förderbetrag im Umfang von 1.657 Euro bewilligt wurde.
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Gleichwohl ist der hier angefochtene Rücknahmebescheid der Beklagten auch insoweit rechtswidrig, weil es hier an der zusätzlich zur Rechtswidrigkeit des zurückgenommenen Bescheids erforderlichen gesetzlichen Voraussetzung des § 48 Abs. 2 S. 1 LVwVfG fehlt, wonach ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der – wie hier – eine einmalige Geldleistung gewährt, nur zurückgenommen werden darf, wenn der Begünstigte nicht auf den Bestand des Bescheids vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung des öffentlichen Interesses an der Rücknahme nicht schutzwürdig ist.
128
Nach den oben (unter Ziff. 2.1.4.1) dargelegten Maßstäben zur groben Fahrlässigkeit kann dem Kläger eine solche Fahrlässigkeit auch nicht (gem. § 48 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 LVwVfG) vorgehalten werden, soweit er den Bewilligungsbescheid auch der Höhe nach für rechtmäßig gehalten hat.
129
Denn der Kläger hatte eine Förderung in Höhe von 2.150 Euro beantragt, wobei er diesen Umfang der begehrten Förderung ausweislich seiner dem Antragsformular beigefügten Erläuterung zum Antrag offensichtlich allein aus dem von ihm ermittelten Umsatz-/Honorarausfall gegenüber dem Vorjahr ableitete.
130
Insoweit aber konnte der Kläger nicht ohne Weiteres erkennen und hätte es auch bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt nicht leicht erkennen müssen, dass es nach dem oben Gesagten auf einen Umsatz-/Honorarausfall als Förderungsgrund – auch schon nach der bei Antragstellung noch gültigen Richtlinie vom 22.03.2020 – gar nicht ankam, sondern schon seinerzeit nur auf das Vorliegen einer Liquiditätslücke. Ebenso wenig konnte er erkennen bzw. hätte er erkennen müssen, dass deshalb die Beklagte – und im Rahmen der zuvor erfolgten Vorprüfung auch die IHK – nicht zum Ergebnis hätten kommen dürfen, im Umfang von 2.150 Euro liege eine Liquiditätslücke vor, und dass deshalb der Bewilligungsbescheid über die Gewährung einer Förderung in Höhe von 2.150 Euro insoweit rechtswidrig war, als über die nach dem oben Gesagten feststellbare Liquiditätslücke im Umfang von 493 Euro hinausgehend keine weitere Liquiditätslücke vorlag und damit der darüber hinausgehend bewilligte Förderbetrag rechtswidrig gewährt worden war.
131
Denn zum einen war nicht nur die damalige Richtlinie für die Corona-Soforthilfegewährung in einer für Laien kaum durchschaubaren Weise insoweit missverständlich formuliert, als sie als Fördergrund sowohl einen Umsatzverlust als auch eine Liquiditätslücke scheinbar gleichrangig und alternativ nebeneinander stellte und erläuterte (siehe dazu oben). Zum anderen muss auch hier der schon oben unter 2.1.4.1. dargelegte Grundsatz Anwendung finden, dass es eine Überspannung der Sorgfaltspflichten darstellen würde, wollte man von einem nicht speziell vorgebildeten, sondern laienhaften Antragsteller erwarten, dass er Zusammenhänge ohne Weiteres durchschaut und erkennt, die selbst von den mit der Prüfung seines Antrags befassten Fachbehörden und spezialisierten Stellen – wie hier der IHK und der auf Förderprogramme spezialisierten Beklagten – ihrerseits nicht erkannt wurden, obwohl zumindest ihnen die entsprechenden Mängel seines Antrags schon bei einer ersten auch nur oberflächlichen Durchsicht des Antrags als offensichtliche Mängel gewissermaßen gleich hätten „ins Auge springen“ müssen. Denn der Antragsteller hatte in dem Antragsformular einfach in der Rubrik „Liquiditätslücke“ den Betrag von 2.150 Euro eingetragen, offensichtlich aber gar keine auch nur prognostische Gegenüberstellung von zu erwartenden Einnahmen und Ausgaben zur Feststellung einer solchen Lücke im Bewilligungszeitraum auch nur ansatzweise beigefügt, sondern diese Lücke lediglich mit einem Umsatzverlust in entsprechender Höhe erklärt, aber auch insoweit offensichtlich keinerlei Gegenüberstellung von Umsätzen/Honoraren aus 2020 zu solchen aus 2019 auch nur ansatzweise beigefügt. Gleichwohl hatte die IHK die Bewilligung seines Antrags uneingeschränkt befürwortet, unter anderem weil sie die „Beschreibung zum Liquiditätsengpass“ ausdrücklich als „plausibel“ einstufte (BAS 11), hat also selbst diese Mängel nicht gesehen, die für sie hätten offenkundig sein müssen. Auch die Beklagte hatte hier ausweislich der Begründung ihres Bewilligungsbescheids vom 27.05.2020 eine Förderung in Höhe von 2.150 Euro gewährt und – in für einen Laien als Adressaten auch missverständlichen Weise – ausdrücklich unter II.1. (BAS 18) ausgeführt, der Zuschuss werde zur Überwindung der existenzbedrohlichen Wirtschaftslage „bzw.“ der Liquiditätsengpässe „oder“ Umsatzeinbrüche gewährt, die durch die Corona-Pandemie entstanden seien. Vor diesem Hintergrund war es aber erst recht für den Kläger bei Erhalt dieses Bewilligungsbescheids nicht und schon gar nicht ohne Weiteres klar erkennbar, dass das „so nicht richtig“ sein konnte, weil es entgegen diesen Formulierungen im Bescheid und auch abweichend von der insoweit durchaus missverständlichen Formulierung der Richtlinie auf den von ihm einfach nur vorgetragenen Umsatzausfall nicht ankam, sondern von ihm statt dessen in dieser Höhe eine Liquiditätslücke durch eine Gegenüberstellung hätte dargelegt werden müssen. Das gilt zumal das Antragsformular auch offenbar zwei Rubriken enthielt: Zum einen „Höhe des bestehenden und/oder zu erwartenden Liquiditätsengpasses“ und direkt darunter „Höhe des beantragten Zuschusses“ (BAS 3), die der Kläger ohne Differenzierung konsequenterweise einfach beides mal mit dem Betrag „2.150 Euro“ ausgefüllt hat. Auch die im Formular anschließende Frage, ob bereits weitere staatliche Bundeshilfen oder europäische Hilfen zum Ausgleich unmittelbar infolge der Corona-Pandemie eingetretener „Liquiditätsengpässe oder Umsatzeinbrüche“ beantragt, bewilligt oder zu beantragen beabsichtigt seien, konnte vielmehr bei einem Antragsteller eher den Eindruck erwecken, es handle sich um alternative, selbständige Fördergründe.
132
Da der Antragsteller ausweislich seiner dem Antrag beigefügten Erklärung der Sache nach auch eindeutig gar keinen Liquiditätsengpass behauptet und dargelegt, sondern bei seiner völlig transparent offengelegten Ermittlung des Wertes von 2.150 Euro offenkundig allein (und dazu noch ohne Gegenüberstellung zu Vorjahreswerten) auf einen reinen Umsatz-/Gewinneinbruch, Honorarverlust abgestellt hatte, lag insoweit – auch für die Beklagte und zuvor schon für die IHK offenkundig erkennbar – schon gar keine Angabe zu einem Liquiditätsengpass vor. Denn vor diesem Hintergrund war aus dem Kontext mit dieser beigefügten Erläuterung eindeutig erkennbar, dass trotz des Eintrags eines Betrags von 2.150 Euro in die Rubrik „Liquiditätsengpass“ durch den Kläger damit gar keine Angabe zu einem solchen vorlag, sondern nur eine zur Höhe eines Gewinneinbruchs. Eine Angabe des Klägers zu einem Liquiditätsengpass und seiner Höhe lag mithin insoweit gar nicht vor, die im Sinne von § 48 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 LVwVfG dann auch hätte „unrichtig“ sein und dadurch kausal den Erlass des Bewilligungsbescheids durch die Beklagte in dieser Höhe hätte „erwirken“ können. Auch hier ist – wie schon oben zur Frage der Erwirkung der Bewilligung durch vermeintlich unrichtige Angaben zum Vorliegen eines Unternehmens, das nicht „in Schwierigkeiten“ sei – vielmehr zu konstatieren, dass der Erlass des Bescheids in dieser Höhe nicht durch die Angaben des Klägers „erwirkt“, also – ohne Rücksicht auf einen Vorsatz oder ein Verschulden des Klägers – objektiv verursacht wurde, sondern statt dessen allein dadurch verursacht wurde, dass die IHK und in der Folge auch die Beklagte vor Erlass des Bescheids die Angaben des Klägers in der beigefügten Erläuterung schlichtweg nicht gelesen bzw. zwar gelesen, aber inhaltlich nicht verarbeitet hatten. Auf die Rechtsprechung, die eine der Rücknahme eines Bewilligungsbescheids wegen unrichtiger Angaben im Bewilligungsantrag entgegenstehende überwiegende Mitverantwortung einer Behörde für den Bescheid regelmäßig in Fällen verneint, in denen eine Billigkeitsleistung aufgrund einer pandemiebedingten Sondersituation (Zeitdruck, Massenverfahren) schnell und unbürokratisch größtenteils allein aufgrund der Erklärungen des Antragstellers ohne jegliche Überprüfung der Angaben vor Erlass des Zuschussbescheids gewährt, ist deshalb auch nicht auf den vorliegenden Fall anwendbar. Denn hier ging es nicht um die Prüfung von angegebenen Inhalten einer Erklärung, also etwa die Anforderung von Belegen zur vorgetragenen Höhe von Einnahmen/Ausgaben, sondern schlicht darum, dass schon der Inhalt der Erklärung des Antragstellers durch die Beklagte im vorliegenden Fall überhaupt schon gar nicht vollständig, nämlich in ihrer Kombination aus Formulareintrag und beigefügte Erläuterung als bloße Angabe eines Gewinneinbruchs, wahrgenommen wurde, sondern infolge der fehlenden vollständigen Zurkenntnisnahme als vermeintliche Angabe und Behauptung einer Liquiditätslücke, so dass die Zuschussgewährung auch gar nicht allein auf der der Grundlage dieser Erklärung erfolgte.
133
Auch wenn damit der Annahme eines Vertrauensschutzes nach § 48 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 und 3 LVwVfG entgegenstehende Gründe nicht vorliegen, besagt dies allerdings noch nicht, dass der Rücknahmebescheid deshalb wegen eines entgegenstehenden positiv gegebenen schutzwürdigen Vertrauens des Klägers nicht hätte erlassen werden dürfen, d.h. dass sein gleichwohl erfolgter Erlass mangels gesetzlicher Rücknahmevoraussetzungen rechtswidrig gewesen wäre.
134
Im vorliegenden Fall ist allerdings ein solches schutzwürdiges Vertrauen des Klägers auf den Bestand des Bewilligungsbescheid auch positiv zu bejahen (§ 48 Abs. 2 S. 1 LVwVfG). Insoweit ist die Regelung des § 48 Abs. 2 S. 2 LVwVfG zu berücksichtigen, wonach ein Vertrauen „in der Regel schutzwürdig“ ist, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht oder (im Vertrauen auf den Bewilligungsbescheid) eine nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig zu machende Vermögensdisposition getroffen hat. So aber liegt es hier: Dem Kläger ist zwar nach den oben dazu im Tatbestand gemachten Ausführungen bisher die bewilligte Fördersumme tatsächlich von der Beklagten noch gar nicht ausgezahlt und auf das von ihm angegebenen Konto überwiesen worden. Er hat aber – seitens der Beklagten insoweit bislang unwidersprochen – vorgetragen, dass er sich im Vertrauen auf den Bewilligungsbescheid und eine von ihm deshalb erwartete baldige Auszahlung der bewilligten Fördersumme privat durch Leihen von Geld bei privaten Dritten (Freunden) verschuldet hat, um im Bewilligungszeitraum auch notwendige Ausgaben tätigen zu können und seine physische Existenz und damit auch seine Existenz als Erbringer der von ihm produzierten Dienstleistungen (Geigenverleih, Geigenunterricht, Auftritte als Musiker) zu erhalten und somit den andernfalls existenziell gefährdeten Weiterbetrieb seines „Unternehmens“ sicherzustellen, um nicht den Betrieb einstellen zu müssen und dann wieder statt von selbständig erwirtschaftetem Erwerbseinkommen von Hartz-IV-Leistungen abhängig zu sein. Insoweit aber kann ein Vertrauen auch ohne den vom Gesetz nur als „Regelfall“ bezeichneten Verbrauch einer gewährten Leistung schutzwürdig sein, wenn es sich, wie hier im Fall des Klägers durch private Leihe von Geldbeträgen, tatsächlich manifestiert hat. Das Vertrauen wird auch nicht durch einen Widerrufsvorbehalt oder Hinweise im Bewilligungsbescheid auf sonstige Möglichkeiten einer Aufhebung oder Änderung des Bescheids schlechthin ausgeschlossen (vgl. dazu Kopp/Ramsauer, VwVfG Kommentar, 18. Aufl. 2017, Rn. 95 und 96 zu § 48 VwVfG). Das Vertrauen ist zudem umso eher schutzwürdig, je mehr Zeit seit Erlass des Bewilligungsbescheids verstrichen ist. Ferner gilt, dass das Vertrauen umso schutzwürdiger ist, je mehr der Anlass für die Rücknahme im Bereich der Behörde, statt des Antragstellers liegt (vgl. Kopp/Ramsauer, a.a.O., Rn. 102 zu § 48 VwVfG).
135
So liegt es hier: Konkrete Nachweise für einen Liquiditätsengpass und eine entsprechende Gegenüberstellung von Einnahmen und Ausgaben hat die Beklagte erstmals mit Schreiben vom 25.06.2020 (BAS 24) vorm Kläger angefordert, also erst kurz vor Ablauf des dreimonatigen, von April bis Juni 2020 dauernden Bewilligungszeitraums und mehr als zwei Monate, nachdem sie den Antrag vom 28.03.2020 zunächst allein wegen der Angabe einer unzureichenden Kontonummer, offenbar aber nicht wegen sonstiger fehlender Voraussetzungen mit dem ursprünglichen Bescheid vom 24.04.2020 abgelehnt hatte, und einen Monat nachdem sie dann in der Folge – nach Angabe einer ausreichenden Kontonummer und ohne weitere Nachfragen oder Anforderung von Unterlagen – den Bewilligungsbescheid am 27.05.2020 uneingeschränkt erlassen hatte. Nach dem Zeitpunkt, ab dem das Pfändungsschutzkonto des Klägers bestehe, hat sie, obwohl er dies schon in seiner Antragstellung vom 28.03.2020 eindeutig erwähnt hatte, erstmals mit ihrem dem Erlass des Rücknahmebescheids vom 15.12.2020 vorangehenden Anhörungsschreiben vom 14.08.2020 (BAS 118) gefragt, und damit dem Kläger gegenüber erstmals zu erkennen gegeben, dass dies für die Förderung relevant sein könnte, also diese Frage zu einem Zeitpunkt mehr als zweieinhalb Monate aufgeworfen, nachdem sie durch Erlass des Bewilligungsbescheids einen entsprechenden Anknüpfungspunkt für die Betätigung seines Bestandsvertrauens darauf durch den Kläger geliefert hatte.
136
Das Fehlen eines schutzwürdigen Vertrauens lässt sich – entgegen der Ansicht der Beklagten – auch nicht aus dem unter Ziff.6 des Bewilligungsbescheids beigefügten Vorbehalt eines Widerrufs des Bewilligungsbescheids ableiten. Denn dieser Widerrufsvorbehalt galt lediglich für den – hier gar nicht gegebenen – Fall nachträglich nach Erlass des Bewilligungsbescheids eingetretener Änderungen für die Bewilligung relevanter Sachverhalte und deren Nichtanzeige durch den Kläger. Ebenso wenig lässt sich zudem das Fehlen eines schutzwürdigen Vertrauens des Klägers auf den Bestand des Bewilligungsbescheids aus dem Umstand herleiten, dass unter Ziff. 6 des Bescheids auch ein bloßer Hinweis darauf enthalten war, dass unberechtigt empfangene Förderleistungen zurück zu gewähren seien. Denn dieser Hinweis galt nur für den Fall, dass nicht nur eine Leistung unrechtmäßig, also durch rechtswidrigen Bewilligungsbescheid gewährt worden, sondern dass obendrein der Empfänger deshalb auch noch einen Rückforderungsbescheid tatsächlich erhalten hat. Ein solcher Rückforderungsbescheid seinerseits darf aber nur erlassen werden, soweit kein Vertrauensschutz entgegensteht. Dieser Hinweis konnte also für den Kläger als Adressaten des Bewilligungsbescheids allenfalls bedeuten, die ungeachtet eines solchen Hinweises auch schon für einen Laien erkennbare Selbstverständlichkeit noch einmal hervorzuheben, dass er in Fällen, in denen ihm kein Vertrauensschutz zuzubilligen ist, das Empfangene zurück zu zahlen habe, besagte damit aber nichts dazu, dass und wann ein solcher Vertrauensschutz nicht zu gewähren sei. Dass der Bewilligungsbescheid auch sonst noch Hinweise darauf enthielt, dass die Angaben des Klägers und seine wirtschaftlichen Verhältnisse, auf deren Grundlage der Bewilligungsbescheid erlassen wurde, auch nachträglich noch überprüft werden können (siehe dazu Ziff. 4 S. 2 und Ziff. 7 des Bescheids), konnte ein Bestandsvertrauen des Klägers für ihn ersichtlich auch nur für den Fall ausschließen, dass er unbelegte, oder sonst nicht nachweisbare, inhaltlich unrichtige Tatsachenangeben etwa zu seiner wirtschaftlichen Situation oder aber insbesondere zu der Höhe von Einnahmen und Ausgaben gemacht hat, weil dies objektive, aus seiner Sphäre stammende Fakten betrifft, deren Richtigkeit oder Belegbarkeit zunächst nur er selbst kennen kann und zu verantworten hat. Hingegen konnte dadurch nicht sein Vertrauen darauf gemindert oder ganz entkräftet werden, dass die Behörde aufgrund von ihm insoweit zutreffend angegeben Daten, Zahlen und wirtschaftlichen Fakten, dann anhand einer rechtmäßigen Anwendung und Auslegung der einschlägigen Vorschriften und zutreffenden Subsumtion dieser Fakten unter diese Vorschriften zu einem rechtmäßigen Prüfungsergebnis und einem rechtmäßigen Bewilligungsbescheid gelangt ist. Mit anderen Worten: Aufgrund dieser Hinweise auf die Möglichkeit einer nachträglichen Überprüfung der inhaltlichen Richtigkeit der von ihm gemachten Angaben stand der Bewilligungsbescheid für ihn erkennbar nur unter einem allgemeinen inhaltlichen Überprüfungsvorbehalt. Hingegen besagte dieser Hinweis nicht, dass der Kläger auch mit einer unzutreffenden rechtlichen Subsumtion zutreffender Faktenangaben oder ganz generell mit einer rechtlich fehlerhaften Anwendung der einschlägigen Normen hätte rechnen müssen, wie sie hier vorlag, weil die Bewilligung von 2.150 Euro – für den Kläger nach dem oben Gesagten eben gerade nicht ohne Weiteres erkennbar – auf der durch die Normen nicht gedeckten Bewilligung einer Förderung für einen vom Kläger lediglich vorgetragenen Umsatzeinbruch beruhte, obwohl sie nur für einen in diesem Umfang vorliegenden Liquiditätseinbruch hätte bewilligt werden dürfen, den der Kläger so gar nicht behauptet und zu dem er insoweit auch gar keine aus einer Gegenüberstellung resultierende Angaben gemacht hatte.
137
Da der Kläger nachvollziehbar dargelegt hat, dass er in besonders prekären angespannten wirtschaftlichen Verhältnissen am Rande des wirtschaftlich Vertretbaren lebt und wirtschaftet und deshalb auch durch jedes wirtschaftliche Ungleichgewicht ungleich stärker betroffen ist, als andere, ist er auch schutzwürdiger, wenn er im Vertrauen auf die Bewilligung einer mit knapp über 2.000 Euro liegenden und daher für sich genommen nicht sehr großen Summe Geldes auch nur einzelne Dispositionen getroffen hat, sich Geld bei privaten Dritten zu leihen, in der Erwartung es alsbald nach Auszahlung des bewilligten Betrages zurückzahlen zu können. Sein Vertrauensschutz hat daher im Ergebnis bei einer Gesamtbetrachtung ein besonders starkes Gewicht und steht nach allem dem Erlass eines Rücknahmebescheids schon auf der Tatbestandsseite entgegen, so dass ein Rücknahmeermessen der Beklagten schon gar nicht eröffnet war.
138
Die Kostentenscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

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