VG Köln, Beschluss vom 13.04.2022 – 7 L 420/22

April 28, 2022

VG Köln, Beschluss vom 13.04.2022 – 7 L 420/22

Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens zu je 1/2.

2. Der Streitwert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe
Die Anträge,

1. den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller zu 1 einen Nachweis über seine Genesung im Sinne des § 2 Abs. 5 der Verordnung zur Regelung von Erleichterungen und Ausnahmen von Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 (SchAusnahmV) für den Zeitraum 10. Januar 2022 bis 12. Juni 2022 auszustellen,

2. den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller zu 2 einen Nachweis über seine Genesung im Sinne des § 2 Abs. 5 der Verordnung zur Regelung von Erleichterungen und Ausnahmen von Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 (SchAusnahmV) für den Zeitraum 14. Januar 2022 bis 16. Juni 2022 auszustellen,

hilfsweise

vorläufig festzustellen, dass die Dauer des Genesenenstatus der Antragsteller sechs Monate beträgt und keine Verkürzung auf 90 Tage durch § 2 Abs. 5 SchAusnahmV in der geänderten Fassung vom 14. Januar 2022 erfahren hat,

haben keinen Erfolg.

Es bedarf keiner Klärung der Frage, ob die Vertretung des Antragstellers zu 2) hinreichend glaubhaft gemacht ist. Diese erfolgt regelmäßig durch die Eltern gemeinschaftlich.

Denn die Anträge sind jedenfalls nicht begründet.

Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht bereits vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO muss der Antragsteller sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund glaubhaft machen. Eine Vorwegnahme der Hauptsache – wie sie hier die Antragsteller begehren – kommt dabei im Verfahren nach § 123 Abs. 1 VwGO nur ausnahmsweise aus Gründen effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) in Betracht, nämlich dann, wenn das Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache für die Antragsteller schlechthin unzumutbar wäre. Dies setzt unter dem Gesichtspunkt der Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs voraus, dass das Rechtsschutzbegehren in der Hauptsache schon aufgrund der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes lediglich anzustellenden summarischen Prüfung bei Anlegung eines strengen Maßstabes an die Erfolgsaussichten erkennbar Erfolg haben wird. Außerdem müssen die Antragsteller – im Rahmen des Anordnungsgrundes – glaubhaft machen, dass ihnen ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstehen, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre.

Vgl. OVG NRW, Beschl. v. 11.02.2021 – 6 B 1769/20 -, juris Rn. 4.

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

Es mag offen bleiben, ob es bezüglich der Anträge zu 1 und 2 bereits an der erforderlichen Zuständigkeit des Antragsgegners zur Ausstellung von Genesenenbescheinigungen fehlt. Zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung besteht insoweit jedenfalls kein Anordnungsgrund. Schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre, haben die Antragsteller nicht hinreichend dargelegt. Nachdem das Infektionsschutzgesetz vom 20.07.2000 (BGBl. I S. 1045), das durch Artikel 4 des Gesetzes vom 18.03.2022 (BGBl. I S. 473) – IfSG – geändert worden ist, sind die meisten Schutzmaßnahmen außer Kraft getreten. Die Anschlussregelungen sehen nur noch einen sog. „Basisschutz“ vor. Notwendige Schutzmaßnahmen können gemäß § 28a Abs. 7 Satz 1 IfSG u.a. noch die Anordnung der Verpflichtung zum Tragen einer Atemschutzmaske (FFP2 oder vergleichbar) bzw. einer medizinischen Gesichtsmaske (Mund-Nasen-Schutz) in Arztpraxen (Nr. 1 lit. a)) oder in Verkehrsmitteln des öffentlichen Personennahverkehrs (Nr. 1 lit. b)) sein. Daneben können gemäß § 28a Abs. 7 Nr. IfSG Testverpflichtungen bspw. in Schulen und ähnlichen Einrichtungen angeordnet werden. Gemäß § 28a Abs. 10 IfSG bestand für die Bundesländer zwar die Möglichkeit, das bislang durch die Landesverordnungen geregelte Schutzregime bis zum 02.04.2022 zu verlängern, wovon die Bundesländer, soweit ersichtlich, auch überwiegend Gebrauch gemacht hatten. Einer von den Gesundheitsministern der Länder geforderten Verlängerung dieser Übergangsfrist ist der Bund nicht gefolgt, sodass auch die in den Landesverordnungen geregelten Maßnahmen nach dem 02.04.2022 außer Kraft getreten sind. Nach dem Stichtag können die Länder nur noch Regelungen für sog. Hotspots treffen, vgl. § 28a Abs. 8 IfSG. Laut aktuellen Presseberichten sehen viele Länder und insbesondere auch das Land Nordrhein-Westfalen derzeit jedoch keine Handhabe, das gesamte Landesgebiet als „Hotspot“ einzustufen. Weitreichende landesweite Maßnahmen sind daher derzeit unwahrscheinlich. Selbst wenn solche Maßnahmen erlassen würden, bestünde die Möglichkeit, sich gegen diese Maßnahmen zur Wehr zu setzen, sofern die Antragsteller hiervon individuell betroffen sein sollten. Der pauschale Hinweis auf den Ausschluss von der Teilnahme an sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Leben, überzeugt schon vor diesem Hintergrund nicht.

Sinngemäß gilt das Vorstehende auch für den hilfsweisen Feststellungantrag, der auf die Klärung einer Vorfrage der Anträge zu 1 und 2 zielt.

Ohne dass es hierauf entscheidungserheblich ankäme, hat die Kammer auch erhebliche Zweifel hinsichtlich des Vorliegens eines Anordnungsanspruchs.

Soweit der Antragsteller sich zur Begründung eines Anspruchs auf die Rechtswidrigkeit des § 2 Nr. 5 COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung (SchAusnahmV) in der Fassung vom 08.05.2021 (BAnz AT 08.05.2021 V1) beruft, könnte er damit wohl nicht mehr durchdringen. Die vom Antragsteller beanstandete Regelung des § 2 Nr. 5 SchAusnahmV ist durch Artikel 1 der zweiten Verordnung zur Änderung der SchAusnahmV vom 18.03.2022 (BGBl. I S. 478) aufgehoben worden. Seit der Änderung des Infektionsschutzgesetzes wird der Genesenennachweis in § 22a Abs. 2 IfSG legal definiert. Ein dynamischer Verweis auf die Internetseite des RKI findet sich darin nicht mehr.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG. Dabei hat das Gericht für jeden der Antragsteller den vollen, für die Hauptsache maßgeblichen Auffangstreitwert zugrunde gelegt, weil das Begehren der Antragsteller auf die Vorwegnahme der Hauptsache zielt. Der so ermittelte Streitwert umfasst auch den hilfsweisen Feststellungsantrag.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen Ziffer 1 dieses Beschlusses kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, Beschwerde eingelegt werden.

Die Beschwerdefrist wird auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist schriftlich bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, eingeht.

Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht schriftlich einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen.

Auf die ab dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) wird hingewiesen.

Im Beschwerdeverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen; dies gilt auch für die Einlegung der Beschwerde und für die Begründung. Als Prozessbevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts auch eigene Beschäftigte oder Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung im Übrigen bezeichneten ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen.

Gegen Ziffer 2 dieses Beschlusses kann innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, Beschwerde eingelegt werden. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

Die Beschwerde ist schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, einzulegen.

Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt.

Die Beschwerdeschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.

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