VG Magdeburg, Urteil vom 11.12.2018 – 9 A 636/16

August 2, 2021

VG Magdeburg, Urteil vom 11.12.2018 – 9 A 636/16

Zu den Voraussetzungen für die Erhebung von Benutzungsgebühren von Bundesstraßen und zur Beachtlichkeit von Kostenbeteiligungsvereinbarungen

Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit von Bescheiden, mit denen der Beklagte Niederschlagswassergebühren für Bundesstraßen erhebt.

Der Beklagte hält in seinem Verbandsgebiet öffentliche Anlagen zur zentralen Niederschlagswasserbeseitigung vor, die er sowohl im Misch- als auch im Trennsystem betreibt. An diese sind neben den (privaten) Grundstücken auch öffentliche Gemeinde-, Kreis-, Land- und Bundesstraßen angeschlossen. Der Kläger nimmt im Rahmen der Bundesauftragsverwaltung nach Art. 90 Abs. 2 GG die Aufgaben eines Trägers der Straßenbaulast für Bundesstraßen wahr.

Mit hier streitigen und an die A. Sachsen-Anhalt, A-Stadt, gerichteten Bescheiden vom 16.06.2016 setzte der Beklagte Niederschlagswassergebühren für die Jahre 2014 bis 2016 sowohl für die „Liegenschaft: B-Stadt, D-Straße B 245“ in Höhe von jeweils 13.088,38 Euro (17.687 m² x 0,74 €/m²) als auch für die „Liegenschaft: E B 71“ in Höhe von jeweils 2.880,78 € (6.859 m² x 0,42 €/m²) fest. Dagegen legte der Kläger jeweils mit Schreiben vom 27.06.2016 Widerspruch ein. Diesen wies der Beklagte jeweils mit Widerspruchsbescheid vom 05.09.2016, zugestellt jeweils am 07.09.2016, als unbegründet zurück.

Am 14.09.2016 hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, für die hier streitige Gebührenerhebung fehle es an einer hinreichenden satzungsrechtlichen Grundlage. Darüber habe sich der Träger der Straßenbaulast bereits in einem erheblichen Umfang an den Abwasseranlagen im Zuge von Gemeinschaftsmaßnahmen beteiligt, was sich sowohl den in diesem Zusammenhang abgeschlossenen Vereinbarungen aus den Jahren 1998, 1999 und 2000 als auch aus den nachgängig erfolgten Zahlungen entnehmen lasse; insoweit seien Zahlungen von mindestens 140.000 Euro nachweisbar. Der Beklagte habe sich insoweit auch verpflichtet, das Niederschlagswasser schadlos zu beseitigen und keine weiteren Ansprüche geltend zu machen.

In der mündlichen Verhandlung am 11.12.2018 hob der Beklagte die Bescheide vom 16.06.2016 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 05.09.2016 betreffend den Erhebungszeitraum 2014 auf. Die Beteiligten erklärten den Rechtsstreit daraufhin insoweit in der Hauptsache für erledigt. Zudem änderte er die Niederschlagswassergebührenbescheide vom 16.06.2016 in der Gestalt des jeweiligen Widerspruchsbescheides vom 05.09.2016 betreffend den Erhebungszeitraum 2015 dahingehend, dass er die Gebühren für die „Liegenschaft: B-Stadt, D-Straße B 245“ unter Anwendung eines Gebührensatzes von 0,94 €/m² nunmehr auf 16.625,78 Euro und für die „Liegenschaft: E B 71“ unter Anwendung eines Gebührensatzes von 0,77 €/m² auf 5.281,43 Euro festsetzte.

Sodann beantragte der Kläger,

die Bescheide des Beklagten vom 16.06.2016, den Erhebungszeitraum 2015 betreffend in der Fassung des jeweiligen Änderungsbescheides vom 11.12.2018, in der Gestalt des jeweiligen Widerspruchsbescheides vom 05.09.2016 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verteidigt die streitigen Gebührenbescheide und stellt klar, dass der Gebührenerhebung Bescheidflächen aus den befestigten Fahrbahnen der Bundestraßen zugrunde liegen würden. Diese ergäben sich in B-Stadt aus dem Verlauf der B 245 von der F-Straße bis zur Einmündung der D-Straße und dieser sodann folgend bis zur G-Straße. In E sei die gesamte Fahrbahn vom Ortseingang im Westen bis zum Grundstück Nr. 76 im Osten zugrunde gelegt worden. Diese Flächen seien in B-Stadt an eine Misch- und in E an eine im Trennsystem betriebene Einrichtung zur Beseitigung des Niederschlagswassers angeschlossen, was auch von der Klägerseite nicht bestritten werde. Den von der Klägerseite vorgelegten Vereinbarungen lasse sich ein Gebührenverzicht nicht bzw. nicht im vollen Umfange entnehmen. Auch sei zu berücksichtigen, dass die vom Träger der Straßenbaulast erfolgten Zahlungen sich vorrangig auf den investiven Kostenanteil und – teilweise – auch auf Kosten für die Errichtung von Straßeneinläufen bezögen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die beigezogenen Unterlagen des Beklagten verwiesen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung.

Gründe
A.

Das Verfahren war in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen, nachdem die Beteiligten es übereinstimmend insoweit für erledigt erklärt haben, als der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vom 11.12.2018 die Bescheide betreffend den Erhebungszeitraum 2014 aufgehoben hat.

B.

Die Rechtmäßigkeit der hier – noch – für die Erhebungszeiträume 2015 und 2016 streitigen Bescheide ist nach §§ 2 und 5 KAG LSA zu beurteilen. Danach sind die Gemeinden – und Entsprechendes gilt gem. §§ 16 Abs. 1, 9 Abs. 1 GKG LSA für einen Zweckverband – berechtigt, für die Benutzung ihrer öffentlichen Einrichtungen Gebühren (Benutzungsgebühren) auf der Grundlage einer Satzung (§ 2 Abs. 1 KAG LSA) zu erheben. Maßgeblich ist insoweit die Satzung über die Erhebung von Gebühren für die Schmutz- und Niederschlagswasserbeseitigung im Gebiet des Abwasserverbandes B-Stadt H. – Gebührensatzung – vom 13.04.2011 i. d. F. der 4. Änderungssatzung vom 03.12.2014 [GS 2015] sowie der Satzung über die Erhebung von Gebühren für die Schmutz- und Niederschlagswasserbeseitigung im Gebiet des Abwasserverbandes B-Stadt H. – Gebührensatzung – vom 09.12.2015 i. d. F. der 1. Änderungssatzung vom 30.03.2016 [GS 2016], jeweils bekannt gemacht im Amtsblatt für den Abwasserverband B-Stadt H..

1. Die Bescheide des Beklagten vom 16.06.2016 in der Gestalt des jeweiligen Widerspruchsbescheides vom 05.09.2016, geändert durch Bescheid vom 11.12.20218, betreffend den Erhebungszeitraum 2015 sind rechtwidrig.

Zwar hat der Kläger insofern in statthafter Weise den Änderungsbescheid des Beklagten vom 11.12.2018 im Wege der Klageänderung nach § 91 VwGO (vgl. Kopp/ Schenke, VwGO, Kommentar, 24. Aufl., § 91 Rn. 5 m. w. N; so auch Wolff in: Posser/ Wolff, VwGO, Kommentar, § 91 Rn.17.1) in den anhängigen Rechtsstreit einbezogen. Die Klageänderung ist auch sachdienlich, da sich der Beklagte rügelos auf die geänderte Klage eingelassen hat. Sie wäre zudem deshalb sachdienlich, weil der Streitstoff im Wesentlichen derselbe bleibt und die Klageänderung die endgültige Beilegung des Streits zwischen den Beteiligten fördert (vgl. Kopp/ Schenke, a. a. O., Rn. 19).

Voraussetzung für die rechtmäßige Erhebung von Benutzungsgebühren (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA) ist u. a., dass die öffentlichen Einrichtung, für die Beklagte Benutzungsgebühren erhoben werden, mit hinreichender Bestimmtheit für die Aufnahme des Straßenoberflächenwassers gewidmet ist. Dies war im Erhebungszeitraum 2015 nicht der Fall.

Zwar war der Beklagte zu diesem Zeitpunkt dem von der Rechtsprechung – im Lichte des im leitungsgebundenen Abgabenrechts geltenden aufgabenbezogenen Einrichtungsbegriffs (vgl. OVG LSA, B. v. 28.09.2009 – 4 K 356/08 -, juris) – entwickelten Satzungs[definitions]erfordernisses im Falle des Betreibens von mehreren öffentlichen Einrichtungen (vgl. OVG LSA, B. v. 24.06.2015 – 4 L 32/15 -, juris) mit § 1 seiner Abwasserbeseitigungssatzung vom 05.12.2007 (ABS 2007) nachgekommen. Welchem Zweck eine so durch Satzung definierte öffentliche Einrichtung dient und welchen Nutzungsumfang sie hat, ist durch Widmung zu bestimmen. Die Widmung ist mangels gesetzlicher Vorschriften im Bereich des gemeindlichen leitungsgebundenen Einrichtungsrechts nicht formgebunden. Sie kann insbesondere auch konkludent erfolgen; dazu ist eine Würdigung der Gesamtumstände erforderlich (vgl. OVG LSA, U. v. 08.10.2015 – 4 L 185/14 -, juris). Die Kammer hat in ihrer Entscheidung in einem Rechtsstreit zwischen den Beteiligten betreffend die Erhebung von Straßenentwässerungsgebühren für den Erhebungszeitraum 2013 (U. v. 11.11.2014 – 9 A 150/14 MD -, juris) die mangelnde Widmung der vom Beklagten zur Niederschlagswasserbeseitigung betriebenen Einrichtungen auf für die Aufnahme von Straßenoberflächenwasser auf folgende Gründe gestützt:

„…Jedenfalls dann, wenn in einem Gemeinde- oder Verbandsgebiet – wie hier – mehrere öffentliche Einrichtungen betrieben werden, erfordert das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot die Bestimmung der Einrichtung durch Satzung zur Abgrenzung der öffentlichen Einrichtungen in räumlicher Hinsicht. Gleiches gilt auch für die Bestimmung der öffentlichen Einrichtung in funktioneller Hinsicht. Denn mit der Festlegung der öffentlichen Einrichtung sind diejenigen Anlageteile bzw. Vermögenswerte, die in der Satzung bestimmt sind und dieser Einrichtung dienen, als gewidmet anzusehen (VG Magdeburg, Urt. v. 22.09.2010, 9 A 61/08 MD). Deshalb genügt es jedenfalls bei der „Öffnung“ der Einrichtung auch für Ableitung von Straßenoberflächenwasser nicht, dass dieses tatsächlich eingeleitet wird. Denn dieser tatsächliche Zustand ist mit dem vergleichbar, wenn Straßenflächen angeschlossen sind, ohne dass die öffentliche Einrichtung dafür betrieben wird. Dient die Einrichtung der Niederschlagswasserbeseitigung privater Grundstücke, sind die durch die Straßenentwässerung verursachten Kosten aus den gebührenfähigen Kosten auszugliedern. Entscheidet sich jedoch ein Einrichtungsträger für eine gebührenrechtlich Einrichtung „Grundstücks- und Straßenoberflächenentwässerung“, setzt dies voraus, dass die Einleitung von Straßenoberflächenwasser von der widmungsgemäßen Zweckbestimmung der Entwässerungseinrichtung umfasst wird (vgl. Lichtenfeld in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 6 Rn. 747). Aber auch nicht zuletzt wegen § 23 Abs. 5 StrG LSA, nach dem die Erhebung von Benutzungsgebühren für die Mitbenutzung von solchen öffentlichen Abwasseranlagen, die nach dem 10.07.1993 [Inkrafttreten des Straßengesetzes] hergestellt oder erneuert wurden, ausgeschlossen wird (vgl. OVG LSA, Urt. v. 24.03.2009, a. a. O.), ist es zwingend erforderlich, die öffentliche Einrichtung zur Niederschlagswasserentsorgung insoweit abzugrenzen.

Davon kann hier jedoch nicht ausgegangen werden. Denn die Satzung über die Entwässerung der Grundstücke und den Anschluss an die öffentliche Abwasseranlage (Abwasserbeseitigungssatzung) vom 05.12.2007 in der Fassung der 1. Änderungssatzung vom 13.04.2011 sowie der 2. Änderungssatzung vom 22.02.2012 (ABS) enthält ausschließlich Regelungen zur Niederschlagswasserbeseitigung von (privaten) Grundstücken. Auch allein der Umstand, dass in der GS 2011 für den Straßenbaulastträger Regelungen enthalten sind, genügt schon deshalb nicht, weil die Widmung einer öffentlichen Einrichtung Voraussetzung für die Gebührenerhebung ist. Anders gewendet: Durch das Schaffen gebührenrechtlichen Folgen können nicht die dafür notwendigen Voraussetzungen ersetzt werden. …“

Dem folgt das erkennende Gericht, zumal sich die Sach- und Rechtslage auch im Erhebungszeitraum 2015 unverändert darstellt und das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt in der das Jahr 2013 betreffenden Entscheidung vom 08.10.2015 (4 L 185/14) diese Rechtsfrage offengelassen hat. Erst mit § 1 Abs. 1 Satz 2 seiner zum 01.01.2016 in Kraft getretenen Abwasserbeseitigungssatzung vom 09.12.2015 hat der Beklagte die von ihm betriebenen öffentlichen Einrichtungen zur zentralen Niederschlagswasserbeseitigung auch zur Aufnahme von Straßenoberflächenwasser bestimmt, was jedoch für den Erhebungszeitraum 2015 rechtlich unbeachtlich ist.

Soweit das OVG LSA in der zuvor zitierten Entscheidung erwogen hat, für die Festlegung des Widmungszwecks bzw. -umfangs ggf. darauf abzustellen, dass es sich bei dem von den Straßenflächen abfließenden Wasser um Niederschlagswasser i. S. v. § 54 Abs. 1 Ziffer 2 WHG handelt, so ist dies jedoch gerade im Lichte des Aufgabenkanons von § 79 b Abs. 2 WG LSA nicht zielführend, wonach den Trägern der öffentlichen Verkehrsanlagen die Entwässerung ihrer Anlagen obliegt (vgl. auch § 1 Abs. 4 Ziffer 1 FStrG). Vor diesem rechtlichen Hintergrund lässt auch die schlichte Mitbenutzung einer öffentlichen Niederschlagswassereinrichtung durch einen Träger der Straßenbaulast deshalb nicht auf einen entsprechenden Widmungswillen des Einrichtungsträgers schließen, zumal diese den gewöhnlicher Weise anzutreffenden Entwässerungsverhältnissen in Innerortslagen entspricht. Allein aus dem Umstand einer in tatsächlicher Hinsicht erfolgenden (Mit-)Benutzung auf einen entsprechenden Widmungswillen des Einrichtungsträgers zu schließen, ist jedenfalls dann nicht gerechtfertigt, wenn das Satzungsrecht – wie hier – eher zu Rückschlüssen auf Gegenteiliges Anlass gibt. Nicht nur, dass sowohl der Benutzungstatbestand in der Gebührensatzung als auch der Gebührenmaßstab von dem in § 2 Abs. 3a ABS 2007 definierten bürgerlich-rechtlichen Grundstück (Buchgrundstück) ausgehen, finden sich insbesondere in der ABS 2007 hinreichende Anhaltspunkte gegen die Annahme, die öffentliche Einrichtung zur zentralen Niederschlagswasserbeseitigung sei auch der Aufnahme des Straßenoberflächenwassers gewidmet. So werden in Bezug auf die zur öffentlichen Einrichtung gehörenden Einrichtungsteile ausschließlich solche benannt, die auf privaten Grundstücken anzutreffen sind (vgl. § 2 Abs. 4, Abs. 5 lit. a) Satz 2). Zudem unterliegen Straßenflächen weder dem in § 3 a ABS 2007 geregelten Anschluss- und Benutzungszwang für Niederschlagswasser noch handelt es sich dabei um beitragspflichtige Grundstücke im Sinne von § 2 Abs. 5 lit. b) und c) ABS 2007.

2. Dagegen begegnen die den Erhebungszeitraum 2016 betreffenden Bescheide keinen rechtlichen Bedenken.

a) Die grundsätzliche Berechtigung zur Erhebung von Benutzungsgebühren für die Inanspruchnahme einer öffentlichen Einrichtung zur Niederschlagswasserbeseitigung durch einen Träger der Straßenbaulast außerhalb des Geltungsbereichs von § 23 Abs.5 StrG LSA ist in der Rechtsprechung für das Land Sachsen-Anhalt obergerichtlich geklärt (vgl. OVG LSA, B. v. 24.06.2015 sowie U. v. 08.10.2015, jeweils a. a. O.). Danach bestehen auch hier keine Bedenken gegen die Erhebung von Benutzungsgebühren, weil es sich bei den veranlagen Bundesstraßen um solche handelt, die vom Straßengesetz des Landes Sachsen-Anhalt gar nicht erfasst werden.

b) Die Gebührenerhebung lässt sich ohne Rechtsmängel auf die GS 2016 stützen (aa). Auch darüber hinaus begegnen die den Erhebungszeitraum 2016 betreffenden Bescheide keinen rechtlichen Bedenken (bb). Der Gebührenerhebung stehen vorliegend auch keine anderen Gründe entgegen (cc).

aa) Können nach §§ 2 Abs. 1 Satz 1, 1 Abs. 3 KAG LSA Gebühren nach § 5 KAG LSA nur auf der Grundlage einer wirksamen Satzung erhoben werden, erstreckt sich die insoweit gebotene gerichtliche Kontrolle auf die grundsätzliche Geeignetheit der als Rechtsgrundlage in Betracht kommenden Satzung. Die Verpflichtung des Gerichts zur Feststellung und Auslegung des anwendbaren Rechts ergibt sich aus dem Rechtsstaatsprinzip sowie insbesondere aus der Bindung des Gerichts an Gesetz und Recht gemäß Artikel 20 Abs. 3 GG (vgl. Kopp/ Schenke, VwGO, Kommentar, 17. Aufl., § 86 Rn. 1 a). Gegenstand einer insoweitigen Prüfung durch das Gericht ist deshalb jedenfalls, ob die maßgebliche Satzung bekannt gemacht wurde und den Anforderungen des § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG LSA genügt. Dagegen bestehen weder Bedenken von Seiten des Gerichts noch sind solche substantiiert durch den Kläger geltend gemacht worden. Die GS 2016 ist im Amtsblatt des Abwasserverbandes B-Stadt „Untere Ohre“ am 10.12.2015 bzw. 31.03.2016 in ausgefertigter Form veröffentlicht worden (vgl. dazu § 19 Abs. 1 der Verbandssatzung vom 26.06.2013) und regelt, wie von § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG LSA gefordert, in hinreichender Weise den Kreis der Gebührenschuldner, den die Gebühr begründenden Tatbestand, den Niederschlagswassergebührenmaßstab, die Gebührensätze sowie die Entstehung und den Zeitpunkt der Fälligkeit der Gebühr.

Mit § 1 Abs. 1 Satz 2 seiner zum 01.01.2016 in Kraft getretenen Abwasserbeseitigungssatzung vom 09.12.2015 (ABS 2015) hat der Beklagte nunmehr die von ihm im Trenn- und Mischsystem betriebenen öffentlichen Einrichtungen zur zentralen Niederschlagswasserbeseitigung hinreichend auch für die Aufnahme von Straßenoberflächenwasser gewidmet. Zudem hat er – wenn auch nicht durchgängig -, diese Widmung bei weiteren Satzungsbestimmungen berücksichtigt; insbesondere hat er auf den Umstand, dass es sich bei Straßen regelmäßig nicht um im Grundbuch buchbare Grundstücke (vgl. § 3 Abs. 2 GBO) mit § 2 Abs. 3 Satz 2 ABS 2015 reagiert. Da sich die so erfolgte Widmung des Beklagten seit dem 01.01.2016 auf Bundes-, Landes-, Kreis- und Gemeindestraßen erstreckt, muss nicht mehr beurteilt werden, ob die von der Kammer im Urteil vom 11.11.2014 vertretene Auffassung zum Verstoß gegen den Grundsatz der Belastungsgleichheit (anders wohl OVG LSA, U. 08.10.2015, a. a. O.) im Falle der ausschließlichen Heranziehung von Bundesstraßen fortentwicklungsfähig ist.

Die in § 1 Abs. 1 Satz 1 lit. b) ba) und bb) ABS 2015 definierten öffentlichen Einrichtungen zur zentralen Niederschlagswasserbeseitigung sind auch in materieller Hinsicht wirksam bestimmt. Denn dass die dazu dienenden Anlagen zu diesen öffentlichen Einrichtungen zusammengefasst wurden, begegnet vor dem Hintergrund des im Anschlussbeitragsrecht geltenden aufgabenbezogene Einrichtungsbegriffs keinen rechtlichen Bedenken. An der früheren, eher anlagenbezogenen Betrachtung der öffentlichen Einrichtung (vgl. insbesondere B. v. 18.07.2003 – 1 M 316/02 -, unv.; U. v. 04.09.2003 – 1 L 493/02 – sowie U. v. 12.02.2004 – 1 K 516/02 -, beide juris) hat das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt insoweit nicht festgehalten (vgl. OVG LSA, B. v. 28.09.2009 – 4 K 356/08 -, juris).

Mit den in § 8 Abs. 2 lit. a) und b) GS 2016 enthaltenen Gebührensätzen in Höhe von 0,42 €/m² für eine Einleitung in das Trennsystem und 0,74 €/m² für Einleitungen in das Mischsystem ist der Beklagte auch dem Erfordernis einheitlicher Gebührensätze für private Grundstücke und Straßenfläche nachgekommen (vgl. OVG LSA, U. v. 08.10.2015, a. a. O.). Die so mit der 1. Änderungssatzung vom 30.03.2016 festgesetzten Gebührensätze sind gültig und treten damit an die Stelle der in der Gebührensatzung vom 09.12.2015 zunächst auf 0,50 €/m² bzw. 0,82 €/m² festgelegten Gebühren-sätze. Denn die 1. Änderungssatzung misst sich in § 2 Rückwirkung auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens der Gebührensatzung zum 01.01.2016 zu. Dies ist rechtlich zulässig und führt auch für den Fall, dass die zunächst festgesetzten Gebührensätze gegen das in § 5 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA enthaltene Kostenüberdeckungsverbot verstoßen haben sollten, was zur Nichtigkeit der Satzung führt, zur Heilung der Gebührensatzung (vgl. dazu klarstellend VG Magdeburg, U. v. 29.11.2018 – 9 A 611/16 -). Sofern der Kläger pauschal die Höhe der Gebührensätze rügt, ändert dies an deren Gültigkeit nichts. Denn ein Gericht ist auch im Lichte von § 86 Abs. 1 VwGO nicht stets von Amts wegen zur Überprüfung eines Abgabensatzes verpflichtet ist (vgl. dazu VG Magdeburg, U. v. 26.03.2015 – 9 A 253/14 MD -; v. 05.12.2016 – 9 A 347/13 MD -; v. 14.03.2018 – 9 A 261/17 MD -). Aus diesem Grunde besteht auch eine aus der Sachverhaltsaufklärungspflicht resultierende Pflicht zur Aktenbeiziehung in Bezug auf die Höhe des Abgabensatzes erst dann, wenn das Gericht von Amts wegen Bedenken gegen einen dadurch eintretenden Verstoß gegen das Kostenüberschreitungsverbot haben muss oder aber ein Kläger dies unter Darlegung von entsprechenden Tatsachen substantiiert rügt (dazu VG Magdeburg, U. v. 26.03.2015 und v. 05.12.2016, a. a. O.). Denn die Höhe des Gebührensatzes ist nicht gleichsam Prüfungsgegenstand eines jeden gebührenrechtlichen Verfahrens; seine stets von Amts wegen vorzunehmende Kontrolle würde zu einer nicht sachgerechten Handhabung des Grundsatzes der Sachverhaltsaufklärung führen (BVerwG, U. v. 17.04.2002 – 9 CN 1/01 -, juris). Hat der Kläger vorliegen keinerlei greifbare Anhaltspunkte gegen eine in methodischer oder kalkulatorischer Sicht fehlerhafte Ermittlung der Gebührensätze vorgetragen, mussten sich diesbezügliche Bedenken dem Gericht auch nicht gleichsam aufdrängen, zumal Gebühren regelmäßig Schwankungen unterworfen und insbesondere durch die Aufnahme weiterer Straßen in die Gebührenpflicht mit Änderungen verbunden sein können.

bb) Dass die bei der Veranlagung berücksichtigten Straßenflächen an die öffentlichen Einrichtungen des Beklagten angeschlossen sind oder in diese entwässern (vgl. §§ 5 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA, 2 Abs. 1 GS 2016), ist zwischen den Beteiligten nicht im Streit (dazu OVG Münster, B. v. 24.07.2013 – 9 A 1290/12 -, juris). Für die vom Einrichtungsträger insoweit gebotene Leistung der schadlosen Beseitigung des eingeleiteten Straßenoberflächenwassers ist der Träger der Straßenbaulast gemäß §§ 5 Abs. 5 Satz 1 KAG LSA, 9 Abs. 1 Satz 6 GS 2016 Gebührenschuldner. Rechtliche Bedenken an der insoweit vom Gericht in der mündlichen Verhandlung angesprochenen Bestimmtheit (§§ 13 Abs. 1 Ziffer 3 lit. b) KAG LSA, 119 AO) der streitigen Bescheide bestehen im Ergebnis nicht. Zwar sind derartige Abgabenbescheide (inhaltlich) an den Träger der Straßenbaulast zu richten. Dem werden die hier streitigen Bescheide jedoch im Lichte von Artikel 90 Abs. 2 GG (noch) gerecht, auch wenn im Adressfeld lediglich die A. genannt ist. Denn wegen der Bezugnahme auf die „B 71 und B 245“ war für sie im hinreichend erkennbar, dass hier die Bundesrepublik Deutschland als Träger der Straßenbaulast inhaltlich von dem Abgabenbescheid betroffen ist (vgl. zu einer ähnlichen Konstellation: VG Magdeburg, B. v. 22.07.2014 – 9 B 196/14 -; auch Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht, U. v. 25.05.2016 – 1 K 171/14 -, juris). War der Gebührenanspruch zu Beginn des Erhebungszeitraumes 2016 entstanden (vgl. §§ 5 Abs. 5 Satz 4 KAG LSA, 11 Abs. 2 GS 2016), hat der Beklagte diesen zu Recht mit Bescheid vom 16.06.2016 geltend gemacht. Bei seiner Gebührenerhebung ist der Beklagte folgerichtig von den in § 8 Abs. 2 lit. a) und b) GS 2016 enthaltenen Gebühren-sätzen in Höhe von 0,42 €/m² für die Einleitung in das Trennsystem (E) und 0,74 €/m² für die Einleitung ins Mischsystem (B-Stadt) ausgegangen; die insoweit zugrunde gelegten Flächen (6.859 bzw. 17.786 m²) sind unstreitig und im gerichtlichen Verfahren belegt worden.

cc) Der so dem Grunde und der Höhe nach rechtmäßigen Gebührenerhebung für den Zeitraum 2016 stehen auch nicht die in den Jahren 1998, 1999 und 2003 für die B 245 sowie im Jahre 2000 für die B 71 geschlossenen Vereinbarungen entgegen. An diesen, im Zuge von Straßenbaumaßnahmen abgeschlossenen Vereinbarungen waren sowohl – neben anderen Straßenbaulastträgern – die Bundesrepublik Deutschland als Träger der Straßenbaulast als auch der Beklagte in seiner Eigenschaft als Träger der Abwasserbeseitigung beteiligt. Darin sind mit unterschiedlicher sprachlicher Gestaltung Vereinbarungen zur Kostenbeteiligung des Trägers der Straßenbaulast an der zugleich vorgenommenen Herstellung/ Erneuerung von Teilen der Abwasseranlage des Beklagten in Form von Pauschalsätzen unter Anlehnung an die Ortsdurchfahrtenrichtlinie (ODR) getroffen worden. Diese Vereinbarungen betrafen eine „Baustrecke“ an der B 245 von ca. 2.500 m (F-Straße [Bahnübergang] bis Industriestraße) und an der B 71 von ca. 700 m (Ortseingang im Westen bis Grundstück Nr. 76 im Osten), was in etwa mit dem Bereich der Gebührenerhebung identisch ist. Den Vereinbarungen aus den Jahren 1998 und 1999 ist darüber hinaus zu entnehmen, dass „die Beteiligung bzw. Ablösesumme die Versorgungsunternehmensverwaltung verpflichten soll, die Entwässerungseinrichtungen (einschließlich Einlauf) zu reinigen, zu warten und notfalls Instandsetzungsarbeiten durchzuführen sowie das Oberflächenwasser schadlos aufzunehmen und schadlos abzuführen“. Dass mit der Kostenbeteiligung sämtliche Forderungen des Beklagten, die sich aus Bau/ Herstellung und Unterhaltung der gemeindlichen Kanalisation ergeben, abgegolten sind, ist Inhalt der Vereinbarungen aus den Jahren 2000 sowie 2003.

Das Gericht kann es insoweit dahinstehen lassen, ob die Vereinbarungen formwirksam sind und überhaupt in hinreichender Weise einen Gebührenverzicht enthalten. Denn auch unterstellt, die in den Vereinbarungen vom Beklagten diesbezüglich abgegebenen Erklärungen wären vollumfänglich als wirksamer Verzicht auf eine künftige Gebührenerhebung auszulegen (vgl. VG Düsseldorf, U. v. 28.03.2012 – 5 K 1612/11 -, juris, Rn. 22), steht dies der Rechtmäßigkeit der hier streitigen Bescheide für den Erhebungszeitraum 2016 nicht entgegen.

In der Rechtsprechung sind die Grundsätze für einen Gebührenverzicht – außerhalb eines hier nicht beachtlichen Vergleichsvertrages nach § 55 VwVfG – hinreichend geklärt.

Kommunalabgaben sind nach §§ 13 Abs. 1 Satz 1 Ziffer 3 lit. a) KAG LSA, 85 Satz 1 AO „nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben“. Daraus ergeben sich Bindungen für die Abgabenerhebung insoweit, als eine freie Verfügbarkeit, ob Abgaben im Einzelfall erhoben werden oder nicht oder ob dies in geringerer Höhe geschieht, als satzungsmäßig vorgesehen, ausgeschlossen wird, zumal allein §§ 1 VwVfG LSA, 54 VwVfG als taugliche Rechtsgrundlage ausscheidet (vgl. BVerwG, U. 30.05.2012 – 9 C 5/11 -, juris). Die insoweit maßgeblichen abgabenrechtlichen Vorschriften tragen als einfachgesetzliche Ausprägung den bundesverfassungsrechtlichen Vorgaben der Gesetzesgebundenheit der Verwaltung nach Art. 20 Abs. 3 GG und dem Gebot der Gleichmäßigkeit der Abgabenerhebung sowie der Abgabengerechtigkeit nach Art. 3 Abs. 1 GG Rechnung, die es ausschließen, Benutzungsgebühren abweichend von den gesetzlichen und satzungsrechtlichen Regelungen (nicht oder teilweise oder auch nur zeitweise nicht) zu erheben. Sind die Voraussetzungen der §§ 13 a Abs. 1 Satz 5 KAG LSA, 163, 227 AO nicht gegeben, verstößt daher ein Gebühren(teil-)verzicht oder eine einseitige Zusage, die einen derartigen Gebührenverzicht bezweckt, regelmäßig gegen die Grundsätze der Abgabengerechtigkeit und Belastungsgleichheit als Ausfluss des Gleichbehandlungsgrundsatzes und gegen das Rechtsstaatsprinzip und den darin verankerten Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Abgabenerhebung sowie gegen die o. g. einfachgesetzlichen Vorschriften (vgl. zum Ganzen OVG Brandenburg, B. v. 31.05.2005 – 2 B 15/04 -; VG Cottbus, U. v. 31.01.2013 – 6 K 868/12 -; U. v. 12.01.2012 – 6 K 855/10 -, alle juris). Daraus ergibt sich jedenfalls das absolut wirkende Verbot, durch vertragliche Vereinbarungen oder einseitige Erklärungen von einer Beteiligung der Eigentümer oder Benutzer an den Kosten für den Betrieb einer öffentlichen Einrichtung ohne jegliche Gegenleistung abzusehen

Aus diesen Gründen lässt die Rechtsprechung das Absehen von der Geltendmachung einer Abgabe durch Bescheid nur dann zu, wenn der Verzicht auf Erhebung der Abgabe in einem sachlichen Zusammenhang zur Gegenleistung des Abgabenschuldners und die Leistung des Gläubigers nicht unangemessen gegenüber der Gegenleistung des Schuldners steht, weshalb im Zeitpunkt des Vertragsschlusses die Höhe der Abgabe nicht völlig ungewiss sein darf, da anderenfalls für die Vertragsschließenden gar nicht feststellbar war, ob Leistung und Gegenleistung in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen und deshalb die zu fordernde Abgabe mit der Erbringung des Surrogates jedenfalls als wirtschaftlich vereinnahmt gilt (dazu OVG Münster, B. v. 16.07.2018 – 15 B 616/18 -, juris). Für den Verzicht auf die zukünftige Erhebung einer Benutzungsgebühr folgt daraus insbesondere wegen der ungewissen Kostenentwicklung, dass die konkret vereinbarte – adäquate – Gegenleistung des Gebührenpflichtigen kumulativ zu einer zeitlichen Befristung stehen muss (sog. Umfang-Dauer-Erfordernis). Aus diesem Grunde kann ein vertraglicher Gebührenverzicht überhaupt nur für einen begrenzten, nach dem wirtschaftlichen Wert der Gegenleistung bemessenen Zeitraum erfolgen (vgl. OVG Münster, B. v. 24.07.2013 – 9 A 1290/12 – sowie v. 25.01.2016 – 9 A 1042/13 -, beide juris). Fehlt es daran, sind Regelungen jeglicher Art zwischen dem Einrichtungsträger und dem Gebührenschuldner betreffend namentlich einen Verzicht auf eine Gebührenerhebung unzulässig. Ein vertraglich vereinbarter Gebührenverzicht, der nicht den Vorgaben der §§ 163 Abs. 1, 227 Abs. 1 AO entspricht, ist insoweit grundsätzlich wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot – nämlich gegen das aus Art. 20 Abs. 3 GG bzw. § 85 AO folgende Verbot, vom Gesetz abweichende Vereinbarungen über einen Gebührenanspruch zu treffen – nichtig (vgl. BVerwG, U. v. 27.01.1982 – 8 C 24.81 -; VG Cottbus, U. v. 24.06.2013 – 6 K 336/13 -; beide juris).

Die Voraussetzungen für einen wirksamen Gebührenverzicht liegen hier nicht vor. Denn der Beklagte hat – auch seine [teilweise] abgegebenen Erklärungen zum Umfang der Abgeltung infolge der Kostenbeteiligung so ausgelegt – generell und ohne zeitliche Befristung auf die Erhebung von Gebühren für die Entwässerung der streitgegenständlichen Straßenflächen verzichtet. Solchen – und mithin auch den hier vorliegenden – Vereinbarungen ist eben gerade nicht zu entnehmen, von welcher Gebührenforderung die Beteiligten seinerzeit überhaupt ausgegangen sind und welche wirtschaftliche Gegenleistung erbracht wird. Insbesondere ist völlig unklar ist, ob die vereinbarten Pauschalsätze neben den investiven Kosten auch solche für die zukünftige Unterhaltung abdecken sollen/ können; eine zeitliche Dauer des Gebührenverzichts ist den Vereinbarungen in keiner Weise zu entnehmen. Deshalb kommt auch keine Auslegung der Vereinbarung dergestalt in Betracht, dass eine Nichtigkeit nur anzunehmen sei, soweit keine äquivalente Gegenleistung mehr vorliegt. Denn für die Bejahung der Nichtigkeit kommt es nicht darauf an, in welcher Höhe die Leistungen des Klägers sowie die Gegenleistung der Beklagten in Form der unentgeltlichen Gewährleistung der schadlosen Ableitung des Straßenoberflächenwassers seit Bestehen der jeweiligen Vereinbarung für die Vergangenheit konkret zu beziffern wären, mithin ob diese nunmehr noch „valutieren“. Vielmehr liegt ein wirksamer Gebührenverzicht nur dann vor, wenn der Vereinbarung konkret zu entnehmen ist, von welcher Kostenbeteiligung hinsichtlich welchen Zeitraumes die Beteiligten ausgegangen sind, weshalb eine vertragliche Vereinbarung auf unbestimmte Zeit ohne konkrete rechnerische Berücksichtigung des wirtschaftlichen Wertes der Kostenbeteiligung zur Nichtigkeit der entsprechenden Vereinbarung führt (vgl. OVG Münster, B. v. 24.07.2013, a. a. O.).

Im Lichte dessen vermag die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes (vgl. U. v. 02.03.2016 – 1 A 32/15 -, juris), die davon ausgeht, dass sog. ODR-Vereinbarungen keinen unzulässigen Gebührenverzicht beinhalten würden, nicht zu überzeugen. Dabei kann vorliegend dahinstehen, ob sich die zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarung überhaupt als „ODR-tauglich“ erweisen oder sie sich allein an den darin vorgesehenen Pauschalsätze orientieren. Denn bei einer Gesamtlänge der von der Gebührenerhebung für die B 245 betroffenen Straßenlänge von ca. 2.500 m, hätte sich aus der in den Jahren 1998 bis 2003 geltenden ODR-Grundpauschale von 127 Euro (vgl. Allgemeines Rundschreiben Straßenbau Nr. 11/1996 [VkBl. 1996, S. 207] sowie Runderlass des Ministeriums für Wirtschaft und Verkehr des Landes Sachsen-Anhalt vom 07.02.1997 in Verbindung mit dem Runderlass vom 14.05.1997 [MBl. LSA Nr. 27/1997, S. 923 ff.) bereits eine Kostenbeteiligung in Höhe von ca. 317.000 Euro ergeben. Dass eine solche Kostenbeteiligung vereinbart wurde, lässt sich weder den Vereinbarungen selbst noch der tatsächlichen Kostenbeteiligung entnehmen.

Sofern das OVG des Saarlandes für die von ihm vertretene Rechtsauffassung darauf verweist, dass in einer Vielzahl von Bundesländern (vgl. für Sachsen-Anhalt § 23 Abs. 5 StrG LSA) gesetzliche Regelungen zur Kostenbeteiligung der Träger der Straßenbaulast bei der Herstellung oder Erneuerung einer mitgenutzten gemeindlichen Abwasseranlage in Anlehnung an Ziffer 14 ODR in der Gestalt eines gesetzlichen Erstattungsanspruchs mit der Folge des Ausschlusses der Erhebung weiterer Entgelte vorhanden seien, was für einen im gebührenrechtlichen Sinne angemessenen Ausgleich für die Unentgeltlichkeit der Mitbenutzung der Abwasseranlage spreche, verfängt dies nach Auffassung des Gerichts schon deshalb nicht, weil die Rechtsfolge des § 23 Abs. 5 Satz 2 StrG LSA auch dann eintritt, wenn der gesetzliche Anspruch nicht durchgesetzt bzw. erfüllt wurde (vgl. OVG LSA, U. v. 24.03.2009 – 4 L 438/06 -, juris). Hinsichtlich des hier beachtlichen Gebührenverzichtes ist jedoch ausschließlich darauf abzustellen, ob und in welcher Höhe eine Gegenleistung vereinbart – bzw. sogar erbracht worden – ist. Mag eine solche Kostenbeteiligung nach der vorstehend zitierten Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt auch unter Pauschalierungsgesichtspunkten gerechtfertigt sein und einen Gebührenausschluss zur Folge haben, sind an einen Gebührenverzicht hingegen die oben erörterten Anforderungen zu stellen. Dass Vereinbarungen, die auf Pauschalsätzen in Anlehnung an die ODR beruhen, eine adäquate und allenfalls dann zum Gebührenverzicht berechtigende Gegenleistung der Träger der Straßenbaulast darstellen, begegnet aus der Sicht des Gerichts schon deshalb Bedenken, weil die danach vorgesehene Grundpauschale je laufenden, zu entwässernden Straßenmeter nur die jeweils hergestellte oder erneuerte Entwässerungsanlage und nicht wie das Gebührenrecht die Gesamtanlage im Blick hat. Dies zeigt sich exemplarisch an den o. a. Vereinbarungen zur B 245, in denen Kostenbeteiligungen (ohne Straßeneinläufe) in Höhe von – wenn überhaupt – ca. 160.000 Euro vereinbart wurden. Ungeachtet, welcher Anteil dabei auf die investiven Kosten entfällt, beträgt allein die Gebührenschuld für ein Jahr ca. 13.000 Euro, bei einer normativen Nutzungsdauer von ca. 50 Jahren (vgl. Ziffer 5.7 AfA-Tabellen) mithin ungefähr 650.000 Euro.

Insoweit sieht das Gericht jedoch Veranlassung klarstellend darauf hinzuweisen, dass Mitbenutzungsvereinbarungen von Trägern der Straßenbaulast und Betreibern von Abwasseranlagen in Anlehnung an die Pauschalen der ODR nicht generell unwirksam sind, da vorliegend allein für den Einzelfall die Beachtlichkeit der getroffenen Vereinbarungen hinsichtlich eines darin enthaltenen wirksamen Gebührenverzichts zu beurteilen war. Vergleichbares ergibt sich für die Frage, ob und welche (Erstattungs-)Ansprüche einem Träger der Straßenbaulast, der erfolgreich geltend machen kann, sich bereits an den Kosten beteiligt zu haben, für die nunmehr Gebühren erhoben werden, zur Seite stehen.

II.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Beteiligten nach dem Verhältnis ihres Obsiegen und Unterliegens, wobei es billigem Ermessen entspricht, die Aufhebung der Bescheides für das Jahr 2014 einem Unterliegen gleichzusetzen (§§ 155 Abs. 1, 161 Abs. 2 VwGO).

Die Regelungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit finden ihre Rechtsgrundlage in §§ 167 VwGO, 709 ZPO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 3 GKG.

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