VG Neustadt (Weinstraße), 20.10.2016, 5 K 145/15.NW
Keine Befreiung von Rundfunkbeitragspflicht aus religiösen Gründen
Das VG Neustadt hat entschieden, dass ein Pastor einer freikirchlichen Gemeinde von der Rundfunkbeitragspflicht nicht deshalb befreit werden kann, weil es ihm aus Gewissensgründen unzumutbar sei, die aus seiner Sicht schädigenden Inhalte des öffentlich-rechtlichen Programms mitzufinanzieren.
Der Kläger des zugrundeliegenden Verfahrens ist Pastor einer freikirchlichen Gemeinde. Eine von ihm zunächst erhobene Klage gegen die Beitragserhebung auf der Grundlage des seit dem 01.01.2013 geltenden Rundfunkbeitragsstaatsvertrags, nach dem die Beitragspflicht nicht mehr an das Bereithalten von Rundfunkempfangsgeräten, sondern an das Innehaben einer Wohnung anknüpft, hatte er mit der Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Neuregelung – insbesondere wegen eines Verstoßes gegen die Gewissensfreiheit – begründet.
Sie wurde vom VG Neustadt mit Urteil vom 24.02.2015 (5 K 713/14.NW) abgewiesen. Anschließend lehnte das OVG Koblenz mit Beschluss vom 16.11.2015 (7 A 10455/15) seinen Antrag auf Zulassung der Berufung u.a. mit der Begründung ab, die Erhebung des Rundfunkbeitrags verstoße weder gegen den Gleichheitssatz noch gegen die in Art. 4 Abs. 1 GG gewährte Glaubens- und Gewissensfreiheit. Im Juni 2014 beantragte er außerdem aus religiösen Gründen die Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht wegen eines Härtefalls und erklärte dazu, seine Familie habe keinen Fernseher und nutze nicht einmal ein Radio. Informationen würden vor allem über das Internet und DVDs bezogen. Nachdem dieser Antrag durch die Rundfunkanstalt abgelehnt worden war, erhob er nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erneut Klage und machte geltend, er sei zumindest von der Beitragspflicht zu befreien, weil ihm nicht zuzumuten sei, die aus seiner Sicht schädigenden Inhalte des öffentlich-rechtlichen Programms mitzufinanzieren. Ein großer Teil des Unterhaltungsprogramms präsentiere einen aus biblisch-christlicher Sicht inakzeptablen, gottlosen, unmoralischen und damit zerstörerischen Lebensstil. Bibelgläubige Christen und ihr Glaube würden im öffentlich-rechtlichen Fernsehen verunglimpft und lächerlich gemacht. Der Rundfunkbeitrag diene damit der Finanzierung eines Programms, das massiv gegen seine persönliche Glaubensüberzeugung verstoße und sein Gewissen verletze.
Das VG Neustadt hat die Klage abgewiesen.
Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts liegen die Voraussetzungen für eine Befreiung wegen eines Härtefalls nicht vor. Zunächst sei dem Kläger der Empfang des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nicht objektiv unmöglich. Der Umstand, dass er den öffentlich-rechtlichen Rundfunk unter Berufung auf die Gewissens- bzw. Religionsfreiheit ablehne, begründe keinen Befreiungsanspruch. Im erwähnten Beschluss des OVG Koblenz sei bereits ausgeführt worden, dass die Erhebung des Rundfunkbeitrags nicht gegen die Glaubens- und Gewissensfreiheit verstoße, weil mit der Beitragszahlung kein weltanschauliches Bekenntnis verbunden sei. Auch wenn der Rundfunkbeitrag – anders als Steuern – zu einem konkreten Zweck erhoben werde, könne die Rechtsprechung des BVerfG zur Steuerpflicht übertragen werden. Danach berühre eine Gewissensentscheidung wie die Ablehnung der Finanzierung bestimmter staatlicher Maßnahmen, z.B. der Verteidigung, nicht grundsätzlich die Pflicht zur Zahlung von Steuern als einem Finanzierungsinstrument des Staates ohne jede Zweckbindung. Die Entscheidung über die Verwendung der Steuern treffe allein das Parlament. Zugleich könne der Steuerpflichtige auch nicht verlangen, dass ihm die Steuerschuld aus Billigkeitsgründen erlassen werde. Ebenso wenig – dies übertragen – könne sich der Kläger aus Gewissensgründen auf einen Härtefall berufen, um individuell von der Beitragszahlung befreit zu werden. Beim Rundfunkbeitrag stehe ebenfalls nicht fest, für welche Programme und Programminhalte der Beitrag des jeweiligen Schuldners verwendet werde. Die Sendetätigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sei außerdem gerade geprägt vom verfassungsrechtlich verankerten Gebot der Vielfaltssicherung und der Programmfreiheit der Rundfunkanstalten. Deren Verwirklichung diene auch eine Finanzierungsgarantie, die ihrerseits die Staatsferne des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gewährleiste. Deshalb sei es ausgeschlossen, die Vereinbarkeit der Programminhalte mit den Wertvorstellungen der einzelnen Beitragspflichtigen zum Maßstab für die Frage der Zumutbarkeit der Beitragszahlung zu machen.
Gegen das Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung die Zulassung der Berufung durch das OVG Koblenz beantragt werden.
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