Wirksamkeit eines Testaments: Vermutung für die Testierfähigkeit des Erblassers

Mai 6, 2020

KG Berlin, Beschluss vom 07. September 1999 – 1 W 4291/98
Wirksamkeit eines Testaments: Vermutung für die Testierfähigkeit des Erblassers; Beweiswürdigung bei behaupteter Testierunfähigkeit unter Verzicht auf ein Sachverständigengutachten; Testamentsanfechtung wegen Drohung
1. Ein Erblasser ist solange als testierfähig anzusehen, als nicht seine Testierunfähigkeit zur vollen Gewißheit des Gerichtes nachgewiesen worden ist. Die Feststellungslast für die Testierunfähigkeit hat derjenige zu tragen, der sich auf die Unwirksamkeit des Testaments wegen Testierunfähigkeit des Erblassers beruft.
2. Kommt ein Gericht zu dem Ergebnis, daß die durch Zeugen oder andere Beweismittel feststellbaren Tatsachen nicht ausreichen können, um den Ausnahmefall der Testierunfähigkeit des Erblasers mit Hilfe eines Sachverständigen zu begründen, darf es davon absehen, ein Gutachten erstatten zu lassen.
3. Bei der Beurteilung der Frage, ob der Erblasser im Zeitpunkt der Abfassung eines Testaments testierunfähig war, kommt der Aussage des Hausarztes des Erblassers und des beurkundenden Notars erhöhte Bedeutung zu.
4. Die Äußerung eines Dritten gegenüber dem Erblasser, er werde nicht „in den Himmel kommen“, stellt keine Drohung dar, da es sich hierbei nicht um die Ankündigung eines vom Willen des Dritten abhängigen künftigen Übels handelt.
Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Verfahrenswert wird für das Verfahren der weiteren Beschwerde auf 450.000,– DM festgesetzt.
Der Beteiligte zu 2. hat die dem Beteiligten zu 1. im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
Die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2. ist gemäß §§ 27, 29 FGG zulässig. Seine Beschwerdebefugnis nach § 20 Abs.1 FGG ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass durch die angefochtene Entscheidung seine Erstbeschwerde gegen den Beschluss (Vorbescheid) des Amtsgerichts Tiergarten vom 6.Mai 1996, mit dem die Erteilung des von dem Beteiligten zu 1. beantragten Erbscheins angekündigt worden ist, zurückgewiesen worden ist. Das Rechtsmittel hat in der Sache jedoch keinen Erfolg, weil die angefochtene Entscheidung keinen Rechtsfehler enthält, auf den eine weitere Beschwerde mit Erfolg allein gestützt werden kann (§ 27 Abs.1 Satz 2 FGG in Verbindung mit §§ 550f. ZPO).
Rechtlich zutreffend ist das Landgericht zunächst von der Zulässigkeit der Erstbeschwerde des Beteiligten zu 2. ausgegangen. Der Vorbescheid ist als solcher selbständig anfechtbar (vgl. Keidel/Kahl, FGG, 14.Aufl., § 19 Rdn.15 m.w.N.). Die gemäß § 20 Abs.1 FGG erforderliche Beschwerdebefugnis des Beteiligten zu 2. ist gegeben, da der Beschwerdeführer durch die angefochtene Verfügung in einem eigenen Recht beeinträchtigt wird. Er macht geltend, aufgrund des privatschriftlichen Testaments der Erblasserin vom 12.März 1986 Erbe der Erblasserin geworden zu sein, da das spätere notarielle Testament vom 24.August 1993 zugunsten des Beteiligten zu 1. infolge Testierunfähigkeit der Erblasserin bzw. aufgrund der von ihm erklärten Testamentsanfechtung nichtig sei. Gegen die Wirksamkeit des seine Erbeinsetzung enthaltenden privatschriftlichen Testaments vom 12.März 1986 sind Bedenken weder dargetan noch sonst ersichtlich, so dass er im Fall der Unwirksamkeit des später errichteten notariellen Testaments Erbe nach der Erblasserin geworden ist. Der angefochtene Vorbescheid beeinträchtigt den Beteiligten zu 2. somit in eigenen Rechten, da der angekündigte Erbschein seine erbrechtliche Stellung nach der Erblasserin bei Unwirksamkeit des später errichteten Testaments zu Unrecht nicht wiedergeben würde.
In der Sache hat das Landgericht die Erstbeschwerde des Beteiligten zu 2. als unbegründet erachtet. Es hat angenommen, die Erbfolge richte sich nach dem notariellen Testament der Erblasserin vom 24.August 1993, da die Erblasserin bei Errichtung dieses Testaments nicht testierunfähig gewesen sei und eine wirksame Testamentsanfechtung nicht vorliege. Dies ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
1. Rechtlich nicht zu beanstanden ist zunächst, dass das Landgericht eine Testierunfähigkeit der Erblasserin (§ 2229 Abs.4 BGB) im Zeitpunkt der Errichtung des notariellen Testamentes vom 24.August 1993 nicht für erwiesen erachtet hat.
a) Nach § 2229 Abs.4 BGB kann ein Testament nicht errichten, wer wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit, wegen Geistesschwäche oder wegen Bewusstseinsstörung nicht in der Lage ist, die Bedeutung einer von ihm abgegebenen Willenserklärung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln. Dabei genügt es nicht, dass der Erblasser eine allgemeine Vorstellung von der Tatsache der Errichtung des Testamentes und vom Inhalt seiner letztwilligen Verfügung hatte; er muss vielmehr auch in der Lage gewesen sein, sich über die Tragweite dieser Anordnungen und ihre Auswirkungen auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Betroffenen sowie über die Gründe, die für oder gegen ihre sittliche Berechtigung sprechen, ein Urteil zu bilden und nach diesem Urteil frei von Einflüssen etwa interessierter Dritter zu handeln (allg.M., vgl. nur BayObLGZ 1979, 256/263 m.w.N.). Entsprechend dem Grundsatz, dass die Störung der Geistestätigkeit die Ausnahme bildet, ist ein Erblasser solange als testierfähig anzusehen, als nicht seine Testierunfähigkeit zur vollen Gewissheit des Gerichts nachgewiesen ist. Die Feststellungslast für die Testierunfähigkeit als einer das Erbrecht vernichtenden Tatsache hat derjenige zu tragen, der sich auf die darauf beruhende Unwirksamkeit des Testaments beruft (vgl. BayObLG a.a.O. S.261 sowie FamRZ 1990, 211/212 m.w.N.).
Von den genannten Voraussetzungen der Testierunfähigkeit ist auch das Landgericht ausgegangen, wie sich aus dem Gesamtzusammenhang seiner Beschlussgründe sowie der Verfügung des Berichterstatters vom 12.März 1997 an Dr. … (Bl.130a d.A.) ergibt. Soweit es möglicherweise im Hinblick auf seine Bejahung der Testierfähigkeit der Erblasserin rechtsirrig von dem Erfordernis positiver Feststellung der Testierfähigkeit ausgegangen ist, liegt darin kein Rechtsfehler, auf dem seine Entscheidung beruhen könnte. Denn es hat damit jedenfalls auch die – bereits hinreichende – Feststellung getroffen, dass die Testierunfähigkeit der Erblasserin nicht nachgewiesen sei.
b) Die Frage, ob die genannten Voraussetzungen der Testierunfähigkeit nach § 2229 Abs.4 BGB gegeben sind, liegt im wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet. Die Tatsachenfeststellungen und Beweiswürdigungen können im Verfahren der weiteren Beschwerde nur daraufhin überprüft werden, ob der Tatsachenrichter den maßgeblichen Sachverhalt ausreichend erforscht (§ 12 FGG), bei der Erörterung des Beweisstoffs alle wesentlichen Umstände berücksichtigt (§ 25 FGG) und dabei nicht gegen gesetzliche Beweisregeln, Denkgesetze und feststehende Erfahrungssätze oder gegen Verfahrensrecht verstoßen und die Beweisanforderungen nicht überspannt oder vernachlässigt hat. Dabei müssen die tatsächlichen Folgerungen nicht die einzig möglichen oder schlechthin zwingend sein (vgl. Keidel/Kahl a.a.O. § 27 Rdn.42). Gemäß § 27 Abs.1 Satz 2 FGG i.V.m. § 561 ZPO ist dieser dem Landgericht vorliegende Sachverhalt auch allein Gegenstand der rechtlichen Nachprüfung und kann neues tatsächliches Vorbringen keine Berücksichtigung durch den Senat finden.
Derartige Rechtsfehler sind dem Landgericht nicht unterlaufen. Seine Feststellung, die Testierunfähigkeit der Erblasserin im Zeitpunkt der Errichtung des notariellen Testaments vom 24.August 1993 sei nicht nachgewiesen, beruht auf einer möglichen tatrichterlichen Würdigung. Das Landgericht hat auch die Aufklärungsmöglichkeiten im gebotenen Umfang ausgeschöpft, sich mit allen wesentlichen, die Entscheidung tragenden Umständen ohne Verstoß gegen Denkgesetze und feststehende Erfahrungssätze auseinandergesetzt und die Beweisanforderungen weder überspannt noch vernachlässigt.
Das Landgericht hat insbesondere nicht seine Pflicht zur Amtsermittlung (§ 12 FGG) verletzt. Über Art und Umfang seiner Ermittlungen entscheidet das Tatsachengericht ohne Bindung an Beweisanträge der Beteiligten nach pflichtgemäßem Ermessen. Der rechtlichen Nachprüfung unterliegt dabei nur die Ausübung dieses Ermessens im Hinblick darauf, ob das Landgericht die Voraussetzungen und Grenzen seines Ermessens eingehalten hat (Keidel/Kahl a.a.O. § 27 Rdn. 27). Der Grundsatz der Amtsermittlung verpflichtet das Gericht, alle zur Sachverhaltsaufklärung dienlichen Beweise zu erheben. Dies bedeutet nicht, daß es allen denkbaren Möglichkeiten von Amts wegen nachzugehen hätte. Seine Pflicht reicht vielmehr nur so weit, als der Sachverhalt oder das Vorbringen der Beteiligten bei sorgfältiger Überlegung dazu Anlass geben. Die Ermittlungen sind soweit auszudehnen, bis der Sachverhalt vollständig aufgeklärt ist, und abzuschließen, wenn von weiteren Ermittlungen ein sachdienliches, die Entscheidung beeinflussendes Ergebnis nicht mehr zu erwarten ist (BayObLGZ 1979, 256/261f. m.w.N.). Zu überflüssigen und nur ergänzenden Beweiserhebungen ist das Gericht nicht verpflichtet.
Hiernach unterliegt es keinen rechtlichen Bedenken, dass sich das Landgericht für seine Feststellungen zur Testierfähigkeit der Erblasserin auf die schriftlichen Stellungnahmen und Befunde der Ärzte, die die Erblasserin untersucht bzw. im fraglichen Zeitraum behandelt haben, sowie auf die Aussage des beurkundenden Notars gestützt hat und von der Einholung eines Sachverständigengutachtens wie auch einer Vernehmung weiterer, vom Beteiligten zu 2. benannter Zeugen abgesehen hat.
Zwar kann das Vorliegen der Voraussetzungen der Testierunfähigkeit im Sinne von § 2229 Abs.4 BGB regelmäßig nicht vom Gericht allein, sondern nur mit Hilfe eines Nervenarztes oder Psychiaters bejaht werden (vgl. Senat, NJW 1961, 2066; BayObLG NJW-RR 1990, 1419/1420 m.w.N.). Die hiervon zu trennende Frage, ob Anlass besteht, ein Gutachten über die Testierunfähigkeit einzuholen, wenn das Gericht diese verneint, ist von ihm jedoch nach den oben dargelegten Grundsätzen im Rahmen seiner Pflicht zur Amtsermittlung nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Ihre Beantwortung hängt vom Ergebnis der Sachaufklärung ab, die das Gericht vorgenommen hat, nachdem Zweifel an der Testierfähigkeit des Erblassers geäußert wurden, wobei insbesondere das Verhalten des Erblassers und die tatsächlichen Umstände, die den medizinischen Befund ausmachen und die seinen Geisteszustand zur Zeit der Testamentserrichtung beeinflusst haben können, zu ermitteln sind. Kommt das Gericht danach zu dem Ergebnis, dass die durch Zeugen oder andere Beweismittel feststellbaren Tatsachen nicht ausreichen können, um den Ausnahmefall der Testierunfähigkeit mit Hilfe eines Sachverständigen zu begründen, darf es davon absehen, ein Gutachten (§§ 15 Abs.1 FGG, 404 ZPO) erstatten zu lassen (vgl. BayObLG a.a.O.).
Nach diesen Grundsätzen ist die Verfahrensweise des Gerichts nicht zu beanstanden. Denn aus den vorliegenden ärztlichen Stellungnahmen ergaben sich keinerlei Hinweise auf eine Einschränkung der geistigen Funktionen der Erblasserin im Zeitraum der Testamentserrichtung.
Insbesondere durfte das Gericht der schriftlichen Äußerung des Facharztes für Innere Medizin Dr.M vom 19.März 1997 (Bl.132 d.A.) entnehmen, dass die Voraussetzungen der Testierunfähigkeit bei der Erblasserin im Zeitraum der Testamentserrichtung nicht vorlagen. Bei ihm handelte es sich um den Hausarzt der Erblasserin, in dessen Behandlung sie sich auch im maßgeblichen Zeitraum befand, so dass es seiner Feststellung, es habe keine Hinweise auf eine krankhafte Störung der Geistestätigkeit, eine Geistesschwäche oder eine Bewusstseinsstörung gegeben, besondere Bedeutung beimessen durfte. Auch von einer Verkennung der tatsächlichen Voraussetzungen der Testierunfähigkeit durch Dr. … brauchte das Landgericht nicht auszugehen, da dessen Äußerung ersichtlich auf die Verfügung des Berichterstatters vom 12.März 1997 (Bl.130a d.A.) Bezug nahm, in der diese Voraussetzungen angeführt waren. Anlass, an der Richtigkeit seines Befundes zu zweifeln, bestand auch nicht im Hinblick auf die darin erwähnte mehrfache Verlegung von Schlüsseln sowie die Ende August 1993 aufgetretene zunehmende Verschlossenheit der Erblasserin, da diese verschiedene Ursachen haben können und daher als Indizien für eine Testierunfähigkeit nicht geeignet sind. Soweit der Beteiligte zu 2. erstmals mit der weiteren Beschwerde vortragen lässt, wegen von der Erblasserin erhaltener Schenkungen sei Dr. … voreingenommen, handelt es sich um neuen Sachvortrag, der im Verfahren der weiteren Beschwerde keine Berücksichtigung finden kann. Da die schriftliche Äußerung des Dr. … der Verfahrensbevollmächtigten des Beteiligten zu 2. auch bereits mit richterlicher Verfügung vom 8.April 1997 zur Stellungnahme übersandt worden war (Bl.133 d.A.), ist ihm zu dieser auch hinreichend rechtliches Gehör gewährt worden.
Die weiteren ärztlichen Stellungnahmen enthalten ebensowenig Anhaltspunkte für eine am 24.August 1993 gegebene Testierunfähigkeit der Erblasserin. Insbesondere beruhte die im Betreuungsverfahren abgegebene ärztliche Stellungnahme der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. … und der Ärztin für Psychiatrie B beim Bezirksamt Zehlendorf vom 7.Juli 1994 auf der Untersuchung der Erblasserin am 21.Juni 1994 und gab damit deren Zustand nach dem am 5.Oktober 1993 erlittenen Schlaganfall wieder (Bl.19 d.BA). Nach der im vorliegenden Erbscheinsverfahren eingeholten weiteren Stellungnahme der Ärztin für Psychiatrie B vom 4. Januar 1996 lässt sie daher keine Rückschlüsse auf eine bereits am 24.August 1993 vorliegende Geschäftsunfähigkeit zu (vgl.Bl.55 d.A.).
Schließlich hat das Landgericht auch der Aussage des beurkundenden Notars T vor dem Amtsgericht am 30. April 1996 (Bl.68/68R d.A.) rechtsfehlerfrei keine ernsthaften Zweifel an der Testierfähigkeit der Erblasserin entnommen. Auch seiner Aussage durfte es erhöhte Bedeutung beimessen, da er als Notar gemäß § 28 BeurkG von Amts wegen zur Prüfung der Testierfähigkeit vor der Beurkundung verpflichtet war. Er hat die Testierfähigkeit der Erblasserin einschränkungslos bejaht und auch auf Vorhalt Ausfälle oder Wunderlichkeiten, aus denen sich Hinweise auf eine Testierunfähigkeit ergeben könnten, verneint. Schließlich brauchte das Landgericht einen solchen Hinweis – entgegen der Auffassung des Beteiligten zu 2. – auch nicht dem Umstand zu entnehmen, dass die Erblasserin möglicherweise gegenüber dem Notar den Zeitraum ihrer Verbundenheit mit dem Beteiligten zu 1. als länger angegeben hatte, als es den Tatsachen entsprach.
Nachdem sich insbesondere aus den Aussagen des Hausarztes und des beurkundenden Notars keine Hinweise auf eine Testierunfähigkeit der Erblasserin ergeben hatten, ist es aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, dass das Landgericht von der Einholung eines Sachverständigengutachtens und der Vernehmung weiterer Zeugen abgesehen hat. Dabei durfte es insbesondere auch in Bezug auf die Zeugen, auf die sich der Beteiligte zu 2. im Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 21.Februar 1997 (Bl.127ff.d.A.) für Vorfälle berufen hatte, die geistige Beeinträchtigungen der Erblasserin aufzeigen sollten, annehmen, dass von ihnen kein weiteres sachdienliches Ergebnis zu erwarten sei. Denn bei ihnen handelt es sich ersichtlich um Laien auf humanmedizinischem Gebiet, die auch zur Beurteilung der Voraussetzungen von Testierunfähigkeit nicht besonders geschult sind. Eine Verletzung der Pflicht zur Amtsermittlung liegt in dem Absehen von ihrer Vernehmung daher nicht (s.a.OLG Köln, NJW-RR 1991, 1412).
2. Die angefochtene Entscheidung unterliegt auch insoweit keinen rechtlichen Bedenken, als das Landgericht die Wirksamkeit der von dem Beteiligten zu 2. mit Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 13.Juli 1995 an das Nachlassgericht erklärten Testamentsanfechtung verneint hat.
Mit Recht hat das Landgericht zunächst angenommen, dass der Beteiligte zu 2. anfechtungsberechtigt ist, da er im Falle der Wirksamkeit der Anfechtung aufgrund des Testamentes vom 12.März 1986 Alleinerbe der Erblasserin wäre, die Aufhebung des in dem notariellen Testament vom 24.August 1993 enthaltenen Widerrufs früherer letztwilligen Verfügungen sowie der Erbeinsetzung des Beteiligten zu 1. ihm also unmittelbar zustatten kommen würde (§ 2080 Abs.1 BGB). Ebenso hat es zutreffend angenommen, dass die Erklärung der Anfechtung formgerecht (§ 2081 Abs.1 BGB) und fristgemäß (§ 2082 Abs.1 und 2 BGB) erfolgt ist.
Das Landgericht hat jedoch das Vorliegen eines Anfechtungsgrundes im Sinne der hier allein in Betracht kommenden Bestimmung des § 2078 Abs. 2 BGB nicht für erwiesen erachtet. Danach kann eine letztwillige Verfügung angefochten werden, soweit der Erblasser durch die irrige Annahme oder Erwartung des Eintritts oder Nichteintritts eines Umstandes (Motivirrtum) oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist.
Die Annahme, es lasse sich nicht feststellen, dass die Erblasserin zum Widerruf ihrer vorangegangenen letztwilligen Verfügung und zur Erbeinsetzung des Beteiligten zu 1. durch einen Motivirrtum oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt wurde, liegt im Wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet. Die Tatsachenwürdigung des Landgerichts kann daher im Rechtsbeschwerdeverfahren nur daraufhin nachgeprüft werden, ob ihm bei der Feststellung und Würdigung des der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalts Verstöße gegen Verfahrensvorschriften, Denkgesetze oder Erfahrungssätze unterlaufen sind (s.o. zu 1.b). Derartige Rechtsfehler liegen nicht vor.
a) Die Anfechtung wegen Drohung nach § 2078 Abs. 2 BGB setzt voraus, dass der Erblasser zu der letztwilligen Verfügung widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist.
Unter Drohung ist (wie in § 123 Abs.1 BGB) die Ankündigung eines künftigen Übels, auf dessen Eintritt oder Nichteintritt der Drohende einwirken zu können behauptet, zu verstehen. Sie muss bezweckt haben, den Bedrohten gerade zu der Willenserklärung zu bestimmen, die Gegenstand der Anfechtung ist. Die Widerrechtlichkeit der Drohung kann sich aus dem angewandten Mittel, dem verfolgten Zweck oder aus dem Verhältnis zwischen Mittel und Zweck ergeben (vgl. zu Vorstehendem BayObLGZ 1960, 490/497f.; BGH FamRZ 1996, 605/606). Letzteres kann etwa anzunehmen sein, wenn der Drohende mit dem Entzug einer bisher gewährten Leistung (wie der Pflege des Erblassers) droht, zu der er an sich nicht verpflichtet ist, dies den Erblasser aber in eine akute Notsituation bringt (vgl. RG JW 1902, Beil.S.286). Eine bloße Beeinflussung etwa durch fortgesetztes aufdringliches Bitten genügt dagegen nicht (vgl. MünchKomm-BGB/Leipold, 3.Aufl., § 2078 Rdn.40 m.w.N.).
Schließlich muss der Erblasser durch die Drohung zu der letztwilligen Verfügung bestimmt oder zumindest wesentlich mitbestimmt worden sein. Da es sich bei der Frage, ob der Erblasser ohne die Drohung nicht wie geschehen testiert hätte, also ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Drohung und letztwilliger Verfügung besteht, um individuelle Vorgänge des Verstandes- und Seelenlebens handelt, scheidet die Anwendung von Erfahrungssätzen und der Grundsätze über den Beweis des ersten Anscheins aus. Die materielle Beweislast (Feststellungslast) für das Vorliegen der genannten Voraussetzungen einschließlich des Kausalzusammenhangs zwischen Drohung und letztwilliger Verfügung trifft dabei denjenigen, der sich auf die Anfechtung beruft (vgl. BayObLG FamRZ 1990, 212/213 m.w.N.).
Das Landgericht hat schon das Vorliegen einer widerrechtlichen Drohung seitens des Pfarrer W nicht für erwiesen erachtet. Dabei hat es zunächst den Inhalt der vom Beteiligten zu 2. zur Stützung seiner Behauptung beigebrachten schriftlichen Zeugenaussagen (Bl.27-33 d.A.) gewürdigt und diesen entnommen, dass sich aus den darin wiedergegebenen Äußerungen der Erblasserin gegenüber diesen Zeugen lediglich eine Beeinflussung durch Pfarrer W ergebe, die jedoch nicht in der Ankündigung eines von ihm abhängigen künftigen Übels bestanden habe. Die vorgenommene Würdigung ist nach dem Inhalt der vorliegenden schriftlichen Erklärungen möglich. Insbesondere trifft auch seine Annahme rechtlich zu, die – von der Zeugin von H mitgeteilte – Äußerung der Erblasserin, der Pfarrer habe ihr ein Testament abgerungen, damit sie in den Himmel komme (Bl.29 d.A.), gebe keine widerrechtliche Drohung wieder, da es sich nicht um die Ankündigung eines vom Willen des Pfarrers abhängigen künftigen Übels handele.
Auch die weitere, vom Beteiligten zu 2. erstmals mit Beschwerdeschrift vom 7.Juni 1996 vorgetragene Äußerung des Pfarrer W, die Kirche könne sich nicht mehr um die Erblasserin kümmern, wenn sie nicht – sinngemäß – wie geschehen verfüge (vgl.Bl.76/77 d.A.), erfüllt nicht die Voraussetzungen einer widerrechtlichen Drohung im Sinne von § 2078 Abs.2 BGB, wie der Senat nach Aktenlage selbst feststellen kann, nachdem das Landgericht auf diesen Vortrag nicht eingegangen ist.
Der behaupteten Äußerung ist schon nicht zu entnehmen, in welcher Weise Pfarrer W selbst und sonstige, „der Kirche“ zuzurechnende Personen ihr Verhalten gegenüber der Erblasserin bei Unterbleiben einer Testierung zu Gunsten des Beteiligten zu 1. ändern würden. Sie lässt auch nicht erkennen, dass Pfarrer W auf diese Personen aus der Sicht der Erblasserin überhaupt erfolgreich dahingehend Einfluss nehmen konnte, sich um sie nicht mehr zu „kümmern“. Das Vorliegen einer widerrechtlichen Drohung ist aber entscheidend deshalb zu verneinen, weil sich weder aus dem Vortrag des Beteiligten zu 2. noch aus dem sonstigen Inhalt der Akten und Beiakten Anhaltspunkte für die Annahme ergeben, dass sich die Erblasserin im maßgebenden Zeitraum vor der Errichtung des notariellen Testaments in einer solchen seelischen Verfassung befunden haben könnte, dass sie dadurch, dass sich „die Kirche“ nicht mehr um sie „gekümmert“ hätte, in eine akute Notsituation gebracht worden wäre. Die behauptete Äußerung enthält damit jedenfalls keine Ankündigung eines hinreichend schweren, den Voraussetzungen des § 2078 Abs.2 BGB genügenden Übels, vergleichbar der Drohung mit dem Entzug gewährter Pflegeleistungen (wie im vom Reichsgericht a.a.O. entschiedenen Fall).
Da sich nach alledem aus dem Vortrag des Beteiligten zu 2. das Vorliegen einer Drohung im Sinne von § 2078 Abs.2 BGB nicht ergab, war das Landgericht nicht aufgrund seiner Ermittlungspflicht gehalten, die vom Beteiligten zu 2. benannten Zeugen förmlich zu vernehmen.
Im Übrigen durfte das Landgericht es rechtsfehlerfrei aufgrund der Aussage des beurkundenden Notars T als nicht erwiesen ansehen, dass die Erblasserin das notarielle Testament vom 24.August 1993 unter dem Einfluss einer Drohung errichtet hat. Seine Würdigung dieser Aussage lässt keine Rechtsfehler erkennen. Insbesondere brauchte es auch nicht aus der Tatsache der Anwesenheit des Pfarrer W bei der Testamentserrichtung herleiten, dass das von der Erblasserin vor der Beurkundung mitgeteilte Motiv für die beabsichtigte Testierung nur vorgeschoben gewesen und sie tatsächlich durch eine Drohung zu ihr bestimmt sein könnte. Da es hier um individuelle geistig-seelische Vorgänge ging, schied die Anwendung eines solchen Erfahrungssatzes aus.
b) Die Anfechtung einer letztwilligen Verfügung wegen eines Motivirrtums im Sinne von § 2078 Abs. 2 BGB setzt voraus, dass der Erblasser zu ihr durch die irrige Annahme oder Erwartung des Eintritts oder Nichteintritts eines Umstandes bestimmt worden ist. Danach begründet allerdings nicht jede Fehlvorstellung des Erblassers bei Testamentserrichtung die Anfechtung, sondern es muss ein Irrtum über Umstände vorliegen, die bewegender Grund für den letzten Willen des Erblassers waren. Zu solchen die Anfechtung begründenden Umständen kann auch ein grundlegender Irrtum über die künftige Entwicklung des Verhältnisses des Erblassers zu von ihm bedachten Personen gehören. Dabei genügt es, dass der Erblasser seine für die getroffene Verfügung maßgeblichen Vorstellungen und Erwartungen zwar nicht in sein Bewusstsein aufgenommen, seiner letztwilligen Verfügung aber als selbstverständlich zugrundegelegt hat. Nicht erforderlich ist es, dass der die letztwillige Verfügung bestimmende Irrtum in der Verfügung selbst zum Ausdruck gekommen ist. Gibt der Erblasser darin allerdings einen Beweggrund an, spricht eine tatsächliche Vermutung für die Annahme, dass dieser Grund auch der wirklich bestimmende war (vgl. BayObLGZ 1971, 147/149f.; KG – 12.ZS. – FamRZ 1977, 271/273; BayObLG FamRZ 1990, 211/213, jew. m.w.N.).
Das Landgericht hat es rechtsfehlerfrei als nicht für erwiesen erachtet, dass die Erblasserin zu ihrer letztwilligen Verfügung durch die Erwartung bestimmt worden sei, „man“ bzw. Pfarrer W werde sich weiter in der gewohnten Weise intensiv um sie kümmern und es würden Unstimmigkeiten ausbleiben, und in dieser Erwartung enttäuscht worden sei (vgl. Beschwerdeschrift, Bl.76/80f.d.A.). Dabei durfte es schon im Hinblick auf die pauschale, ohne konkreten näheren Tatsachenvortrag aufgestellte Behauptung des Beteiligten zu 2. davon ausgehen, er habe nicht schlüssig dargetan, dass bei der Erblasserin eine solche Erwartung für die getroffene Verfügung zumindest mitbestimmend war und dass sie in dieser Erwartung enttäuscht worden sei.
3. Die Anordnung der Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Beteiligten zu 1. beruht auf der zwingenden Vorschrift des § 13 a Abs. 1 Satz 2 FGG.
Die Festsetzung des Beschwerdewertes beruht auf §§ 131 Abs. 2, 30 KostO. Maßgebend für die Wertfestsetzung ist das Interesse des Rechtsmittelführers an der erstrebten Entscheidung, das ausgehend vom Wert des Nachlasses im Zeitpunkt des Erbfalls (§ 107 Abs. 2 Satz 1 KostO) zu bewerten ist. Insoweit ist der Senat – in Übereinstimmung mit dem Landgericht – von der Angabe des Beteiligten zu 1. zum Nachlasswert im Erbscheinsantrag vom 10.August 1995 (Bl.14d.A.) ausgegangen, zumal diese auch dem Vermögenswert nahekommt, der sich aus dem vom Beteiligten zu 2. als Betreuer erstellten Vermögensverzeichnis vom 15.Februar 1995 ergibt (Bl.43f. d.BA).

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