Zur Frage der Beschränkung einer Schiedsklausel auf bestimmte Streitigkeiten OLG Frankfurt am Main, 25.02.2019 – 26 SchH 1/18

März 14, 2019

Zur Frage der Beschränkung einer Schiedsklausel auf bestimmte Streitigkeiten
OLG Frankfurt am Main, 25.02.2019 – 26 SchH 1/18
Tenor:

Es wird festgestellt, dass ein schiedsrichterliches Verfahren zwischen den Parteien vor der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V. (DIS) über den Streitgegenstand des vorgelegten Schiedsklageentwurfs vom 15.08.2018 (Anlage Dentons AS 13) zulässig ist.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Der Gegenstandswert wird auf die Gebührenstufe bis zu € 3.400.000,00 festgesetzt.
Gründe

I.

Die Parteien streiten um die Zulässigkeit eines schiedsrichterlichen Verfahrens.

Die Antragstellerin (nachfolgend auch „A“) ist ein in China ansässiges Unternehmen, welches im Bereich der Herstellung von Autodächern spezialisiert ist. Sie bezieht von der Antragsgegnerin, vormals firmierend unter der Geschäftsbezeichnung B GmbH, U-förmige Kunststoffrahmen (sog. „U-Screens“), die für die Produktion von Autodächern für einen deutsch-chinesischen Automobilhersteller benötigt werden.

Die Lieferbeziehung zwischen den Parteien basiert auf einem am 31.10.2012 abgeschlossenen „Nomination Letter“ nebst Nebenvereinbarung vom gleichen Tag, durch den die Antragsgegnerin als Lieferantin für von die ihr zu liefernde Serienproduktion „Polycarbonat-Abdeckung Teile-Nummer …“ ausgewählt wurde und wegen deren Bestimmungen im Einzelnen auf den Akteninhalt (Anlagenband AS 2) Bezug genommen wird.

Gemäß Ziffer 11. des Nomination Letter wurden die Bestellbedingungen der Antragstellerin in der jeweils aktuellen Fassung zum Bestandteil der Vereinbarung gemacht.

Mit Bestellungen vom 31.12.2014 bzw. vom 06.01.2015 („Blanket Purchase Order“, nachfolgend „BPO“, Anlagenband AS 4 und AS 5) orderte die Antragstellerin die für die Jahre 2015 bzw. 2016 vorausgeschätzten Liefermengen.

Nachdem absehbar geworden war, dass die ursprünglich vereinbarten Liefermengen nicht ausreichend sein würden, schlossen die Parteien unter dem 24./25.03.2015 eine Ergänzungsvereinbarung („Supplementary Agreement“), in deren Präambel es gemäß der von der Antragstellerin vorgelegten beglaubigten Übersetzung unter anderem heißt:

„Durch einen Nomination Letter Polycarbonat-Abdeckungen, Teile-Nr. … in Verbindung mit der Nebenvereinbarung vom 31.10.2012 (die „bestehende Vereinbarung“) hat A als Kunde B mit der Bereitstellung von U-Screens in den Versionen 1 und 2 (die „Lieferteile“) in festgelegten Mengen beauftragt. Zwischenzeitlich wurde deutlich, dass die Menge an tatsächlich benötigten Lieferteilen sich mittel- bis langfristig wesentlich erhöhen würde. Die gegenwärtig möglichen Produktionskapazitäten von B wären zur Produktion der erhöhten Teilemengen, die in diesem Fall zukünftig tatsächlich benötigt werden, nicht ausreichend.

Daher haben die Vertragsparteien vereinbart, dass B Investitionen in die notwendige Erweiterung der Produktionskapazitäten tätigen wird. A wird die notwendigen Investitionskosten, die B entstehen, durch Erhöhung des Preises für die Lieferteile (die „Preiserhöhung für Lieferteile“) übernehmen.

(…)

Auf dieser Grundlage schließen die Parteien hiermit die folgende Vereinbarung zur Ergänzung und teilweisen Änderung des Nomination Letter, Teile-Nr. in Verbindung mit der Nebenvereinbarung vom 31.10.2012 (die „Ergänzungsvereinbarung“): (…)“.

Diese Ergänzungsvereinbarung enthält unter anderem folgende Klauseln, die in der von der Antragstellerin vorgelegten beglaubigten Übersetzung wie folgt lauten:

„5.3.

Mit Ausnahme der oben vereinbarten Änderungen und Ergänzungen bleiben alle anderen Bestimmungen des Nomination Letter und der Nebenvereinbarung vom 31.10.2012 zwischen den Vertragsparteien unverändert wirksam und gültig.

(…)

6.4.

„Alle Streitigkeiten, die sich im Zusammenhang mit diesem Vertrag oder über seine Gültigkeit ergeben, werden nach der Schiedsgerichtsordnung der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V. (DIS) unter Ausschluss des ordentlichen Rechtsweges endgültig entschieden.

Der Gerichtsstand für Schiedsverfahren ist Frankfurt am Main. Es werden insgesamt drei (3) Schiedsrichter bestimmt und die Sprache der Schiedsverfahren ist Englisch.“

Bezüglich des weiteren Inhalts der Ergänzungsvereinbarung wird auf die zur Akte gereichte beglaubigte Übersetzung (Anlagenband AS 5) verwiesen.

In der Folgezeit kam es zwischen den Parteien zu Streitigkeiten über die von der Antragsgegnerin seit Anfang 2015 bereitgestellten Liefermengen sowie über die Mangelfreiheit der gelieferten Produkte. Die Antragstellerin warf der Antragsgegnerin vor, entgegen zugesagter Produktionskapazitäten und vertraglicher Verpflichtungen, zu wenig Kunststoffrahmen geliefert zu haben, wodurch sie den eigenen Lieferverpflichtungen gegenüber ihren Auftraggebern nicht habe nachkommen können. Die Antragstellerin beabsichtigt deshalb, ein Schiedsverfahren gegen die Antragsgegnerin zur Durchsetzung der von ihr behaupteten Gewährleistungs- und Schadensersatzansprüche einzuleiten und hat mit Antragsschrift vom 31.01.2018 ursprünglich beantragt, festzustellen, dass aufgrund der Schiedsklausel im Supplementary Agreement vom 25. März 2015 ein Schiedsverfahren zwischen den Parteien zulässig ist, in welchem die Antragstellerin gegen die Antragsgegnerin vertragliche, quasi-vertragliche und gesetzliche Ansprüche geltend macht, unter anderem wegen Angaben, Nichtangaben, Zusicherungen und Verpflichtungen der Antragsgegnerin im Hinblick auf deren Produktionskapazitäten vor, in und nach dem Nomination Letter sowie vor und in den Blanket Purchase Orders aus den Jahren 2015 und 2016.

Die Antragstellerin ist der Auffassung, sämtliche von ihr geltend gemachte Ersatzansprüche aus der Verletzung vertraglicher und vorvertraglicher Verpflichtungen einschließlich etwaiger deliktischer Ansprüche sowie wegen mangelhafter und unzureichender Lieferungen in den Jahren 2015 und 2016 unterfielen der im „Supplementary Agreement“ vereinbarten Schiedsklausel. Die Schiedsklausel sei ihrem Wortlaut nach weit gefasst und beziehe alle Streitigkeiten im Zusammenhang mit der Ergänzungsvereinbarung und dem Nomination Letter als Rahmenvertrag sowie die hierauf beruhenden Geschäftsabschlüsse (Blanket Purchase Orders) für die Jahre 2015 und 2016 ein. Die Ergänzungsvereinbarung vom 24./25.03.2015 sei ohne den durch sie ergänzten bzw. geänderten Nomination Letter nicht verständlich und bilde mit diesem zusammen ein einheitliches Vertragswerk. Dies werde nicht zuletzt durch Ziffer 5.3 der Ergänzungsvereinbarung deutlich, wonach alle ungeänderten Regelungen des Nomination Letter und der Nebenvereinbarung vom 31.10.2012 für unverändert wirksam und gültig erklärt worden seien. Auch seien Ansprüche aus den Blanket Purchase Orders nicht ohne Rückgriff auf die Preiserhöhungen in der Ergänzungsvereinbarung zu bestimmen.

Die Einführung der Schiedsklausel sei vor dem Hintergrund der durch die Ergänzungsvereinbarung beschlossenen engeren Zusammenarbeit und die hieraus resultierenden weitergehenden Verpflichtungen (Investitionen der Antragsgegnerin in zusätzliche Lieferkapazitäten einerseits, verbunden mit einer im Gegenzug vereinbarten Preiserhöhung für die gelieferten Produktionsteile andererseits) zu sehen; hierdurch sei eine Anpassung des Konfliktlösungsmechanismus erforderlich geworden, wobei die Schiedsklausel nach dem Willen der Parteien auf ihre gesamte Geschäftsbeziehung habe Anwendung finden sollen. Damit erfasse die Schiedsklausel auch diejenigen Ansprüche, die aus der Zeit vor Unterzeichnung der Schiedsklausel stammten, da Schiedsklauseln ohne weiteres auch noch nach Anspruchsentstehung abgeschlossen werden könnten. Überdies sei es fernliegend anzunehmen, die Parteien hätten Streitigkeiten über ihre Lieferbeziehung teils im Schiedsverfahren und teils vor staatlichen Gerichten verhandeln wollen, zumal ein Großteil der von der Antragstellerin geltend gemachten Ansprüche aus der Zeit nach Unterzeichnung des „Supplementary Agreements“ herrühre. Sowohl Wortlaut der Schiedsklausel wie auch deren vertragssystematische und interessengerechte Auslegung rechtfertigten eine umfassende Einbeziehung sämtlicher Streitigkeiten aus der gesamten Geschäftsbeziehung der Parteien.

Die Antragstellerin hat nach einem gerichtlichen Hinweis des Senats vom 04.06.2018 mit Schriftsatz vom 06.07.2018 den Entwurf einer Schiedsklage vorgelegt (Anlage AS 13), in dem sie ihre Schadensersatzansprüche gegenüber der Antragsgegnerin auf insgesamt RMB 130.953.349,00 (€ 16.941.863,00) beziffert und die Zusammensetzung dieses Betrages bezogen auf Ansprüche wegen unzureichender bzw. mangelhafter Lieferung von U-Screens, wegen entgangenem Gewinn, wegen Rückerstattungsansprüchen aus Kaufpreiszahlungen für mangelhafte Produkte, wegen entstandener Schäden aus der Verwendung mangelhafter U-Screens, wegen zusätzlicher Luftfracht- und Lagerkosten sowie wegen Kosten für Mängeluntersuchungen dargestellt hat.

Die Antragstellerin beantragt nunmehr,

festzustellen, dass ein schiedsrichterliches Verfahren über den Streitgegenstand des als Anlage Dentons AS 13 in deutscher Übersetzung beigefügten Schiedsklageentwurfs zulässig ist.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, das Feststellungsbegehren der Antragstellerin könne schon deshalb keinen Erfolg haben, weil die in dem Supplementary Agreement enthaltene Schiedsklausel weder auf den zeitlich früher abgeschlossenen Nomination

Letter nebst Nebenvereinbarung noch auf die Blanket Purchase Orders 2015 oder 2016 anzuwenden sei und die Antragstellerin einen Zusammenhang zwischen den jeweiligen Vertragswerken auch nicht schlüssig dargelegt habe. Die Schiedsklausel erfasse nach richtiger Übersetzung nur Streitigkeiten, die mit dem Supplementary Agreement selbst in Zusammenhang stehen; die von der Antragstellerin geltend gemachten Ansprüche beruhten aber nicht einmal nach deren eigenem Vortrag auf dieser Ergänzungsvereinbarung. So sei die mit dem Supplementary Agreement beabsichtigte Kapazitätserweiterung erst für Anfang Mai 2016 vorgesehen gewesen, weshalb die von der Antragstellerin für den Zeitraum von 2015 bis Anfang April 2016 behaupteten unzureichenden Liefermengen erkennbar nicht unter die Ergänzungsvereinbarung fallen könnten.

Auch besage Ziffer 5.3 der Ergänzungsvereinbarung eindeutig, dass mit Ausnahme der „oben“ vereinbarten Ergänzungen und Änderungen der Nomination Letter nebst Nebenvereinbarung vom 31.12.2012 unverändert wirksam und gültig bleibe; der Umstand, dass die in Ziffer 6.4 enthaltene Schiedsklausel erst nachfolgend verortet sei, spreche unmissverständlich für den Willen der Parteien, ausschließlich den durch das Supplementary Agreement geregelten Teil der Vertragsbeziehungen der Parteien der Schiedsklausel zu unterwerfen.

Ferner sei die Einordnung des Nomination Letter als Rahmenvertrag nicht zutreffend; ein rechtlicher oder wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den jeweiligen Vertragswerken bestehe schon mit Rücksicht auf die zeitlichen Abläufe und die Selbstständigkeit der jeweiligen Vertragsurkunden nicht; zwar seien einzelne Bereiche der Zusammenarbeit zwischen den Parteien geregelt worden, nicht aber dergestalt, dass ein einheitlicher Rahmenvertrag bestehe, dem sämtliche Einzelverträge unterfielen. So bestehe insbesondere keinerlei Verbindung zwischen den sog. Blanket Purchase Orders und dem Nomination Letter bzw. dem Supplementary Agreement.

Etwas anderes folge auch nicht aus der Präambel der Ergänzungsvereinbarung; soweit darin ein Verweis auf den Nomination Letter enthalten sei, spreche alles dafür, dass damit allenfalls eine Änderung für die Zukunft beabsichtigt gewesen sei; dies werde schon durch die zeitliche Abfolge der Vertragsabschlüsse indiziert und zudem sei der Gegenstand der Ergänzungsvereinbarung auf eine künftige Erweiterung der Produktionskapazitäten gerichtet gewesen. Es sei daher fernliegend anzunehmen, die Parteien hätten auch weit zurückliegende Lebenssachverhalte oder gar vorvertragliche Pflichtverletzungen der Schiedsklausel unterstellen wollen. Wäre dies tatsächlich gewollt gewesen, hätte dies in der Schiedsvereinbarung deutlich zum Ausdruck kommen müssen. Insoweit trage die Antragstellerin die Darlegungs- und Beweislast für einen vom Urkundentext abweichenden Vertragswillen der Parteien.

Soweit sich die Antragstellerin auf die von ihr vorgelegten „General Terms and Conditions“ berufe, sei nicht nur zu bestreiten, dass überhaupt irgendwelche Allgemeinen Geschäftsbedingungen in die unterschiedlichen Verträge wirksam einbezogen worden seien; auch müsse sich die Antragstellerin entgegenhalten lassen, dass gemäß Ziffer 36B der von ihr vorgelegten Bestellbedingungen Streitigkeiten zwischen den Parteien vor den staatlichen Gerichten auszutragen seien.

Auch vor diesem Hintergrund könne dem Feststellungsbegehren der Antragstellerin kein Erfolg beschieden sein.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Der Antrag der Antragstellerin auf Feststellung der Zulässigkeit eines schiedsrichterlichen Verfahrens zwischen den Parteien ist gemäß § 1032 Abs. 2 ZPO statthaft und im Übrigen auch zulässig.

Das erforderliche Feststellungsinteresse für den positiven Feststellungsantrag der Antragstellerin ist gegeben, da die Antragsgegnerin die Zulässigkeit eines Schiedsverfahrens für die in Rede stehenden Ansprüche bestreitet. Auch ist eine Konstituierung des Schiedsgerichts noch nicht erfolgt.

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main ist für die Entscheidung über den Antrag zuständig (§ 1062 Abs. 1 Ziff. 2 ZPO i.V.m. § 1032 ZPO), nachdem in der Schiedsklausel Frankfurt am Main als Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens festgelegt wurde.

Der Antrag hat in der Sache auch Erfolg. Die von der Antragstellerin begehrte Feststellung der Zulässigkeit eines schiedsrichterlichen Verfahrens ist mit Rücksicht auf den im Rahmen des § 1032 Abs. 2 ZPO in Blick zu nehmenden Gegenstand des beabsichtigten Schiedsverfahrens gerechtfertigt, da die im vorgelegten Schiedsklageentwurf vom 15.08.2018 behandelten Ansprüche der Entscheidung durch ein Schiedsgericht unterliegen.

Auf der Grundlage dieses für die Beurteilung maßgeblichen Vorbringens ergibt die im Verfahren nach § 1032 Abs. 2 ZPO vorzunehmende Prüfung, dass eine wirksame Schiedsvereinbarung vorliegt, diese durchführbar ist und der Gegenstand des Schiedsverfahrens der Schiedsvereinbarung unterfällt (vgl. zum Prüfungsmaßstab des § 1032 Abs. 2 ZPO: BGH, SchiedsVZ 2012, 281, 282; BayObLG, NJW-RR 2002, 323, 324; Zöller-Geimer, ZPO, 32. Auflage 2018, Rdnr. 23 zu § 1032 ZPO; Müko-ZPO, 5. Auflage 2017, Rdnr. 25 zu § 1032 ZPO; Hammer, Überprüfung von Schiedsverfahren durch staatliche Gerichte in Deutschland, 2018, Rdnr. 284).

Gegen die Wirksamkeit der im Supplementary Agreement vereinbarten Schiedsklausel als solche bestehen keine Bedenken, ebenso wenig gegen deren Durchführbarkeit; insoweit erinnert auch die Antragsgegnerin nichts.

Die Schiedsklausel erfüllt die Formanforderungen des § 1029 Abs. 2 ZPO und enthält den i.S.v. § 1029 Abs. 1 ZPO notwendigen Inhalt, indem sie alle Streitigkeiten, die sich im Zusammenhang mit diesem Vertrag oder über seine Gültigkeit ergeben, unter Ausschluss des ordentlichen Rechtsweges der Entscheidung durch ein Schiedsgericht unterwirft.

Die zwischen den Parteien im Zentrum ihrer Auseinandersetzung stehende Frage, ob sich die Schiedsklausel allein auf Streitigkeiten im Zusammenhang mit dem Supplementary Agreement erstreckt oder auch solche Meinungsverschiedeneiten erfasst, die im Zusammenhang mit dem Nomination Letter oder den Blanket Purchase Orders stehen, ist in Anlehnung an den gewählten Schiedsort nach deutschem Recht zu beantworten. Die somit anhand allgemeiner Auslegungsgrundsätze (§§ 133, 157 BGB), unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte der Vereinbarung, etwaiger Äußerungen der Parteien und anhand einer vertragssystematischen Betrachtung sowie der Interessenlage der Parteien vorzunehmende Auslegung ergibt, dass eine Willenseinigung der Parteien darüber vorliegt, dass die Schiedsklausel alle Streitigkeiten im Zusammenhang mit der durch den Nomination Letter vom 31.10.2012 nebst Nebenvereinbarung begründeten Lieferbeziehung erfasst.

Die behauptete Beschränkung der Schiedsklausel allein auf den Inhalt des Supplementary Agreements besteht nicht.

Zwar ist der Antragsgegnerin zuzugestehen, dass der reine Wortlaut der Klausel in Ziffer 6.4 des Supplementary Agreements zunächst nur Streitigkeiten im Zusammenhang mit dieser Ergänzungsvereinbarung erfasst. Eine isolierte Betrachtung nur des Wortlauts der Schiedsklausel ließe jedoch den Inhalt der Präambel unberücksichtigt, durch den die Ergänzungsvereinbarung zu dem Nomination Letter nebst Nebenvereinbarung vom 30.10.2012 in Beziehung gesetzt wurde. So ist das Supplementary Agreement gemäß der Präambel ausdrücklich „zur Ergänzung und teilweisen Änderung“ des Nomination Letter vom 31.10.2012 nebst Nebenvereinbarung abgeschlossen worden. Der Verweis der Antragsgegnerin auf die Niederlegung der Schiedsklausel in einer gesonderten Urkunde verfängt deshalb nicht, weil die Ergänzungsvereinbarung selbst den Zusammenhang zu dem Nomination Letter vom 31.10.2012 nebst Nebenvereinbarung herstellt und insoweit den Inhalt der Ergänzungsvereinbarung und damit auch die in der Ergänzungsvereinbarung enthaltene Schiedsklausel zur Grundlage der zwischen den Parteien bestehenden vertraglichen Beziehung macht.

Wegen des durch die Präambel begründeten Zusammenhangs zwischen der Ergänzungsvereinbarung und dem Nomination Letter nebst Nebenvereinbarung begründet die Ergänzungsvereinbarung für sich genommen auch nicht die Vermutung ihrer (abschließenden) Vollständigkeit und Richtigkeit (vgl. hierzu BGH, WM 2018, 817; BGH, Beschluss vom 31.10.2018, Az.: I ZB 17/18, zitiert nach BeckRS).

Etwas anderes folgt auch nicht aus der Klausel in Ziffer 5.3 des Supplementary Agreement. Soweit diese Bestimmung regelt, dass mit Ausnahme der „oben“ vereinbarten Änderungen und Ergänzungen alle anderen Bestimmungen des Nomination Letter und der Nebenvereinbarung vom 31.10.2012 zwischen den Vertragsparteien unverändert wirksam und gültig bleiben, steht dies der Annahme einer Schiedsbindung der im Streit stehenden Ansprüche nicht entgegen. Denn dass die Parteien mit dieser Klausel ihren Willen bekunden wollten, die unter Ziffer 6. der Ergänzungsvereinbarung als Schlussbestimmungen enthaltenen Klauseln von den zu Ziffer 1-5 geregelten Inhalten dergestalt abzugrenzen, dass nur die Ziffern 1-5 als zur „Ergänzung und teilweisen Änderung des Nomination Letter“ verstanden werden sollten, lässt sich dem Vertragswerk als Ganzes nicht entnehmen.

Weder ergibt die Präambel für diese Auslegung belastbare Hinweise noch erweist sich eine so verstandene Trennung der Regelungen als sinnhaft.

Denn hätten die Parteien mit der Klausel in Ziffer 5.3 abschließend sowohl in materieller wie auch in prozessualer Hinsicht den Umfang der Änderungen und Ergänzungen des Nomination Letter festlegen wollen, hätte es überhaupt keiner „Schlussbestimmungen“ mehr bedurft, weil alle anderen zwischen den Parteien geregelten Vertragsinhalte „unverändert“ wirksam und gültig geblieben wären. Bei einem derartigen Vertragsverständnis blieben sämtliche Regelungsinhalte der Schlussbestimmungen – nicht nur die Schiedsklausel in Ziffer 6.4 – ohne jede Relevanz, weil bereits abschließend und endgültig der Inhalt des Supplementary Agreements festgelegt worden wäre. Einem solchermaßen übereinstimmenden Willen der Parteien steht der Vertragsaufbau als Ganzes aber entgegen; vielmehr kommt der in Ziffer 5.3 enthaltenen Klausel im Gesamtkontext erkennbar nur eine klarstellende Funktion bezogen auf die die Lieferbeziehung neu regelnden Inhalte, nicht aber eine abgrenzende Funktion zu den Regelungen der Schlussbestimmungen zu.

Auch verkennt die Argumentation der Antragsgegnerin, dass es sich bei der im Supplementary Agreement enthaltenen Schiedsvereinbarung um einen in dieser Form erstmaligen prozessualen Dispositionsakt der Schiedsparteien handelt und deshalb die Stellung der Schiedsklausel am Ende der Vereinbarung gerade dafür spricht, dass die Parteien diese Schiedsabrede auf alle Streitigkeiten im Zusammenhang mit dieser Vereinbarung und – infolge des durch die Präambel in Bezug genommenen Nomination Letters – damit ihre gesamte Lieferbeziehung der Schiedsbindung unterstellen wollten. Eine solche Auslegung trägt auch dem höchstrichterlich bestätigten Auslegungsgrundsatz Rechnung, wonach eine Abrede, die Meinungsverschiedenheiten oder Streitigkeiten aus einem Vertrag allgemein einem Schiedsgericht zuweist, grundsätzlich weit auszulegen ist (vgl. zuletzt BGH; Beschluss vom 31.10.2018, Az.: I ZB 17/18, zitiert nach BeckRS m.w.N.).

Hier haben die Parteien übereinstimmend und bewusst das Supplementary Agreement „zur Ergänzung und teilweisen Änderung des Nomination Letter“ abgeschlossen und damit erkennbar eine Verbindung zwischen diesen beiden Vertragswerken geschaffen, die eine Ausdehnung der abschließend beide Vertragswerke abdeckenden Schiedsklausel auch auf Streitigkeiten im Zusammenhang mit dem Nomination Letter rechtfertigt.

Auch die dem Abschluss der Ergänzungsvereinbarung unstreitig zugrunde zu legenden Hintergründe und eine im Übrigen an den Interessen der Parteien orientierte Auslegung ergibt, dass die Schiedsklausel auch Streitigkeiten erfasst, die im Zusammenhang mit der durch den Nomination Letter vom 31.10.2012 begründeten Lieferbeziehung stehen.

Nach dem übereinstimmenden Parteivortrag war Anlass für den Abschluss der Ergänzungsvereinbarung, dass die Produktionskapazitäten der Antragsgegnerin erweitert werden sollten, um Lieferengpässe künftig zu vermeiden. In diesem Zusammenhang haben sich die Parteien zugleich auf eine mit dem Wirksamwerden der Vereinbarung eintretende Preiserhöhung für die von der Antragsgegnerin zu liefernden Produktteile verständigt.

Gerade der Umstand, dass die Parteien aufgrund von Lieferengpässen in tatsächlicher Hinsicht Veranlassung sahen, ihre Lieferbeziehung zum Teil neu zu regeln, legt es nahe, dass die Parteien im Zuge dessen auch die Frage der prozessualen Behandlung von Streitigkeiten aus der Vertragsbeziehung auf den Prüfstand gestellt haben und sich die in diesem Zusammenhang erstmals vereinbarte Schiedsklausel nach ihrem übereinstimmenden Willen auf ihre gesamte Lieferbeziehung erstrecken sollte. Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin stellt sich die rückwirkende Erstreckung einer Schiedsklausel auf bereits vor ihrer Unterzeichnung entstandene Sachverhalte auch keineswegs als „lebensfremd“ dar; dies zeigt schon die Bestimmung des § 1029 Abs. 1 ZPO selbst. Im Übrigen enthält die Schiedsklausel keinerlei Beschränkungen im Hinblick auf ihren zeitlichen Geltungsbereich, weshalb es mit Rücksicht auf die durch großzügige Auslegung zu ermittelnde Reichweite der Schiedsklausel keinem ernsthaften Zweifel unterliegen kann, dass die Schiedsklausel auch Streitigkeiten erfasst, deren Ursprung in der Zeit vor Unterzeichnung des Supplementary Agreements liegt.

Für einen in hinreichend aussagekräftiger Weise abweichend dokumentierten Willen der Vertragsparteien geben die schriftlichen Vereinbarungen bzw. das Vorbringen der Antragsgegnerin nichts her.

Insbesondere kann der Antragsgegnerin nicht darin gefolgt werden, die Parteien hätten mit der Ergänzungsvereinbarung nur den auf die künftige Kapazitätserweiterung gerichteten Teil ihrer Lieferbeziehung (ab Mai 2016) regeln wollen.

Diese Annahme steht nicht nur im Widerspruch zu dem Wirksamkeitszeitpunkt, der im Supplementary Agreement selbst geregelt ist (vgl. dort Ziffer 4.1: „Diese Ergänzungsvereinbarung wird bei Unterzeichnung durch den letzten Vertragspartner („das Wirksamkeitsdatum“) wirksam“), sondern ist auch unvereinbar mit der in der Präambel zum Ausdruck kommenden Intention der Parteien, das Supplementary Agreement zur Ergänzung und teilweisen Änderung des Nomination Letter abschließen zu wollen. Indem aber alle sonstigen Bestimmungen des Nomination Letter und der Nebenvereinbarung vom 31.10.2012 unverändert wirksam und gültig bleiben sollten (Ziffer 5.3) lässt sich die Auffassung der Antragsgegnerin von einem ausschließlich die Kapazitätserweiterung betreffenden Regelungsgehalt des Supplementary Agreements mit dessen Inhalt gerade nicht in Einklang bringen.

Der nachhaltig wiederholte Einwand der Antragsgegnerin, die Parteien hätten Streitigkeiten, die aus der Zeit vor dem Abschluss des Supplementary Agreement herrühren, nicht der Schiedsklausel unterwerfen wollen, erweist sich bei dieser Sachlage als unbegründet; vielmehr deckt die zeitlich unbeschränkte Schiedsklausel sowohl die Vereinbarungen des Nomination Letter nebst Nebenvereinbarung wie auch den Inhalt der Ergänzungsvereinbarung ab und rechtfertigt sich die Schlussfolgerung, dass die umfassende Einbeziehung „aller Streitigkeiten“ dem von den Parteien gewünschten Konfliktlösungsmechanismus durch ein Schiedsgericht für alle ihre Lieferbeziehung betreffenden Auseinandersetzungen entspricht.

Unabhängig von den vorstehenden Ausführungen spricht die Interessenlage der Parteien und die mit der Begründung der Entscheidungszuständigkeit eines Schiedsgerichts regelmäßig verfolgte Zwecksetzung entscheidend gegen die Sichtweise der Antragsgegnerin. Denn es ist kein vernünftiger Grund erkennbar, warum die Parteien Streitigkeiten aus dem Zeitraum vor dem Wirksamwerden der Ergänzungsvereinbarung am 25.03.2015 der Entscheidung durch ein staatliches Gericht und Streitigkeiten, die in die Zeit ab dem Wirksamwerden der Ergänzungsvereinbarung fallen, der Entscheidung durch ein Schiedsgericht hätten unterwerfen wollen; dies gilt umso mehr, als der Wirksamkeitszeitpunkt der Ergänzungsvereinbarung gerade keine erkennbar geeignete Grundlage bietet, um etwaige Ansprüche der Parteien in sinnhafter Weise voneinander abzugrenzen und einen den Grundsätzen der Prozessökonomie entsprechenden effektiven Rechtsschutz zu gewähren. Denn anderenfalls müssten über unter Umständen gleichlautende Rechtsfragen verschiedene Verfahren geführt werden bei einem entsprechend erhöhten Zeit- und Kostenaufwand für die Parteien und es bestünde darüber hinaus die Gefahr gegensätzlicher Entscheidungen bei inhaltlich parallelen Sachverhalten, ohne dass die Möglichkeit gegeben wäre, eine einheitliche Rechtsanwendung in einem Rechtsmittelverfahren sicherzustellen.

Nach Maßgabe dieser Erwägungen bleibt auch der Einwand der Antragsgegnerin ohne Erfolg, etwaige Verstöße gegen die in den Blanket Purchase Orders (BPO) 2015 und 2016 enthaltenen Lieferverpflichtungen seien nicht von der Schiedsklausel umfasst. Bei einem – wie hier – Rahmenvertrag mit umfassender Schiedsklausel sind alle einzelnen Ausführungsverträge ebenfalls solche aus diesem Vertrag und erstreckt sich die Schiedsklausel nicht zuletzt im Interesse einer einheitlichen Zuständigkeit des Schiedsgerichts auch auf die, auf der Rahmenvereinbarung beruhenden Bezugs- bzw. Ausführungsverträge (vgl. BGH SchiedsVZ 2007, 215 ff.; OLG München, NJOZ 2019, 144; MüKo-ZPO, a.a.O., Rdnr. 111 zu § 1029 ZPO; Zöller-Geimer, a.a.O., Rdnr. 81 zu § 1029 ZPO).

Die Parteien haben durch den Abschluss des Nomination Letter nebst Nebenvereinbarung vom 31.10.2012 die Grundlagen für ihre auf Dauer angelegte Lieferbeziehung geschaffen; die in den Nomination Letter einbezogene umfassende Schiedsklausel erfasst deshalb bei zweck- und interessengerechter Betrachtung auch Auseinandersetzungen aus den jeweiligen Rahmenbestellungen, die die Parteien in Ausfüllung des Nomination Letter abgeschlossen haben (vgl. nochmals BGH, a.a.O.; OLG München, a.a.O.).

Der Anwendungsbereich der Schiedsklausel wird abschließend nicht dadurch eingeschränkt, dass in den von der Antragstellerin in Bezug genommenen „General Terms and Conditions“ (Anlage AS 3) eine Gerichtsstandsklausel enthalten ist; ungeachtet der zwischen den Parteien streitigen Frage, ob und ggf. welche Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Antragstellerin wirksam einbezogen worden sind, geht die in der Ergänzungsvereinbarung individuell ausgehandelte Unterwerfung durch ein Schiedsgericht der in Allgemeinen Geschäftsbedingungen getroffenen Gerichtsstandsvereinbarung vor (§ 305b BGB, vgl. auch BGH, NJOZ 2018, 1268). Die Parteien haben mit der individuell vereinbarten Schiedsklausel den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten wirksam ausgeschlossen, weshalb auch eine unterstellte Einbeziehung einer Gerichtsstandsklausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Zuständigkeit eines staatlichen Gerichts anstelle eines Schiedsgerichts nicht zu begründen vermag (vgl. auch OLG München, Beschluss vom 16.08.2017, Az.: 34 SchH 14/16, zitiert nach BeckRS).

Es ist danach bei Gesamtwürdigung aller Umstände und mit Rücksicht auf die von der Antragstellerin auf der Basis des vorgelegten Schiedsklageentwurfs beabsichtigte Rechtsverfolgung gerechtfertigt, die Feststellung der Zulässigkeit eines schiedsrichterlichen Verfahrens zu treffen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.

Die Festsetzung des Gegenstandswertes berücksichtigt einen vom Senat gemäß § 3 ZPO für angemessen erachteten Bruchteil des die Schiedsklage umfassenden Hauptsachestreitwertes von 1/5 (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. z.B. SchiedsVZ 2007, 217, 218; Senatsbeschlüsse vom 16.03.2015, Az.: 26 SchH 8/14 und vom 10.06.2014, Az.: 26 SchH 2/14, Beschluss vom 10.12.2015, Az.: 26 SchH 4/15.).

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