Gründe:
Die Antragsstellerin ist einziger Abkömmling des Erblassers aus dessen Ehe mit C geb. M. Dieser errichte unter dem 30. März 2005 mit seiner zweiten Ehefrau C geb. L ein von ihm geschriebenes und von beiden Ehegatten unterschriebenes Testament, in dem sich die Ehegatten gegenseitig zu alleinigen Erben einsetzten. Als Erbe des Letztversterbenden setzten sie zu gleichen Teilen die Beteiligten zu 1. und 2. ein.
Schließlich enthält das Testament eine Pflichtteilsstrafklausel betreffend die Abkömmlinge.
Der Beteiligte zu 2. ist ein Neffe und Patenkind der an dem Testament beteiligten Ehefrau.
Mit notariell beglaubigter schriftlicher Erklärung, die am 26.10.2012 beim Nachlassgericht Bocholt eingegangen ist, schlug die überlebende Ehefrau die Erbschaft nach ihrem Ehemann aus allen gesetzlichen und testamentarischen Berufungsgründen aus.
Die Antragsstellerin ist der Ansicht, es sei gesetzliche Erbfolge eingetreten.
Sie beantragt entsprechend die Erteilung eines Alleinerbscheins nach ihrem Vater.
Dem tritt der schriftlich angehörte weitere Beteiligte mit Unterstützung der Witwe des Erblassers jeweils durch anwaltliches Vorbringen entgegen. Er beansprucht die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins, der beide Beteiligten als Erben zu je 1 / 2 Anteil ausweist.
In Übereinstimmung mit der Witwe macht er geltend, dem Erblasser sehr nahe gestanden und sich um dessen Wohlbefinden gekümmert zu haben. Dessen Verhältnis zu seiner Tochter, der Antragstellerin sei zerrüttet gewesen.
Die Antragsstellerin macht geltend, ihr Vater habe gemeinsam mit seiner zweiten Ehefrau ein auf deren Namen eingetragenes Haus errichtet. Er habe sie trotz gewisser Differenzen, die nicht näher ausgeführt werden sollten, neben dem weiter beteiligten Neffen der Ehefrau erbrechtlich absichern wollen. Über diesen letzten Willen des Vaters setze sich die Witwe hinweg um das Haus allein für ihren Neffen zu erhalten.
In dem entsprechenden Anwaltsschriftsatz vom 31.01.2013 an das Nachlassgericht, der dem weiteren Beteiligten und der Witwe zugeleitet worden ist, hat die Antragsstellerin ausführen lassen:
Hätte der Erblasser gewusst, dass Frau C diesen Wunsch (zur hälftigen Absicherung der Tochter) niemals hatte und auch nicht beabsichtigte, den letzten Willen ihres verstorbenen Mannes zu respektieren und der einzigen Tochter des Verstorbenen die gesamten hälftigen Vermögenswerte, die sie in ihrer gemeinsamen Ehe aufgebaut haben, zukommen zu lassen, hätte er keinesfalls ein Testament zugunsten einer ihm grade nicht verwandten Person, nämlich des Neffen der Frau C gemacht sondern vielmehr die Antragsstellerin als Alleinerbin, was sie im Wege der gesetzlichen Erbfolge gleichermaßen ist, eingesetzt.
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und der getätigten Ermittlungen wird auf den Akteninhalt und den Inhalt der beigezogenen Testamentsakten 37 IV 743/12 sowie der Ausschlagungsakte 37 VI 400/12 und des Testamentsanfechtungsvorgang 37 VI 95 /13 jeweils des Nachlassgerichts Bocholt verwiesen.
Der Erbscheinsantrag ist begründet. Die Tochter des Erblassers ist, nachdem die Ehefrau die Erbschaft auch aufgrund gesetzlicher Erbfolge ausgeschlagen hat, dessen alleinige gesetzliche Erbin geworden.
Die Schlusserbeneinsetzung des Beteiligten zu 2. hat die gem. § 2080 BGB dazu legitimierte Antragsstellerin durch formgerechte und begründete Anfechtungserklärung beseitigt, §§ 2078 Abs. 2, 2081 BGB, 25 FamFG.
Es ist festzuhalten, dass die Schlusserbeneinsetzung der Beteiligten nach der Auslegungsregel des § 2270 Abs. 2 BGB als wechselbezüglich anzusehen ist.
Mit der fristgerechten Erbausschlagung hat die Ehefrau des Erblassers sich gem. § 2171 Abs. 2 BGB die Befugnis beschafft, ihre Verfügung betreffend die Schlusserbeneinsetzung der Beteiligten aufzuheben. Die gesetzliche Erbfolge ist infolge der Ausschlagung der Witwe nicht automatisch eingetreten, siehe für den Fall des Erbvertrages OLG Düsseldorf I-3 Wx 44/07, Beschluss vom 18.04.2007, NJW-RR 2007, 1234 ff.
Die Antragsstellerin befindet sich aufgrund der Wahrnehmung des entsprechenden Gestaltungsrechts der Stiefmutter in der misslichen Situation, dass sie keine Kenntnis davon hat, ob ihre testamentarische Schlußerbeneinsetzung in dem Ehegattentestament nunmehr von Bestand sein wird oder nicht. Dabei ist zu beachten, dass nicht die Erbausschlagung die Unwirksamkeit der Erbeinsetzung zur Folge hat, sondern dass gem. § 2270 Abs. 1 BGB nur die Aufhebung der Verfügung der Witwe auch die Nichtigkeit der entsprechenden Verfügung des Vaters der Antragsstellerin bewirkt, siehe dazu Urteil des BGH IV ZR 230/09 vom 12.01.2011, NJW 2011, 1353 ff.
Solches Vorgehen seiner Witwe gegenüber seiner Tochter hat der Erblasser im Sinne des § 2078 Abs. 2 BGB nicht erwartet. Diese Annahme ist allein aufgrund der Errichtung des Ehegattentestaments gerechtfertigt, welches regelmäßig zur Folge hat, dass der überlebende Ehegatte den Nachlass des Vorversterbenden annimmt und entsprechend an die gemeinsam eingesetzten Schlusserben weitergibt. Diese in dem Testament auf der Basis der Wechselbezüglichkeit der Verfügungen geäußerte Erwartung hat die Witwe durch die regelwidrige Ausschlagung der Erbschaft enttäuscht. Somit entspricht es der im Rahmen der Wechselbezüglichkeit gesetzlich vorgesehenen Waffengleichheit der Beteiligten, die Anfechtung des Testaments zuzulassen.
Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die testierenden Eheleute die Antragsstellerin durch die Handhabung ihrer gemeinschaftlichen Erbeinsetzung und die Ausschlagungserklärung der überlebenden Ehefrau im Hinblick auf ihre Vermögensbildung „austricksen“ wollten. Dieser Vorbehalt ist jedoch in dem Testament nicht angedeutet und daher nach der Regel des § 116 BGB unbeachtlich.
Somit muss dem Erbscheinsantrag der Antragsstellerin stattgegeben werden.
Das Verfahren über den noch nachzubessernden, nicht formgerecht gestellten Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 2. soll weiter gefördert werden, sobald über den vorrangigen Antrag der Antragsstellerin rechtskräftig befunden worden ist.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der Beschwerde gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 Euro übersteigt oder wenn das Gericht des ersten Rechtszuges die Beschwerde zugelassen hat.
Beschwerdeberechtigt ist derjenige, dessen Rechte durch den Beschluss beeinträchtigt sind.
Die Beschwerde ist schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle bei dem Amtsgericht – Nachlassgericht – Bocholt, Benölkenplatz 2, 46399 Bocholt einzulegen. Sie kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichts abgegeben werden.
Die Beschwerde muss spätestens innerhalb eines Monats nach der schriftlichen Bekanntgabe dieses Beschlusses bei dem Amtsgericht – Nachlassgericht – Bocholt eingegangen sein. Das gilt auch dann, wenn die Beschwerde zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines anderen Amtsgerichts abgegeben worden ist. Die Beschwerde-frist beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses, spätestens mit Ablauf von 5 Monaten nach dessen Erlass. Fällt das Ende der Frist auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages.
Die Beschwerde muss den angefochtenen Beschluss bezeichnen sowie die Erklärung enthalten, dass Beschwerde dagegen eingelegt wird. Sie ist zu unterzeichnen und soll begründet werden.