BFH Beschluss vom 11.2.2010, II B 123/09 Keine Besteuerung des geltend gemachten Pflichtteilsanspruchs nach § 23 ErbStG

August 6, 2017

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 11.2.2010, II B 123/09

Grundsätzliche Bedeutung – Divergenz – Keine Besteuerung des geltend gemachten Pflichtteilsanspruchs nach § 23 ErbStG

Tatbestand

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I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist Gesamtrechtsnachfolger der 2006 verstorbenen T, die mit notariell beglaubigter Erklärung die Erbschaft nach ihrem Vater ausgeschlagen hat.
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Das Landgericht X (LG) stellte aufgrund einer Klage der T mit Urteil vom 5. April 2006 fest, dass T die Erbschaft wirksam ausgeschlagen hat und den Pflichtteil verlangen kann. Dagegen legten der Bruder der T, der im notariell beurkundeten Testament des Vaters neben T als Miterbe eingesetzt war, und der Testamentsvollstrecker Berufung ein. Nach dem Ableben der T verpflichteten sich der Bruder der T und der Testamentsvollstrecker in einer am 31. Mai 2007 zur Beendigung des Streitverhältnisses abgeschlossenen Vergleichsvereinbarung, an den Kläger u.a. insgesamt 20 Zahlungen in Höhe von jährlich jeweils 80.000 EUR zu erbringen, bis durch diese Ratenzahlungen ein Gesamtbetrag von 1.600.000 EUR erreicht wird. Eine Wertsicherung oder Verzinsung sollte ausdrücklich nicht gewährt werden. Der Kläger verzichtete auf die Pflichtteilsansprüche der T und sah sich aufgrund der ihm zufließenden Zahlungen als abgefunden an.
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Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) setzte gegen den Kläger als Gesamtrechtsnachfolger der T zuletzt mit Bescheid vom 14. Januar 2009 Erbschaftsteuer fest, wobei die jährlichen Zahlungen an den Kläger mit einem nach § 13 Abs. 1 Satz 1 des Bewertungsgesetzes ermittelten Kapitalwert von 982.320 EUR (80.000 EUR x 12,279) angesetzt wurden. Die vom Kläger beantragte Besteuerung der Zahlungen nach dem Jahreswert gemäß § 23 Abs. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) wurde nicht berücksichtigt.
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Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) ging davon aus, dass § 23 Abs. 1 Satz 1 ErbStG den Erwerb eines Stammrechts auf wiederkehrende Leistungen voraussetze. T habe demgegenüber den Pflichtteil geltend gemacht und damit einen Geldleistungsanspruch erworben. Mit der Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs sei die Erbschaftsteuer entstanden. Die jährlichen Zahlungen an den Kläger stellten ein Erfüllungssurrogat zur Abgeltung des Pflichtteilsanspruchs der T dar.
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Mit der Nichtzulassungsbeschwerde macht der Kläger die Zulassungsgründe des § 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) geltend.

Entscheidungsgründe

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II. Die Beschwerde ist unbegründet. 1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen. Die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage, ob der Erwerb einer Kapitalforderung, die in jährlichen Raten mit einer Laufzeit von 20 Jahren zu erbringen sei, unter die Regelung des § 23 Abs. 1 Satz 1 ErbStG falle, ist mangels Entscheidungserheblichkeit im Streitfall nicht klärungsfähig.
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Das FG ist im angefochtenen Urteil davon ausgegangen, dass Gegenstand des Erwerbs der T ein geltend gemachter Pflichtteilsanspruch nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG und nicht eine ratenweise zu tilgende Kapitalforderung war, die auf einem Erbvergleich beruhte oder als Abfindung für einen Verzicht auf den entstandenen Pflichtteilsanspruch nach § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG zu entrichten war. Es hat hierzu festgestellt, dass T nach dem Ableben ihres Vaters den Pflichtteil geltend gemacht hat. An diese Feststellung ist der Bundesfinanzhof (BFH) nach § 118 Abs. 2 FGO gebunden (vgl. BFH-Urteil vom 19. Juli 2006 II R 1/05, BFHE 213, 122, BStBl II 2006, 718, unter II.2.). Zulässige und begründete Revisionsgründe wurden insoweit nicht vorgebracht. Der Kläger ist zwar der Auffassung, es sei zweifelhaft, ob T mit ihrer Klage vor dem LG den Pflichtteil geltend gemacht habe. Diese der Entscheidung des FG zugrunde liegende Würdigung des Verhaltens der T ist aber möglich; sie verstößt weder gegen gesetzliche Auslegungsregeln (§§ 137, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuches) noch gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze.
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Soweit der Kläger rügt, der Erwerb der T sei auch im Falle eines geltend gemachten Pflichtteilsanspruchs nicht nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, sondern nach den Regeln des Erbvergleichs zu beurteilen und damit werde die Anwendung des § 23 Abs. 1 ErbStG eröffnet, wendet er sich gegen eine angeblich fehlerhafte Rechtsanwendung, die eine Zulassung der Revision grundsätzlich nicht rechtfertigen kann (vgl. BFH-Beschluss vom 28. November 2008 VIII B 206/07, BFH/NV 2009, 601).
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2. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2  2. Alternative FGO wegen Divergenz liegen ebenfalls nicht vor.
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Die Vorentscheidung weicht nicht von dem Urteil des FG Hamburg vom 27. September 1977 V 18/77 (Entscheidungen der Finanzgerichte 1978, 25, 26) ab. Denn diese Entscheidung ist nicht zu einem vergleichbaren Sachverhalt ergangen. Anders als im Streitfall hatte die Erbin eine bereits vor dem Eintritt des Erbfalls bestehende, in Raten zu tilgende Entschädigung für ein befristetes Betätigungsverbot ihres verstorbenen Ehemannes, des Erblassers, erworben. Auf diesen Sachverhalt hat das FG Hamburg die mit § 23 ErbStG vergleichbare Regelung des § 30 ErbStG 1959 entsprechend angewendet. Demgegenüber geht es im Streitfall um den Pflichtteilsanspruch einer die Erbschaft ausschlagenden Miterbin, bei dem nach der Geltendmachung eine ratenweise Tilgung vereinbart wurde.

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