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II. Die Revision ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger als Alleinerbe nach V zunächst dessen Praxis als inländisches Betriebsvermögen i.S. des § 13a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 4 Nr. 1 ErbStG von Todes wegen erwarb. Es hat zu Recht den Standpunkt vertreten, dass der Kläger durch die Veräußerung der Praxis des V den Tatbestand des § 13a Abs. 5 Nr. 1 Satz 1 ErbStG erfüllt hat, weshalb ihm die Vergünstigungen des § 13a Abs. 1 und Abs. 2 ErbStG nicht gewährt werden konnten. |
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1. Der Freibetrag des § 13a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ErbStG und der verminderte Wertansatz nach dessen Abs. 2 werden u.a. gewährt, wenn inländisches Betriebsvermögen i.S. des § 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG beim Erwerb von Todes wegen auf den Erwerber übergeht. Inländisches Betriebsvermögen i.S. des § 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG ist, wie sich aus dem Verweis dieser Vorschrift auf § 12 Abs. 5 ErbStG ergibt, auch das einem freien Beruf dienende Vermögen (§ 12 Abs. 5 Satz 2 ErbStG i.V.m. § 96 des Bewertungsgesetzes –BewG–). Das Betriebsvermögen bei freiberuflicher Tätigkeit i.S. des § 96 BewG i.V.m. § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) umfasst insoweit die Wirtschaftsgüter, die der Ausübung des freien Berufs dienen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 27. Mai 2009 II R 53/07, BFHE 225, 493, BStBl II 2009, 852). Das freiberuflich genutzte Betriebsvermögen des V hat diese Eigenschaft nicht durch seinen Tod verloren. Ertragsteuerlich wird beim Tod eines Freiberuflers dessen Betrieb nicht zwangsweise aufgegeben, sondern geht trotz der höchstpersönlichen Natur der Tätigkeit als freiberuflicher Betrieb auf die Erben über (vgl. BFH-Urteile vom 29. April 1993 IV R 16/92, BFHE 171, 385, BStBl II 1993, 716; vom 15. November 2006 XI R 6/06, BFH/NV 2007, 436). Das Betriebsvermögen wird nicht zwangsläufig notwendiges Privatvermögen (BFH-Urteile vom 12. März 1992 IV R 29/91, BFHE 168, 405, BStBl II 1993, 36, und in BFH/NV 2007, 436); denn die mit dem Tod des Freiberuflers verbundene Betriebseinstellung ist noch keine Betriebsaufgabe (BFH-Urteil in BFH/NV 2007, 436). Diese Beurteilung ist auch für die Betriebsvermögenseigenschaft i.S. des § 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG maßgebend. Der Fortbestand der Qualität als Betriebsvermögen hängt bei dessen Erwerb von einem Freiberufler nicht tätigkeitsbezogen davon ab, dass der Erbe auch die freiberufliche Tätigkeit des Erblassers fortsetzt. § 13a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 4 Nr. 1 ErbStG stellt wegen der Anknüpfung an den Erwerb von Betriebsvermögen vielmehr allein betriebsbezogen auf die Aufrechterhaltung und Weiterführung des Betriebs des Erblassers ab (BFH-Urteil in BFHE 225, 493, BStBl II 2009, 852). |
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2. Nach § 13a Abs. 5 Nr. 1 Satz 1 ErbStG fallen der Freibetrag oder Freibetragsanteil nach Abs. 1 der Vorschrift und der verminderte Wertansatz nach deren Abs. 2 mit Wirkung für die Vergangenheit weg, soweit der Erwerber innerhalb von fünf Jahren nach dem Erwerb u.a. einen Gewerbebetrieb oder einen Teilbetrieb oder einen Anteil an einer Gesellschaft i.S. des § 18 Abs. 4 EStG veräußert. Der Gesetzeswortlaut des § 13a Abs. 5 Nr. 1 ErbStG erfasst zwar die freiberufliche Einzelpraxis nicht. Da § 13a Abs. 5 Nr. 1 ErbStG aber erkennbar an § 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG anknüpft, ist dem Gesetzgeber bei der Abfassung des Abs. 5 Nr. 1 offensichtlich ein Redaktionsversehen unterlaufen (vgl. Urteil des FG Hamburg vom 4. September 2007 3 K 91/06, EFG 2008, 700). Das Gesetz kann schon aus systematischen Gründen nicht in dem Sinne verstanden werden, dass die Veräußerung einer freiberuflichen Einzelpraxis vom Anwendungsbereich des § 13a Abs. 5 Nr. 1 ErbStG ausgeschlossen wäre. Vielmehr ergibt sich aus der in § 12 Abs. 5 ErbStG i.V.m. § 96 BewG angeordneten Gleichbehandlung des freiberuflichen und gewerblichen Betriebsvermögens, dass auch freiberufliche Einzelpraxen von § 13a Abs. 5 Nr. 1 ErbStG erfasst werden (vgl. bereits BFH-Urteil in BFHE 225, 493, BStBl II 2009, 852; R 63 Abs. 1 Satz 3 der Erbschaftsteuer-Richtlinien 2003; Weinmann in Moench/Weinmann, Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz, § 13a Rz 108; Wachter in Fischer/Jüptner/Pahlke, ErbStG Kommentar, § 13a Rz 211; Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 13a Rz 221; Philipp in Viskorf/Knobel/Schuck, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Bewertungsgesetz, 3. Aufl., § 13a ErbStG Rz 73; Fumi, EFG 2009, 425 (426); offen gelassen von Söffing in Wilms/Jochum, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, § 13a Rz 136). |
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3. Anders als der Kläger meint, ist § 13a Abs. 5 Nr. 1 ErbStG nicht in Fällen, in denen die Veräußerung zwangsweise oder sogar kraft gesetzlicher Anordnung erfolgt, teleologisch zu reduzieren. Eine solche Notwendigkeit ergibt sich weder aus dem Sinn und Zweck des § 13a ErbStG noch unter dem Gesichtspunkt einer verfassungskonformen Auslegung (ebenso im Ergebnis Jülicher, a.a.O., § 13a Rz 166; Wachter, a.a.O.; Fumi, a.a.O.). |
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a) § 13a Abs. 5 Nr. 1 ErbStG stellt seinem Wortlaut nach alleine auf die Veräußerung des entsprechenden Betriebsvermögens ab; die Norm enthält danach keinen Anhalt, dass zwangsweise veranlasste Betriebsvermögensveräußerungen von ihrem Anwendungsbereich ausgenommen sein könnten. |
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b) Nichts anderes ergibt sich aus dem Sinn und Zweck des § 13a ErbStG. |
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aa) Der Gesetzgeber hat sich bei der Schaffung des § 13a ErbStG von den Vorgaben leiten lassen, welche das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) bereits in seinem Beschluss vom 22. Juni 1995 2 BvR 552/91 (BVerfGE 93, 165) zur Erbschaftsteuer aufgestellt hat. Danach sei –so das BVerfG– der Gesetzgeber verpflichtet, bei der Erbschaftsteuer für Betriebsvermögen die durch Gemeinwohlbindungen und -verpflichtungen verminderte finanzielle Leistungsfähigkeit der Betriebe zu berücksichtigen und die Belastung so zu bemessen, dass die Fortführung des Betriebs steuerlich nicht gefährdet werde. Diesen Vorgaben ist der Gesetzgeber nachgekommen, indem er sich in § 13a ErbStG grundsätzlich für die Gewährung von Steuervergünstigungen entschieden hat, wenn und soweit der Betrieb in seinem Bestand fortgeführt wird (vgl. BFH-Urteil vom 11. November 2009 II R 63/08, BStBl II 2009, 305, BFH/NV 2010, 539). Danach ist nur solches Betriebsvermögen begünstigt, das diese Eigenschaft durchgehend sowohl beim bisherigen Rechtsträger als auch beim neuen Rechtsträger (Erwerber) aufweist (BFH-Urteile vom 14. Februar 2007 II R 69/05, BFHE 215, 533, BStBl II 2007, 443; vom 10. Dezember 2008 II R 34/07, BFHE 224, 144, BStBl II 2009, 312; in BFHE 225, 493, BStBl II 2009, 852). |
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bb) Mit diesen Vorgaben wäre es unvereinbar, wenn statt auf die Fortführung des Betriebs durch den Erwerber auf die Motive bei der Veräußerung abgestellt würde. Denn durch § 13a ErbStG soll nur erreicht werden, dass eine Betriebsfortführung durch den Erwerber nicht aus Gründen der Erbschaftsteuerbelastung scheitert. Der BFH hat im Übrigen bereits in seinem Urteil vom 21. März 2007 II R 19/06 (BFH/NV 2007, 1321) für den Fall der zwangsweisen Auflösung einer GmbH durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen entschieden, dass der Anwendungsbereich des § 13a Abs. 5 Nr. 4 Satz 2 Alternative 1 ErbStG nicht durch teleologische Reduktion auf Fälle zu beschränken ist, in denen die Auflösung der Kapitalgesellschaft freiwillig erfolgt, und ferner im Urteil vom 16. Februar 2005 II R 39/03 (BFHE 209, 143, BStBl II 2005, 571) zu § 13 Abs. 2a Satz 3 ErbStG a.F. ausgeführt, dass der Wegfall der Steuerbefreiung unabhängig davon eintritt, aus welchen Gründen das begünstigt erworbene Betriebsvermögen veräußert oder der Betrieb aufgegeben wurde. Dies hat der BFH zuletzt auch in seinem Urteil in BStBl II 2009, 305, BFH/NV 2010, 539 für § 13a Abs. 5 Nr. 3 ErbStG bestätigt und betont, dass die Norm nicht auf die Gründe abstellt, die zu einer Entnahme geführt haben. Es ist nicht erkennbar, warum für § 13a Abs. 5 Nr. 1 ErbStG angesichts seines alleine auf die Veräußerung abstellenden Wortlauts etwas anderes gelten sollte. |
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c) In der nicht auf die Gründe für die Betriebsveräußerung abstellenden Ausgestaltung des § 13a Abs. 5 ErbStG liegt auch keine verfassungsrechtlich unzulässige Typisierung, die zu einer einengenden verfassungskonformen Auslegung Anlass geben könnte (vgl. BFH-Urteil in BFHE 209, 143, BStBl II 2005, 571). |
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