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II. Die Revision des FA ist aus verfahrensrechtlichen Gründen begründet und hat auch in der Sache selbst Erfolg. |
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1. Die Revision führt gemäß § 127 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung der Vorentscheidung, soweit sie die Erbschaftsteuerbescheide vom 27. Dezember 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 18. Juni 2007 betrifft, weil sich während des Revisionsverfahrens der Verfahrensgegenstand, über dessen Rechtmäßigkeit das FG zu entscheiden hatte, geändert hat. An die Stelle der ursprünglichen Erbschaftsteuerbescheide, über die das FG entschieden hat, sind während des Revisionsverfahrens die Änderungsbescheide vom 26. bzw. 27. April 2010 getreten, die nach § 121 Satz 1 i.V.m. § 68 Satz 1 FGO Gegenstand des Verfahrens geworden sind. Das angefochtene Urteil ist daher gegenstandslos und aufzuheben (BFH-Urteile vom 17. Januar 2008 VI R 44/07, BFHE 220, 269; vom 12. Februar 2009 V R 61/06, BFHE 224, 467, BStBl II 2009, 828, und vom 30. Juni 2010 II R 60/08, BFHE 230, 78, BStBl II 2010, 897). Da sich aufgrund der Änderungsbescheide an den zwischen den Beteiligten streitigen Punkten nichts geändert hat, bedarf es keiner Zurückverweisung nach § 127 FGO. Die vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen bilden nach wie vor die Grundlage für die Entscheidung des BFH; sie fallen durch die Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils nicht weg, weil das finanzgerichtliche Verfahren nicht an einem Verfahrensmangel leidet (BFH-Urteile vom 15. März 2007 II R 5/04, BFHE 215, 540, BStBl II 2007, 472, und in BFHE 230, 78, BStBl II 2010, 897). |
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2. Die Sache ist spruchreif. Die Klage gegen die Erbschaftsteuerbescheide vom 26. und 27. April 2010 ist unbegründet. Mit diesen Bescheiden wurde dem Begehren der Klägerinnen teilweise gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO stattgegeben. Eine Aufhebung der Bescheide oder weitere Herabsetzung der Steuer ist nicht geboten. Die Erbschaftsteuerbescheide vom 27. Dezember 2005 waren wirksam und lediglich hinsichtlich der Höhe der festgesetzten Steuern rechtswidrig. |
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a) Der wirksamen Zustellung der Erbschaftsteuerbescheide vom 27. Dezember 2005 an Steuerberater B als Bevollmächtigten der Klägerinnen gemäß § 122 Abs. 5 Satz 2 AO i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 2 VwZG stand nicht entgegen, dass die zwischen den Steuerberatern B und D bestehende Sozietät in der Rechtsform einer GbR inzwischen aufgelöst worden war. Diese Auflösung hatte nicht zum Erlöschen der erteilten Vollmachten vom 7. Februar 2001 geführt. |
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aa) Sind die Vollmachten ihrem Wortlaut entsprechend so zu verstehen, dass sie den Steuerberatern B und D als mehreren Bevollmächtigten erteilt worden waren, so genügte in entsprechender Anwendung des § 84 der Zivilprozessordnung die Zustellung an einen von ihnen (vgl. Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 31. Juli 1998 9 B 776/98, Neue Juristische Wochenschrift –NJW– 1998, 3582, m.w.N.). Die Auflösung der Sozietät spielt keine Rolle. |
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bb) Sind die Vollmachten hingegen so auszulegen, dass die zwischen den Steuerberatern B und D bestehende Sozietät als solche bevollmächtigt war (zur Zulässigkeit der Bevollmächtigung einer Sozietät in der Rechtsform einer GbR vgl. Beschluss des Bundesgerichtshofs –BGH– vom 17. September 2008 IV ZR 343/07, NJW 2009, 440, unter Hinweis auf das BGH-Urteil vom 29. Januar 2001 II ZR 331/00, BGHZ 146, 341), steht die Auflösung der Sozietät der Wirksamkeit der Zustellung der Steuerbescheide ebenfalls nicht entgegen. |
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Wird eine Sozietät von Rechtsanwälten oder Steuerberatern in der Rechtsform einer GbR, der eine Verfahrens- oder Prozessvollmacht erteilt worden war, aufgelöst, führt dies nicht zu einem Erlöschen der Vollmacht. Durch die Auflösung einer GbR tritt abgesehen von dem möglichen Wechsel in der Geschäftsführung (§ 730 Abs. 2 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) im Verhältnis zu den Geschäftspartnern der GbR zunächst keine Änderung ein (Urteil des Oberlandesgerichts Hamm vom 24. Juni 1998 8 U 258/97, Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht –NZG– 1999, 67); die Identität der Gesellschaft bleibt auch in der Liquidationsphase bestehen. Die Abwicklungsgesellschaft hat die bereits bestehenden Mandate fortzuführen, bis mit Zustimmung des jeweiligen Mandanten eine anderweitige Regelung (Vertragsübernahme durch einen der bisherigen Sozien) getroffen oder das Mandatsverhältnis beendet wird (Bormann in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, Kommentar, § 59a BRAO/§ 32 BORA Rz 164; Henssler in Henssler/Prütting, Bundesrechtsanwaltsordnung, 3. Aufl., § 32 BORA Rz 6 f.; Römermann, NZG 1999, 68). |
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Die Auflösung der zwischen den Steuerberatern B und D bestehenden Sozietät hatte somit auch dann, wenn die Sozietät als solche bevollmächtigt gewesen sein sollte, nicht zur Folge, dass die von den Klägerinnen erteilten Vollmachten erloschen sind. Die Sozietät hat vielmehr insoweit im Außenverhältnis fortbestanden. Jeder der beiden Steuerberater war berechtigt, mit Wirkung für die Abwicklungsgesellschaft und somit für die Klägerinnen Zustellungen entgegenzunehmen (Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., § 84 Rz 1). |
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cc) War die Sozietät beim Erlass der Erbschaftsteuerbescheide vom 27. Dezember 2005 nicht nur aufgelöst, sondern bereits vollbeendet, wie die Klägerinnen im Revisionsverfahren vorgetragen haben, das FG aber nicht festgestellt hat, so ändert dies nichts an der Wirksamkeit der Bekanntgabe der Bescheide. Diese Bescheide waren nicht an die Sozietät B und D, sondern an „StB. B und D“, in einem Fall mit dem vorangestellten Zusatz „Herrn“, adressiert. Wie bereits ausgeführt, genügte die Bekanntgabe an Steuerberater B als einen dieser Steuerberater den gesetzlichen Anforderungen (oben II.2.a aa), zumal dieser das Erbschaftsteuermandat der Klägerinnen übernommen hatte, wie sich aus dem Schreiben vom 6. Januar 2006 an das FA und den Ausführungen der Klägerinnen im Revisionsverfahren ergibt. |
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b) Die Vollmachten sind auch nicht durch Zeitablauf erloschen. Sie waren nicht befristet, sondern galten nach ihrem Wortlaut „bis auf den Widerruf“. Ihnen lässt sich nicht entnehmen, dass sie lediglich für Erbschaftsteuerbescheide gelten sollten, die alsbald nach Abgabe der Erbschaftsteuererklärung ergehen. Sie sollten vielmehr auch für Rechtsbehelfe und Rechtsmittel und somit langfristig gelten. Dass die Klägerinnen die Vollmachten widerrufen hätten, hat das FG nicht festgestellt und bringen die Klägerinnen auch nicht vor. Ein Widerruf der Vollmachten wäre zudem dem FA gegenüber gemäß § 80 Abs. 1 Satz 4 AO erst mit Zugang bei diesem wirksam geworden. Im Schreiben vom 23. September 2004 kann kein Widerruf der Vollmachten durch die Klägerinnen gesehen werden. Aus dem Schreiben ging vielmehr hervor, dass jedenfalls Steuerberater B weiterhin für die Klägerinnen als Bevollmächtigter handeln wollte und sollte. Zudem ergibt sich das Fortbestehen der Bevollmächtigung von Steuerberater B aus dessen Schreiben vom 6. Januar 2006 an das FA und den Ausführungen der Klägerinnen im Revisionsverfahren zur im Jahr 2002 erfolgten Übernahme ihres Erbschaftsteuermandats durch Steuerberater B. |
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c) Ebenfalls ohne Bedeutung ist, dass die Erbschaftsteuerbescheide nicht unter der Steuernummer ergangen sind, die auf den Vollmachten angegeben war. Die Vollmachten stellen verfahrensrechtliche Willenserklärungen dar, deren Inhalt durch Auslegung unter Beachtung des „Empfängerhorizonts“ zu ermitteln ist (BFH-Urteil vom 19. Oktober 1994 II R 131/91, BFH/NV 1995, 475). Diese Auslegung ergibt, dass die Steuerberater B und D hinsichtlich der Festsetzung von Erbschaftsteuer gegen die Klägerinnen in Bezug auf den Nachlass ihres Vaters bevollmächtigt wurden, und zwar auch zur Empfangnahme der zu erwartenden Erbschaftsteuerbescheide. Eine Auslegung der Vollmachten dahingehend, dass sie nur für den Fall gelten sollten, dass die Steuerbescheide unter der in den Vollmachten angegebenen Steuernummer ergehen, scheidet aus. Eine solche Auslegung wäre mit Sinn und Zweck der Vollmachten nicht vereinbar. Es entsprach vielmehr den berechtigten Interessen der Klägerinnen an einer sachgerechten Beratung und Vertretung, dass die Vollmachten für das Erbschaftsteuerverfahren gelten sollten, und zwar auch für den Fall, dass, wie zu erwarten war, die Steuerbescheide nicht unter der zunächst vergebenen einheitlichen Steuer-Ermittlungsnummer, sondern unter Angabe von eigenen Steuernummern für jede der Klägerinnen ergehen würden. Die unter Angabe von eigenen Steuernummern für jede der Klägerinnen erfolgte Bekanntgabe der ursprünglichen Erbschaftsteuerbescheide an die Steuerberater B und D war demgemäß auch nicht beanstandet worden. |
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d) Die Bescheide vom 27. Dezember 2005 sind auch nicht deshalb unwirksam oder rechtswidrig, weil auf den Bescheidumschlägen das FA nicht namentlich bezeichnet war. Die Zustellung ist vielmehr am 29. Dezember 2005 gemäß § 11 Abs. 3 VwZG durch Übergabe an die Angestellte von Steuerberater B wirksam erfolgt. |
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aa) Bei der Zustellung durch die Post mit Zustellungsurkunde ist nach § 3 Abs. 1 Satz 2 VwZG die Sendung mit der Anschrift des Empfängers und mit der Bezeichnung der absendenden Dienststelle, einer Geschäftsnummer und einem Vordruck für die Zustellungsurkunde zu versehen. Für den Nachweis einer wirksamen Zustellung ist dabei neben der Anschrift des Empfängers in erster Linie die Angabe der Geschäftsnummer entscheidend. Da eine Postzustellungsurkunde nicht die Übergabe des –in einem verschlossenen Umschlag beförderten– Schriftstücks selbst, sondern nur die Übergabe einer mit einer Geschäftsnummer bezeichneten Sendung bezeugt, stellt die Angabe der Geschäftsnummer auf der Sendung und auf der Postzustellungsurkunde die einzige urkundliche Beziehung zwischen dieser und dem zuzustellenden Schriftstück her. Um die Nämlichkeit und den unveränderten Inhalt der Postsendung zu gewährleisten, muss die Geschäftsnummer infolgedessen die Identifizierung der zugestellten Sendung ermöglichen (BFH-Urteil vom 13. Oktober 2005 IV R 44/03, BFHE 211, 9, BStBl II 2006, 214, m.w.N.). |
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Ermöglicht die Geschäftsnummer die Identifizierung der zugestellten Sendung, ist die namentliche Bezeichnung der absendenden Dienststelle entbehrlich. Für die nach § 3 Abs. 1 Satz 2 VwZG erforderliche Bezeichnung der absendenden Dienststelle reicht es dann vielmehr aus, wenn diese Dienststelle aufgrund der auf dem Bescheidumschlag und gegebenenfalls in einem Sichtfenster des Umschlags gemachten Angaben eindeutig identifiziert werden kann. Der Zweck der Zustellungsvorschriften wird auch in einem solchen Fall erreicht. Diese sind nicht Selbstzweck, sondern dienen dazu, die Tatsache des Zugangs eines Schriftstücks und dessen Zeitpunkt sicher nachweisen zu können und dem Adressaten der Zustellung eine zuverlässige Kenntnis von dem zuzustellenden Schriftstück zu vermitteln (BFH-Urteil vom 25. Januar 1994 VIII R 45/92, BFHE 173, 213, BStBl II 1994, 603; BGH-Urteil vom 21. März 2001 VIII ZR 244/00, NJW 2001, 1946, unter II.2.b bb). Um dieses Ziel zu erreichen, genügt es, wenn die zugestellte Sendung identifiziert werden kann und die absendende Dienststelle zwar nicht namentlich genannt wird, sich aber aus den auf der Sendung gemachten Angaben eindeutig ersehen lässt. |
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bb) So verhält es sich im Streitfall. Die auf den Bescheidumschlägen angegebenen Geschäftsnummern bezeichneten die darin enthaltenen Bescheide anhand der Steuernummern sowie der Art und des Datums der Bescheide klar und eindeutig. Die absendende Dienststelle ergab sich aus den ersten drei Ziffern der Steuernummern, die der Kennnummer des FA entsprachen, und war aufgrund der zusätzlichen Absenderangaben (Finanzverwaltung NRW, Postfach und Postleitzahl) problemlos identifizierbar. |
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e) Die Rücksendung der Bescheide an das FA führte nicht dazu, dass die bereits wirksam gewordene Zustellung wieder unwirksam wurde. Wurde ein Steuerbescheid wirksam bekannt gegeben, kann der Empfänger die Bekanntgabe nicht nachträglich ungeschehen machen (vgl. Schwarz in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 7 VwZG Rz 10). |
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3. Die Kostenentscheidung beruht für die Kosten des finanzgerichtlichen Verfahrens und für die bis zum Erlass der Änderungsbescheide vom 26. und 27. April 2010 angefallenen Kosten des Revisionsverfahrens auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO und für die übrigen Kosten des Revisionsverfahrens auf § 135 Abs. 1 FGO. Trotz erheblicher Verschiedenheit der Beteiligung der Klägerinnen am Streitwert bedarf es keiner Kostenentscheidung nach § 135 Abs. 5 Satz 2 FGO. Die Klägerinnen haften zwar gesamtschuldnerisch für die auf sie entfallenden Gerichtskosten (§ 32 Abs. 1 Satz 1 des Gerichtskostengesetzes –GKG–). Da die Klägerinnen nur durch Teile des Streitgegenstandes betroffen sind, nämlich durch die jeweils gegen sie ergangenen Steuerbescheide, beschränkt sich aber die gesamtschuldnerische Haftung nach § 32 Abs. 1 Satz 2 GKG für die einzelnen Klägerinnen jeweils auf den Betrag, der entstanden wäre, wenn die Klageverfahren nicht verbunden worden wären, ohne dass dies in der Entscheidungsformel ausgesprochen werden muss. Die bis zur Verbindung angefallenen Gerichtsgebühren sind getrennt nach den Streitwerten der bis dahin anhängigen einzelnen Verfahren zu bemessen (BFH-Beschlüsse vom 8. August 1968 V B 29-32/68, BFHE 93, 266, BStBl II 1968, 778, und vom 26. Mai 2000 XI E 1/00, BFH/NV 2001, 43). |
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