BFH-Urteil vom 29.6.2005 (II R 7/01)
Im Rahmen der Ermittlung des steuerfreien (fiktiven) Zugewinnausgleichs ist der Nachlass i.S. des § 5 Abs. 1 Satz 5 ErbStG 1974 nicht um die Beträge zu erhöhen, die gemäß § 1375 Abs. 2 Nr. 1 BGB infolge unentgeltlicher Zuwendungen bei der Ermittlung der Zugewinnausgleichsforderung dem Endvermögen des Erblassers hinzuzurechnen sind.
I.
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist Vermächtnisnehmerin nach ihrem Ehemann (Erblasser), der am 13. August 1995 verstorben ist. Der Steuerwert des Vermächtnisses beträgt 3.363.918 DM. Die Eheleute lebten im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Der Erblasser hatte umfangreiche unentgeltliche Zuwendungen i.S. des § 1375 Abs. 2 Nr. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) gemacht.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt – FA -) setzte mit Bescheid vom 27. März 1997 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 1. Dezember 1997 gegen die Klägerin Erbschaftsteuer in Höhe von 110.850 DM fest. Das FA ging hierbei von folgenden, zwischen den Beteiligten unstreitigen Werten aus:
– | Steuerwert des in den Nachlass fallenden End- | |
vermögens, zugleich Zugewinn des Erblassers | 4.766.103 DM | |
– | Verkehrswert dieses Endvermögens | 5.515.865 DM |
– | Verkehrswert des Zugewinns der Klägerin | 3.605.034 DM |
– | Verkehrswert der dem Endvermögen des Erb- | |
lassers nach § 1375 Abs. 2 BGB hinzuzurech- | ||
nenden Zuwendungen an Dritte | 6.051.000 DM | |
– | Steuerwert dieser Zuwendungen | 1.312.759 DM |
– | fiktive Zugewinnausgleichsforderung | 3.980.916 DM |
Den gemäß § 5 Abs. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (ErbStG 1974) nicht als Erwerb von Todes wegen geltenden Teil der (fiktiven) Zugewinnausgleichsforderung (2.092.135 DM) ermittelte das FA dadurch, dass es die Zugewinnausgleichsforderung (3.980.916 DM) im Verhältnis von Steuerwert und Verkehrswert des Nachlasses aufteilte. Den Wert des Nachlasses erhöhte das FA hierbei um die nach § 1375 Abs. 2 BGB dem Endvermögen hinzuzurechnenden Zuwendungen an Dritte, so dass der Steuerwert 6.078.862 DM (4.766.103 DM plus 1.312.759 DM) und der Verkehrswert 11.566.865 DM (5.515.865 DM plus 6.051.865 DM) betrug. Hiernach ergab sich ein positiver Erwerb (3.363.918 DM minus 2.092.135 DM, also 1.271.783 DM).
Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren eingelegte Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) ging in seiner in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2001, 450 abgedruckten Entscheidung davon aus, dass das FA zwar zutreffend – entgegen der von der Klägerin geltend gemachten Rechtsauffassung – die Zugewinnausgleichsforderung verhältnismäßig gekürzt habe. Doch sei der Nachlass für die Berechnung dieser Kürzung nicht um die nach § 1375 Abs. 2 BGB hinzuzurechnenden Zuwendungen an Dritte zu erhöhen. Ohne diese Hinzurechnung betrage der nicht als Erwerb von Todes wegen geltende Teil der Zugewinnausgleichsforderung 3.439.797 DM, so dass sich kein positiver Erwerb ergebe.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 5 Abs. 1 Satz 5 ErbStG 1974 und beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist unbegründet. Sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung – FGO -).
Das FG ist zutreffend sowohl davon ausgegangen, dass bei der Ermittlung des steuerfreien Abzugsbetrags nach § 5 Abs. 1 Satz 5 ErbStG 1974 die Ausgleichsforderung im Verhältnis des Steuerwerts des zum Nachlass gehörenden Endvermögens zu dessen höherem, nach zivilrechtlichen Grundsätzen ermittelten Wert zu kürzen ist, als auch davon, dass für diese Berechnung der Nachlasswert nicht um Schenkungen, die nach § 1375 Abs. 2 BGB dem Endvermögen hinzurechnen sind, zu erhöhen ist.
Erfolgt der Ausgleich nach Beendigung der Zugewinngemeinschaft durch die güterrechtliche Lösung (§ 1371 Abs. 2, §§ 1372 ff. BGB), unterliegt die Ausgleichsforderung eines Ehegatten ohnehin nicht der Erbschaftsteuer bzw. Schenkungsteuer, wie § 5 Abs. 2 ErbStG 1974 klarstellend regelt. Die Vorschrift des § 5 Abs. 1 Satz 1 ErbStG 1974 bewirkt, dass der Erwerb des überlebenden Ehegatten zu dem Anteil nicht mit Erbschaftsteuer belastet wird, der ihm bei einer gedachten güterrechtlichen Lösung als Ausgleichsforderung zugestanden hätte. Die Regelung des § 5 Abs. 1 Satz 5 ErbStG 1974 mindert die Begünstigung und gleicht die nach bürgerlichem Recht berechnete fiktive Ausgleichsforderung dem Steuerwertniveau des Nachlasses an (BFH-Urteil vom 10. März 1993 II R 87/91, BFHE 171, 321, BStBl II 1993, 510).
Nach § 5 Abs. 1 Satz 5 ErbStG 1974 ist die (fiktive) Ausgleichsforderung in einen steuerfreien und einen steuerpflichtigen Teil verhältnismäßig aufzuteilen. Den Maßstab der Aufteilung hat der Gesetzgeber dergestalt festgelegt, dass das Verhältnis von Steuerwert und zivilrechtlich bestimmtem Wert des Nachlasses maßgeblich ist. Die vom FA vertretene Rechtsauffassung knüpft demgegenüber im Ergebnis nicht an den Begriff des Nachlasses an, sondern an den des Endvermögens als rechnerische Bezugsgröße (vgl. Abschn. 11 Abs. 5 Satz 4 der Erbschaftsteuer-Richtlinien 2003).
Eine solche Auslegung entspricht nicht dem Wortlaut des Gesetzes. Auch die Gesetzesmaterialien (vgl. BTDrucks VI/3418, S. 62 ff.) geben keinen Anhaltspunkt für einen derartigen gesetzgeberischen Willen. Eine Äußerung in den Gesetzgebungsmaterialien hätte aber nahe gelegen, wenn der Gesetzgeber den Begriff des Nachlasses abweichend vom Inbegriff des gesamten auf den oder die Erben im Wege der Gesamtrechtsnachfolge übergehenden Vermögens (BFH-Beschluss in BFH/NV 1997, 29) im Sinne des (rechnerischen) Endvermögens hätte verstehen wollen.
Eine Auslegung, die verhältnismäßige Aufteilung der (fiktiven) Zugewinnausgleichsforderung habe nach dem Verhältnis der Werte des Endvermögens zu erfolgen, ergibt sich, soweit Zuwendungen nach § 1375 Abs. 2 BGB hinzuzurechnen sind, auch nicht aus dem Regelungszusammenhang oder dem Sinn und Zweck der Vorschrift. Die Feststellung, die Wertunterschiede zwischen Steuerwert und zivilrechtlich ermitteltem Wert von unentgeltlichen Zuwendungen blieben unberücksichtigt und machten dementsprechend eine teleologisch extensive Auslegung erforderlich (vgl. Raudszus, Die Berücksichtigung unentgeltlicher Zuwendungen des Erblassers bei der Umrechnung der erbschaftsteuerfreien Ausgleichsforderung auf den Steuerwert, § 5 Abs. 1 Satz 2 ErbStG 1974, Deutsches Steuerrecht 1987, 323), trifft in dieser Form nicht zu. Denn die Wertunterschiede bleiben nicht unberücksichtigt, sondern werden im Verhältnis der unterschiedlichen Werte des Nachlasses berücksichtigt.
Der Anknüpfung an den Nachlass liegt vielmehr zu Grunde, dass der Nachlass regelmäßig dem Endvermögen entspricht (vgl. BFH-Urteil in BFHE 171, 321, BStBl II 1993, 510). Wenn dabei Gegenstände des Endvermögens, die nicht zum Nachlass gehören, ebenfalls im Verhältnis des Nachlasses aufgeteilt werden, so liegt das im Rahmen einer zulässigen gesetzlichen Typisierung.
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