BFH IV R 239/84
Tatbestand
Der im Jahr 1931 geborene Kläger und Revisionskläger (Kläger) betreibt in A einen landwirtschaftlichen Betrieb. Er ermittelte im Streitjahr 1981 seinen Gewinn nach Durchschnittsätzen. Der Betrieb ist in die Höferolle eingetragen.
Mit notariellem Vertrag vom Juni 1982 übertrug der Kläger bisher landwirtschaftlich genutzte Grundstücke mit insgesamt … qm ohne Gegenleistung auf seine Töchter. Dabei ordnete er an, daß sie sich den Wert des übertragenen Grundbesitzes auf ihre künftigen Erb- und Pflichtteilsansprüche anrechnen lassen müssen. Der Sohn des Klägers soll später den Hof übernehmen. Die noch im Juni 1982 übergebenen Grundstücke liegen im Gebiet eines aufzustellenden Bebauungsplanes.
Für das Wirtschaftsjahr 1981/82 ermittelte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) aus der Grundstücksübereignung einen der Höhe nach unstreitigen Entnahmegewinn von … DM, den er als Zuschlag zum Durchschnittsatzgewinn je zur Hälfte den Kalenderjahren 1981 und 1982 zurechnete. Die Gewährung eines Freibetrags nach § 14a Abs.4 Satz 2 Nr.1 Buchst.b des Einkommensteuergesetzes 1979 (EStG) lehnte das FA bei der Einkommensteuerveranlagung für 1981 ab, weil die Grundstücke nicht im zeitlichen Zusammenhang mit einer Betriebsübergabe und deshalb nicht im Wege der vorweggenommenen Erbfolge zur Abfindung weichender Erben übereignet worden seien. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es vertrat die Auffassung, unter einer Grundstücksübereignung „im Weg der vorweggenommenen Erbfolge“ sei eine im Zusammenhang mit einer lebzeitigen Übergabe des Betriebs stattfindende Eigentumsübertragung auf Abkömmlinge des Betriebsinhabers oder sonstige im Todesfall Berechtigte zu sehen, die zum Zwecke der vollständigen oder teilweisen Abfindung dieser Personen vorgenommen werde. Diese Begriffsbestimmung ergebe sich aus den Höfeordnungen (HöfeO), die zwischen einem Übergabevertrag im Wege der vorweggenommenen (Hof-)Erbfolge einerseits und dem Vermögensübergang durch Erbfall andererseits unterschieden. Auch die Gesetzesbegründung zu § 14a Abs.4 EStG spreche für dieses Ergebnis.
Im Streitfall fehle es an einem zeitlichen Zusammenhang. Der 52 Jahre alte Kläger sei unverändert Hofbauer. Es lasse sich auch nicht absehen, wann der Sohn des Klägers den Hof übernehmen werde.
Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung von § 14a Abs.4 Nr.1 Buchst.b EStG. Seiner Ansicht nach genügt für die Anwendung der Vorschrift ein sachlicher Bezug zwischen der Grundstücksübertragung und der späteren Hofübergabe. Ein zeitlicher Zusammenhang sei nach herrschender Kommentarmeinung nicht erforderlich.
Er beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und in Änderung der angefochtenen Entscheidungen des FA bei der Ermittlung des Gewinns für das Wirtschaftsjahr 1981/82 den Freibetrag von 60 000 DM zu berücksichtigen und die Einkommensteuer 1981 entsprechend niedriger festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Der Kläger kann den Freibetrag nach § 14a Abs.4 EStG für die Grundstücksentnahmen im Jahr 1982 beanspruchen.
Veräußert oder entnimmt ein Steuerpflichtiger nach dem 31.Dezember 1979 und vor dem 1.Januar 1986 Teile des zu einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb gehörenden Grund und Bodens, so wird der bei der Veräußerung oder der Entnahme entstehende Gewinn auf Antrag nur insoweit zur Einkommensteuer herangezogen, als er den Betrag von 60 000 DM übersteigt. Dies gilt nach § 14a Abs.4 Satz 2 EStG allerdings nur, wenn der Steuerpflichtige
Zu Unrecht setzt das FG für die Grundstücksübereignung „im Wege der vorweggenommenen Erbfolge“ (§ 14a Abs.4 Nr.1 Buchst.b EStG erste Alternative) einen zeitlichen Zusammenhang mit der Hofübergabe voraus. Die Auslegung der Vorschrift ergibt vielmehr, daß sie gerade Fälle erfassen will, in denen zwar ein sachlicher, aber kein zeitlicher Zusammenhang zur Hoferbfolge oder Hofübergabe festzustellen ist. Zu diesem Ergebnis führt der nach der Entstehungsgeschichte des Gesetzes bestehende Regelungszusammenhang zwischen der ersten und zweiten Alternative des § 14a Abs.4 Nr.1 Buchst.b EStG.
Zweifelhaft ist, welchen besonderen Zwecken die Übereignung des entnommenen Grundstücks im Wege der vorweggenommenen Erbfolge (Buchst.b erste Alternative) dienen soll, damit für diesen Vorgang ebenfalls ein Freibetrag beansprucht werden kann. Der Begriff der vorweggenommenen Erbfolge ist gesetzlich nicht festgelegt; er läßt mehrere Deutungen zu.
Dieser Auffassung folgt der Senat nicht.
Wird der Hof zu Lebzeiten seines bisherigen Inhabers übergeben, so bestehen vielfach bereits konkrete Abfindungsansprüche. Die zurücktretenden anderen Erbberechtigten gelten beispielsweise hinsichtlich ihrer Ansprüche nach der HöfeO vom 26.Juli 1976 (BGBl I 1976, 1933) als abzufindende weichende Erben, weil die Hofübergabe unter Lebenden dem Erbfall gleichgestellt wird (vgl. § 17 Abs.2 i.V.m. § 12 HöfeO; ähnlich § 20 Abs.2 HöfeO für das Land Rheinland-Pfalz –HO-RhPf– vom 18.April 1967, Gesetz- und Verordnungsblatt –GVBl– 1967, 138). Zutreffend geht daher die überwiegende Literaturmeinung davon aus, daß „zur Abfindung weichender Erben“ i.S. der zweiten Alternative des Buchst.b ein Grundstück auch dann übereignet wird, wenn es einem Erbberechtigten gleichzeitig oder im zeitlichen Zusammenhang mit der Hofübergabe unter Lebenden mit Rücksicht auf einen Ausgleichsanspruch übertragen wird (vgl. z.B. Leingärtner/Zaisch, a.a.O., Rz.1229; Märkle/Hiller, Die Einkommensteuer bei Land- und Forstwirten, 3.Aufl., Rdnr.260; Wendt, Steuerlexikon, 3, 14a, 23; im Ergebnis auch Schmidt/ Seeger, Einkommensteuergesetz, 3.Aufl., Anm.9b und 10 zu § 14a, im Wege der Analogie). Nicht anders ist auch die entsprechende Formulierung in Buchst.a der Regelung aufzufassen (vgl. z.B. Urteil des FG Bremen vom 17.September 1982 I 117/80 K, Entscheidungen der Finanzgerichte –EFG– 1983, 282; Abschn.133a Abs.7 Satz 3 der Einkommensteuer-Richtlinien –EStR– 1981). Dann ist es aber nicht möglich, die Fälle der zeitlich mit der Hofübergabe zusammenhängenden Grundstücksübereignungen als gleichzeitig von der ersten Alternative des Buchst.b erfaßt anzusehen.
Dabei verdient die Rechtsprechung der Zivilgerichte Beachtung, daß die Übertragung von Vermögensteilen „im Wege der vorweggenommenen Erbfolge“ vielfach eine vom Zuwendenden angeordnete Anrechnungspflicht auf die spätere Erbschaft beinhaltet (vgl. auch Urteil des Bundesgerichtshofs –BGH– vom 23.September 1981 IV a ZR 185/80, Neue Juristische Wochenschrift –NJW– 1982, 43; Dütz in Münchner Kommentar, Rdnr.31 zu § 2050 BGB).
– die Person des oder der künftigen Hoferben und damit auch die künftigen weichenden Erben feststehen und
– Klarheit darüber herrscht, daß sich der Übereignungsempfänger die Zuwendung auf seine Erbschaft oder seine Abfindungsansprüche bei einer Hofübergabe unter Lebenden anrechnen lassen muß.
Der Nachweis der aller Voraussicht nach eintretenden Hoferbfolge (oder -übernahme) ist durch die Vorlage von Urkunden oder dadurch zu erbringen, daß die Regelungen einer HöfeO für den land- und forstwirtschaftlichen Betrieb eine bestimmte Person als Hoferben vorschreiben (vgl. z.B. § 17 Abs.2 HO-RhPf, a.a.O.).
Daß derjenige Erbberechtigte, dem das Grundstück übereignet wird, sich das vorab Empfangene auf seine künftigen Ansprüche wegen der Hofübergabe an einen anderen anrechnen lassen muß, kann sich aus spezialgesetzlichen Normen (vgl. z.B. § 12 Abs.4 HöfeO, § 2050 Abs.1 des Bürgerlichen Gesetzbuches –BGB–), aber auch aus Anordnungen des Zuwenders ergeben (vgl. z.B. § 2050 Abs.3 BGB). Wie bereits erwähnt, ist eine solche angeordnete Anrechnungspflicht vielfach allein deswegen anzunehmen, weil die Übereignung an den Erbberechtigten von den Beteiligten als vorweggenommene Erbfolge gedacht war.
Die mit der Grundstücksüberlassung bedachten Töchter des Klägers kommen nach den Feststellungen des FG als voraussichtliche Hoferben nicht in Betracht. Denn der Hof soll von dem Sohn des Klägers übernommen werden, wie Art und Umfang seiner Beschäftigung ergeben (vgl. auch § 17 Abs.2 HO-RhPf). Die Töchter des Klägers sind daher künftige weichende Erben. Der übertragene Grund und Boden dient auch dazu, die Ausgleichspflicht des Hofübernehmers zu mindern. Denn der Kläger hat im Überlassungsvertrag angeordnet, daß eine Anrechnung auf künftige Erb- und Pflichtteilsansprüche zu erfolgen hat. Dies hat auch für die der HO-RhPf unterstellten land- und forstwirtschaftlichen Betriebe Bedeutung (vgl. § 21 Abs.1 HO-RhPf, § 2050 Abs.3 BGB).
Das von anderen rechtlichen Erwägungen ausgehende FG-Urteil ist aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die übrigen gesetzlichen Voraussetzungen der Freibetragsregelung sind erfüllt. Die Einkommensgrenze von 48 000 DM für den dem Veranlagungszeitraum der Entnahme (1982) vorangegangenen Veranlagungszeitraum (Streitjahr 1981) ist offensichtlich nicht überschritten. Der anteilige Entnahmegewinn aus dem Wirtschaftsjahr 1981/82 bleibt bei dieser Berechnung unberücksichtigt (vgl. Leingärtner/Zaisch,a.a.O., Rz.1236; Felsmann, a.a.O., D.303). Der Gesetzgeber hat dies inzwischen mit der durch Art.3 Nr.12 des Steuerbereinigungsgesetzes 1985 vom 14.Dezember 1984 (BGBl I 1984, 1493) geänderten Fassung des § 14a Abs.4 Nr.2 EStG klargestellt.
Für einen Freibetragsverbrauch nach § 14a Abs.5 EStG bestehen im Streitfall keine Anhaltspunkte.
Allerdings kann der Kläger den Freibetrag für 1981 nur zur Hälfte beanspruchen, weil sich dieser auf den gesamten begünstigten Entnahmegewinn bezieht (§ 14a Abs.4 Satz 1 EStG) und deshalb nur in Höhe von 30 000 DM auf den Veranlagungszeitraum 1981 entfällt. Dies ergibt für 1981 einen anzusetzenden steuerpflichtigen Entnahmegewinn von (… DM ./. 30 000 DM *=) … DM. Der Einkommensteuerbescheid für 1981 ist dementsprechend abzuändern. Die Berechnung der Steuer wird dem FA übertragen (Art.3 § 4 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit vom 31.März 1981, BGBl I 1978, 446).
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