BGH IV a ZR 185/80 Bereicherungsanspruch des Vertragserben bei Schenkung eines Grundstücks – Teilungsanordnung und Ausgleichungsanordnung des Erblassers

August 20, 2017

BGH IV a ZR 185/80

 

Bereicherungsanspruch des Vertragserben bei Schenkung eines Grundstücks – Teilungsanordnung und Ausgleichungsanordnung des Erblassers

  1. Wer durch bindend gewordenes gemeinschaftliches Testament seine beiden Söhne zu Erben eingesetzt hat, ist nicht gehindert, einem Sohn durch Teilungsanordnung mehr Grundstücke zukommen zu lassen, als dem Wert des Erbteils entspricht. Voraussetzung dafür ist, daß er diesem auferlegt, dem anderen Sohn einen entsprechenden Ausgleich aus dem eigenen Vermögen zukommen zu lassen.
  2. Überträgt der Erblasser einem seiner bindend zu Erben eingesetzten Söhne bei Lebzeiten mehr Grundstücke, als dem Wert des Erbteils entspricht, dann geht ein möglicher Anspruch des anderen Sohnes aus BGB § 2287 in der Regel nicht auf Herausgabe von Grundstücken oder eines Anteils daran, sondern auf Wertersatz.

 

(Ausgleichsanordnung durch vorweggenommene Erbfolge)

  1. Überträgt der Erblasser einem seiner beiden zu Schlußerben eingesetzten Söhne Teile seines Vermögens im Wege „vorweggenommener Erbfolge“, dann kann das als Ausgleichungsanordnung im Sinn von BGB § 2052, BGB § 2050 Abs 3 zu verstehen sein.

 

Tenor

Auf die Rechtsmittel des Beklagten werden das Urteil des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 21. Februar 1980 und das Teilurteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 28. Juni 1979 im Kostenausspruch und insoweit aufgehoben, wie der Beklagte zur Auflassung und zur Bewilligung der Umschreibung im Grundbuch sowie zur Zahlung verurteilt worden ist.

Die Klage wird abgewiesen, soweit der Kläger Auflassung und Umschreibungsbewilligung begehrt. Wegen des Zahlungsantrages wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens wird dem Berufungsgericht übertragen.

Tatbestand

 

Die Parteien sind Brüder. Ihre Eltern, der am 22. Mai 1976 im Alter von 72 Jahren verstorbene Vater (Erblasser) und die am 20. Juli 1965 vorverstorbene Mutter, hatten am 18. Juli 1965 ein handschriftliches gemeinschaftliches Testament errichtet; darin hatten sie sich gegenseitig zu Alleinerben und ihre beiden Söhne, die Parteien, zu Erben des Letztlebenden eingesetzt und ferner bestimmt, daß der Überlebende berechtigt sein solle, „die Verteilung unter den Söhnen zu bestimmen“.

 

Der Erblasser war Landwirt und Eigentümer landwirtschaftlicher Grundstücke, die er zunächst selbst bewirtschaftet und ab 1. Februar 1967 an den Kläger und dessen Frau verpachtet hatte. Dieses Pachtverhältnis endete nach familiären Streitigkeiten am 31. Dezember 1975. Aufgrund notariellen Vertrages vom 1. August 1975 übertrug der Erblasser den größten Teil seines Grundbesitzes auf den Beklagten und behielt sich daran den Nießbrauch vor. Als Gegenleistung übernahm der Beklagte die Verpflichtung, seinen Vater vollständig zu unterhalten, ihn in gesunden und kranken Tagen zu pflegen und ihm lebenslang eine Rente in Höhe von zunächst 250 DM monatlich zu zahlen.

 

Gemäß Vertrag vom 18. Dezember 1975 „verpachtete“ der Erblasser dem Beklagten das ihm vorbehaltene Nießbrauchsrecht ohne weitere Gegenleistungen.

 

Inzwischen hat der Beklagte eines der ihm übereigneten Grundstücke für 65.604 DM veräußert.

 

Der Kläger beansprucht von dem Beklagten noch einen Hälfteanteil an den übereigneten und noch vorhandenen Grundstücken sowie die Hälfte des Erlöses des weiterveräußerten Grundstücks, weil der Erblasser die Grundstücke dem Beklagten in der Absicht geschenkt habe, ihn, den Kläger, zu benachteiligen. Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage insoweit für begründet erachtet. Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner Revision.

Entscheidungsgründe

 

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.

 

  1. Das Berufungsgericht hält die der Klage zugrundeliegende Vorschrift des § 2287 BGB für anwendbar und deren Voraussetzungen für erfüllt. Der Erblasser habe dem Beklagten die Grundstücke im Wege der gemischten Schenkung übertragen. Bei dem Übertragungsvertrag vom 1. August 1975 stünden Leistung und Gegenleistung in einem objektiven Mißverhältnis, so daß eine gemischte Schenkung zu vermuten sei. Diese Vermutung habe der Beklagte nicht ausgeräumt. Aus den Angaben des Beklagten über den Wert der ihm übertragenen und der verbliebenen Grundstücke werde deutlich, daß es sich nicht um die dem Erblasser vorbehaltene Verteilung unter die Söhne handele. Ziehe man bei der Bewertung der beiderseitigen Leistungen auch den Vertrag vom 18. Dezember 1975 mit heran, dann habe der Beklagte Eigentum und Nutzung der Grundstücke für die in etwa gleiche Leistung (Rente und Versorgung des Erblassers) erhalten, für die der Kläger aufgrund des Pachtvertrages vom 1. Februar 1967 nur die Nutzung erhalten habe. Die Übertragung des (mit dem Nießbrauch belasteten) Eigentums sei daher als unentgeltlich anzusehen, zumal sie ausdrücklich im Wege der „vorweggenommenen Erbfolge“ erfolgt sei.

 

Diese Ausführungen sind nicht frei von Rechtsirrtum.

 

  1. a) Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß 2287 BGB auf bindend gewordene wechselbezügliche Verfügungen von Todes wegen entsprechend anzuwenden ist (z.B. BGHZ 66, 8, 15 und ständig). Mit Recht behandelt es die Einsetzung des Vaters zum Alleinerben der vorverstorbenen Mutter einerseits und die Einsetzung beider Parteien zu Erben des Vaters andererseits auch als wechselbezüglich (§ 2270 Abs. 2 BGB); die Einsetzung beider Parteien zu gleichen Teilen (§ 2091 BGB) war daher für den Erblasser seit dem Tode seiner Frau für ihn bindend (§ 2271 Abs. 2 BGB).

Die Revision, die sich hiergegen wendet, zieht nicht in Zweifel, daß die Voraussetzungen des § 2270 Abs. 2 BGB an sich erfüllt sind. Sie vermißt aber eine Prüfung durch das Berufungsgericht, ob nicht der letzte Satz des gemeinschaftlichen Testamentes („Der Überlebende soll berechtigt sein, die Verteilung unter den Söhnen zu bestimmen“) der Erbeinsetzung der Parteien – und also auch des Klägers – die Wechselbezüglichkeit nimmt (§ 286 ZPO). Diese Rüge ist indessen nicht begründet.

Das Berufungsgericht hat die genannte Klausel ausdrücklich behandelt. Seine Ausführungen lassen erkennen, daß es sie als Ermächtigung des Überlebenden zur Vornahme von Teilungsanordnungen im Sinn von § 2048 BGB ansieht und nicht als Freistellungsklausel. Eine derartige Auslegung ist rechtlich möglich, obwohl eine solche Ermächtigung nach der Gesetzeslage (§ 2270 Abs. 3 BGB) überflüssig war. Einer näheren Erörterung hierzu war das Berufungsgericht enthoben, weil schon das Landgericht diese Auffassung vertreten hatte und weil der Beklagte hiergegen im Berufungsverfahren nichts erinnert hatte.

Daß der Kläger den Schutz des § 2287 genießt, ist demnach nicht zweifelhaft. Indessen reicht der dem Kläger nach dieser Vorschrift zukommende Schutz in Fällen der vorliegenden Art erheblich weniger weit, als das Berufungsgericht annimmt.

  1. b) Nach 2286 BGB kann und darf der Erblasser, der durch Erbvertrag oder bindend gewordenes Testament auf eine bestimmte Verfügung von Todes wegen festgelegt ist, über sein Vermögen trotz der eingegangenen erbrechtlichen Bindungen durch Rechtsgeschäfte unter Lebenden grundsätzlich frei verfügen. Mißbraucht der Erblasser dieses ihm verbliebene Verfügungsrecht, indem er die berechtigte Erberwartung des Vertrags- oder Schlußerben durch nicht anzuerkennende Schenkungen schmälert, dann erlangt der Vertrags- oder Schlußerbe einen gewissen Ausgleich gemäß § 2287 BGB. Diese Vorschrift greift aber nicht ein, wenn und soweit die lebzeitige Verfügung des Erblassers außerhalb des Schutzbereichs der von ihm eingegangenen Bindungen liegt und also die berechtigte Erberwartung des Vertragserben nicht geschmälert wird.

Im vorliegenden Fall war daher zu berücksichtigen, daß der Erblasser die vom Kläger beanspruchten Grundstücke nicht an einen „Außenstehenden“ weggegeben, sondern daß er sie ausdrücklich im Wege vorweggenommener Erbfolge auf einen der beiden Schlußerben übertragen hat.

Der Erblasser war berechtigt, sein Vermögen unter die Parteien zu verteilen; das gemeinschaftliche Testament ermächtigte ihn dazu sogar ausdrücklich. Er durfte das im Wege testamentarischer Teilungsanordnungen oder auch bei Lebzeiten im Wege vorweggenommener Erbfolge tun. Hätte der Erblasser die Hälfte seines Vermögens bei Lebzeiten auf den Beklagten übertragen und den Kläger wegen der anderen Hälfte auf den Nachlaß verwiesen, bei der Zuwendung aber zugleich durch Ausgleichungsanordnung (§§ 2052, 2050 Abs. 3 BGB) sichergestellt, daß der letztere insoweit nicht zu kurz kommt, dann hätte auch darin kein Verstoß gegen die erbrechtlichen Bindungen des Erblassers gelegen. Im vorliegenden Fall ist eine derartige Sicherstellung mit Hilfe der Wendung „im Wege der vorweggenommenen Erbfolge“, die hier als Ausgleichungsanordnung zu verstehen ist, erfolgt. Unter diesen Umständen kommt für § 2287 BGB von vorneherein nur der Mehrbetrag in Betracht, um den der Wert der dem Beklagten übereigneten Grundstücke (berechnet nach den Wertverhältnissen zur Zeit der Zuwendung unter Berücksichtigung des Kaufkraftschwundes, vgl. BGHZ 65, 75, 77) den ihm zukommenden Anteil am Vermögen des Erblassers und also den für den Kläger verbleibenden Nachlaß übersteigt. Nur diesem Mehrbetrag sind die Gegenleistungen des Beklagten, also die Rente und die Versorgung, gegenüberzustellen. Ob und ggfs. welcher Betrag dabei als auszugleichende Schenkung im Sinn von § 2287 BGB noch übrig bleibt, bedarf weiterer Prüfung durch den Tatrichter.

 

  1. Bereits jetzt läßt sich indessen übersehen, daß der Kläger keinen Anspruch auf einen Miteigentumsanteil an den dem Beklagten übereigneten Grundstücken hat.

Das Berufungsgericht billigt dem Kläger einen Anspruch auf Miteigentum zu, weil der unentgeltliche Charakter des Geschäfts überwiege. Damit befindet es sich im rechtlichen Ausgangspunkt in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGHZ 30, 120, 122; 77, 264, 272), von der abzugehen kein Grund besteht. Dennoch dürfen die dort entwickelten Grundsätze nicht unbesehen hierher übertragen werden. Sie bedürfen für Fälle der vorliegenden Art vielmehr einer gewissen Modifizierung.

Das Berufungsgericht hat hier nicht berücksichtigt, daß der Erblasser das Recht hatte, dem Beklagten bestimmte Grundstücke durch Teilungsanordnung (§ 2048 Satz 1 BGB) zuzuweisen. Infolge der eingetretenen erbrechtlichen Bindungen konnte der Erblasser dadurch allerdings keine Verschiebung der den Parteien zukommenden Erbquoten von je + erreichen. Trotzdem war der Erblasser nicht gehindert, dem Beklagten ggfs. auch mehr Grundstücke zukommen zu lassen, als dem Wert seines Erbteils entsprach; Voraussetzung dafür war lediglich, daß er dem Beklagten gleichzeitig auferlegte, dem Kläger einen entsprechenden Ausgleich – etwa in Form von Geldzahlungen – zukommen zu lassen. Mit solchen Zahlungen aus dem Vermögen des Beklagten hätte der Kläger sich ggfs. begnügen müssen.

Nun ist der Erblasser diesen Weg allerdings nicht gegangen. Er hat sich nicht mit einer entsprechenden Teilungsanordnung begnügt, sondern hat sein Vermögen schon zu Lebzeiten „geteilt“ und hat dem Beklagten daraus zahlreiche Grundstücke zukommen lassen. Hierdurch ist nicht nur die Erbfolge, sondern auch die Auseinandersetzung unter den Miterben bereits teilweise vorweggenommen. Die Rechtsstellung des Beklagten ist wegen dieser Vorwegnahme aber keinesfalls schwächer, als wenn der Erblasser sich auf eine entsprechende Teilungsanordnung beschränkt hätte. § 2287 BGB bietet daher keine ausreichende Grundlage, dem Beklagten die Grundstücke gegen seinen Willen wieder zu entziehen. Unter diesen Umständen muß die Klage insoweit abgewiesen werden.

  1. Soweit der Kläger im Hinblick auf die Weiterveräußerung eines der ihm übereigneten Grundstücke Zahlung verlangt, ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Das Berufungsgericht billigt dem Kläger den eingeklagten Zahlungsanspruch zu, weil es den Beklagten in Übereinstimmung mit dem Landgericht für verpflichtet hält, den Wert des Hälfteanteils an dem von ihm weiterveräußerten Grundstück gemäß § 2287 BGB an den Kläger auszukehren. Mit dieser Begründung kann das angefochtene Urteil auch insoweit nicht aufrechterhalten werden. Denn der Kläger hatte keinen Anspruch gerade auf einen Anteil an dem betreffenden Grundstück und also auch nicht gemäß § 818 Abs. 3 BGB auf den Wert dieses Anteils. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen zu 2) Bezug genommen.

Allerdings kann nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand nicht ausgeschlossen werden, daß dem Kläger gegen den Beklagten ein Zahlungsanspruch gemäß § 2287 BGB noch zusteht. Voraussetzung dafür ist zunächst, daß sich eine für § 2287 BGB relevante (gemischte) Schenkung feststellen läßt. Hierzu wird zunächst auf die obigen Ausführungen zu 1 b), 2 verwiesen. Sodann wird zur Vermeidung von Unklarheiten auf folgendes hingewiesen:

Die Begründung, mit der das Berufungsgericht bisher eine gemischte Schenkung angenommen hat, begegnet rechtlichen Bedenken. Nach dem zutreffenden Ausgangspunkt des Berufungsgerichts ist unter einer Schenkung im Sinn von § 2287 BGB – ebenso wie bei § 2325 BGB (vgl. zuletzt Senatsurteil vom 26. März 1981 – IVa ZR 154/80 = NJW 1981, 1956 = FamRZ 1981, 653 = ZIP 1981, 607) – eine solche im Sinne von § 516 zu verstehen. Zu der Bereicherung des anderen Teils muß daher noch eine Einigung der Beteiligten über die Unentgeltlichkeit der Zuwendung oder – bei der gemischten Schenkung wie hier – über die Unentgeltlichkeit des nicht durch die Gegenleistung abgegoltenen Teiles der Zuwendung hinzukommen. Eine solche Einigung hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Vielmehr hat es sich insoweit auf eine Vermutung für eine Schenkung gestützt, die wegen objektiven Mißverhältnisses von Leistung und Gegenleistung hier eingreife und die der Beklagte nicht ausgeräumt habe. Damit hat das Berufungsgericht die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGHZ 59, 132, 136) möglicherweise mißverstanden (vgl. auch die neueren Senatsurteile vom 26. März 1981 – IVa ZR 154/80 aaO und vom 27. Mai 1981 – IVa ZR 132/80 = FamRZ 1981, 765 = WM 1981, 909). Die Beweiserleichterung, die der Bundesgerichtshof dem Pflichtteilsberechtigten im Rahmen von § 2325 BGB mit dieser Rechtsprechung in Form einer tatsächlichen Vermutung zugebilligt hat, muß freilich in gleicher Weise auch dem durch § 2287 BGB geschützten Vertrags- oder Schlußerben zugute kommen; der Schutzbereich des § 2287 BGB ist insoweit nicht kleiner als derjenige des § 2325 BGB. Diese Beweiserleichterung kann aber entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht schon bei jedem objektiven Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung eingreifen. Das folgt bereits daraus, daß subjektive Wertvorstellungen erfahrungsgemäß weit auseinandergehen können und sich nicht selten von den objektiven Werten erheblich entfernen. Die genannte Beweiserleichterung kommt daher nur dann in Betracht, wenn das objektive Mißverhältnis von Leistung und Gegenleistung über ein geringes Maß deutlich hinausgeht. Deshalb hat der Bundesgerichtshof die genannte Beweiserleichterung von Anfang an nur dann eingreifen lassen, wenn ein auffallendes, grobes Mißverhältnis zwischen den wirklichen Werten von Leistung und Gegenleistung festzustellen war.

Läßt sich eine gemischte Schenkung nachweisen, dann kommt es weiter darauf an, ob die sonstigen Voraussetzungen des § 2287 BGB gegeben sind. Benachteiligungsabsicht im Sinne der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist mit der Absicht, den Beschenkten zu begünstigen, meist untrennbar verbunden und daher – vielleicht von Ausnahmefällen abgesehen – in einer solchen Lage praktisch immer gegeben (BGHZ 59, 343, 350; 66, 8, 15). Dennoch greift die Vorschrift nicht bei (fast) jeder Schenkung dieser Art ein. Erforderlich ist vielmehr zusätzlich, daß der Erblasser das ihm verbliebene Recht zu lebzeitigen Verfügungen (§ 2286 BGB) mißbraucht hat (BGHZ 59, 343, 350; 77, 264, 266). Ein solcher Mißbrauch liegt nicht vor, wenn der Erblasser ein lebzeitiges Eigeninteresse an der von ihm vorgenommenen Schenkung hatte. Die Beweislast dafür, daß ein solches, vom Beschenkten dargetanes Interesse nicht vorlag, trägt der Vertrags- oder Schlußerbe (BGHZ 66, 8, 16). Bei der Beurteilung des vorliegenden Falles wird das Berufungsgericht die vom Beklagten dargelegten oder noch darzulegenden Gründe, die den Erblasser zu der – hier unterstellten – Begünstigung des Beklagten bewogen haben können, darauf zu prüfen haben, ob diese Gründe ein lebzeitiges Eigeninteresse des Erblassers an der Schenkung erkennen lassen. Ergeben die Gründe ein solches lebzeitiges Eigeninteresse nicht oder beweist der Kläger, daß die vorgebrachten Gründe den Erblasser in Wahrheit nicht zu der ihn benachteiligenden Schenkung bewogen haben, dann ist der Anspruch nach § 2287 BGB dem Grunde nach gerechtfertigt.

Nach dem derzeitigen Sachstand hat sich der Beklagte darauf berufen, der Erblasser habe seine eigene Altersversorgung sichern wollen. Das Berufungsgericht läßt diesen Grund nicht als lebzeitiges Eigeninteresse gelten. Das entspricht nicht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, der das Motiv der eigenen Alterssicherung bereits seit langem als ein lebzeitiges Eigeninteresse anerkannt hat. Danach kommt es aus Gründen der Rechtssicherheit nicht darauf an, ob die Verfügung zur Erlangung der Alterssicherung wirtschaftlich notwendig war oder ob der Erblasser die ihm versprochene Versorgung auch „billiger“ hätte haben können (Urteil vom 30. März 1977 – IV ZR 211/75 = LM BGB § 2287 Nr. 10; BGHZ 66, 8, 16). Ein Grund, von dieser Rechtsprechung abzugehen, besteht nicht. Sie greift auch hier ein. Dennoch vermag der Senat insoweit nicht abschließend zu entscheiden. Der Kläger hatte nämlich vor dem Tatrichter vorgetragen, der Beklagte sei zur Erfüllung der übernommenen Verpflichtungen nicht imstande gewesen, diese seien nur zum Schein in die Vereinbarung vom 1. August 1975 aufgenommen worden. In Wahrheit habe sich im Verhältnis des Erblassers an dem Beklagten nichts ändern sollen und habe sich auch nichts geändert. Die Vereinbarungen hätten lediglich dazu gedient, das gemeinschaftliche Testament zu umgehen und ihn, den Kläger, zu benachteiligen. Dieser Darstellung wird das Berufungsgericht gegebenenfalls im einzelnen nachzugehen haben.

Bei der neuen Verhandlung wird der Kläger Gelegenheit haben, die von ihm im Revisionsverfahren zur Frage der Geschäftsfähigkeit des Beklagten angeführten Gesichtspunkte erneut vorzutragen.

 

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