Eigeninteresse des Erblassers bei beeinträchtigender Schenkung – BGH, IV ZR 513/15

April 10, 2017

BGH, Urt. v. 28.09.2016 – IV ZR 513/15

Eigeninteresse des Erblassers bei beeinträchtigenden Schenkungen: Trotz gemeinschaftlichen Testaments sind ungleiche Schenkungen zu Lebzeiten möglich

Häufig haben Eltern ein Interesse daran, Teile ihres Vermögens schon zu Lebzeiten auf ihre Kinder zu übertragen. Werden die Kinder dabei jedoch ungleichmäßig bedacht, führt das nach dem Tod der Eltern regelmäßig zu Unfrieden und Streitigkeiten.

Ein Ehepaar hatte sich in einem gemeinschaftlichen Testament wechselseitig zu Erben eingesetzt und nach dem Tod des letztversterbenden Ehegatten ihre beiden Kinder je hälftig zu Schlusserben. Nach dem Tod der Mutter übertrug der Vater das Familienhaus mit Grundstück auf seine Tochter. Er behielt sich dabei ein lebenslanges Nießbrauchsrecht vor und verpflichtete die Tochter, ihn Zeit seines Lebens bei Bedarf in der Wohnung vollständig und unentgeltlich zu pflegen und zu betreuen bzw. für ihn kostenlos pflegen und betreuen zu lassen. Nachdem der Vater verstorben war, ohne jemals pflegebedürftig gewesen zu sein, verkaufte die Tochter das Haus. Ihr Bruder forderte nun die Hälfte des Erlöses, da nach der gesetzlichen Regelung ein Erbe Ersatz verlangen kann, wenn der Erblasser in der Absicht, den Erben zu beeinträchtigen, Schenkungen macht.

Der Bundesgerichtshof (BGH) bezweifelte, dass überhaupt eine Schenkung vorlag. Es wies darauf hin, dass der Schenkungswert durch die Einräumung des Nießbrauchs und die Pflegeverpflichtung gemindert worden war. Zudem musste der Sohn nachweisen, dass der Erblasser bei der Übertragung des Grundstücks auf seine Tochter in der Absicht gehandelt hatte, seinen Sohn zu benachteiligen. Das ist nämlich nicht der Fall, wenn der Erblasser in einem berechtigten Eigeninteresse – also etwa dem Interesse an seiner Pflege – gehandelt hat. Dabei spielt es überhaupt keine Rolle, dass der Vater gar nicht pflegebedürftig geworden war. Denn nur dessen subjektive Prognose zum Zeitpunkt der Grundstücksüberlassung war hier maßgeblich. Da über diese Fragen noch nicht ausreichend Beweis erhoben worden war, verwies der BGH die Sache zur weiteren Entscheidung an das in der Vorinstanz mit der Sache befasste Gericht zurück.

Hinweis: Bei einem Erbvertrag oder einem gemeinschaftlichen Testament kann eine Partei nicht ohne die Zustimmung der anderen einseitig Bestimmungen abändern. Trotz dieser Bindung kann der überlebende Ehegatte jedoch zu seinen Lebzeiten über das Vermögen frei verfügen – es also verbrauchen, verkaufen oder verschenken. Die Grenze sind jedoch beeinträchtigende Schenkungen zu Lasten eines der Erben. Solche Verfügungen sind allerdings dann zulässig, wenn der Erblasser damit ein Eigeninteresse verfolgt – wie hier die Sicherung der Pflege oder Versorgung im Alter – oder eine sogenannte sittliche Pflicht erfüllt (z.B. Geschenk zur Hochzeit). Bei solchen Schenkungen kommt es also auf die Umstände des Einzelfalls an, weshalb es sich empfiehlt, rechtzeitig rechtlichen Rat einzuholen.

BGH, Urt. v. 28.09.2016 – IV ZR 513/15

Kommentar Rechtsanwalt Andreas Krau:
Diese Rechtsprechung gilt nicht nur für den Erbvertrag, sondern entsprechend auch für das gemeinschaftliche Testament, auch das handschriftliche. Nach dem Versterben eines Ehegatten entsteht im Regelfall eine Bindungswirkung für den überlebenden Ehegatten. dieser soll den damals niedergelegten letzte Willen beider Ehegatten nun nicht mehr so einfach abändern können. Eine Lockerung erreicht man in der Praxis, indem man dem überlebenden Ehegatten in der letztwilligen Verfügung ausdrücklich die Möglichkeit gibt a) von Todes wegen und b) zu Lebzeiten nach dem Ableben des Erstversterbenden noch anders zu verfügen und so den damals gemeinsam niedergelegten letzten Willen abzuändern. Problematisch wird es aber, wenn diese Auflockerung fehlt und wenn die Ehegatten wechselbezüglich verfügt haben. Dann besteht Bindung des Überlebenden. Er muss ausschlagen, wenn er nach dem Tod des Partners aus der Bindung raus will.
Viele wissen nicht, dass die Bindungswirkung des gebundenen überlebenden Ehegatten nicht nur neue letztwillige Verfügungen unwirksam werden lässt, sondern dass mit der Bindungswirkung über § 2287 BGB letztlich sogar die Rückforderung von Schenkungen, die nach dem Tod des erstversterbenden Ehegatten gemacht wurden und die den letzten Willen untergraben, zur Folge hat.
Der BGH mildert die Bindung des ansonsten handlungsunfähigen „gebundenen“ überlebenden ehegatten seit Jahrzehnten in ständiger Rechtsprechung jedoch dadurch ab, dass er die für die Rückforderung von Schenkungen nach § 2287 BGB notwendige Absicht der Beeinträchtigung des Erben verneint, wenn der Erblasser für die Schenkung ein anerkennenswertes lebzeitiges Eigeninteresse hatte. Klassische Fälle sind etwa Schenkungen, die gemacht werden, um den Beschenkten zu Pflege und Betreuung im Alter des Schenkers zu motivieren.

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