|
|
|
Die Revision des HZA ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Das Urteil entspricht dem Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 FGO). Das FG hat zu Recht entschieden, dass die Verfügung vom 30. Juni 2014, mit der die am 17. April 2014 erlassene Pfändungs- und Einziehungsverfügung dahin eingeschränkt worden ist, dass die Klägerin zur Vermeidung von Schadensersatzansprüchen trotz Aufrechterhaltung dieser Verfügung bis auf Widerruf gebeten wurde, keine Beträge aufgrund der Pfändung einzubehalten, rechtswidrig war. |
|
|
1. Die nach Aufhebung der Pfändungs- und Einziehungsverfügung erhobene Fortsetzungsfeststellungsklage ist nach § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO zulässig. |
|
|
Zutreffend hat das FG darauf hingewiesen, dass die angefochtene Verfügung, mit der das HZA die Ruhendstellung der Pfändungs- und Einziehungsverfügung angeordnet hat, ein für die Klägerin belastender Verwaltungsakt ist. Durch die angeordnete Ruhendstellung entsteht für die Klägerin ein zusätzlicher Überwachungsaufwand, zudem wird sie zusätzlichen Haftungsrisiken ausgesetzt. Nach den Feststellungen des FG hat das HZA gegenüber der Klägerin in der Zeit zwischen Oktober 2014 und Dezember 2015 in mindestens 13 Fällen weitere Ruhendstellungen verfügt, so dass an einer Wiederholungsgefahr kein Zweifel bestehen kann. Ihr besonderes berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der angefochtenen Verfügung hat die Klägerin hinreichend dargelegt, so dass ihre Klage in Form einer Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig ist. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der erkennende Senat auf die ausführliche Begründung des FG, der er sich anschließt. Im Übrigen hat das HZA keine Einwendungen gegen die Zulässigkeit der Klage erhoben. |
|
|
2. Die einseitige Modifikation einer Pfändungsverfügung durch Einschränkung des Arrestatoriums mit dem Ziel einer Ruhendstellung der Vollstreckungsmaßnahme ist nicht möglich. Hierzu bietet § 309 Abs. 1 AO keine Rechtsgrundlage. |
|
|
a) Ob das HZA gegenüber dem Schuldner R die beschränkenden Maßnahmen nach den §§ 257 und 258 AO hätte treffen können, kann offen bleiben, da es im Streitfall lediglich um die Rechtmäßigkeit der gegenüber der Klägerin als Drittschuldnerin erlassenen Pfändungsverfügung geht, die sich aus den nachstehenden Gründen als rechtswidrig erweist. |
|
|
b) Eine Geldforderung wird nach § 309 Abs. 1 AO gepfändet, indem dem Drittschuldner eine Pfändungsverfügung zugestellt wird, in der die Vollstreckungsbehörde ihm schriftlich verbietet, an den Vollstreckungsschuldner zu zahlen (Arrestatorium). Bei der Pfändung des Guthabens eines Kontos des Vollstreckungsschuldners bei einem Kreditinstitut bestimmt sich der Umfang der Pfändung gemäß § 309 Abs. 3 Satz 1 AO nach § 833a ZPO, wobei eine umfassende Pfändung faktisch zu einer Kontosperrung führt, so dass das Girokonto seine Zahlungsfunktion im bargeldlosen Zahlungsverkehr verliert. Dieser besonderen Situation hat der Gesetzgeber durch die Schaffung eines Pfändungsschutzkontos Rechnung getragen, das auf Antrag des Schuldners nach § 850l ZPO eingerichtet werden kann, der neben § 765a ZPO anwendbar ist (Zöller/Stöber, ZPO, 31. Aufl., § 850l Rz 11). |
|
|
Die Pfändung des Guthabens eines Kontos bewirkt, dass das Kreditinstitut nicht mehr mit befreiender Wirkung an den Vollstreckungsschuldner zahlen kann. Besondere Verbindlichkeiten gegenüber den Finanzbehörden werden durch die Pfändung jedoch nicht begründet (Urteil des FG Nürnberg vom 10. Mai 2011 1 K 1787/2009). Sollen diese Rechtswirkungen einer Pfändung wieder beseitigt und das Pfändungspfandrecht aufgegeben werden, kann dies durch Aufhebung der Pfändungsverfügung und damit des Arrestatoriums erreicht werden. Eine einseitige Modifikation der Pfändungsverfügung unter Aufhebung des Arrestatoriums, wie sie das HZA mit der angefochtenen Verfügung erreichen wollte, kommt nach § 309 Abs. 1 AO nicht in Betracht. |
|
|
c) Für die in der ZPO vorgesehenen Möglichkeiten der Aufhebung oder Einstellung der Zwangsvollstreckung durch das Vollstreckungsgericht oder ein anderes Vollstreckungsorgan hat der BGH entschieden, dass diese Möglichkeiten im Hinblick auf das streng formalisierte Verfahren als abschließend anzusehen sind (BGH-Beschluss in WM 2016, 133). Deshalb hat er den Pfandgläubiger –auch unter Beachtung der in § 843 ZPO vorgesehenen Verzichtsmöglichkeit, die nach § 316 Abs. 3 AO auch für das Vollstreckungsverfahren nach der AO besteht– nicht als befugt angesehen, die Rechtswirkungen der nach dem Gesetz vorgesehenen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen durch eine einseitige Anordnung dahin zu modifizieren, dass unter Aufrechterhaltung der Verstrickung die sich aus dem Pfandrecht ergebenden Rechtswirkungen entfallen. Für eine vorläufige Aussetzung der Wirkung der Pfändung mit dem Ziel, dass diese im Fall eines vom Vollstreckungsgläubiger erklärten Widerrufs oder einer anderweitigen Pfändung der Forderung durch einen nachrangigen Gläubiger wieder auflebe, hat der BGH in § 765a ZPO –entgegen der Auffassung des OLG Düsseldorf in OLGR Düsseldorf 1998, 451– und in den Vorschriften über die Pfändung von Geldforderungen des Schuldners keine Rechtsgrundlage zu erkennen vermocht. Darüber hinaus hat er darauf hingewiesen, dass ein einstweiliger Verzicht auf die Wirkungen des Pfandrechts ohne Aufhebung der mit der Pfändung bewirkten Verstrickung wegen des Zusammenhangs von Beschlagnahme und Pfandrecht ausgeschlossen sei. |
|
|
Diese Rechtsgrundsätze lassen sich auf § 309 Abs. 1 AO, der die Pfändung von Geldforderungen für den Anwendungsbereich der AO regelt, übertragen. Auch wenn § 258 AO –anders als § 765a ZPO– neben der einstweiligen Einstellung der Vollstreckung auch ihre einstweilige Beschränkung vorsieht, die zum Teil lediglich als eine Beschränkung auf einzelne Forderungen oder bestimmte Vollstreckungsgegenstände verstanden wird (vgl. Jatzke in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 258 AO Rz 21, 23), bietet jedenfalls § 309 Abs. 1 AO bei Pfändung einer Geldforderung keine rechtliche Grundlage für eine Modifizierung der Pfändungsverfügung, die unter Rangwahrung lediglich das Arrestatorium für eine bestimmte oder unbestimmte Zeit suspendiert. Nach der in § 309 Abs. 1 AO enthaltenen Legaldefinition der Pfändungsverfügung ist das Arrestatorium neben dem an den Vollstreckungsschuldner gerichteten Gebot, sich jeder Verfügung über die Forderung zu enthalten (Inhibitorium), unverzichtbarer Bestandteil der Pfändung einer Geldforderung. Mit der Aufhebung des Arrestatoriums durch die Vollstreckungsbehörde wird daher die Pfändung aufgehoben und nicht lediglich beschränkt. |
|
|
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO. |
|