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Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). |
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Zwar ist das FG zu Recht davon ausgegangen, dass der Veräußerungsgewinn als laufender Gewinn zu besteuern ist, da der Kläger nicht alle wesentlichen Betriebsgrundlagen veräußert hat (unter 1.). Auch geht das FG zutreffend davon aus, dass die Kassensturzfähigkeit der Geldspeicher und damit die formelle Ordnungsmäßigkeit der Buchführung nicht gegeben war (unter 2.). Allerdings bedurfte die Zuschätzung von 10 % der Umsätze im Bereich Video/Kino einer weitergehenden Begründung, um für den Senat überprüfbar zu werden (unter 3.). Deshalb war das Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (unter 4.). |
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1. Der Veräußerungsgewinn ist vorliegend nicht nach § 16 Abs. 1 EStG i.V.m. § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG zu besteuern, da der Kläger die vom FG unter Zugrundelegung einer (nur) funktionalen Betrachtungsweise vertretbar als eine wesentliche Betriebsgrundlage gewertete Bezeichnung „…“ nur zur Nutzung überlassen hat. |
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a) Ein Veräußerungsgewinn nach § 16 Abs. 1 EStG (wie auch ein Aufgabegewinn nach § 16 Abs. 3 EStG) ist anders als der laufende Gewinn steuerlich privilegiert. Zum einen unterliegt er nicht der Gewerbesteuer. Einkommensteuerlich gewährt das Gesetz neben dem Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG in § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG eine Tarifbegünstigung. Nach § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG unterliegt ein Veräußerungs- oder Aufgabegewinn der Tarifbegünstigung allerdings nur, wenn er auch „außerordentlich“ ist. Dies setzt bei allen Tatbeständen des § 34 Abs. 2 EStG eine atypische Zusammenballung voraus (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 9. Dezember 2014 IV R 36/13, BFHE 248, 75, BStBl II 2015, 529, und vom 17. Dezember 2014 IV R 57/11, BFHE 248, 66, BStBl II 2015, 536, jeweils m.w.N.). Die Tarifbegünstigung gemäß § 34 EStG erfordert demnach, dass alle stillen Reserven, die in den wesentlichen Grundlagen einer betrieblichen Sachgesamtheit angesammelt wurden, in einem einheitlichen Vorgang aufgelöst werden (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 18. Oktober 1999 GrS 2/98, BFHE 189, 465, BStBl II 2000, 123, m.w.N.; BFH-Urteil vom 28. Mai 2015 IV R 26/12, BFHE 249, 536, BStBl II 2015, 797, jeweils m.w.N.). Hieran hat sich durch die ab 2001 geltende Rechtslage nichts geändert (so ausdrücklich Senatsurteil vom 5. Februar 2014 X R 22/12, BFHE 244, 49, BStBl II 2014, 388). |
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b) Der Begriff der wesentlichen Betriebsgrundlage wird normspezifisch ausgelegt. |
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aa) Deshalb gehören zu den wesentlichen Grundlagen eines Betriebs im Zusammenhang mit der Tarifbegünstigung eines Gewinns aus einer Betriebsveräußerung oder -aufgabe die funktional wesentlichen Wirtschaftsgüter und darüber hinaus auch solche Wirtschaftsgüter, die zwar funktional gesehen für den Betrieb, Teilbetrieb oder Mitunternehmeranteil nicht erforderlich sind, in denen aber erhebliche stille Reserven gebunden sind (sog. funktional-quantitative Betrachtungsweise). Dies folgt aus der normspezifischen Auslegung des § 34 EStG (BFH-Urteil in BFHE 249, 536, BStBl II 2015, 797, jeweils m.w.N.). |
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bb) In Bezug auf die funktionale (Teil-)Betrachtungsweise unterscheidet sich der Begriff der wesentlichen Betriebsgrundlage bei der Betriebsveräußerung/-aufgabe nicht von demjenigen, der bei der Betriebsaufspaltung oder der Betriebsverpachtung im Ganzen verwendet wird (vgl. nur Schmidt/Wacker, EStG, 36. Aufl., § 16 Rz 101). Auch in Einbringungsfällen gilt diese (reine) funktionale Betrachtungsweise in Bezug auf die Wesentlichkeit von Betriebsgrundlagen (vgl. nur BFH-Urteil vom 16. Dezember 2009 I R 97/08, BFHE 228, 203, BStBl II 2010, 808, unter II.1.b, m.w.N.). |
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Funktional wesentlich sind in allen diesen Fällen „die wesentlichen dem Betrieb das Gepräge gebenden Betriebsgrundlagen“ (vgl. Senatsurteil vom 11. Oktober 2007 X R 39/04, BFHE 219, 144, BStBl II 2008, 220, unter II.3.a, zur Frage der Begründung einer Betriebsverpachtung im Ganzen). Dabei kommen Betriebsgegenstände dann in diesem Sinne als wesentliche Betriebsgrundlage in Betracht, wenn sie nach den spezifischen Verhältnissen des betreffenden (verpachtenden) Betriebs sachlich erforderlich sind (so Senatsurteil in BFHE 219, 144, BStBl II 2008, 220, unter II.3.b, m.w.N.). |
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cc) Grundsätzlich können auch immaterielle Wirtschaftsgüter als wesentliche Betriebsgrundlagen in Betracht kommen, etwa der Name bzw. das Zeichen eines Betriebs (BFH-Urteil in BFHE 228, 203, BStBl II 2010, 808, unter II.1.b, m.w.N.). |
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(1) Wird etwa im Rahmen eines Pachtverhältnisses über eine Apotheke ausdrücklich auch die Firma überlassen, sind alle wesentlichen Betriebsgegenstände, mittels derer die Pächter den Apothekenbetrieb jeweils fortsetzen könnten, auf Zeit überlassen (vgl. Senatsurteil vom 3. April 2014 X R 16/10, BFH/NV 2014, 1038). Denn neben der Lage des verpachteten Betriebs und dem hierdurch bestimmten Kundenkreis können Apothekenname und Firma von entscheidender Bedeutung sein (vgl. Senatsurteil in BFH/NV 2014, 1038, unter III.1.b bb, m.w.N.). |
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(2) Ähnlich verhält es sich bei der Überlassung von Firmennamen, Warenzeichen und Formeln gegen Lizenzzahlungen an ein anderes Unternehmen, wenn das Vorliegen einer Betriebsaufspaltung zu beurteilen ist. Verkauft der Steuerpflichtige in diesem Zusammenhang zwar sämtliche beweglichen und unbeweglichen Anlagegüter, nicht jedoch die gewerblichen Schutzrechte, kann es sein, dass nicht alle wesentlichen Betriebsgrundlagen veräußert worden sind (BFH-Urteil vom 20. September 1973 IV R 41/69, BFHE 110, 368, BStBl II 1973, 869). |
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c) Ob einzelne Wirtschaftsgüter zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen zu zählen sind oder nicht, hängt vom jeweiligen Einzelfall ab. |
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aa) Angewandt auf die vom Kläger aufgeworfene Frage, ob bei einem Verkauf eines Geschäftsbetriebs mit zeitgleichem Abschluss eines Franchisevertrags zwischen dem Verkäufer als Franchisegeber und dem Käufer als Franchisenehmer alle „wesentlichen Betriebsgrundlagen“ des Geschäftsbetriebs verkauft und ein aus dem Verkauf resultierender Gewinn als steuerbegünstigter nicht gewerbesteuerpflichtiger Veräußerungsgewinn i.S. des § 16 EStG oder laufender gewerbesteuerpflichtiger Gewinn anzusehen ist, kann der Senat abstrakt betrachtet nur feststellen, dass ersteres sein kann, nicht aber sein muss. Die Beantwortung der von dem Kläger aufgeworfenen Rechtsfrage ist einzelfallbezogen und obliegt dem FG als Tatsacheninstanz. |
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bb) Das FG ist aufgrund der Würdigung des Franchisevertrags davon ausgegangen, dass die Bezeichnung als „…“ eine wesentliche Betriebsgrundlage sei, die jedoch nicht übertragen worden sei. Denn aufgrund der Vertragsbedingungen –auch im Franchisevertrag– konnte das FG keine Veräußerung der Bezeichnung an die Käuferin erkennen. Hierbei wendet das FG eine funktionale Betrachtungsweise an, auch wenn es zusätzlich auf quantitative Elemente, nämlich die Höhe der vereinbarten Franchisegebühren abstellt. |
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cc) Diese vom FG vorgenommene Würdigung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Sie verstößt nicht gegen Denkgesetze, allgemeine Erfahrungssätze oder gesetzliche Auslegungsregeln und bindet den Senat deshalb nach § 118 Abs. 2 FGO (vgl. insoweit BFH-Urteil vom 18. November 2014 IX R 49/13, BFHE 247, 435, BStBl II 2015, 224, Rz 15). |
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So verweist das FG vertretbar darauf, dass eine Weiterführung ohne die Bezeichnung „…“ dem Betrieb die Unverwechselbarkeit und damit eine wichtige Grundlage für das Auftreten am Markt genommen hätte. Darüber hinaus lässt aber insbesondere die hohe Vergütung für den Franchisevertrag von … EUR (auf zehn Jahre Vertragslaufzeit) im Verhältnis zu dem Kaufpreis von … EUR auch aus Sicht des Senats nur den Schluss zu, dass diese lediglich zur Nutzung überlassenen immateriellen Wirtschaftsgüter eine (weitere) wesentliche Betriebsgrundlage darstellten. Dies gilt selbst für den Fall, dass dem Vortrag des Klägers hinsichtlich der tatsächlichen Zahlungsdauer zu folgen wäre. Denn auch die in diesem Fall zu berücksichtigende Gesamtsumme von … EUR unterstreicht die besondere, funktional wesentliche Bedeutung, die diesen (nur) im Rahmen eines Franchisevertrags überlassenen Wirtschaftsgütern zukommt. |
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2. Die Kassenbuchführung des Klägers, soweit die Bareinnahmen aus den Geldspeichern der Automaten im Bereich Video/Kino betroffen waren, war nicht ordnungsgemäß, da mangels Kassenberichts die Kassensturzfähigkeit nicht gegeben war (unter a). Somit mussten FA wie auch FG die Umsätze dieses Geschäftsbereichs nach § 162 Abs. 2 Satz 1 AO (i.V.m. § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) schätzen (unter b). |
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a) Im vorliegenden Fall ist die Kassensturzfähigkeit der Geldspeicher nicht gegeben. |
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aa) Gemäß § 146 Abs. 1 Satz 2 AO „sollen“ Kasseneinnahmen und Kassenausgaben täglich festgehalten werden. Hierdurch wird versucht, im sensiblen Bereich der Abwicklung von Vorgängen, die Bewegungen von Bargeld einschließen, ein dichtes Kontrollgefüge einzurichten (vgl. nur Drüen in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 146 AO Rz 27, m.w.N.). Die Anforderungen an ein solches Kontrollgefüge sind dabei an die Art und Weise der Kassenführung anzupassen. |
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(1) Einnahmen wie Ausgaben können zu Kontrollzwecken nicht nur durch schriftliche Aufzeichnungen, sondern auch durch jede andere Maßnahme festgehalten werden, die es ermöglicht, die Daten abrufbereit zu konservieren (so wohl auch Drüen in Tipke/ Kruse, a.a.O., § 146 AO Rz 27, m.w.N.). Es besteht keine gesetzliche Vorgabe, wie (Kassen-)Aufzeichnungen zu führen sind. So können diese grundsätzlich auch in der geordneten Ablage von Belegen bestehen oder auf Datenträgern geführt werden. Der Steuerpflichtige ist in der Wahl des Aufzeichnungsmittels frei und kann entscheiden, ob er seine Warenverkäufe manuell oder unter Zuhilfenahme technischer Hilfsmittel –wie einer elektronischen Registrier- oder PC-Kasse– erfasst (vgl. im Hinblick auf Warenverkäufe eines Kaufmanns auch Senatsurteil vom 16. Dezember 2014 X R 47/13, BFH/NV 2015, 793, Rz 23). |
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(2) Dabei bestimmt die Kasseneigenschaft und im Fall von Geldautomaten die Entleerungsfrequenz die Art der Aufzeichnung. |
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(a) Werden die Bareinnahmen einer offenen Ladenkasse erfasst, so erfordert dies einen täglichen Kassenbericht, der auf der Grundlage eines tatsächlichen Auszählens der Bareinnahmen erstellt worden ist. Dies ist die Folge der jederzeitigen Möglichkeit, die Kasse bzw. die Kasseneinnahmen und -ausgaben manipulieren zu können. Dabei ist kein „Zählprotokoll“ erforderlich. Erforderlich, aber auch ausreichend ist ein Kassenbericht, der auf der Grundlage eines tatsächlichen Auszählens erstellt worden ist (so schon Senatsbeschluss vom 16. Dezember 2016 X B 41/16, BFH/NV 2017, 310, Rz 25 f., m.w.N.). |
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(b) Dieser Kassenbericht muss im Fall einer offenen Ladenkasse so beschaffen sein, dass es einem Buchsachverständigen zumindest am Beginn und am Ende jedes Geschäftstages –bei Einzelaufzeichnung der Bareinnahmen auch jederzeit im Laufe des Geschäftstages– möglich ist, den durch Kassensturz festgestellten Ist-Bestand anhand der Kassenaufzeichnungen zu überprüfen (BFH-Urteil vom 31. Juli 1974 I R 216/72, BFHE 113, 400, BStBl II 1975, 96, unter 1.). Ermöglichen die Kassenaufzeichnungen einen solchen Vergleich des Soll-Bestands laut Aufzeichnungen mit dem Ist-Bestand der Kasse nicht, fehlt es jedenfalls insoweit an der formellen Ordnungsmäßigkeit der Buchführung. Dies gilt trotz der Ausgestaltung des § 146 Abs. 1 Satz 2 AO als Soll-Vorschrift. Denn auch wenn hierdurch zum Ausdruck kommt, dass eine tägliche Aufzeichnung nicht in jedem Falle zwingend erforderlich ist (BTDrucks 7/4292, 30), muss die Entwicklung des Kassenbestandes zweifelsfrei rekonstruierbar sein (so auch Görke in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 146 AO Rz 29). |
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bb) Im Fall der Aufbewahrung der Kasseneinnahmen in einem verschlossenen Behälter wird eine tägliche Auszählung dagegen jedenfalls im Geltungsbereich der für das Streitjahr anwendbaren Fassung der AO nicht notwendig sein. Erst im Augenblick der Entleerung sind die Kasseneinnahmen zu zählen und aufzuzeichnen, um so die Kassensturzfähigkeit sicherzustellen. Dabei wird es für die Erfüllung dieser Kassensturzfähigkeit in der Regel ausreichen, wenn die Aufzeichnungen im Kassenbericht die Zählung bei Entleerung und ihr Ergebnis dokumentieren. |
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cc) Diese Grundsätze führen im vorliegenden Fall dazu, dass schon mangels Kassenberichts die Kassensturzfähigkeit fehlt und damit keine ordnungsgemäßen Kassenaufzeichnungen i.S. des § 146 Abs. 1 Satz 2 AO im Bereich Video/Kino vorliegen. |
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(1) Auch die Geldspeicher der dort verwendeten Geldeinwurfautomaten sind Kassen, deren Geldbestände jedenfalls im Zeitpunkt der (erstmaligen) Entleerung zu zählen und festzuhalten sind. Schließlich versteht man unter einer Kasse schon von der Wortbedeutung her einen Behälter bzw. eine Kassette, in dem Geld aufbewahrt wird (vgl. Duden, Das Bedeutungswörterbuch, Mannheim/Wien/Zürich 1985, 370). Gerade Geldspeicher von Geldeinwurfautomaten sind solche Geldbehälter. Bei diesen Automaten gelangt das Geld mit dem Einwurf in den Verfügungsbereich des Klägers. Folglich ist der Geldspeicher eine Kasse, wobei jeder Geldspeicher eine separate Kasse ist. |
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(2) Deshalb hatte der Kläger nach den zu § 146 Abs. 1 Satz 2 AO entwickelten Grundsätzen insoweit eine Kassensturzfähigkeit zu gewährleisten und damit zumindest eine Kontrolle, ob eine tatsächliche Auszählung stattgefunden hat, anhand der getätigten Aufzeichnungen möglich zu machen. Diese Anforderungen erfüllte der Kläger nicht, da, was zwischen den Beteiligten auch unstreitig ist, der Inhalt der Geldspeicher im Zeitpunkt der (erstmaligen) Entleerung nicht aufgezeichnet wurde. Vielmehr ist der Bestand dieser Kassen lediglich durch Rückrechnung, nämlich durch Addition der Bankgutschriften und verausgabten Beträge, ermittelt worden. Kein Ersatz ist die zeitlich spätere Zählung der Geldbeträge durch die Bank bei Einzahlung auf dem Bankkonto. Denn wie in den Fällen einer verzögerten Verbuchung stellt diese nachträgliche Zählung und Aufzeichnung keinen wirksamen Schutz gegen die bei solchen, den offenen Ladenkassen ähnelnden Geldbehältern bestehende Manipulationsanfälligkeit dar. Die nur durch Rückrechnung ermittelten Kassenbestände beinhalten keinerlei Vermutung der Richtigkeit. Etwas Anderes könnte im Fall einer Verplombung bis zur Einzahlung bei der Bank gelten, was im Streitfall jedoch nicht gegeben war. |
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Folglich können die Buchführungsergebnisse, soweit sie die Erlöse aus dem Bereich Video/Kino betreffen, nicht der Besteuerung zugrunde gelegt werden. |
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b) FA und FG waren, soweit die Erlöse aus dem Bereich Video/ Kino betroffen waren, zur Schätzung verpflichtet. § 96 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 FGO i.V.m. § 162 AO eröffnet dabei dem FG eine eigene Schätzungsbefugnis. |
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aa) Formelle Buchführungsmängel –hier die fehlende Kassensturzfähigkeit mangels Aufzeichnung der gezählten Bareinnahmen aus den Geldspeichern– berechtigen nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung zwar nur insoweit zur Schätzung, als sie Anlass geben, die sachliche Richtigkeit des Buchführungsergebnisses anzuzweifeln (BFH-Entscheidungen vom 17. November 1981 VIII R 174/77, BFHE 135, 11, BStBl II 1982, 430, unter 1.; vom 25. Januar 1990 IV B 140/88, BFH/NV 1990, 484, und vom 14. Dezember 2011 XI R 5/10, BFH/NV 2012, 1921, Rz 22, mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Soweit vorwiegend Bargeschäfte getätigt werden, können Mängel der Kassenführung aber der gesamten Buchführung die Ordnungsmäßigkeit nehmen (BFH-Urteil in BFH/NV 2012, 1921, Rz 34). |
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bb) Die hier vorliegenden formellen Buchführungsmängel führen deshalb jedenfalls für den Bereich Video/Kino zu einer solchen Schätzungsbefugnis nach § 162 Abs. 2 Satz 1 AO (i.V.m. § 96 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 FGO). |
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3. Die Hinzuschätzung in Form eines (Un-)Sicherheitszuschlags von 10 % der erklärten Umsätze des Bereichs Video/Kino, kann jedoch vom Senat nicht auf ihre Angemessenheit hin überprüft werden. Es fehlt insoweit an der ausreichenden Begründungstiefe. |
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a) Die Schätzung von Besteuerungsgrundlagen gehört zu den tatsächlichen Feststellungen, an die der BFH als Revisionsinstanz nach § 118 Abs. 2 FGO gebunden ist. Die Bindung des BFH entfällt nur, wenn bei der Schätzung gegen anerkannte Schätzungsgrundsätze, allgemeine Erfahrungssätze oder die Denkgesetze verstoßen wurde (BFH-Urteil vom 18. Oktober 1983 VIII R 190/82, BFHE 139, 350, BStBl II 1984, 88, m.w.N.). Die gewonnenen Schätzergebnisse müssen schlüssig, wirtschaftlich möglich und vernünftig sein. Deshalb sind alle möglichen Anhaltspunkte, u.a. auch das Vorbringen des Steuerpflichtigen oder eine an sich fehlerhafte Buchführung, zu beachten und alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um im Rahmen des der Finanzbehörde Zumutbaren die Besteuerungsgrundlagen wenigstens teilweise zu ermitteln. Auf der anderen Seite ist aber auch das Maß der Verletzung der dem Steuerpflichtigen obliegenden Mitwirkungspflichten zu berücksichtigen. Deshalb ist es gerechtfertigt, bei einer Pflichtverletzung des Steuerpflichtigen, insbesondere bei einer nicht ordnungsgemäßen Buchführung, einen Sicherheitszuschlag vorzunehmen (BFH-Urteil vom 15. April 2015 VIII R 49/12, Rz 19, m.w.N.). Der Sicherheitszuschlag lässt sich dabei als eine griffweise Schätzung, die in einem vernünftigen Verhältnis zu den erklärten oder nicht erklärten Einnahmen stehen muss, charakterisieren (vgl. Senatsurteil vom 26. Oktober 1994 X R 114/92, BFH/NV 1995, 373, und Senatsbeschluss vom 7. Februar 2017 X B 79/16, BFH/NV 2017, 774). |
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b) Die Prüfung dieser Hinzuschätzung durch den BFH ist auf Rechtsfehler beschränkt. Dabei müssen der BFH und das FG sich auf denselben Sachverhalt beziehen, denn nur unter dieser Voraussetzung kann der BFH als Revisionsgericht erkennen und entscheiden, ob dem FG Rechtsfehler unterlaufen sind (Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 118 FGO Rz 54). Es muss möglich sein zu überprüfen, ob das FG bei der Tatsachenfeststellung und Beweiswürdigung nach sachfremden Erwägungen oder willkürlich verfahren ist. Dazu hat das FG darzulegen, wie und dass es seine Überzeugung in rechtlich zulässiger und einwandfreier Weise gewonnen hat (Senatsurteil vom 16. September 2015 X R 43/12, BFHE 251, 37, BStBl II 2016, 48, Rz 40). |
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aa) Hiervon ausgehend ist es im vorliegenden Fall für den Senat nicht möglich, zu entscheiden, ob ein Sicherheitszuschlag in Höhe von 10 % der erklärten Umsätze aus dem Bereich Video/ Kino anerkannten Schätzungsgrundsätzen sowie allgemeinen Erfahrungsgrundsätzen entspricht. |
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So hat das FG auf Seite 10 seines Urteils lediglich dargelegt, dass es keine Bedenken gegen eine solche Zuschätzung habe und dies mit der Schwere der Mängel und dem Anteil der davon betroffenen Umsätze am Gesamtumsatz begründet. Ansonsten hat das FG nur ausgeführt, warum es einen äußeren Betriebsvergleich und auch eine Geldverkehrs- und Vermögenszuwachsrechnung nicht durchführen könne. Konkrete und nachprüfbare Aussagen zur Schätzungshöhe finden sich im Urteil nicht. |
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bb) Für den Senat ist deshalb schon nicht erkennbar, warum der Anteil der Umsätze im Bereich Video/Kino am Gesamtumsatz zu einer griffweisen Schätzung von 10 % der erklärten Umsätze führen kann. Auch erscheint es angesichts des ursprünglich erklärten Gesamtgewinns von zuletzt … EUR nicht ohne weitergehende und vertiefte Begründung verständlich, wieso das FG nicht einen geringeren Prozentsatz dieser Umsätze als ausreichend und angemessen bzw. zutreffend angesehen hat. Schließlich wird das Ergebnis der Hinzuschätzung nicht auf seine Plausibilität hin überprüft. Aber auch eine griffweise Hinzuschätzung muss (noch) schlüssig, wirtschaftlich möglich und vernünftig und insoweit überprüfbar sein. |
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cc) Das FG wird diese fehlende Begründung des Schätzungsergebnisses nachholen müssen. |
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4. Da der Senat die Schätzung folglich nicht auf seine Angemessenheit hin überprüfen kann, ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung nach § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO an das FG zurückzuverweisen. |
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5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO. |
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