Streitig ist, ob für den vorliegenden Erbfall gemäß §§ 15 Abs. 3, 6 Abs. 2 Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG) wegen des Vorliegens einer Schlusserbschaft für beide Nachlässe jeweils die Härteklausel zu berücksichtigen ist.
Am X. Juli 200X verstarb Herr G. Gemäß gemeinschaftlichem Ehegattentestament mit seiner Frau S wurde Frau S alleinige unbeschränkte Erbin. Als Schlusserben wurden gemäß § 3 des Testaments vom X. Oktober 200y die Kinder des Bruders von Herrn G, B, S, U und H sowie der Halbbruder von Frau S, Herr Si, zu gleichen Teilen eingesetzt. Am XX. November 200X verstarb Frau S, so dass die Klägerin zu 1/5 Schlusserbin wurde. Unstreitig beträgt der anteilige Nachlass nach G € xx.xxx. Der Beklagte brachte im Erbschaftsteuerbescheid vom. Oktober 200z hier einen Freibetrag i.H.v. € 10.300 zum Abzug. Der anteilige Nachlass nach S betrug € yy.yyy. Ein Freibetrag wurde nicht gewährt. Als Erbschaftsteuer wurde insgesamt ein Betrag i.H.v. € Z festgesetzt, der sich ermittelt aus 17 % von € xx ./. Freibetrag sowie 23 % von € yy.yyy. Hinsichtlich des Nachlasses von G wurde die Erbschaftsteuerklasse II, hinsichtlich des Nachlasses von S die Erbschaftsteuerklasse III zugrunde gelegt. Die Klägerin begehrte im Einspruchsverfahren zusätzlich noch den Härteausgleich getrennt nach den beiden Nachlässen. Der Einspruch diesbezüglich wurde vom Beklagten mit Einspruchsbescheid vom 8. November 2005 als unbegründet zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage.
Die Klägerin macht geltend, dass vorliegend für jeden der beiden Nachlässe der Härteausgleich gemäß § 19 Abs. 3 ErbStG i.V.m. § 15 Abs. 3 ErbStG zum Ansatz komme. Dadurch ergäbe sich für den Nachlass von G ausgehend von einem steuerpflichtigen Erwerb von € xx.xxx eine Erbschaftsteuer i.H.v. € XXX, für den Nachlass S aufgrund eines steuerpflichtigen Erwerbs von € YYY eine Erbschaftsteuer i.H.v. € yyy (vgl. Berechnung Bl. 6 Finanzgerichtsakte). Da ein Ehegattentestament i.S.d. § 2269 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) vorgelegen habe, seien nach § 15 Abs. 3 ErbStG die Vorschriften des § 6 Abs. 2 Sätze 3 bis 5 ErbStG entsprechend anzuwenden. Es lägen somit zwei Vermögensanfälle vor, die für die Steuerberechnung zu trennen seien. Da die einschlägigen Tarifvorschriften gesondert anzuwenden seien, sei auch der Härteausgleich bei jedem Erbfall gesondert zu berücksichtigen. Die Steuer sei nach dem jeweiligen Steuersatz zu erheben, der für den gesamten Erwerb gelte. § 6 Abs. 2 S. 5 ErbStG verweise nur hinsichtlich der Bestimmung des einschlägigen Steuersatzes auf § 19 Abs. 1 ErbStG, nicht jedoch hinsichtlich der weiteren Berechnungsmodalitäten.
Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung des Einspruchsbescheids vom 5. Mai 2006 den Erbschaftsteuerbescheid vom 27. Oktober 2005 in der Weise zu ändern, dass die Erbschaftsteuer auf Z EUR herabgesetzt wird.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Er macht geltend, dass der Härteausgleich nach § 19 Abs. 3 ErbStG keine Anwendung finde, da bei der Berechnung des Steuersatzes für den gesamten Erwerb die Härteklausel nicht eingreife. Bei Anwendung der Härteregelung auf die einzelnen Erwerbe würde der Progressionsvorbehalt außer Kraft gesetzt werden. Der Härteausgleich sei deshalb nur auf der Stufe des Gesamterwerbes zu berücksichtigen.
Die Klage ist im vollen Umfang unbegründet.
1. Der Beklagte hat zu Recht die beiden Vermögensanfälle gem. § 6 Abs. 2 S. 3 bis 5 ErbStG hinsichtlich der Steuerklassen und des Steuersatzes getrennt behandelt und die Erbschaftsteuer richtig berechnet, den Härteausgleich hierbei jedoch nicht berücksichtigt.
a. Die Steuerberechnung gem. § 15 Abs. 3 ErbStG ist aufgrund von § 15 Abs. 3 ErbStG anwendbar.
Nach § 15 Abs. 3 Satz 1 ErbStG sind im Fall des § 2269 BGB (Berliner Testament) und soweit der überlebende Progressionsvorbehalt an die Verfügung gebunden ist, die mit dem verstorbenen Ehegatten näher verwandten Erben und Vermächtnisnehmer als seine Erben anzusehen, soweit sein Vermögen beim Tod des überlebenden Ehegatten noch vorhanden ist. Nach § 15 Abs. 3 Satz 2 ErbStG gelten dann die Regelungen des § 6 Abs. 2 Satz 3 bis 5 ErbStG entsprechend. Dies bedeutet, dass bei Übergang von eigenem Vermögen des Erstversterbenden auf den Schlusserben, die beiden Vermögensanfälle hinsichtlich der Steuerklasse getrennt zu behandeln sind. Für das eigene Vermögen des Erstversterbenden kann ein Freibetrag jedoch nur gewährt werden, sofern ein Freibetrag für das der Schlusserbfolge unterliegende Vermögen nicht verbraucht ist. Die Steuer ist für jeden Erwerb jeweils nach dem Steuersatz zu erheben, der für den gesamten Erwerb gelten würde.
Unstreitig liegt hier ein Testament i.S.d. § 2269 BGB vor, da der länger lebende Ehegatte Alleinerbe wurde und hinsichtlich der Schlusserbeneinsetzung, die auch in der Berücksichtigung von Verwandten des Erstversterbenden bestand, gebunden war. Dies führt dazu, dass die Regelungen des § 6 Abs. 2 Sätze 3 bis 5 ErbStG gemäß § 15 Abs. 3 ErbStG zur Anwendung kommen. Der Beklagte hat dem gemäß auch den Freibetrag i.H.v. € 10.300 (Steuerklasse II nach G) gewährt. Er hat auch unstreitig die richtigen Steuerklassen sowie die Steuersätze, die für den gesamten Erwerb gelten würden, zugrunde gelegt.
12b. Zu Recht hat der Beklagte jedoch die Härteregelung gemäß § 19 Abs. 3 ErbStG nicht berücksichtigt.
aa. Danach wird die ErbSt i.H. des Unterschieds zwischen der Steuer, die sich bei der Anwendung des § 19 Abs. 1 ErbStG ergibt und der Steuer, die sich ergeben würde, wenn der Erwerb die letztvorhergehende Wertgrenze nicht überstiegen hätte, nur insoweit erhoben, als er
a) bei einem Steuersatz bis zu 30 v.H. aus der Hälfte,b) bei einem Steuersatz über 30 v.H. aus ¾ des die Wertgrenze übersteigenden Betrages gedeckt werden kann. Diese Regelung stellt eine Abmilderung von Härten, die sich aus dem Stufentarif der Erbschaftsteuer ergeben können, dar.Nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG liegt sowohl im Fall der Vor- und Nacherbschaft, wie auch bei Eintritt eines Schlusserbfalles ein einheitlicher Erwerb vor. Dieser Grundsatz wird durch §§ 6 Abs. 2, 15 Abs. 3 ErbStG lediglich modifiziert, aber nicht gänzlich aufgehoben. Es ist nur vorgesehen, dass in diesen Fällen auf Antrag des Erben die Vermögensanfälle hinsichtlich der Steuerklasse getrennt zu behandeln sind. Deshalb ist gem. § 6 Abs. 2 S. 5 ErbStG die Steuer für jeden Erwerb nach dem Steuersatz zu erheben, der für den gesamten Erwerb gelten würde. Zudem ist gem. § 6 Abs. 2 S. 4 ErbStG auch nur ein Freibetrag zu gewähren ( Urteil des BFH vom 2. Dezember 1998 II R 43/97, BStBl II 1999, 235; Urteil des Hess. Finanzgerichts vom 19. September 2006 1 K 3743/05, juris; Urteil des BFh vom 16. Juni 1999 II R 57/96, BStBl II 1999, 789).
In der einschlägigen Kommentierung wird, soweit überhaupt auf die vorliegende Problematik eingegangen wird, vertreten, dass die Härteausgleichsregelung des § 19 Abs. 3 ErbStG nur auf den Gesamterwerb anzuwenden ist (Kapp/Ebeling, § 6 ErbStG, Rn. 30; Dr. Jürgen Ebeling, ZEV 1999, 238 f.; Moench, § 6, Rn. 29 am Ende; Meincke § 6 ErbStG, Rn. 17). Kirschstein (Anwendung der Härteregelung im Rahmen der Vor- und Nacherbschaft, ZEV 2001, 347, 348f) geht davon aus, dass aufgrund des Wortlauts des § 6 Abs. 2 S. 5 ErbStG die Härteregelung nur dann anzuwenden ist, wenn der gesamte Erwerb innerhalb der Grenzen des § 19 Abs. 3 ErbStG liegt, da auf den Steuersatz für den gesamten Erwerb abgestellt wird. Die sich hieraus ergebende Problematik der Aufteilung der Härteregelung könnte vermieden werden, wenn aus Vereinfachungsgründen und unter Berücksichtigung des § 6 Abs. 2 S. 3 ErbStG, wonach die Vermögensmassen hinsichtlich der Steuerklasse getrennt behandelt werden, bei der Härteregelung nur auf den jeweiligen Einzelerwerb abgestellt wird.
Aus der Gesetzesbegründung (BTDrs. VI/3418, S. 63) geht hervor, dass die Aufgliederung des Gesamterwerbs in zwei Vermögensteile für den Nach- (bzw. Schluss)erben keinen Progressionsvorteil zur Folge haben soll, weshalb bestimmt wurde, dass die Steuer für jeden Vermögensteil nach dem Steuersatz zu erheben ist, der für den gesamten Erwerb gelten würde.
bb. Die Berechnung der Klägerin insoweit ist zwar rechnerisch richtig, ihr kann jedoch nicht gefolgt werden.
Nach dem Wortlaut des § 6 Abs. 2 Satz 3 bis 5 ErbStG ist die Steuer für jeden Erwerb jeweils nach dem Steuersatz zu erheben, der für den gesamten Erwerb gelten würde. Dies bedeutet, dass nur hinsichtlich der Frage des Freibetrages und der Steuerklasse eine Trennung der beiden Erbanfälle stattfindet, nicht jedoch noch hinsichtlich der Frage der Höhe der richtigen Steuer. Letztlich wird nur eine Steuer festgesetzt, die einheitlich vom Steuersatz für den Gesamterwerb ausgeht. Diese kann nach § 19 Abs. 3 ErbStG jedoch nur dann ermäßigt werden, wenn die fragliche Stufe durch den Gesamterwerb nur geringfügig überschritten ist. Dies ist hier jedoch nicht der Fall; die Härteregelung könnte nur hinsichtlich der Einzelerwerbe in Betracht kommen.
Dafür spricht auch die Kommentierung und insbesondere die Gesetzesbegründung. Bei der Regelung des § 19 Abs. 3 ErbStG handelt es sich um eine Regelung der Steuerfestsetzung, die sich erst nach der Anwendung des Steuersatzes ergeben kann. Bei diesem ist aber auf des Gesamterwerb abzustellen. Es wäre unsystematisch, hinsichtlich der erst danach zu überprüfenden Härteregelung des § 19 Abs. 3 ErbStG wiederum auf die Einzelerwerbe abzustellen. Zudem geht das ErbStG von einem einheitlichen Erwerb aus, der lediglich in den durch das Gesetz vorgegebenen Punkten getrennt behandelt wird.
Zudem würde sich durch die Anwendung des § 19 Abs. 3 ErbStG ein Progressionsvorteil ergeben, der nach dem Willen des Gesetzgebers gerade ausgeschlossen werden sollte. Bei Anwendung der Härteklausel im vorliegenden Fall würde sich für einen Erwerb der Klägerin von € 116.600 (nach Berücksichtigung des Freibetrags) eine Erbschaftsteuer i.H.v. € 21.330 ergeben. Bei einem Erwerb von € 104.000 (2 x € 52.000) würde der Härteausgleich für die Einzelerwerbe nicht zur Anwendung kommen, da die maßgebliche Stufe nicht überschritten wird. Es würde sich jedoch eine ErbSt von € 20.800 (17 % x € 52.000 + 23 % x € 52.000) ergeben. Somit würde der vorliegende Mehrerwerb von € 12.600 nur zu einer Mehrsteuer von € 530 führen. Die würde einen durch das Gesetz nicht gerechtfertigten Progressionsvorteil darstellen, der gerade ausgeschlossen werden soll.
Die Klage war deshalb im vollen Umfang abzuweisen.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 1, 2 FGO wegen des klaren Wortlauts des Gesetzes nicht als gegeben erscheinen.
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