G r ü n d e :
1.
Die Parteien sind Brüder und streiten, nachdem sie zuvor unter Beteiligung ihrer beiden Schwestern sowohl im Erbscheinsverfahren (15 VI 113/99 AG Mönchengladbach) als auch in einem Zivilrechtsstreit (zuletzt 11 O 209/04 LG Mönchengladbach) jahrelang um die Erbenstellung nach ihrer Anfang 1999 verstorbenen Mutter gestritten hatten, vorliegend um den Pflichtteilsanspruch des Klägers gegen den Beklagten – als dem Alleinerben der Mutter aufgrund deren Testaments vom Mai 1998 – in Höhe von 10.864,90 €. Kernfrage des Streits in beiden Instanzen ist, ob dieser Pflichtteilsanspruch verjährt ist oder nicht.
Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf die tatbestandlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils verwiesen, durch das der Beklagte – bis auf eine Teilabweisung wegen des Zinsbeginns – in der genannten Höhe nach Antrag verurteilt worden ist und gegen das nur der Beklagte Berufung eingelegt hat. Der Kläger verteidigt als Berufungsbeklagter die angefochtene Entscheidung und Verurteilung. Wegen des Vorbringens des Beklagten als Berufungskläger wird auf seine in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Schriftsätze verwiesen.
2.
Die zulässige Berufung des Beklagten hat auch in der Sache Erfolg, d.h., die angefochtene Entscheidung war abzuändern und die Zahlungsklage abzuweisen, weil der Pflichtteilsanspruch des Klägers verjährt ist (§ 2332 BGB).
2.1.
Es ist von dem in der Rechtsprechung seit Jahrzehnten anerkannten Grundsatz auszugehen, daß die Dreijahresfrist aus § 2332 Abs. 1 BGB mit der Kenntnis des Pflichtteilsberechtigten, hier also des Klägers, von der beeinträchtigenden Verfügung, hier also von dem (zweiten) Testament vom Mai 1998, zu laufen beginnt und daß von einem Pflichtteilsberechtigten grundsätzlich zu erwarten ist, dass er ggf. selbst verjährungsunterbrechende Maßnahmen ergreift (wozu eine Auskunftsklage allein noch nicht gehört, RGZ 115, 27, 29). Entgegen der vom Kläger vertretenen Auffassung ist es insbesondere nicht so, dass die Verjährung eines Pflichtteilsanspruchs solange gehemmt wäre, wie ein Erbscheinsverfahren, in dem um die Erbenstellung – und damit im Ergebnis auch um daraus folgende Pflichtteilsansprüche – gestritten wird, andauert.
Die den Fristbeginn markierende „Kenntnis“ des Pflichtteilsberechtigten von der beeinträchtigenden Verfügung kann allerdings fehlen, wenn und solange der Berechtigte irrtümlich davon ausgeht und ausgehen darf, die – ihm als solche an sich bekannte – Verfügung entfalte keine ihn beeinträchtigende Wirkung. Das kann dann der Fall sein, wenn „Wirksamkeitsbedenken [gegen die beeinträchtigende Verfügung] nicht von vorneherein von der Hand zu weisen sind“ (u.a. RGZ aaO; BGH NJW 1964, 297; 1995, 1157; 2000, 288). Eine auf solchen Wirksamkeitsbedenken beruhende Unkenntnis von der beeinträchtigenden Verfügung ist nach gefestigter Rechtsprechung grundsätzlich anzuerkennen. Vorliegend hat das Landgericht zur Begründung der „Unkenntnis“ des Klägers im dargestellten Sinne allerdings darauf abgestellt, daß bis zum Ende der Beweisaufnahme im Erbscheinsverfahren am 15. Juni (oder an anderer Stelle: Juli) 2002 „nicht hinreichend sicher“ festgestanden habe, daß der Kläger lediglich pflichtteilsberechtigt war, und dass deshalb die Zustellung des Mahnbescheids am 15. Juni 2005 fristwahrend gewesen sei. Dem kann nicht gefolgt werden.
2.2.
Da der Kläger tatsächliche Kenntnis von der beeinträchtigenden Verfügung, nämlich von dem Testament vom Mai 1998, das erstmals den Beklagten zum Alleinerben einsetzte, spätestens im Februar 1999 hatte, weil er (Kläger) in jenem Monat die beiden Testamente der Erblasserin von 1998 angefochten hat (s. Beiakten 15 VI 113/99), ist zu fragen, ob überhaupt und ggf. bis zu welchem Zeitpunkt die Wirksamkeitsbedenken des Klägers gegen dieses Testament ausreichten, um seine „Unkenntnis“ von der beeinträchtigenden Verfügung im Sinne der Rechtsprechung anzuerkennen. Dass Kenntnis in diesem Sinne erst dann zu bejahen wäre, wenn die Rechtslage, wie das Landgericht gemeint hat, „hinreichend sicher“ geklärt ist, lässt sich der höchstrichterlichen Rechtsprechung allerdings nicht entnehmen.
Welche „besondere Lage des Falles“ (RGZ 115, 27, 31) es rechtfertigt, daß ein Pflichtteilsberechtigter „berechtigte Zweifel“ an der Echtheit einer beeinträchtigenden Verfügung hat, bestimmt sich gemäß RGZ 140, 75, 77 und BGH NJW 1964, 297 f nach denselben Grundsätzen wie bei § 852 BGB [a.F.]: es müssen „erhebliche rechtliche Zweifel, verwickelte oder zweifelhafte Rechtsfragen“ sein, die, bevor Kenntnis bejaht werden kann, „eine gewisse Klärung gefunden haben müssen“. Es kann unterstellt werden, dass die vom Kläger hier im Erbscheinsverfahren zunächst behauptete Fälschung des Testaments und danach Fehlen der Testierfähigkeit der Erblasserin nicht von vorneherein von der Hand zu weisende Zweifel an der Wirksamkeit des Testaments vom Mai 1998 begründeten; diese hatten indes nach dem Eingang des psychiatrischen (chronologisch zweiten) Sachverständigengutachtens zur Testierfähigkeit der Erblasserin am 31.Dez. 2000 (Bl. 129 R von 15 VI 113/99) und nach der erläuternden Anhörung des (chronologisch ersten) Schriftsachverständigen am 28. Mai 2001 (Bl. 152 ff von 15 VI 113/99) im Erbscheinsverfahren ihre – nicht einmal nur „gewisse“ – Klärung gefunden, denn sowohl die Frage der Handschriftlichkeit – und damit Formgültigkeit – des Testaments als auch die Frage der Testierfähigkeit der Erblasserin waren nach diesen und aufgrund dieser beiden Sachverständigengutachten und der darauf gestützten Anhörung eindeutig geklärt. Ende Mai 2001 bestanden also keine „nicht von vorneherein von der Hand zu weisenden Wirksamkeitsbedenken“ gegen das Testament vom Mai 1998 mehr und Ende Mai 2001 begann damit die Dreijahresfrist aus § 2332 Abs. 1 BGB zu laufen. Auch in dem RGZ 115, 27, 30 zugrunde liegenden Fall hat das Reichsgericht den Verjährungsbeginn zu dem Zeitpunkt angesetzt, zu dem der dortige Kläger, der, worauf das Reichsgericht ausdrücklich hinweist, „sogleich“ die Echtheit der beeinträchtigenden Verfügung bestritten hatte, durch das Gutachten des „Schreibsachverständigen“ Kenntnis im Rechtssinne von der Gültigkeit des Testaments (und der beeinträchtigenden Verfügung) erlangte.
Vorliegend hat der Kläger zwar, nachdem er mit den beiden zunächst eingewendeten keinen Erfolg gehabt hatte – nämlich erst Fälschung, nach dem Schriftgutachten dann fehlende Testierfähigkeit -, neue Wirksamkeitsbedenken geäußert – nämlich nach dem psychiatrischen Gutachten zur Testierfähigkeit die Behauptung von Drohungen und/oder Täuschungen des Beklagten gegenüber der Erblasserin, sogar deren Willenlosigkeit (Bl. 136 ff, 189 ff von 15 VI 113/99), -; diese Bedenken konnten aber nicht zur fortdauernden oder erneuten Unkenntnis des Klägers von der ihn beeinträchtigenden Verfügung der Mutter und Erblasserin führen. Wollte man die Argumentation des Landgerichts teilen, dass aufgrund dieser Behauptungen des Klägers die Enterbung des Klägers auch nach dem Mai 2001 noch nicht „hinreichend sicher“ gewesen sei, stünde es nahezu im Belieben des Pflichtteilsberechtigten, die Dreijahresfrist des § 2332 BGB fast schon beliebig zu dehnen, indem er selbst – wie hier – immer wieder andere Wirksamkeitsbedenken neu geltend macht und – auch wenig substantiiert – behauptet. Das widerspräche dem Sinn der kurzen Verjährungsfrist aus § 2332 BGB. Darüberhinaus sind nicht nur „nicht von vorneherein von der Hand zu weisende“ Zweifel an der Wirksamkeit des enterbenden Testaments weniger als eine „hinreichende Sicherheit“ der Enterbung, sondern ist auch „eine gewisse Klärung“ der zweifelhaften Rechtsfrage der Enterbung weniger als die „hinreichende Sicherheit“ dieser Enterbung, auf die das Landgericht hier abgestellt hat.
In dem vom BGH NJW 1995, 1157 entschiedenen Fall hatten die (späteren) Parteien 1984, im Todesjahr des Erblassers, ein Testament gegenüber dem Nachlaßgericht noch übereinstimmend ausgelegt, was zur Erteilung eines bestimmten Erbscheins (Beklagte als befreite Vorerbin, Kläger als Nacherbe) geführt hatte, gegen den der Kläger dort allerdings nach einem Sinneswandel (nämlich Beklagte nichtbefreite Vorerbin und Kläger Nacherbe) Ende 1986 in einem ersten Verfahren – letztlich erfolglos – vorgegangen war. In jenem ersten Verfahren hatte das OLG seine Rechtsauffassung zu erkennen gegeben, wonach keine Vor- und Nacherbschaft vorliege, sondern die Beklagte dort tatsächlich Alleinerbin geworden sei. 1988 hatte die Beklagte dort daraufhin einen entsprechenden Erbschein beantragt sowie Klage auf Feststellung, daß sie Alleinerbin sei, erhoben; das obsiegende Urteil dieses zweiten Verfahrens wurde 1992 rechtskräftig. Ende 1992 hat der Kläger dort dann u.a. Pflichtteilsansprüche geltend gemacht, die in einem dritten Verfahren OLG und BGH aaO für verjährt gehalten haben. Der BGH hat u.a. ausgeführt, spätestens 1988, als von der Beklagten der Erbscheinsantrag auf Alleinerbschaft gestellt wurde, hätte für den Kläger Anlaß bestanden, seine – sich aus einer Alleinerbschaft der Beklagten ergebenden anderen – Rechte verjährungsunterbrechend geltend zu machen, also Klage zu erheben auf – gemäß der rechtlichen Beurteilung des Klägers – Feststellung der Nacherbschaft, hilfsweise des Pflichtteils. Entsprechendes gilt für den vorliegenden Fall. Der Kläger hätte spätestens im Juni 2004 verjährungsunterbrechende Maßnahmen ergriffen haben müssen und auch können. In 6 O 27/00 = 11 O 209/04 hatte der Kläger zusammen mit seinen Schwestern bereits im Januar 2000 Stufenklage und Klage auf Feststellung seiner Miterbenschaft gegen den Beklagten erhoben und war – nach rechtskräftiger Abweisung des Auskunftsantrags – am 13. Febr. 2001 (Bl. 131) und dann wieder am 26. April 2004 (Bl. 238 ff, dies in Kenntnis des Beschlusses des Nachlaßgerichts vom 30. Dez. 2003, daß es dem Beklagten einen Erbschein als Alleinerben zu erteilen beabsichtige,) über den Antrag auf eidesstattl. Versicherung verhandelt worden. Der Kläger hätte also einen entsprechenden Hilfsantrag auf Feststellung – oder sogar Zahlung, weil das Wertgutachten wegen des Hauses bereits seit Ende Sept.1999 vorliegt, – verjährungshemmend stellen können, dies aber nicht getan. Da die Verjährung vorliegend also spätestens am 31. Mai 2004 eingetreten war, war durch die Zustellung des Mahnbescheids an den Beklagten am 17. (nicht: 15.) Juni 2005 keine Unterbrechung bzw. kein Neubeginn (§ 212 BGB n.F.) mehr herbeizuführen.
Nach alledem hat die Berufung Erfolg und war die Klage wegen Verjährung abzuweisen.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Zf. 10 ZPO.