Zu den Voraussetzungen, unter denen die von Eltern als gesetzliche Vertreter ihrer minderjährigen Kinder erklärte Ausschlagung einer Erbschaft der familiengerichtlichen Genehmigung gemäß § 1643 BGB bedarf.
Zu den Voraussetzungen, unter denen die von Eltern als gesetzliche Vertreter ihrer minderjährigen Kinder erklärte Ausschlagung einer Erbschaft der familiengerichtlichen Genehmigung gemäß § 1643 BGB bedarf.
Der angefochtene Beschluss wird abgeändert.
Das Nachlassgericht wird angewiesen, den Erbschein vom 08.03.2012 einzuziehen.
Die zur Erteilung eines Erbscheins entsprechend dem Antrag des Beteiligten zu 4) vom 29.07.2013 erforderlichen Tatsachen werden für festgestellt erachtet.
Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten des Verfahrens findet nicht statt.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.)
Die am 18.11.2011 verstorbene Erblasserin war mit dem Beteiligten zu 4) verheiratet. Aus der Ehe sind drei Kinder hervorgegangen, nämlich die Beteiligten zu 2) und 5) sowie Frau Q. Die Beteiligten zu 1) und 3) sind die (einzigen) Kinder der Q. Sie sind am 10.02.1994 geborene Zwillinge.
Auf Antrag des Beteiligten zu 4) hat das Nachlassgericht zunächst am 06.12.2011 einen Erbschein erteilt, der die gesetzliche Erbfolge ausweist. Am 17.01.2012 hat Frau Q zu Protokoll des Nachlassgerichts die Annahme der Erbschaft durch Fristablauf angefochten und die Ausschlagung erklärt. Hierzu hat sie ausgeführt, dass, was keiner der anderen Beteiligten bestreitet, stets die Errichtung eines Testaments durch ihre Mutter im Gespräch gewesen sei. Sie habe daher auf eine Nachricht über das Auffinden bzw. den Inhalt dieses Testaments gewartet. Weiter erklärte sie gemeinsam mit ihrem Ehemann, dem Vater der Beteiligten zu 1) und 3) für den Beteiligten zu 1) ebenfalls die Ausschlagung der Erbschaft. Hinsichtlich des Beteiligten zu 3) gaben sie zu Protokoll, dass dieser die Erbschaft annehmen wolle, weshalb sie im Hinblick auf die kurzfristig eintretende Volljährigkeit von einer Ausschlagung absähen.
Der Beteiligte zu 4) hat daraufhin zunächst einen neuen Erbschein beantragt, der die gesetzliche Erbfolge mit der Maßgabe ausweist, dass anstelle der Q nunmehr der Beteiligte zu 3) Miterbe zu 1/6 ist. Nach Einziehung des zuerst erteilten Erbscheins hat das Amtsgericht am 08.03.2012 diesem Antrag entsprochen.
Nachdem es zu innerfamiliären Auseinandersetzungen gekommen war, regte der Beteiligte zu 4) am 17.06.2013 die Einziehung des zuletzt erteilten Erbscheins mit der Begründung an, dass die für den Beteiligten zu 1) erklärte Ausschlagung mangels familiengerichtlicher Genehmigung unwirksam sei. Die Beteiligten zu 1) und 3) sind dem Antrag entgegengetreten, wobei der Beteiligte zu 1) in privatschriftlicher Form erklärt hat, dass es bei seiner Ausschlagung verbleibe. Am 29.07.2013 hat der Beteiligte zu 4) ergänzend die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins beantragt, der Erbteile für die Beteiligten zu 1) und 3) zu je 1/12 ausweisen soll.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht eine Einziehung des Erbscheins abgelehnt und den Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 4) vom 29.07.2013 zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Beteiligte zu 4) mit der Beschwerde.
II.)
Die zulässige Beschwerde ist begründet.
Der Erbschein vom 08.03.2012 ist einzuziehen, weil er die gesetzliche Erbfolge nicht zutreffend bekundet. Gesetzliche Erben nach der Erblasserin waren zunächst ihr Ehemann und ihre drei Kinder. Die Tochter der Erblasserin, also die Mutter der Beteiligten zu 1) und 3) ist infolge ihrer Ausschlagung, an deren Wirksamkeit zu zweifeln kein Anlass besteht, als Erbin weggefallen (§ 1953 Abs.1 BGB). An ihre Stelle treten als gesetzliche Erben die Beteiligten zu 1) und 3) als ihre Abkömmlinge (§§ 1953 Abs.2, 1924 Abs.3 und 4 BGB). Diese gesetzliche Erbfolge ist entgegen der Einschätzung des Nachlassgerichts durch die am 17.01.2012 namens des Beteiligten zu 1) erklärte Ausschlagung nicht nochmals verändert worden. Denn die durch die gesetzlichen Vertreter des Beteiligten zu 1) erklärte Ausschlagung bedurfte der familiengerichtlichen Genehmigung gem. § 1643 Abs.2 Satz 1 BGB, die nicht vorliegt.
Der Senat schließt sich insoweit der ganz h.A. an, nach welcher der Ausnahmetatbestand des § 1643 Abs.2 S.2 BGB nicht eingreift, wenn Eltern bei mehreren Abkömmlingen nur für einen Teil derselben die Ausschlagung erklären (vgl. KG Berlin, Beschluss vom 13. März 2012 – 1 W 747/11 – = FGPrax 2012, 165 = RPfleger 2012, 533 m.w.N.). Das KG hat hierzu in der genannten Entscheidung Folgendes ausgeführt:
„Zwar betrifft § 1643 Abs. 2 Satz 2 BGB nach seinem Wortlaut auch den Fall, dass die Eltern die Erbschaft für drei ihrer Kinder ausschlagen und für ein Kind annehmen; mit dem Sinn und Zweck der Vorschrift ist dies aber nicht in Einklang zu bringen. Hinter § 1643 Abs. 2 Satz 2 BGB steht die Vermutung, dass nach der Lebenserfahrung anzunehmen ist, dass für den Fall, dass die Eltern eine Erbschaft ausschlagen, der Anfall dann auch für das Kind nachteilig ist oder sonst ein guter Grund für die Ausschlagung vorliegt (…). Diese Vermutung ist widerlegt, wenn das Verhalten der Eltern zeigt, dass sie die Erbschaft für sich selbst nicht ausgeschlagen haben, weil ihre Annahme nachteilig wäre, sondern weil sie den Nachlass in eine bestimmte Bahn lenken wollten (Ivo, Die Erbschaftsausschlagung für das minderjährige Kind, ZEV 2002, 309, 313). In einem solchen Fall liegt das Interesse, das die Eltern bei der Ausschlagung für sich selbst verfolgen, nicht auf der gleichen Linie wie das Interesse der Kinder, für die sie die Erbschaft gleichfalls ausschlagen; die Eltern wollen die Erbschaft nicht – aus welchen Gründen auch immer – von den als Ersatzerben berufenen Kindern schlechthin fernhalten, sondern in eine bestimmte Richtung lenken. Eine solche gezielte Maßnahme, die einen Teil der Kinder benachteiligt, aber andere oder ein anderes begünstigt, soll nicht der Kontrolle des Familiengerichts entzogen sein (Staudinger/Engler, BGB, Neubearb.2009, Rd. 38c zu § 1643 mit umfangr.Nachw.; zur „selektiven Ausschlagung“ vgl. auch Sagmeister, ZEV 2012, 121, 123).“
Der Senat hält diese Überlegungen für überzeugend, wobei aus seiner Sicht allerdings nicht entscheidend ist, ob Hinweise auf eine gezielte Bevorzugung/Benachteiligung bestehen. Maßgebend ist vielmehr, dass bereits die objektive Selektion die gesetzliche Vermutung eines Interessengleichklangs zwischen den Eltern und ihren Kindern in Frage stellt, und die familiengerichtliche Kontrolle damit nicht mehr als entbehrlich gelten kann.
Aus eben diesem Grund kann es aus Sicht des Senats im Rahmen des nachlassgerichtlichen Verfahrens auch nicht auf die von den Eltern der Beteiligten zu 1) und 3) gegebene Begründung für die Unterscheidung bei der Ausschlagung ankommen. Die Tatbestände des § 1643 BGB entscheiden nicht darüber, ob die Erklärung der gesetzlichen Vertreter wirksam, sondern allein darüber, ob zu ihrer Wirksamkeit die familiengerichtliche Genehmigung erforderlich ist. Dabei ist die Antwort auf die Frage, ob eine familiengerichtliche Genehmigung erforderlich ist, für das weitere Verhalten der gesetzlichen Vertreter von ausschlaggebender Bedeutung. Dies macht es aber erforderlich, bei der Auslegung und Anwendung des § 1643 BGB auf klar definierte und vor allem objektivierbare Tatbestände und Verhaltensweisen abzustellen. Die Prüfung und Würdigung von Überlegungen und Motiven im Einzelfall ist Gegenstand des familiengerichtlichen Verfahrens.
Das Fehlen der familiengerichtlichen Genehmigung machte die für den Beteiligten zu 1) erklärte Ausschlagungserklärung zunächst schwebend unwirksam, da § 1831 BGB nach praktisch einhelliger Auffassung auf Ausschlagungserklärungen nicht anwendbar ist (vgl. Staudinger/Engler, BGB, Stand 2004, § 1831 Rdn.12 m.w.N.). Mit Ablauf der Ausschlagungsfrist wurde die Ausschlagungserklärung allerdings endgültig unwirksam, da bis zum Ende der Ausschlagungsfrist alle zur Wirksamkeit der Ausschlagung notwendigen Voraussetzungen erfüllt sein müssen.
An diesem Ergebnis ändert auch der Umstand, dass der Beteiligte zu 1) während des Laufes der Ausschlagungsfrist volljährig geworden ist, nichts. Wie sich aus §§ 1643 Abs. 3, 1829 Abs. 3 BGB ergibt, führt der Eintritt der Volljährigkeit nicht automatisch zur Wirksamkeit der Erklärung des/der gesetzlichen Vertreter, vielmehr geht die Genehmigungsbefugnis von dem Familiengericht auf den nunmehr Volljährigen über. Auch der Beteiligte zu 1) hat jedoch innerhalb der für ihn am 17.01.2012 in Lauf gesetzten Ausschlagungsfrist keine Genehmigung der Ausschlagungserklärung gegenüber dem Nachlassgericht erklärt.
Für die Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten sieht der Senat keine hinreichende Grundlage (§ 81 Abs. 1 S. 1 FamFG).
Eine Wertfestsetzung ist entbehrlich, da die Beschwerde Erfolg hat (§ 25 Abs. 1 GNotKG).
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 70 Abs.2 FamFG) liegen nicht vor, auch da der Senat sich der bislang zu der Kernfrage ergangenen Rechtsprechung angeschlossen hat.
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