OLG Bremen, 12.05.2015 – 5 W 9/15
Nachlasssache: Anwendbarkeit der Grundsätze der Anscheins- und Duldungsvollmacht auf die Erklärung der Erbausschlagung durch den gesetzlichen Vertreter eines Vereins gegenüber dem Nachlassgericht
Leitsatz
Auf die Erklärung der Erbausschlagung durch den gesetzlichen Vertreter eines Vereins gegenüber dem Nachlassgericht als amtsempfangsbedürftige Willenserklärung finden die Grundsätze der Anscheins- und Duldungsvollmacht keine Anwendung.(Rn.17)
Tenor
Die Beschwerde des Beschwerdeführers vom 02.02.2015 gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Nachlassgericht- Bremerhaven vom 09.01.2015 wird zurückgewiesen.
Von der Erhebung von Gerichtskosten wird abgesehen. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Der Gegenstandswert wird auf 57.686.- € festgesetzt.
Gründe
Der Beteiligte zu 2. beantragte am 05.07.2010 nach entsprechender Mitteilung durch das Nachlassgericht unter Hinweis auf die Erbausschlagung einen Erbschein, der ihn, den Beteiligten zu 2., als Alleinerben ausweist (Bl. 1 ff d.A.).
Mit Rücksicht auf die vom Amtsgericht für wirksam erachtete Erbausschlagung durch den Beteiligten zu 1. ging das Amtsgericht fortan von der gesetzlichen Erbfolge aus (Vermerk vom 22.07.2010, Bl. 6 d.A.).
Nach weiteren Ermittlungen im Hinblick auf eventuelle andere gesetzliche Erben hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 02.12.2010 (Bl. 21) die für die Erteilung des beantragten Erbscheins erforderlichen Tatsachen als festgestellt erachtet. Unter dem gleichen Datum erteilte es den beantragten Erbschein, der den Beteiligten zu 2. als Alleinerben auswies (Bl. 22 d.A.).
Mit Antrag vom 06.03.2012 beantragte der Beteiligte zu 1., diesen Erbschein wegen Unrichtigkeit einzuziehen und stattdessen einen Erbschein zu erteilen, der den Beteiligten zu 1. als alleinigen Erben ausweist (Bl. 28 d.A.).
Zur Begründung hat er sich darauf berufen, dass die 1. Vorsitzende satzungsgemäß nicht befugt gewesen sein, den Verein allein zu vertreten; daher sei die erst nachträglich bekannt gewordene Erbausschlagung unwirksam.
Der Beteiligte zu 2. ist dem entgegengetreten mit der Begründung, der Beteiligte zu 1. müsse sich das Handeln seiner 1. Vorsitzenden zurechnen lassen.
Mit Beschluss vom 10.02.2014 hat das Amtsgericht den Antrag des Beteiligten zu 1. mit der Begründung zurückgewiesen, die Erbausschlagung durch die 1. Vorsitzende sei nach den Grundsätzen der Duldungsvollmacht zu Lasten des Beteiligten zu 1. wirksam, so dass es bei dem erteilten Erbschein bleibe (Bl. 110 d. A.).
Hiergegen hat sich der Beteiligte zu 1. mit der Beschwerde vom 11.03.2014 gewandt (Bl. 116).
Mit Beschluss vom 09.01.2015 hat das Amtsgericht der Beschwerde stattgegeben und „die Erteilung eines Erbscheins bewilligt“, wonach die Erblasserin vom Beteiligten zu 1. allein beerbt worden sei; den Erbschein vom 02.12.2010 hat es wegen Unrichtigkeit eingezogen (Bl. 179).
Hiergegen wendet sich nunmehr der Beteiligte zu 2. mit seiner Beschwerde vom 02.02.2015 (Bl. 187 d.A.). Dabei beruft er sich vor allem auf den internen Vermerk des Amtsgerichtes vom 22.07.2010 vor Erteilung des ersten Erbscheins, in dem der zuständige Richter das Eintreten der gesetzlichen Erbfolge festgestellt habe (Bl. 6 d.A.).
Der Beteiligte zu 1.verteidigt die angegriffene Entscheidung.
Zu Recht hat es das Amtsgericht in dem angefochtenen Beschluss und abweichend vom Beschluss vom 10.02.2014 auch abgelehnt, die Grundsätze über die Anscheins- und Duldungsvollmacht auf die vorliegende Fallkonstellation anzuwenden. Diese Rechtsinstitute beruhen auf dem Grundsatz des Vertrauensschutzes (Palandt-Ellenberger, a.a.O., § 171, Rdn. 6) und können schon von daher auf eine amtsempfangsbedürftige Willenserklärung (Palandt-Weidlich, a.a.O. § 1945, Rdn. 1 und 7) keine entsprechende Anwendung finden. Denn das Amtsgericht als Empfänger dieser Erklärung macht sich zunächst ausdrücklich keine Gedanken über deren Wirksamkeit, sondern beurkundet sie nur (AG Bremerhaven, Akten über den Nachlass, Az. 7 VI 300/10, Bl. 1) und entwickelt schon von daher kein zu schützendes Vertrauen. Dass das Nachlassgericht die Wirksamkeit dieser Erklärung im anschließenden Erbscheinsverfahren überprüft – oder jedenfalls hätte überprüfen sollen -, macht das Nachlassgericht nicht zum Empfänger dieser Erklärung. Vielmehr kommt es mit dieser Überprüfung, wenn sie denn erfolgt, nur seiner gesetzlichen Verpflichtung nach, vor der Erteilung des Erbscheins die maßgeblichen Tatsachen von Amts wegen zu ermitteln (Palandt-Weidlich, a.a.O., § 2358, Rdn. 2). Für Vertrauensschutzgesichtspunkte ist hier ebenfalls kein Raum, von ihnen lässt sich das Gericht nicht leiten.
Schließlich finden diese Gesichtspunkte der Anscheins- und Duldungsvollmacht auch im Hinblick auf den Beteiligten zu 2. keine Anwendung, da dieser nicht Adressat der in Rede stehenden Ausschlagungserklärung ist, sondern – im Falle ihrer Wirksamkeit – nur mittelbar von ihr betroffen ist. Auf derartige mittelbare Folgen einer Willenserklärung hat das Amtsgericht im angefochtenen Beschluss zutreffend die genannten Vertrauensschutzgesichtspunkte nicht angewandt.
Dies spielt im Beschwerdeverfahren indessen keine Rolle: anstelle eines solchen Feststellungbeschlusses kann das Beschwerdegericht das Amtsgericht anweisen, den begehrten Erbschein zu erteilen. Da das Amtsgericht im vorliegenden Fall angekündigt hat, den beantragten Erbschein „zu bewilligen“, bedarf es einer solchen Anweisung indessen nicht; es genügt vielmehr die Zurückweisung der Beschwerde. Dem Amtsgericht bleibt sodann die Erteilung des Erbscheins vorbehalten (vgl. zu allem Keidel-Zimmermann, a.a.O., § 352, Rdn. 157).
Auch wenn dieser Beschluss dem erklärten Willen des Beteiligten zu 2. widerspricht, war schließlich von einer Aussetzung der Wirksamkeit des Beschlusses (§ 352 Abs. 2 BGB) bis zur Rechtskraft des Beschlusses abzusehen, da der entsprechende Beschluss im Beschwerdeverfahren unmittelbar rechtskräftig wird (Keidel-Zimmermann, a.a.O.).
Der Gegenstandswert ergibt sich aus den genannten Angaben des Beteiligten zu 2. zum Nachlasswert gegenüber dem Nachlassgericht. Sofern insoweit noch Grundstückswerte hinzukommen sollten, wird der Gegenstandswert ggf. zu korrigieren sein.
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