OLG Hamm 15 W 427/13 Grundbuchamt – Zweifel an Testierfähigkeit des Erblassers

Juli 23, 2017

OLG Hamm · Beschluss vom 1. August 2014 · Az. 15 W 427/13

Hat das Grundbuchamt tatsächliche Zweifel an der Testierfähigkeit des Erblassers und damit an der Wirksamkeit der Erbeinsetzung in einer letztwilligen Verfügung, kann es trotz Vorliegens einer notariell beurkundeten letztwilligen Verfügung die Vorlage eines Erbscheins zur Grundbuchberichtigung verlangen.

Tenor

Die Beschwerde wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die angefochtene Zwischenverfügung klarstellend wie folgt neu gefasst wird:

Dem Vollzug des Grundbuchberichtigungsantrags der Beteiligten vom 24.10.2013 steht als Eintragungshindernis entgegen, dass die Rechtsstellung der Beteiligten als Alleinerbin des verstorbenen Eigentümers D nicht hinreichend nachgewiesen ist.

Zur Behebung der Beanstandung durch Beibringung eines Erbscheins, der die Beteiligte als Alleinerbin ausweist, wird eine Frist von 3 Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung gesetzt.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe

I.

Als Alleineigentümer der eingangs genannten Grundstücke ist seit dem 21.04.xxxx D (im Folgenden: Erblasser) eingetragen. Für ihn war bereits im Jahre 2008 durch Beschluss des Amtsgerichts Meinerzhagen vom 18.09.2008 (6 XII C 36) Frau I als Betreuerin mit den Aufgabenkreisen Gesundheitsfürsorge, Vertretung des Betroffenen gegenüber Behörden und Sozialversicherungsträgern sowie Vermögenssorge bestellt und im letztgenannten Aufgabenkreis zusätzlich ein Einwilligungsvorbehalt angeordnet worden. An deren Stelle wurde durch Beschluss vom 22.01.2010 Herr X zum Berufsbetreuer bestellt.

Der Erblasser errichtete zu notarieller Urkunde vom 28.12.2010 (UR-Nr. 236/2010 Notar L in N) ein Testament, in dem er die Beteiligte als Alleinerbin einsetzte.

In notarieller Urkunde vom 10.09.20xx hat der Betreuer in gesetzlicher Vertretung des Erblassers die vorgenannten Grundstücke an Frau G verkauft und aufgelassen. Der Antrag des Betreuers auf Erteilung der betreuungsgerichtlichen Genehmigung zu diesem Vertrag ist nicht mehr beschieden worden, nachdem der Erblasser am 19.09.20xx verstorben ist.

Die Beteiligte nimmt für sich in Anspruch, aufgrund des nach dem Tode des Erblassers eröffneten Testaments als seine Alleinerbin berufen zu sein. Sie hat in notarieller Urkunde vom 24.10.2013 (UR-Nr. 611/2013 Notar L in N) mit Frau G vereinbart, in den Kaufvertrag vom 10.09.2013 einzutreten und die Auflassung neu erklärt. Ferner hat sie beantragt, „vorab“ die Grundbuchberichtigung aufgrund Erbfolge nach dem Testament vom 28.12.2010 im Grundbuch einzutragen.

Diesen Grundbuchberichtigungsantrag hat das Grundbuchamt mit Zwischenverfügung vom 07.11.2013 dahin beanstandet, die Erbfolge könne nicht durch das notarielle Testament vom 28.12.2010 als nachgewiesen angesehen werden, weil aufgrund der Vorgänge des Betreuungsverfahrens konkrete Bedenken gegen die Testierfähigkeit des Erblassers zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung bestünden.

Gegen diese Zwischenverfügung richtet sich die Beschwerde der Beteiligten, die sie mit Schriftsatz des Urkundsnotars vom 15.11.2013 bei dem Grundbuchamt eingelegt hat.

II.

Die Beschwerde gegen die angefochtene Zwischenverfügung ist nach den §§ 71 Abs. 1, 73 GBO zulässig. Der Senat geht davon aus, dass Beschwerdeführerin nur die im Beschlusseingang genannte Beteiligte F ist, weil für den von ihr in der Urkunde vom 24.10.2013 „vorab“ gestellten Antrag auf Grundbuchberichtigung aufgrund Erbfolge allein sie antragsberechtigt und dementsprechend auch beschwerdeberechtigt ist.

In der Sache ist das Rechtsmittel unbegründet. Gegenstand des Verfahrens ist der Antrag der Beteiligten auf Grundbuchberichtigung aufgrund Erbfolge nach dem Erblasser, den sie in der notariellen Urkunde vom 24.10.2013 „vorab“, also mit der Maßgabe gestellt hat, dass die Grundbuchberichtigung vor der nachgehend zur Eintragung beantragten Auflassungsvormerkung eingetragen werden soll.

Nach § 35 Abs. 1 S. 1 GBO kann der Nachweis der Erbfolge nur durch einen Erbschein geführt werden. Nach S. 2 Halbs. 1 derselben Vorschrift genügt bei einer Erbfolge aufgrund letztwilliger Verfügung, die in einer öffentlichen Urkunde enthalten ist, die Vorlage dieser Urkunde sowie der Niederschrift über die Eröffnung dieser letztwilligen Verfügung. Wenn wie hier eine solche letztwillige Verfügung vorliegt, kann das Grundbuchamt nach Halbs. 2 derselben Vorschrift gleichwohl die Vorlage eines Erbscheins verlangen, wenn es die Erbfolge durch die vorgelegte Urkunde nicht für nachgewiesen hält. Grundsätzlich hat danach das Grundbuchamt eine vorgelegte letztwillige Verfügung in Form einer öffentlichen Urkunde selbst auch inhaltlich daraufhin zu überprüfen, ob sich daraus die Erbfolge ableitet, die im Berichtigungswege im Grundbuch eingetragen werden soll. Der Umfang dieser Prüfungspflicht wird jedoch dadurch eingeschränkt, dass im Grundbucheintragungsverfahren tatsächliche Ermittlungen nicht durchgeführt werden dürfen. Deshalb hat das Grundbuchamt trotz des Vorliegens einer notariell beurkundeten letztwilligen Verfügung die Vorlage eines Erbscheins zu verlangen, wenn sich bei der Feststellung der Erbfolge tatsächliche Zweifel ergeben, die nur durch weitere Ermittlungen über tatsächliche Verhältnisse geklärt werden können (vgl. Demharter, GBO, 29. Aufl., § 35, Rdnr. 39 m.w.N.). Die Durchführung solcher Ermittlungen ist vielmehr dem Nachlassgericht im Verfahren auf Erteilung eines Erbscheins vorbehalten.

Das Grundbuchamt hat hier zu Recht angenommen, dass solche tatsächlichen Zweifel an der Wirksamkeit der Erbeinsetzung der Beteiligten bestehen. Solche Zweifel können auch im Hinblick auf eine Testierunfähigkeit des Erblassers begründet sein, die nach § 2229 Abs. 4 BGB zur Unwirksamkeit der testamentarischen Erbeinsetzung führt. Solche Zweifel aufzugreifen hat das Grundbuchamt allerdings nur Anlass, wenn konkrete Umstände für eine Testierunfähigkeit des Erblassers zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung sprechen. Auf dieser Grundlage bestehen keine Bedenken dagegen, dass das Grundbuchamt die Erklärung des Herrn X in der weiteren zum Vollzug vorgelegten Kaufvertragsurkunde vom 10.09.2013, er gebe seine Erklärungen als rechtlicher Betreuer für den Erblasser ab, zum Anlass genommen hat, in die bei demselben Amtsgericht geführten Betreuungsakten Einsicht zu nehmen. Die Auswertung der dortigen Verfahrensvorgänge führt in Übereinstimmung mit der Beurteilung des Grundbuchamtes zu dem Ergebnis, dass massive Zweifel an der Testierfähigkeit des Erblassers zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung bestehen:

Nach voraufgegangener vorläufiger Betreuerbestellung hat das Amtsgericht durch Beschluss vom 18.09.2008 Frau I2 als Betreuerin für den Erblasser bestellt, und zwar mit umfassenden Aufgabenkreisen Gesundheitsfürsorge, Vertretung gegenüber Behörden und Sozialversicherungsträgern sowie Vermögenssorge. Gleichzeitig wurde für den Aufgabenkreis der Vermögenssorge ein Einwilligungsvorbehalt (§ 1903 BGB) angeordnet. Dieser Betreuerbestellung lag das Gutachten des ärztlichen Sachverständigen C1 vom 09.08.2008 zugrunde, der den Betroffenen am 07.08.2008 persönlich untersucht hat. Der Sachverständige hat bei dem Betroffenen ein demenzielles Syndrom diagnostiziert, das zu einer ausgeprägten Störung des Kurzzeitgedächtnisses geführt hatte. Der Betroffene war in zeitlicher Hinsicht und zur Situation nicht orientiert. Die Kritikfähigkeit sowie das Beurteilungsvermögen wiesen Defizite auf. In seiner zusammenfassenden Beurteilung kommt der Sachverständige zu dem Ergebnis, der Betroffene sei als geschäftsunfähig einzustufen, sei jedoch noch als testierfähig anzusehen, weil er Sinn und Zweck eines Testamentes verständlich habe erklären und seinen (damaligen) Wunsch zum Ausdruck bringen können, seine Schwägerin M als Alleinerbin einsetzen zu wollen.

Bereits das Grundbuchamt hat zutreffend darauf hingewiesen, dass die begriffliche Unterscheidung des Sachverständigen zwischen Geschäftsunfähigkeit und Testierunfähigkeit im juristischem Begriffsverständnis unhaltbar ist. Jedenfalls in dem Kernbereich der Beurteilung, dass der Betroffene aufgrund krankhafter Störung der Geistestätigkeit oder Geistesschwäche nicht mehr zu einer freien Willensbestimmung in der Lage ist, stimmen beide Begriffe inhaltlich überein. Es gibt auch kein relatives Verhältnis zwischen einer Geschäftsunfähigkeit für schwierige Rechtsgeschäfte und einer noch bestehenden Testierfreiheit für eine vermeintlich einfachere Testamentserrichtung. Denn für die Annahme einer Fähigkeit zur freien Willensbestimmung reicht es nicht aus, dass der Erblasser den Vorgang der Testamentserrichtung als solchen erfassen und seine Vorstellung zum Ausdruck bringen kann, in bestimmter Weise einen Erben bestimmen zu wollen. Vielmehr muss der Erblasser auch in der Lage sein, sich ein klares Urteil über die Tragweite seiner Anordnungen sowie über die Gründe, die für und gegen deren sittliche Berechtigung sprechen, zu bilden (vgl. etwa BGH NJW 1959, 1822; Senat OLGZ 1989, 273; ZEV 1997, 75 = FamRZ 1997, 1026). Für diesen Prozess der Willensbildung ist die von dem Sachverständigen festgestellte massive Störung des Kurzzeitgedächtnisses und der zeitlichen und situativen Orientierung von tragender Bedeutung. Im Hinblick auf die von dem Sachverständigen festgestellte demenzielle Erkrankung ist für den Zeitraum zwischen der Gutachtenerstattung im Jahre 2008 und der Testamentserrichtung am Jahresende 2010 mit keiner Verbesserung, sondern eher mit einem weiteren Fortschreiten der kognitiven Defizite des Erblassers zu rechnen.

Diese Anhaltspunkte mögen nicht ausreichen, um im Grundbucheintragungsverfahren positiv die abschließende Feststellung treffen zu können, dass der Erblasser im Zeitpunkt der Testamentserrichtung testierunfähig gewesen sei. Diese Anhaltspunkte sind jedoch ausreichend, um in dem eingangs dargestellten Sinn berechtigte Zweifel an der Testierfähigkeit des Erblassers zu begründen, denen vor Erteilung eines Erbausweises in Form eines Erbscheins durch weitere tatsächliche Ermittlungen nachgegangen werden müsste.

So zu entscheiden ist das Grundbuchamt nicht gehindert durch die in der notariellen Urkunde vom 28.12.2010 niedergelegte Feststellung der Überzeugung des Notars, der Erblasser sei zum damaligen Zeitpunkt testierfähig gewesen. Diese Feststellung beruht auf § 28 BeurkG, bringt jedoch lediglich die persönliche Überzeugung des Notars auf der Grundlage des mit dem Erblasser geführten Gesprächs zum Ausdruck. Die Überzeugungsbildung des Urkundsnotars hat durchaus eine gewichtige Bedeutung im Rahmen der Sachverhaltsaufklärung zur Frage einer Testierunfähigkeit des Erblassers. Irgendeine Bindungswirkung für spätere gerichtliche Verfahren ist mit dieser Feststellung nicht verbunden, insbesondere aus der angeführten gesetzlichen Vorschrift auch nicht ableitbar. Dass ein Gericht nach umfassenden Ermittlungen im Ergebnis zu einer anderen Beurteilung der Testierunfähigkeit des Erblassers gelangt als der Urkundsnotar, gehört zu den alltäglichen Vorgängen der Nachlassgerichte. Dementsprechend kann entgegen der Auffassung der Beschwerde auch für das Verfahren auf Eintragung einer Grundbuchberichtigung nicht angenommen werden, das Grundbuchamt sei allein wegen der Feststellung der persönlichen Überzeugung des Notars gehindert, gewichtige andere Anhaltspunkte für eine gleichwohl bestehende Testierunfähigkeit aufzugreifen und deshalb eine Grundbuchberichtigung von der Vorlage eines Erbscheins abhängig zu machen.

Der Senat hat die Zwischenverfügung aus Gründen der Klarstellung neu gefasst und eine neue Frist zur Behebung der Beanstandung für die Beteiligte bestimmt.

Die Wertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren beruht auf den §§ 61 Abs. 1, 36 Abs. 1 und 2 GNotKG.

 

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