Gründe:
I.
Der Kläger ist der einzige Sohn der Eheleute Dr. T2 und T. Er begehrt die Feststellung seiner Erbenstellung nach dem letztversterbenden Elternteil.
Vater des Klägers war der am ####1928 geborene und am ####2008 verstorbene Jurist Dr. T2; zu Zeiten seiner Berufstätigkeit war er zeitweise Polizeipräsident von H und C. Die am ####1929 geborene Mutter des Klägers (im Folgenden: Erblasserin) stammte aus einer Kaufmannsfamilie; sie verstarb am ####2009 unter Hinterlassung eines wenige Monate vor ihrem Tode errichteten notariellen Testamentes vom 25.03.2009, welches der Notar Dr. I in H beurkundet hatte. In diesem Testament, wegen des Einzelheiten auf die Anlage zur Klageschrift (Bl. 9 ff d.A.) Bezug genommen wird, verfügte die Erblasserin nach Voranschickung eines längeren Vorwortes Folgendes:
§ 1
Ich bin durch frühere Verfügungen von Todes wegen nicht an der Errichtung eines Testamentes gehindert.
Rein vorsorglich widerrufe ich trotzdem alle Verfügungen von Todes wegen.
§ 2
Zu meinem alleinigen Erben berufe ich Herrn L, geb. am ####1958 … .
§ 3
Weiteres habe ich nicht zu bestimmen.
Die Parteien streiten im vorliegenden Rechtsstreit um die Wirksamkeit der so angeordneten Erbeinsetzung des Beklagten auf folgendem Hintergrund:
Die Eltern des Klägers hatten mit Datum vom 07.08.2005 ein vom Vater des Klägers geschriebenes und von beiden Elternteilen unterschriebenes „gemeinsames (sog. „Berliner“) Testament“ errichtet, wegen des Inhaltes auf die Anlage zur Klageschrift (Bl. 8 d.A.) Bezug genommen wird. Darin setzten sie sich gegenseitig zu Alleinerben ein und bestimmten den Kläger zum Erben des Längstlebenden von ihnen. Nach der Formulierung einer Pflichtteilsklausel enthält das gemeinschaftliche Testament folgende Passage:
„Von etwaigen Verfügungsbeschränkungen ist jeder der beiden Ehegatten befreit.“
Dieses Testament wurde nach dem Tode des Ehemannes Dr. T2 zum AZ. 9 IV 181/08 vom Amtsgericht Recklinghausen eröffnet. Die Mutter des Klägers beantragte und erhielt unter Bezugnahme auf dieses Testament vom Amtsgericht Recklinghausen zum AZ. 9 VI 234/08 einen Erbschein als Alleinerbin ihres Ehemannes.
Auf Antrag des Klägers ordnete das Amtsgericht Recklinghausen zum AZ. 64 XVII S 2784 unter dem 28.05.2008 hinsichtlich der Frau T, die seinerzeit im Pflegezentrum S2 in S lebte, eine gerichtliche Betreuung an, wobei zunächst Berufsbetreuerinnen, und sodann der Kläger als Betreuer bestellt wurden. Nachdem die Betreute auf eigenen Wunsch in ihre frühere Wohnung in H zurückgekehrt war, verfügte das Amtsgericht Gelsenkirchen zum AZ. 11 XVII Sch 218 mit Beschluss vom 28.01.2009 die Aufhebung der Betreuung. Nach der Rückkehr der späteren Erblasserin in ihre Wohnung im Sommer 2008 bestanden intensive Kontakte ihrerseits zu dem Beklagten und dessen Ehefrau, die bis zum Tode der Erblasserin anhielten. Dabei übergab sie dem Beklagten mehrfach größere Geldbeträge, wobei die Hintergründe der Geldübergaben und deren Rückführung in das Vermögen der Erblasserin zwischen den Parteien streitig sind.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er sei aufgrund einer bindenden letztwilligen Verfügung seiner Eltern Alleinerbe seiner letztversterbenden Mutter geworden. Es sei gemeinsamer Wille seiner Eltern gewesen, eine endgültige Regelung bezüglich des Schlusserben zu treffen, die seine Mutter durch das notarielle Testament vom 25.03.2009 nicht mehr habe abändern können. Der Testamentshinweis darauf, dass jeder der beiden Ehegatten von etwaigen Verfügungsbeschränkungen befreit sei, bedeute lediglich die Ermächtigung zu Verfügungen unter Lebenden. Sein Vater als Jurist habe die Bindungswirkung des Berliner Testamentes nach dem Tode des erstversterbenden Ehegatten gekannt und gewollt; auf abweichende Vorstellungen und Erklärungen seiner Mutter nach dem Tode ihres Ehemannes komme es nicht mehr an.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, dass er Alleinerbe nach seiner am ####2009 verstorbenen Mutter, T, geb. X, zuletzt wohnhaft X-Straße, ####1 H, geworden sei.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat die Auffassung vertreten, das Ehegattentestament von August 2005 sei in dem Sinne auszulegen, dass klargestellt werde, dass der überlebende Ehegatte letztwillig frei verfügen könne. Es sei gewollt gewesen, dass der überlebende Ehegatte berechtigt sein sollte, andere Verfügungen von Todes wegen zu treffen. Dies sei auf dem Hintergrund geschehen, dass den Eheleuten B die luxuriöse Lebensweise ihres Sohnes, der im Jahre 2007 – unstreitig – in Haft gekommen und verurteilt worden sei, nicht gepasst habe. Man habe abwarten wollen, wie sich das Auftreten des einzigen Sohnes sowie sein Verhältnis zu den Eltern weiter entwickele. Nachdem der Kläger sich zuletzt in keiner Weise um die Erblasserin gekümmert, sondern sie im Gegenteil gegen ihren Willen unter Betreuung gestellt habe, habe die Erblasserin von der ihr eingeräumten Möglichkeit zu einem abweichenden letztwilligen Testat Gebrauch gemacht. Sie habe dem beurkundenden Notar Dr. I im Einzelnen erklären können und erklärt, weshalb eine Abänderbarkeit des Testamentes gewollt gewesen sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivortrags wird auf die Darstellungen im Urteil des Landgerichts Essen vom 13.04.2010 Bezug genommen.
Mit diesem Urteil hat das Gericht des ersten Rechtszuges festgestellt, dass der Kläger Alleinerbe nach seiner am ####2009 verstorbenen Mutter T geworden sei. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, das Ehegattentestament von August 2005 habe nach dem Tode des Ehemannes bezüglich der Alleinerbenstellung des Klägers nach der überlebenden Mutter gemäß § 2271 Abs. 2 BGB für diese Bindungswirkung entfaltet. Daran ändere die niedergelegte Testamentsbestimmung, wonach jeder der beiden Ehegatten von etwaigen Verfügungsbeschränkungen befreit sei, nichts; es handele sich insoweit regelmäßig nur um die Ermächtigung zu Verfügungen unter Lebenden. Es lasse sich vorliegend auch nicht feststellen, dass nach dem übereinstimmenden Willen der beiden testierenden Eheleute zum Zeitpunkt des Abfassens der gemeinschaftlichen letztwilligen Verfügung eine Freistellung des Überlebenden zu abweichenden letztwilligen Verfügungen gewollt gewesen sei. Die am Schluss getroffene Ersatzerbenregelung beim Vorversterben des Sohnes zugunsten der beiden Enkeltöchter spreche entschieden dagegen, dass dem überlebenden Ehegatten gestattet werden sollte, einen anderen Erben als deren Vater zu bestimmen. Es komme nicht darauf an, ob – wie der Beklagte unter Beweis gestellt habe – die Erblasserin später der subjektiven Auffassung gewesen sei, abweichend testieren zu dürfen. Schließlich habe die Mutter des Klägers ihr abweichendes Testat von März 2009 nicht mit der ihr eingeräumten Änderungsbefugnis, sondern durch notariell formulierte Erwägungen zu späteren Entwicklungen (der Sohn und die Enkelinnen hätten sich nicht um sie gekümmert) begründet. Ihr abweichendes Testat zugunsten des Beklagten sei vor dem Hintergrund der zu ihrem Lebensende hin dramatisch verschlimmerten Alkoholerkrankung und der mit ihr zusammenhängenden Ambivalenz zu sehen; auf die subjektiven Wahrnehmungen und dadurch geprägten Bekundungen der Erblasserin komme es letztlich für die Bindungswirkung des Ehegattentestamentes nicht an.
Gegen diese Entscheidung wendet sich der Beklagte mit seiner form- und fristgerecht eingelegten Berufung, die in Abänderung der erstinstanzlich getroffenen Feststellung die Abweisung der Klage verfolgt.
Zur Begründung seines Rechtsmittels macht der Beklagte – vertiefend – geltend:
Das Landgericht habe für die gebotene Auslegung des Testamentes vom 07.08.2005 unzureichende Tatsachenfeststellungen getroffen und deshalb die Auslegung unrichtig vorgenommen.
Es habe die Beweisantritte seinerseits nicht übergehen dürfen, wonach die Erblasserin vor ihrem abweichenden Testat von März 2009 dem Notar Dr. I auf dessen Befragen und Vorhalte ausdrücklich erklärt habe, beide Ehegatten hätten bei der Testamentsabfassung im Sommer 2009 gewollt, dass „jeder nach dem Tod des anderen Ehegatten frei entscheiden könne, wer als dessen Erbe eingesetzt werde“. Die Erblasserin habe zur Begründung dieses Freistellungswillens auch erläutert, dass man wegen des von ihnen nicht gebilligten luxuriösen Lebensstils ihres Sohnes und angesichts dessen offener weiterer Entwicklung letztlich habe abwarten wollen, wie sich das Auftreten des Klägers und sein Verhalten zu seinen Eltern weiter entwickele. Auch habe sie die Überlegung ihres Ehemannes dem Notar geschildert, wonach man es nicht verhindern könne, dass der Sohn wertmäßig über den Pflichtteil die Hälfte bekomme – selbst wenn ein anderes Testament gemacht werde. Zu diesen in das Wissen des Notars gestellten Äußerungen der Erblasserin habe Beweis durch dessen Vernehmung erhoben werden müssen, weil sie zuverlässigen Rückschluss darauf ermöglichten, was von den beiden Eheleuten beim gemeinschaftlichen Testat gewollt gewesen sei.
Schließlich habe das Landgericht die weiteren Umstände unzureichend gewürdigt. So hätten sich die Motivationsschilderungen der Erblasserin zur Testamentsänderung am 25.03.2009 gerade darauf bezogen, dass die von den Eheleuten B befürchtete Entwicklung mit der Verurteilung des Sohnes wegen Subventionsbetruges, Bestechung und Abrechnungsbetruges und wegen Körperverletzungen im Zusammenhang mit seiner Arzttätigkeit eingetreten sei. Auch sei vom Landgericht nicht widerspruchsfrei gewürdigt worden, dass ein Volljurist – wie es der Vater des Klägers gewesen sei – mit der Testamentspassage zur Befreiung von etwaigen Verfügungsbeschränkungen keine Anordnung getroffen haben würde, die juristisch überflüssig und daher sinnlos gewesen sei; zudem habe für ein freies letztwilliges Verfügungsrecht der überlebenden Ehefrau auch gesprochen, dass das nach dem Längstlebenden zu vererbende wesentliche Vermögen – die Eigentumswohnung – im Wesentlichen aus Erlösen eines Hausverkaufes erworben worden sei, die dem ererbten Vermögen der Ehefrau entstammt hätten.
Der Beklagte beantragt,
unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er tritt dem Rechtsmittel unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens entgegen. Unter Verteidigung des landgerichtlichen Urteils verweist er auf seine erstinstanzlichen Beweisantritte durch Vernehmung seiner geschiedenen Ehefrau und seiner jetzigen Lebensgefährtin dafür, dass sein Vater nach Errichtung des gemeinschaftlichen Testamentes von August 2005 sich anlässlich von regelmäßigen Besuchen ausdrücklich dahin erklärt habe, dass der überlebende Ehegatte keine neuen Verfügungen von Todes wegen treffen könne.
Der Kläger trägt ergänzend vor, der Vater habe anlässlich einer Kurzreise nach Wien im Jahre 2007 geäußert, er wolle nicht, dass seine Ehefrau nach seinem Tode andere Personen als die im gemeinschaftlichen Testament eingesetzten zum Erben bestimmen könne, insbesondere solle sie keinen neuen Lebenspartner zum Erben einsetzen können.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen ergänzend Bezug genommen.
Der Senat hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugen Dr. I, B2 und X2; zudem hat der Senat die Parteien persönlich angehört. Hinsichtlich des Ergebnisses der Parteianhörung und Beweisaufnahme wird auf das Protokoll zum Senatstermin vom 29. März 2011 (Bl. 166 ff d.A.) sowie den hierzu gefertigten Berichterstattervermerk vom 29. März 2011 (Bl. 173 ff d.A.) verwiesen.
Die Akten AG Gelsenkirchen 11 XVII Sch 218 und 39 VI 468/09 sowie AG Recklinghausen 9 VI 234/08 und 9 VI 796/10 hatten zur Information des Senates vorgelegen.
II.
Die zulässige Berufung des Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg und war deshalb zurückzuweisen.
Im Ergebnis zutreffend hat das landgerichtliche Urteil festgestellt, dass der Kläger Alleinerbe seiner am ####2009 verstorbenen Mutter geworden ist.
Die Alleinerbenstellung des Klägers beruht auf der Erbeinsetzung seiner Mutter zu seinen Gunsten in dem gemeinschaftlichen Ehegattentestament vom 7. August 2005 (Bl. 8 d.A.).
In diesem gemäß §§ 2247, 2267 BGB formgültig errichteten Testament war der Kläger als einziger Sohn der Testierenden zum Schlusserben nach dem letztversterbenden Elternteil bestimmt worden, wobei infolge des Vorversterbens seines Vaters der Kläger zum Erben der längstlebenden Mutter berufen war. Dieses Testament hat seine Mutter bis zu ihrem Tode auch nicht wirksam im Sinne der §§ 2254, 2258 Abs. 1 BGB widerrufen. Denn der grundsätzlich mögliche Widerruf einer testamentarischen Verfügung war für sie mit dem Tode ihres Ehemannes und mit der Annahme der durch ihn zu ihren Gunsten verfügten Erbschaft nach § 2271 Abs. 2 Satz 1 BGB ausgeschlossen.
Haben Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testament Verfügungen getroffen, von denen anzunehmen ist, dass die Verfügung des einen nicht ohne die Verfügung des anderen getroffen sein würde, erlischt nach §§ 2271 Abs. 2 Satz 1 BGB das Recht des Überlebenden von ihnen zum Widerruf seines Testamentes mit dem Tode des anderen Ehegatten, sofern nicht der Überlebende das ihm Zugewendete ausschlägt. Vorliegend stand die Erbeinsetzung der Mutter des Klägers durch ihren Ehemann einerseits mit derjenigen des Klägers durch seine Mutter zu ihrem Schlusserben andererseits zueinander im Verhältnis der Wechselbezüglichkeit. Nachdem das gemeinschaftliche Testament der Eheleute Dr. B vorsah, dass der jeweils überlebende Ehegatte den anderen voll beerben, nach ihm aber der einzige Sohn der Eheleute – der Kläger – Schlusserbe werden sollte, liegt auf der Hand, dass die dem überlegenden Ehepartner zugewendete Alleinerbenstellung (unter Ausschluss des Sohnes) gerade deshalb angeordnet wurde, weil der überlebende Ehegatte seinerseits den gemeinsamen Sohn – ersatzweise dessen Kinder – zu seinem Alleinerben bestimmte. Darüber hinaus ist die Wechselbezüglichkeit der Erbeinsetzung des Klägers durch seine (überlebende) Mutter zu der Erbeinsetzung ihrerseits durch ihren (erstversterbenden) Ehemann nach § 2270 Abs. 2 BGB im Zweifel zu vermuten.
Mit dem Tode des erstversterbenden Vaters des Klägers trat sodann die in § 2271 Abs. 2 Satz 1 BGB angeordnete erbrechtliche Bindung der überlebenden Erblasserin an ihre wechselbezügliche letztwillige Verfügung zugunsten des gemeinsamen Sohnes ein, die sie hinderte, diese noch wirksam zu widerrufen oder abweichend von ihr letztwillig zu verfügen.
Nichts Abweichendes ergibt sich vorliegend daraus, dass die Eheleute Dr. B in ihrem gemeinsamen Testament vom 7. August 2005 niedergelegt hatten, „jeder der beiden Ehegatten“ sei „von etwaigen Verfügungsbeschränkungen befreit“.
Zwar ist es erbrechtlich möglich und anerkannt, dass gemeinschaftlich testierende Ehegatten die Widerrufbarkeit wechselbezüglicher Verfügungen über § 2271 Abs. 2 BGB hinaus erweitern und dem Überlebenden von ihnen ein freies Widerrufsrecht einräumen könnne (vgl. Palandt, BGB, 70. Aufl., § 2271 BGB , Rz. 20 mit weiteren Nachweisen; JURIS-PK BGB, 5. Aufl., § 2271 BGB, Rz. 30).
Eine solche Ermächtigung zur Abänderung wechselbezüglicher Verfügungen eines gemeinschaftlichen Testamentes kann allerdings nur durch Testament eingeräumt werden, wobei sich der Vorbehalt gerade auf die Befugnis zu abweichenden Verfügungen von Todes wegen beziehen muss; eine solche Änderungsbefugnis kann sich auch im Wege der Auslegung nach dem Willen beider Ehegatten – ggf. sogar im Wege ergänzender Testamentsauslegung – ergeben (Palandt, a.a.O., § 2271 BGB, Rz. 21 mit weiteren Nachweisen). Bei der Annahme eines solchen Erblasserwillens zur (freien oder begrenzten) Abänderbarkeit wechselbezüglicher Verfügungen durch den Überlebenden ist allerdings nach der Rechtsprechung eher Zurückhaltung geboten; die häufige Bestimmung, dass der Überlebende frei und ungehindert verfügen dürfe, ist mangels anderweitiger Anhaltspunkte lediglich als klarstellender Hinweis auf die unbeschränkte Erbenstellung des Überlebenden und dessen (damit einhergehende) unbeschränkte Ermächtigung zu Verfügungen unter Lebenden zu verstehen (vgl. Palandt, a.a.O., § 2271 BGB, Rz. 21 mit weiteren Nachweisen; so auch z.B.: OLG Hamm, OLGR 2002, 179 ff). Denn die Bindungswirkung wechselbezüglicher Verfügungen liegt gerade darin begründet, dass die letztwillige Verfügung des Überlebenden dem vorverstorbenen Ehegatten gerade Anlass zu seiner eigenen Verfügung gegeben hatte, für ihn dabei also das Vertrauen auf die Rechtsbeständigkeit jener Verfügung des Überlebenden maßgeblich war; darin würde er getäuscht werden, wenn sie nach seinem Tod von dem anderen Ehegatten ohne Weiteres widerrufen werden könnte (vgl. Palandt, a.a.O., § 2270 BGB, Rz. 12 mit weiteren Nachweisen).
Dass der vorverstorbene Ehemann Dr. T2 seine Ehefrau mit der in Rede stehenden Testamentsformulierung von der Bindung an ihre Erbeinsetzung zugunsten des Klägers als (ihres) Schlusserben hat freistellen wollen, vermag der Senat auch nach Anhörung der Parteien, Würdigung der von dem Beklagten hierzu angeführten Umstände und nach dem Ergebnis der antragsgemäß durchgeführten Beweisaufnahme nicht festzustellen.
Weder nach der Formulierung des Testamentes noch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der testierende Vater des Klägers Jurist war und deshalb möglicherweise von den Bindungswirkungen im Rahmen eines sog. Berliner Testamentes sowie deren Abdingbarkeit wusste, ergibt sich sicher oder eindeutig der Wille zu einer Freistellung von den Bindungswirkungen des Überlebenden. Entgegen den Vermutungen der Berufung kann keineswegs nach der Lebenserfahrung gesichert wegen der juristischen Vorbildung des testierenden Vaters angenommen werden, er und seine Ehefrau hätten keinen „überflüssigen“ Hinweis auf die volle Verfügungsbefugnis des überlebenden Ehegatten aufnehmen, sondern die Bindungswirkungen für den Überlebenden aus § 2271 Abs. 2 BGB abbedingen wollen. So entspricht schon der gewählte Ausdruck dahin, dass von „Verfügungsbeschränkungen befreit“ werden sollte, nicht juristisch exakt dem, was eine Freistellung von Bindungswirkungen an getroffene letztwillige Verfügungen nach § 2271 Abs. 2 BGB bedeutet. Auch nach der systematischen Stellung der Passage zur „Befreiung von Verfügungsbeschränkungen“ im Testament der Eheleute B zwischen der Schlusserbenbestimmung zugunsten des Klägers und der Ersatzerbenbestimmung der Enkelinnen für den Fall von dessen Vorversterben lässt sich nicht zweifelsfrei entnehmen, dass ein Bezug gerade zu der Schlusserbenbestimmung gemeint war.
Der Senat vermag auch nach den im Übrigen zur Testamentsauslegung zur Verfügung stehenden Anhaltspunkten nicht festzustellen, dass die Erblasserin durch ihren Ehemann von der Bindung an die letztwillig verfügte Schlusserbenbestimmung des gemeinschaftlichen Sohnes hat freigestellt werden sollen.
Die insoweit gebotene Testamentsauslegung muss die Ermittlung dessen zum Ziel haben, was der testierende Erblasser mit seinen Worten sagen wollte; allein sein subjektives Verständnis der von ihm verwendeten Worte und Begrifflichkeiten ist insoweit maßgeblich (vgl. Palandt, a.a.O., § 2084 BGB, Rz. 1 mit weiteren Nachweisen). Dies gilt grundsätzlich auch bei der Auslegung gemeinschaftlicher Testamente von Ehegatten; jedoch ist bei solchen Testamenten für jede Verfügung gesondert zu prüfen, ob ein nach dem Verhalten des einen Testierenden mögliches Auslegungsergebnis auch dem Willen des anderen von ihnen entsprochen hat; es kommt dabei auf den übereinstimmenden Willen zur Zeit der Testamentserrichtung an (vgl. Palandt, a.a.O., Einführung vor § 2286 BGB, Rz. 10 mit weiteren Nachweisen). Lässt sich keine übereinstimmende Vorstellung beider testierenden Ehegatten zu einer Auslegungsfrage feststellen, ist auf den Willen des in Rede stehenden Erblassers abzustellen – allerdings mit der Maßgabe, wie er sich aus Sicht des anderen Ehegatten dargestellt hat (Palandt, a.a.O.).
In Anwendung dieser Rechtsprechungsgrundsätze hat der Senat bereits den Bekundungen des vom Beklagten benannten Zeugen und Notars Dr. I – erst recht nicht den Bekundungen der gegenbeweislich benannten Zeuginnen – entnehmen können, ob die testierenden Eheleute B im August 2005 mit der genannten Testamentspassage eine Freistellung des Überlebenden von ihnen von der Bindungswirkung der verfügten Schlusserbeneinsetzung des gemeinsamen Sohns im Auge hatten. Der Senat hat den Bekundungen des Zeugen Dr. I nichts Hinreichendes dazu entnehmen können, dass die ihn konsultierende Erblasserin verlässliche Angaben dazu machte, ihr habe im Einverständnis ihres Ehemannes mit dem Testament vom 7. August 2005 eine abweichende letztwillige Verfügung unter Enterbung des gemeinsamen einzigen Kindes ermöglicht werden sollen.
Der Zeuge Dr. I hat als derjenige Notar, welcher das von der gemeinschaftlichen Verfügung abweichende Testament der überlebenden Erblasserin im März 2009 beurkundete, zwar wiederholte Äußerungen ihrerseits ihm gegenüber bekundet, wonach sie „ganz allein nach dem Tode ihres Mannes verfügen“ könne. Derartige Äußerungen sollen – so der Notar bestimmt – ihm gegenüber ausdrücklich auf Vorhalte des niedergelegten gemeinschaftlichen Testamentsinhaltes gemacht worden sein. Bei diesen Äußerungen soll die Erblasserin auch geblieben sein, als er ihr vorgehalten habe, dass so eine freie Verfügungsmöglichkeit für den überlebenden Ehegatten bei dieser Art von Testamenten ungewöhnlich sei.
Der Senat hat jedoch gleichwohl erhebliche Bedenken, ob die durchaus beharrlichen Äußerungen der Erblasserin ihm gegenüber nicht nur aus deren subjektiver Deutung, genährt durch die persönliche Enttäuschung über das Verhalten ihres Sohnes, resultierten, ihr sei mit der fraglichen Passage „freie Hand“ gewährt worden. Insoweit ist bereits auffällig, dass die Erblasserin auf die Vorhalte des Notars zur Ungewöhnlichkeit einer „freien Verfügungsmöglichkeit für den überlebenden Ehegatten bei dieser Art von Testamenten“ sich nicht etwa darauf berufen hatte, ihr Ehemann habe ihr eine Enterbung des Sohnes als Reaktion auf dessen weitere Entwicklung freistellen wollen. Vielmehr hat sie sich dem Notar gegenüber darauf beschränkt, die schon zu Lebzeiten ihres Ehemannes bestehende Verärgerung über das Verhalten des Sohnes und dessen bereits bei Errichtung des gemeinschaftlichen Testamentes getätigte Äußerungen zu schildern und daraus ihre „Freiheit zur Verfügung“ abzuleiten. Darüber hinaus hat der Notar Dr. I sich bei seiner Vernehmung darauf berufen, letztlich den Willen der Mutter des Klägers in seiner Urkunde vom 25.03.2009 so niedergeschrieben zu haben, wie sie es unbedingt gewollt habe; es seien diejenigen Gründe in dem notariellen Testament niedergeschrieben worden, die ihm die Erblasserin als Gründe für die Enterbung ihres Sohnes und ihrer Enkelinnen geschildert habe.
Treffen diese Angaben des Zeugen Dr. I – was der Senat zugunsten des ihn benennenden Beklagten unterstellen kann – zu, wird aus ihnen deutlich, dass die Erblasserin mitnichten deshalb eine letztwillige Verfügung zugunsten des Beklagten errichtete, weil ihr eine Abweichung von der Schlusserbeneinsetzung ihres Sohnes in dem gemeinschaftlichen Ehegattentestament explizit gestattet worden war. Denn das notarielle Testament vom 25.03.2009 lässt jedweden Bezug auf das vorhandene Ehegattentestament von August 2005 vermissen. Weder in dem umfangreichen Vorwort, noch in den getroffenen testamentarischen Verfügungen als solchen ist die Rede davon, dass die Testierende bereits eine letztwillige Erbeinsetzung zugunsten ihres Sohnes (ersatzweise ihrer Enkelkinder) getroffen habe, die sie nunmehr aufgrund einer ihr eingeräumten Abänderungsbefugnis revidieren wolle. Vielmehr ist im Vorwort des Testats vom 25.03.2009 ausdrücklich als „einziger Grund“ dafür, dass weder zugunsten des Sohnes noch der Enkelkinder verfügt werde, angegeben, dass sich aus diesem Personenkreis niemand um sie kümmere. Zudem ist unter § 1 der beurkundeten letztwilligen Verfügung nicht etwa der Widerruf der bestehenden Erbeinsetzung des Sohnes von August 2005 erklärt sondern lediglich ein „rein vorsorglicher Widerruf“ etwaiger Verfügungen von Todes wegen. Auf dem Hintergrund der Schilderungen des Notars Dr. I vor dem Senat, wonach er mit diesen Formulierungen lediglich die von der Erblasserin formulierten Gründe für ihr abweichendes Testat fixiert habe, lässt sich nach alledem keineswegs feststellen, dass sie gerade von der ihr durch den vorverstorbenen Ehemann eingeräumten und gestatteten Möglichkeit Gebrauch machen wollte, eine bereits bestehende Schlusserbeneinsetzung ihres Sohnes aus dem vorhandenen gemeinschaftlichen Testament abzuändern. Dass die ersichtlich vom Verhalten ihrer nächsten Verwandten enttäuschte Erblasserin subjektiv glaubte und entsprechend überzeugend schilderte, sie dürfte abweichend testieren, genügte insoweit zur Feststellung einer tatsächlich auch vom vorverstorbenen Ehemann bejahten Freistellung zu abweichenden letztwilligen Verfügungen nicht.
Die Bekundungen der weitergehend gegenbeweislich vernommenen Zeugen waren zum tatsächlichen Erblasserwillen bei Errichtung der gemeinschaftlichen letztwilligen Verfügung am 07.08.2005 gänzlich unergiebig; sie ermöglichen jeweils keine dem Beklagten günstigere Testamentsauslegung im Sinne einer Freistellung.
Auf der Grundlage der Darlegungen des Beklagten sowie der Schilderungen des Zeugen Dr. I besteht auch kein Anhalt dafür, dass das gemeinschaftliche Testament der Eheleute Dr. B von August 2005 eine Regelungslücke in der Weise enthielt, dass die Testierenden eine unvorteilhafte oder unerwünschte Entwicklung ihres einzigen Sohnes nicht bedacht, für diesen Fall jedoch dem Überlebenden von ihnen eine Freistellung von der Schlusserbeneinsetzung zu dessen Gunsten hätten ermöglichen wollen. Sowohl dem Vortrag des Beklagten als auch den Bekundungen des Zeugen Dr. I ist vielmehr zu entnehmen, dass die Eltern des Klägers seine Entwicklung bereits über Jahre sehr skeptisch beurteilt und die später eingetretene Problematik befürchtet, sie also für möglich gehalten haben. Insoweit fehlte es für den Zeitpunkt der Testamentserrichtung im August 2005 an einer Regelungslücke, deren Vorhandensein eine ergänzende Testamentsauslegung erst ermöglichen würde (vgl. Palandt, a.a.O., § 2084 BGB, Rz. 8).
Mit der im gemeinschaftlichen Testament vom 07.08.2005 verfügten Schlusserbeneinsetzung des Klägers nach seiner Mutter hat es schließlich auch ungeachtet der Anfechtungserklärung des Beklagten vom 01.12.2010 gegenüber dem Nachlassgericht sein Bewenden.
Abgesehen davon, dass der Beklagte sich mit seiner Berufung nicht mehr auf die vermeintliche Anfechtbarkeit der Schlusserbeneinsetzung des Klägers nach §§ 2078, 2080 BGB berufen hat, fehlt es sowohl an einer rechtzeitigen Anfechtung, also auch an einem geeigneten Anfechtungsgrund.
Zwar gestattet § 2078 Abs. 1 BGB die Anfechtung, wenn der Erblasser über den Inhalt seiner letztwilligen Erklärung im Irrtum war oder eine Erklärung dieses Inhaltes gar nicht abgeben wollte und anzunehmen ist, dass er bei Kenntnis der wahren Sachlage die Erklärung nicht abgegeben haben würde. Insoweit hat der Beklagte in seiner Anfechtungserklärung vom 01.12.2010 gegenüber dem Nachlassgericht – wie der Beiakte zu entnehmen ist – angegeben, die Erblasserin habe sich ggf. in einem Inhaltsirrtum befunden, weil sie eine mit der Wechselbezüglichkeit ohne Änderungsvorbehalt einhergehende verbindliche Erbeinsetzung ihres Sohnes nicht gewollt habe. Weil beim gemeinschaftlichen Testament die Wechselbezüglichkeit der jeweiligen Verfügungen aber nicht Erklärungsinhalt ist, können die getroffenen letztwilligen Verfügungen zutreffenderweise auch nicht wegen Irrtums über die mit dem Tod des Erstversterbenden eintretende Bindungswirkung angefochten werden (vgl. Palandt, a.a.O., § 2078 BGB, Rz. 3).
Im Übrigen hätte die Anfechtung nach § 2082 BGB binnen Jahresfrist ab dem Zeitpunkt erklärt werden müssen, in welchem der Anfechtungsberechtigte (vorliegend der Beklagte) von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangte. Vorliegend war spätestens mit dem Schriftwechsel im Erbscheinsverfahren über den vom Kläger gestellten Erbscheinsantrag (AG Gelsenkirchen – 39 VI 486/09) und den dortigen Hinweisen auf eine bindende Erbeinsetzung des Sohnes im Herbst des Jahres 2009 offenbar, dass die Bindungswirkung des gemeinschaftlichen Testamentes von August 2005 die davon abweichende Erbeinsetzung zugunsten des Beklagten vereiteln konnte. Das Nachlassgericht hatte daraufhin mit Schreiben vom 21.10.2009 eine Klärung der strittigen Erbschaftsangelegenheit im Wege der Feststellungsklage angeregt, was zu dem vorliegenden Rechtsstreit führte. Spätestens seit jener Zeit musste der Beklagte ernsthaft damit rechnen, dass seine eigene Erbeinsetzung an der Bindungswirkung des gemeinschaftlichen Testamentes zu Lasten der Erblasserin scheitern würde; seine Anfechtungserklärung ist jedoch mehr als ein Jahr später – nämlich am 01.12.2010 – erfolgt.
Nach alledem ist die mit der Berufung angefochtene Feststellung des Landgerichts in der Sache zu Recht erfolgt.
Die mit dem Ziel der Klageabweisung eingelegte Berufung musste demzufolge mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückgewiesen werden; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Ziffer 10, 711 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen.
Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung; weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gebieten eine Entscheidung des Revisionsgerichts.