G r ü n d e :
I.
Die Erblasserin war verheiratet. Aus ihrer Ehe sind keine Kinder hervorgegangen.
Am 21.01.1986 errichtete sie mit ihrem Ehemann ein eigenhändiges gemeinschaftliches Testament, das folgenden Wortlaut hat:
„Gemeinschaftlicher letzter Wille!
I. Wir, die Eheleute I und M2 T, geb. J, wohnhaft in I2, M-Straße, setzen uns gegenseitig zu Erben ein.
Im Falle des gleichzeitigen Ablebens bestimmen wir folgendes:
Dem Neffen L T, wohnhaft in F, X-Weg, sind aus unserem Nachlaß 20.000, – DM (Zwanzigtausend) an Geld oder Sachwerten zu übergeben.
Seinen drei Kindern N2, N3 und E sind je 10.000, – DM (Zehntausend) auf ein Sparkonto zu zahlen, die als Ausbildungsbeihilfe oder zur Gründung eines Hausstands zu verwenden sind.
Der Rest des Vermögens ist je zur Hälfte
- der deutschen Krebshilfe
- unverschuldet in Not geratenen Kindern unseres Heimatlandes evtl. über Organisationen zur Verfügung zu stellen.
Die übrigen Verwandten bekommen nichts, da ein herzliches Verhältnis, das eine Zuwendung gerechtfertigt hätte, nicht vorhanden war.
I T
II. Das vorstehende von meinem Mann Verfügte ist auch mein Letzter Wille.
M2 T geb. J“
Am 10.12.2004 verstarb der Ehemann der Erblasserin.
Die Beteiligten streiten darüber, ob das gemeinschaftliche Testament dahingehend ausgelegt werden kann und muss, dass der Beteiligte zu 1) über den Wortlaut hinausgehend auch als Schlusserbe für den Fall des zeitlich in größerem Abstand aufeinanderfolgenden Versterbens der Ehegatte eingesetzt ist.
Nach dem Tod der Erblasserin beantragte der Beteiligte zu 1), der im Testament begünstigte L T, in einer notariell beurkundeten Erklärung vom 26.08.2009 (Urkunde Nr. 249/2009 der Notarin C in M) die Erteilung eines Erbscheins, der ihn als Alleinerben nach der Erblasserin ausweist. Die Beteiligte zu 2), eine Nichte der Erblasserin, beantragte am 21.01.2010 zu Protokoll des Rechtspflegers die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins, der sie, ihren Bruder, den Beteiligten zu 3) und die Tochter ihres vorverstorbenen Bruders H J, die Beteiligte zu 4), aufgrund gesetzlicher Erbfolge zu Miterben zu je 1/3 Anteil ausweist.
Das Nachlassgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 2) zurückgewiesen und festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Bewilligung des vom Beteiligten zu 1) beantragten Alleinerbscheins vorliegen. Das Nachlassgericht hat seine Entscheidung dahin begründet, das gemeinschaftliche Testament vom 21.01.1986 enthalte eine Schlusserbeneinsetzung des Beteiligten zu 1), so dass nach der Erblasserin nicht die gesetzliche Erbfolge eingetreten sei. Die Einsetzung des Beteiligten zu 1) beziehe sich nicht ausschließlich auf den Fall des gleichzeitigen Ablebens der Eheleute im wörtlichen Sinne, solle vielmehr als Schlusserbeneinsetzung auch für den Fall gelten, dass ein Ehegatte den anderen überlebe.
Hiergegen richten sich die Beschwerden der Beteiligten zu 2) und 3), der das Nachlassgericht nicht abgeholfen hat.
II.
Die gegen den Feststellungsbeschluss nach § 352 FamFG gerichtete Beschwerde ist gemäß § 58 Abs. 1 FamFG statthaft sowie form- und fristgerecht nach §§ 63 Abs. 1, 64 Abs. 1, Abs. 2 FamFG eingelegt. Der erforderliche Beschwerdewert nach § 61 Abs. 1 FamFG ist erreicht. Die Beteiligten zu 2) und 3) sind beschwerdeberechtigt. Nach § 59 Abs. 1 FamFG steht die Beschwerde demjenigen zu, der durch die angefochtene Entscheidung unmittelbar oder mittelbar in seinen subjektiven Rechten beeinträchtigt ist. Im Erbscheinsverfahren ist gegen den Feststellungsbeschluss derjenige beschwerdeberechtigt, der geltend macht, dass seine erbrechtliche Stellung in dem beabsichtigten Erbschein nicht oder nicht richtig ausgewiesen werde (Keidel/Zimmermann, FamFG, 16. Aufl., § 352, Rn. 150). Diese Voraussetzungen erfüllen die Beschwerdeführer. Die Beschwerdeerklärung der Beteiligten zu 2) ist darüber hinaus dahin zu verstehen, dass sie auch ihrem eigenen Erbscheinsantrag zum Erfolg verhelfen will.
In der Sache sind die Beschwerden begründet. Der Senat legt das gemeinschaftliche Ehegattentestament vom 21.01.1986 abweichend vom Amtsgericht dahin aus, dass die Zuwendung an den Beteiligten zu 1) – wenn sie denn als Erbeinsetzung zu verstehen ist – sich nicht auf den Fall des in zeitlich größerem Abstand aufeinanderfolgenden Versterbens der Ehegatten bezieht. Für diese Beurteilung sind folgende Erwägungen maßgebend:
In I. S. 1 des gemeinschaftlichen Testaments haben sich die Eheleute gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt. Der sich anschließende S. 2 regelt ausdrücklich nur den Fall des „gleichzeitigen Versterbens“ der Eheleute T. Auch eine solche Formulierung, die vordergründig eindeutig ist, ist nach allgemeinen Grundsätzen der Testamentsauslegung zugänglich. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (vgl. etwa BGHZ 80, 246ff) ist in jedem Einzellfall zunächst zu versuchen, den tatsächlichen Erblasserwillen zu ermitteln. Erst wenn dieser feststeht, besteht eine ausreichende Grundlage, um zu prüfen, ob dieser in dem Testament einen hinreichenden Ausdruck gefunden hat.
Danach hat es dann aber bei einem Verständnis der testamentarischen Regelung entsprechend der nächstliegenden Wortbedeutung zu verbleiben. Denn die Beschränkung der weiteren Erbeinsetzung auf den Fall des gleichzeitigen Versterbens kann in nahe liegender Weise auch auf dem Motiv der Ehegatten beruhen, es dem Überlebenden von ihnen zu überlassen, nach eigenem Gutdünken über die weitere Erbfolge zu entscheiden, zumal keine gemeinsamen Kinder aus ihrer Ehe hervorgegangen sind.
Der Senat befindet sich mit dieser Auslegung im Einklang mit der obergerichtlichen Rechtsprechung. Zuletzt hat das OLG München (NJW-RR 2011, 444 = FamRZ 2011, 504) hierzu ausgeführt, die Formulierung „gleichzeitiges Ableben“ in einem gemeinschaftlichen Testament umfasse regelmäßig nicht nur den unwahrscheinlichen Fall des im gleichen Bruchteil einer Sekunde eintretenden Todes, sondern auch den Fall, dass die Ehegatten innerhalb eines kürzeren Zeitraums nacheinander sterben, sei es aufgrund ein und derselben Ursache, z.B. eines Unfalls, sei es aufgrund verschiedener Ursachen, wenn der Überlebende nach dem Tod des Erstversterbenden praktisch keine Möglichkeit mehr habe, ein Testament zu errichten. Ehegatten, die sich gegenseitig zu Erben einsetzten, ohne diese Regelung mit einer Erbeinsetzung für den Tod des Längerlebenden von ihnen (Schlusserbeinsetzung) zu verbinden, bezweckten damit, dass dem Überlebenden der Nachlass des Erstversterbenden zufalle und dass er über das Gesamtvermögen – auch von Todes wegen – frei verfügen könne. Eine für den Fall des „gleichzeitigen Versterbens“ getroffene Erbeinsetzung gelte deshalb grundsätzlich nicht für den Fall, dass die Eheleute nacheinander – in erheblichen zeitlichen Abstand – versterben.
Diese Auslegungserwägungen, die in ihrer grundsätzlichen Ausrichtung dem bisherigen Standpunkt des Senats (vgl. etwa Beschl. v. 03.09.2002 – 15 W 274/02 -) entsprechen, stehen auch dem tragenden Argument der Entscheidung des Amtsgerichts entgegen, der Ausschluss anderer Verwandter als des Beteiligten zu 1) von der Erbfolge habe nicht auf den Fall des gleichzeitigen Versterbens der Ehegatten beschränkt werden sollen. Denn wenn dem überlebenden Ehegatten – nach der gewählten Formulierung gerade nahe liegend – freie Hand zur Verfügung über den Nachlass gelassen werden sollte, ist damit sachlich auch der Vorbehalt für ihn verbunden, nach Maßgabe seiner persönlichen Lebensentwicklung über einen möglicherweise langen Zeitraum nach dem Tode des Erstversterbenden durch ein eigenes Testament einer Wiederanknüpfung von verwandtschaftlichen Beziehungen Rechnung tragen zu können.
Diese Erwägungen schließen nicht aus, dass Gesichtspunkte des Einzelfalls zu einem anderen Auslegungsergebnis führen können. Solche Gesichtspunkte können sich bspw. daraus ergeben, dass dem Zusammenhang nach die Ehegatten eine abschließende Verteilung ihres Nachlasses unter ihren gemeinsamen Kinder vornehmen wollten (vgl. OLG München FamRZ 2008, 921), möglicherweise auch aus einer von den Ehegatten so empfundenen besonderen Nähebeziehung zu der bedachten Person. Dafür ergeben sich jedoch hier bereits aus dem Vorbringen der Beteiligten keine hinreichend tragfähigen Anhaltspunkte. Insbesondere lässt der Gesichtspunkt, dass die überlebende Ehefrau keine weitere letztwillige Verfügung getroffen hat, keinen überzeugenden Schluss darauf zu, dass beide Ehegatten den Beteiligten zu 1) bereits durch das gemeinschaftliche Testament vom 21.01.1986 zum Schlusserben nach dem Letztversterbenden haben einsetzen wollen. Auf die Frage, ob die Erblasserin die Absicht hatte, eine letztwillige Verfügung zu treffen, hiervon aber aufgrund eines rechtlichen Rats abgesehen hat, kommt es daher nicht an.
Damit steht fest, dass sich die Erbfolge nicht nach dem Testament vom 21.01.1986 richtet, sondern gesetzliche Erbfolge eingetreten ist. Der Senat musste deshalb in Abänderung der Entscheidung des Amtsgerichts den Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 1) zurückweisen. Der Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 2) ist demgegenüber derzeit nicht entscheidungsreif, um einen Feststellungsbeschluss nach § 352 FamFG erlassen zu können. Denn in den dem Senat zur Verfügung stehenden Akten liegen die Personenstandsurkunden, die zum Nachweis der gesetzlichen Erbfolge erforderlich sind, lediglich in Kopie vor. Vor einer abschließenden Entscheidung müssen die Originale dieser Urkunden eingereicht und überprüft werden. Zu diesem Zweck hat der Senat die Sache zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen. An dieser Verfahrensweise sieht sich der Senat nicht durch das Gebot der eigenen Sachentscheidung des Beschwerdegerichts (§ 69 Abs. 1 FamFG) gehindert. Denn auf diese Weise macht der Senat lediglich von einer verfahrensrechtlichen Möglichkeit Gebrauch, die in gleicher Weise dem Richter des Amtsgerichts zur Verfügung steht, nämlich nach Verneinung des Eintritts einer Erbfolge aufgrund einer vorliegenden letztwilligen Verfügung die Erteilung eines Erbscheins aufgrund gesetzlicher Erbfolge dem Rechtspfleger des Amtsgerichts zu übertragen (§ 16 Abs. 2 RPflG). Die abändernde Entscheidung muss denselben Inhalt heben können wie diejenige, die der Richter des Amtsgerichts auf der Grundlage des Standpunkts des Beschwerdegerichts selbst hätte treffen können.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 81, 84 FamFG, die Wertfestsetzung auf den §§ 131 Abs. 4, 30 KostO.
Die Voraussetzungen zur Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 70 Abs. 2 FamFG liegen nicht vor.
Dem Antrag des Beteiligten zu 3) auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe war stattzugeben, weil er jedenfalls derzeit aufgrund seiner wirtschaftlichen Verhältnisse die Kosten der Verfahrensführung nicht aufbringen kann, §§ 76 FamFG, 114 ZPO.
Vorliegend kann die Frage nach den Grenzen der subjektiven Auslegung jedoch dahinstehen, da sich schon in tatsächlicher Hinsicht nicht feststellen lässt, dass der Wille der Testatoren dahin ging, den Beteiligten zu 1) auch im Falle eines Vor- und Nachversterbens der Eheleute zum Schlusserben nach dem überlebenden Ehegatten einzusetzen. Ausgangspunkt jeder Auslegung ist der Wortlaut einer Erklärung in seiner nächstliegenden Bedeutung, jedoch darf die Auslegung – gerade bei Testamenten – nicht bei diesem Halt machen, sondern muss, sofern der Sachvortrag dies zulässt, versuchen, zu klären, ob der Testator die Erklärung möglicherweise in einem von der nächstliegenden Wortbedeutung abweichenden Sinn verstanden hat. Derartige Umstände sind hier jedoch nicht vorgetragen.