Verjährung des Ausgleichsanspruchs eines Miterben
OLG Oldenburg (Oldenburg) 12. Zivilsenat, Urteil vom 05.05.2009, 12 U 3/09
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 19.12.2008 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 1. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg geändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 16.232,94 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2007 zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Die Parteien streiten über den Gesamtschuldnerausgleich hinsichtlich eines nach erfolgter Nachlassverteilung erhobenen Pflichtteilsanspruchs.
Die Parteien sind Geschwister und je zu 1/4 Miterben ihrer am …1998 verstorbenen Großmutter O… V…. Weitere Miterbin zu 1/2 ist die Tante der Parteien, Frau H…. Der Kläger, der seit 1996 Betreuer der Erblasserin war, hat nach deren Tod die Verteilung des Nachlasses übernommen und in diesem Zusammenhang im Jahre 1999 einen Betrag von 193.884,04 DM an die Beklagte ausgezahlt. Im Jahre 2000 wurde der Kläger von dem bei der Nachlassverteilung unberücksichtigt gebliebenen weiteren Sohn der Erblasserin, Herrn I… V…, auf Zahlung des Pflichtteils in Anspruch genommen. Durch Teil-Anerkenntnisurteil vom 18.05.2004 wurde der Kläger als Gesamtschuldner mit der Beklagten und Frau H… verurteilt, an Herrn V… 66.327,57 Euro zu zahlen. Ferner hat sich der Kläger in einem Vergleich vom 11.01.2005 verpflichtet, weitere 25.000, Euro an Herrn V… zu zahlen.
Ausgehend von einem Nachlass von 761.972,75 DM und dem sich daraus ergebenden Pflichtteilsanspruch des Herrn V… von 126.995,46 DM verlangt der Kläger von der Beklagten die Zahlung eines Betrages in Höhe von 1/4 des Pflichtteilsbetrages, d.h. 31.748,87 DM bzw. 16.232,94 Euro. Die Beklagte hat erstinstanzlich gegenüber dem geltend gemachten Zahlungsanspruch u.a. die Einrede der Verjährung erhoben.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass etwaige Ausgleichsansprüche des Klägers aus dem mit der Beklagten bestehenden Gesamtschuldverhältnis verjährt seien. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung des Klägers.
Der Kläger beantragt,
das angefochtene Urteil des Landgerichts Oldenburg abzuändern und die Beklagte zur verurteilen, an den Kläger 16.232,94 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2007 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte tritt der Berufung nach Maßgabe seiner Erwiderung entgegen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung des Klägers hat Erfolg.
Der Kläger kann von der Beklagten Zahlung von 16.232,94 Euro verlangen.
Der Anspruch folgt aus §§ 2058, 426 Abs. 1 BGB. Ihm steht nicht entgegen, dass der Nachlass der Erblasserin bereits im Jahre 1999 unter den Erben verteilt worden ist. Die gesamtschuldnerische Haftung der Miterben für eine nicht schon vorab getilgte Nachlassverbindlichkeit bleibt auch nach der Teilung bestehen (vgl. BGH NJW 1998, 682, Palandt/Edenhofer aaO., § 2060, Rn. 1).
Er ist weiterhin auch nicht verjährt.
Bei dem Ausgleichsanspruch eines Miterben aus §§ 2058, 426 Abs. 1 BGB handelt es sich um einen erbrechtlich begründeten Anspruch, der gemäß § 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB der 30jährigen Verjährungsfrist unterliegt. § 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB ist dahin zu verstehen, dass mit „erbrechtlichen Ansprüchen“ alle Ansprüche gemeint sind, die sich „aus“ dem mit „Erbrecht“ überschriebenen Buch 5 des Bürgerlichen Gesetzbuches ergeben (vgl. BGH NJW 2007, 2174). Die Vorschrift gilt dabei für den Regelungsbereich uneingeschränkt, also auch für Ansprüche der Erben untereinander (vgl. jurisPK-Lakkis, 4. Aufl. 2008, § 197 Rn. 15) und damit für die durch § 2058 BGB erbrechtlich begründeten Ansprüche aus dem Gesamtschuldverhältnis der Miterben. Dies entspricht auch der gesetzgeberischen Intention bei der Neuregelung des Verjährungsrechts zum 01. Januar 2002. Die Aufrechterhaltung der nach § 195 BGB a. F. geltenden dreißigjährigen Verjährungsfrist für familien- und erbrechtliche Ansprüche in § 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB ist insbesondere damit begründet worden, „dass sich die maßgeblichen Verhältnisse mitunter erst lange Zeit nach der Anspruchsentstehung klären lassen (z.B. im Erbrecht infolge späten Auffindens eines Testamentes)“ (vgl. BT-Drucks. 14/6040, S. 106). Diese Ausführungen sind dahin zu verstehen, dass den Parteien anders als in anderen Rechtsbereichen auf den Gebieten des Erb und Familienrechts die ihnen bisher im Verjährungsrecht zugebilligte Zeit zur gerichtlichen Geltendmachung grundsätzlich auch in Zukunft zur Verfügung stehen soll, und zwar selbst dann, wenn die maßgeblichen Verhältnisse schneller hätten geklärt werden können (vgl. BGH aaO.). Gerade für die aus § 2058 BGB folgenden Ansprüche aus dem Gesamtschuldverhältnis der Miterben gilt dabei, dass die „maßgeblichen“ erbrechtlichen Verhältnisse möglicherweise erst geraume Zeit nach dem Erbfall – und damit nach Ablauf einer dreijährigen Verjährungsfrist aus § 195 BGB – abschließend geklärt werden können. Erlangt beispielsweise ein Pflichtteilsberechtigter erst mehr als drei Jahre nach dem Erbfall und nach Verteilung des Nachlasses Kenntnis von seiner Berechtigung und macht er seinen nach § 2332 Abs. 1 BGB noch unverjährten Pflichtteilsanspruch lediglich gegen einen der Erben geltend, so sind die erbrechtlichen Verhältnisse entgegen der Annahme der Erben bei Verteilung des Nachlasses noch nicht geklärt. Dem in Anspruch genommenen Miterben muss auch in diesem Falle die Möglichkeit offen stehen, von den weiteren nach § 2058 BGB gesamtschuldnerisch mithaftenden Erben einen Ausgleich zu erlangen.
Unterstellt man mit der Beklagten, dass der Lauf der Verjährungsfrist für den Ausgleichsanspruch mit der Begründung des Gesamtschuldverhältnisses (vgl. BGH NJWRR 2008, 256. 2006, 1718) entstanden ist, war er im Zeitpunkt der gerichtlichen Geltendmachung noch nicht verjährt.
Auch mit ihren übrigen Einwendungen gegen die Klageforderung dringt die Beklagte nicht durch. Berechnungsgrundlage für die Höhe ist der vom Kläger angegebene Nachlasswert von 761.972,75 DM. Auf ein bloßes Bestreiten kann sich die Beklagte insoweit nicht beschränken, weil sie als Miterbin gehalten ist, einen möglicherweise abweichenden Nachlasswert selbst zu ermitteln und konkret anzugeben. Einen Auskunftsanspruch hinsichtlich des Nachlasswertes hat die Beklagten gegenüber dem Kläger nicht (vgl. BGH MDR 1989, 431. Palandt/ Edenhofer, BGB, 68. Aufl. § 2038, Rn. 14.). Ohne Erfolg zieht die Beklagte weiter in Zweifel, dass der Kläger den sich aufgrund des Nachlasswertes ergebenden Pflichtteilsanspruch des Herrn V… in Höhe von 1/6 des Nachlasses, also 126.995,45 DM (64.931,74 Euro) ausgeglichen hat. In Anbetracht der Tatsache, dass der Pflichtteilsanspruch bereits seit ca. 5 Jahren tituliert ist, wäre es erforderlich gewesen, die näheren Einzelheiten mitzuteilen, die der Beklagten Anlass geben, am Vortrag des Klägers zu zweifeln. Abgesehen hiervon würde sich für die Verpflichtung der Beklagten nichts anderes ergeben, wenn der Anspruch des Pflichtteilsberechtigten tatsächlich noch nicht befriedigt worden wäre. Der Kläger hat aufgrund seiner eigenen Verurteilung zur Zahlung des gesamten Pflichtteilsbetrages einen Anspruch auf Freistellung gegen die Beklagte in Höhe des auf sie entfallenden Anteils (vgl. BGH NJW 1986, 978, 979). Da die Beklagte die Erfüllung verweigert, kann der Kläger Zahlung des erforderlichen Geldbetrags beanspruchen (§ 250 S. 2 BGB). Eine Fristsetzung ist entbehrlich, weil die Beklagte die Erfüllung endgültig verweigert hat.
Letztlich war der Beklagten auch nicht – wie sie es in der mündlichen Verhandlung beantragt hat – die Beschränkung ihrer Haftung auf den Nachlass vorzubehalten (§§ 1990 BGB, 780 ZPO). Der geschuldete Betrag ist nicht aus dem eigenen, sondern dem ererbten Vermögen zu zahlen.
Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286, 288 BGB.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
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