Schleswig-Holst. OLG: – 3 W 29/10 – einstweilige Untersagung der Amtsausübung des Testamentsvollstreckers

Juli 1, 2016

Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht: Beschluss vom 09.03.2010 – 3 W 29/10
Eine einstweilige Untersagung der Amtsausübung des Testamentsvollstreckers durch das Prozessgericht gemäß §§ 935 ff ZPO ist nicht zulässig.

In dem Rechtsstreit

der Frau,

– Antragstellerin und Beschwerdeführerin –

– Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte –

gegen

Frau,

– Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin –

hat der 3. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig durch den Richter am Oberlandesgericht Dr. als Einzelrichter am 9. März 2010 beschlossen:

Tenor:
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des Landgerichts Kiel vom 22. Februar 2010 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach einem Verfahrenswert von 20.000,00 €.

Gründe
I. Die Parteien sind Geschwister und zwei von mehreren Erben nach ihren im Jahr 2007 und 2009 verstorbenen Eltern. Nach deren gemeinschaftlichen Testament ist die Antragsgegnerin Testamentsvollstreckerin.

Die Antragstellerin wirft ihr massive gegenwärtige und drohende Pflichtverstöße bei der Amtswaltung vor. Sie und eine weitere Miterbin nehmen die Antragsgegnerin vor dem Landgericht Kiel auf Auskunftserteilung und Rechnungslegung in Anspruch. Außerdem betreiben sie vor dem Amtsgericht Plön als dem Nachlassgericht ein Verfahren auf Amtsenthebung nach § 2227 BGB. Sie haben dort auch den Erlass einer einstweiligen Anordnung, der zufolge der Antragsgegnerin alle nicht notwendigen Amtshandlungen untersagt sein sollten, beantragt. Das Nachlassgericht hat eine solche Anordnung abgelehnt, weil ihm ein nur vorläufiges Eingreifen in die Amtshandlungen der Testamentsvollstreckerin nicht gestattet sei. Die Antragstellerin begehrt nun einstweiligen Rechtschutz im Zivilrechtsweg. Sie hat den Erlass einer einstweiligen Verfügung gemäß §§ 935 ff. ZPO dahingehend beantragt, dass der Antragsgegnerin unter Androhung von Ordnungsmitteln alle Rechtshandlungen in ihrer Stellung als Testamentsvollstreckerin untersagt sein sollten, solange das Amtsenthebungsverfahren nicht rechtskräftig abgeschlossen sei. Das Landgericht hat den Antrag zurückgewiesen mit der Begründung, dass es keine Rechtsgrundlage für ein vorläufiges Verbot jeglicher Testamentsvollstreckertätigkeit gebe. Eine zeitweilige Entlassung eines Testamentsvollstreckers sei nicht zulässig. Unter der Geltung des FGG sei anerkannt gewesen, dass das Nachlassgericht keine derartige vorläufige Anordnung treffen könne. Ob dies auf der Grundlage des FamFG anders zu beurteilen sei, bedürfe keiner Entscheidung, weil das Prozessgericht angerufen sei. Dieses könne keine Maßnahmen durch eine einstweilige Verfügung aussprechen, bei denen, wie hier, der Anwendungsbereich des § 2227 BGB eröffnet sei.

Hiergegen wendet sich die Antragsstellerin mit ihrer sofortigen Beschwerde, der das Landgericht nicht abgeholfen hat. Die Antragstellerin rügt, dass das Landgericht ihren Antrag nicht schlicht für unzulässig hätte erklären dürfen. Sie verweist darauf, dass sie keine zeitweilige Entlassung der Testamentsvollstreckerin beantragt habe, sondern nur eine Untersagung ihrer Amtsausübung im Wege einstweiligen Rechtschutzes. In Rechtsprechung und Literatur, die sie näher zitiert, sei anerkannt, dass einem drohenden Amtsmissbrauch eines Testamentsvollstreckers unter der Voraussetzungen der §§ 935 ff. ZPO einstweiligen Rechtschutz durch das Prozessgericht zu gewähren sei.

II. Die zulässige sofortige Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Landgericht hat die begehrte Untersagungsverfügung zu Recht mangels Rechtsgrundlage nicht erlassen. Es hat dabei keineswegs übersehen, dass die Antragstellerin in der Tat nicht die zeitweilige Entlassung der Antragsgegnerin als Testamentsvollstreckerin, sondern nur ein Verbot ihrer Amtsausübung erstrebt hat. Auch ein solches darf das Prozessgericht nicht aussprechen.

Allerdings findet sich in dem von der Antragstellerin zitierten Urteil des OLG Köln (NJW RR 1987, 71, 72) sowie in der Kommentierung (bei Zimmermann in MüKoBGB, 4. Aufl. 2004 Rn. 14) der Satz, dass einem drohenden Amtsmissbrauch des Testamentsvollstreckers durch einstweilige Verfügung nach den §§ 935 ff. ZPO begegnet werden könne. Der Satz ist für sich genommen jedoch missverständlich. Er ist im Zusammenhang des Rechtsanspruches des Erben gegen den Testamentsvollstrecker auf ordnungsgemäße Verwaltung zu sehen. Dieser Anspruch kann klageweise geltend gemacht werden. Nichts anderes wird in dem von der Antragstellerin zitierten Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH NJW 1957, 1916 = BGHZ 25, 276) ausgeführt. Unter den Voraussetzungen der §§ 935 ff. ZPO kann der Erbe diesen Anspruch zudem im einstweiligen Verfügungsverfahren durchsetzen, soweit die Unterlassung oder Vornahme einzelner Verwaltungsmaßnahmen in Rede stehen (Weidlich in Dauner-Lieb/Heidel/Ring, 2. Aufl. 2007, § 2227 Rn. 16; Damrau in Sörgel, 13. Aufl. 2003, § 2227 Rn. 19; Löhnig in Hausmann/Hohloch, Handbuch des Erbrechts, 2008, Kap. 19 B Rn. 78, 157; Muscheler, AcP 197 (1997), 226, 260; Reimann, FamRZ 1995, 588, 590).

Die Kontrolle des Testamentsvollstreckers durch das Prozessgericht ist jedoch eingeschränkt. Sie ist in den §§ 2197 ff. BGB weitgehend in ausschließlicher Zuständigkeit dem Nachlassgericht zugewiesen. Dazu gehört die Entscheidung über die Entlassung eines Testamentsvollstreckers nach § 2227 BGB. Das Prozessgericht hat nur einen etwaigen Streit, ob das Amt des Testamentsvollstreckers beendet ist, zu entscheiden (Lange/Kuchinke, Lehrbuch des Erbrechts, 4. Aufl. 1995, § 31 VIII Anm. 382 – S. 677). Deshalb ist das Prozessgericht nicht befugt, Handlungen des Testamentsvollstreckers zu überprüfen, über die das Nachlassgericht im Zusammenhang mit einem Antrag des Erben auf Entlassung des Testamentsvollstreckers zu befinden hätte. Das Prozessgericht würde sonst in einer vom Gesetz nicht gewollten Weise die Tätigkeit des Testamentsvollstreckers überwachen (BGH NJW 1957, 1916, 1917; Damrau aaO., Reimann FamRZ 1995, 588, 590). Die gerichtliche Kontrolle des Testamentsvollstreckers durch das Prozessgericht muss damit überwiegend reaktiv bleiben (Reimann ebd.). Eine allgemeine Untersagungsverfügung jedweder Tätigkeit des Testamentsvollstreckers ist nach einhelliger Auffassung nicht zulässig (Weidlich, Damrau aaO.; Mayer in Bamberger/Roth, 2. Aufl. 2008, § 2227 Rn. 18; Reimann in Staudinger, Bearb. 2003 Rn. 33; Löhnig aaO. Rn. 157, 159).

Die sofortige Beschwerde war daher mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen. Den Wert des Beschwerdeverfahrens hat der Senat mangels anderer Anhaltspunkte mit dem in dem bisher festgesetzten, unbeanstandet gebliebenen Wert bemessen.

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