OLG Stuttgart, 8 W 173 + 279/12 – kann Miterbe Grundbuchberichtigung beantragen bei Testamentsvollstreckung?

August 10, 2017

1. Auf die Beschwerde des Beteiligten Ziff. 1 wird der Beschluss des Notariats Ravensburg – Grundbuchamt – vom 20.04.2012, Az. GRG IV Nr. 164/2012,

aufgehoben.

Das Grundbuchamt wird angewiesen, über den Eintragungsantrag vom 10.04.2012 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu entscheiden.

2. Die Kostenrechnung des Notariats Ravensburg – Grundbuchamt – vom 30.04.2012 (Kassenzeichen IV/8404) wird

aufgehoben.

3. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

4. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf EUR 50.000,00 festgesetzt.

5. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Beteiligten Ziff. 1 bis 5 sowie 7 bis 11 sind Abkömmlinge des am 10.11.2011 verstorbenen J. G. W.. Sie sind dessen Erben auf Grund gesetzlicher Erbfolge. J. G. W. und seine Lebensgefährtin, die Beteiligte Ziff. 6, sind mit einem Anteil von je ½ als Eigentümer des im Rubrum näher bezeichneten Grundbesitzes im Grundbuch von Eschach eingetragen. Durch einen Erbvertrag vom 14.03.1995 haben sich Herr J. G. W. und die Beteiligte Ziff. 6 jeweils als Erstversterbende im Wege eines Vermächtnisses den Nießbrauch an der Miteigentumshälfte des Erstversterbenden zugewandt. Zugleich wurde vom Erstversterbenden Testamentsvollstreckung wie folgt angeordnet (§ 5 des Erbvertrages vom 14.03.1995):

Der Erstversterbende von uns ordnet Testamentsvollstreckung an. Er ernennt den Überlebenden zu seinem Testamentsvollstrecker. Der Testamentsvollstrecker hat die Aufgabe, das Vermächtnis zu erfüllen und den im Nachlass befindlichen Grundbesitz solange zu verwalten, wie die Auseinandersetzung des Nachlasses diesbezüglich ausgeschlossen ist (vergleiche § 6). …

Durch Schreiben vom 10.04.2012 hat sich der Beteiligte Ziff. 1 unter Bezugnahme auf die Nachlasssache J. G. W. wie folgt an das Notariat Ravensburg gewandt:

Sehr geehrte Damen und Herren,

hiermit beantrage ich, J. W., den kostenlosen Grundbucheintrag auf dem Grundstück Flst. …, …Straße …: 399 m², der Gemarkung Ravensburg-Eschach.

Durch Beschluss vom 20.04.2012 wies das Notariat Ravensburg – Grundbuchamt – den Eintragungsantrag zurück und führte zur Begründung aus:

Dem Vollzug des Antrages steht entgegen:

1. dem (Mit-)Erben steht bei angeordneter Testamentsvollstreckung kein eigenes Antragsrecht auf Grundbuchberichtigung zu, siehe OLG München, JFG 20, 373.2. dass kein Erbnachweis gemäß § 35 GBO auf das Ableben von J. G. W. vorgelegt worden ist.

Das Notariat Ravensburg – Grundbuchamt – erteilte dem Beteiligten Ziff. 1 am 30.04.2012 eine Kostenrechnung über EUR 132,00.

Durch Schriftsatz an das Oberlandesgericht Stuttgart vom 27.04.2012 hat der Beteiligte Ziff. 1 Beschwerde gegen den Zurückweisungsbeschluss des Grundbuchamts vom 20.04.2012 sowie gegen die Kostenrechnung vom gleichen Tage eingelegt.

Mit Datum vom 30.04.2012 erteilte das Grundbuchamt dem Beteiligten Ziff. 1 eine korrigierte Kostenrechnung für die Antragszurückweisung über einen Betrag von EUR 66,00. Auch gegen diese Kostenrechnung hat der Beteiligte Ziff. 1 Beschwerde eingelegt.

Das Notariat Ravensburg – Grundbuchamt – hat den Beschwerden nicht abgeholfen und die Akten dem Oberlandesgericht Stuttgart zur Entscheidung vorgelegt.

Den Beteiligten Ziff. 1 wurde am 24.07.2012 durch das Notariat IV Ravensburg – Nachlassgericht – ein Erbschein erteilt, wonach die Beteiligten Ziff. 1 bis 5 sowie 7 bis 11 jeweils mit einem Erbteil von 1/10 Erben des J. G. W. geworden sind und Testamentsvollstreckung zur Verwaltung des im Nachlass befindlichen Grundbesitzes angeordnet ist.

Mit der Beschwerde gegen den Zurückweisungsbeschluss verfolgt der Beteiligte Ziff. 1 seinen Eintragungsantrag weiter und begehrt zum Einen die Eintragung der Beteiligten Ziff. 1 bis 5 sowie 7 bis 11 in Erbengemeinschaft als Eigentümer bezogen auf den hälftigen Hausanteil des Erblassers an dem verfahrensgegenständlichen Grundbesitz und des weiteren die Eintragung eines diesbezüglichen Testamentsvollstreckervermerks. Er vertritt die Auffassung, ihm stehe als Miterbe ungeachtet der Testamentsvollstreckung ein eigenes Antragsrecht zu. Es sei nicht richtig, dass allein der Testamentsvollstrecker antragsberechtigt sei.II.

Die gemäß § 71 GBO statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde des Beteiligten Ziff. 1 hat in der Sache Erfolg. Der angegriffene Zurückweisungsbeschluss kann keinen Bestand haben.

1.

Das vom Grundbuchamt angenommene Eintragungshindernis eines fehlenden Nachweises der Erbfolge gemäß § 35 GBO wurde zwischenzeitlich dadurch behoben, dass ein Erbschein des Notariats Ravensburg – Nachlassgericht – vom 24.07.2012 vorliegt, der die Beteiligten Ziff. 1 bis 5 und 7 bis 11 als Erben des J. G. W. ausweist.

2.

Der Senat teilt nicht die Auffassung des Grundbuchamts, dass im Falle angeordneter Testamentsvollstreckung dem (Mit-)Erben kein eigenes Antragsrecht auf Grundbuchberichtigung zusteht.

Gemäß § 2211 BGB kann der Erbe über einen der Verwaltung des Testamentsvollstreckers unterliegenden Nachlassgegenstand nicht verfügen. Bei dem Antrag auf Grundbuchberichtigung handelt es sich aber nicht um eine Verfügung über das betroffene Grundstück. Der Eigentumsübergang ist vielmehr bereits kraft Gesetzes gemäß § 1922 BGB erfolgt. Der Berichtigungsantrag ist demgegenüber eine reine Verfahrenshandlung. Der Antragstellung des Erben steht auch die Regelung des § 2212 BGB nicht entgegen. Der Erbe ist auch in seinem Recht betroffen im Sinne des § 13 GBO. Es genügt der Antrag eines Miterben (Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Auflage 2012, Rdnr. 360).

Der Antragsberechtigung des (Mit-)Erben stehen auch andere Gründe in Zusammenhang mit der Testamentsvollstreckung nicht entgegen. Das Landgericht Stuttgart hat in seiner Entscheidung vom 26.02.1998 (Rpfleger 1998, 243) zu Recht darauf hingewiesen, dass die Befugnisse des Testamentsvollstreckers nur teilweise ausschließlicher Natur sind, zu einem anderen Teil aber neben den fortbestehenden Rechten des Erben einherlaufen (im Einzelnen LG Stuttgart, a.a.O.). Gemäß § 52 GBO ist der Testamentsvollstreckervermerk mit der Eintragung der Erben im Grundbuch einzutragen. Seine Rechte werden daher durch die Berichtigung nicht beeinträchtigt. Soweit durch die Eintragung des Testamentsvollstreckervermerks – anders als durch die Eintragung der Erben selbst – Kosten entstehen, sind diese Folge der vom Erblasser getroffenen letztwilligen Verfügung. Diese Kosten würden auch bei einem Berichtigungsantrag des Testamentsvollstreckers, zu dem dieser gemäß § 2205 BGB befugt ist, entstehen. Zu beachten ist im Übrigen, dass der Rechtsverkehr ein erhebliches Interesse an der Übereinstimmung von Grundbuchinhalt und materieller Rechtslage hat und die Berichtigung daher im öffentlichen Interesse erwünscht ist, was im Gesetz für die Fälle des Rechtsübergangs außerhalb des Grundbuchs durch die Antragspflicht gemäß § 82 GBO besonders zum Ausdruck kommt. Besonders zum Tragen kommt das Antragsrecht des Erben dabei in Fällen problematischer Testamentsvollstreckungen (vgl. Schneider, Zur Antragsbefugnis und zu den Eintragungsunterlagen im Grundbuchberichtigungsverfahren bei angeordneter Testamentsvollstreckung, MittRhNotK 2000, 283).

Der Senat bejaht nach alldem ein von ihm selbst ausübbares Antragsrecht des Erben für die Grundbuchberichtigung neben jenem des Testamentsvollstreckers (ebenso LG Stuttgart, a.a.O.; Meikel/Böttcher, Grundbuchordnung, 10. Auflage 2009, § 13 GBO, Rdnr. 56; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, a.a.O., Rdnr. 803 sowie Rdnr. 3466, Fußnote 16; Hügel/Zeiser, Grundbuchordnung, 2. Auflage 2010, § 52 GBO, Rdnr. 29; Schneider a.a.O.; Palandt/Weidlich, Bürgerliches Gesetzbuch, 72. Auflage 2013, Einführung vor § 2197 BGB, Rdnr. 6; Bertsch, Antragsrecht des Erben auf Grundbuchberichtigung bei Testamentsvollstreckung, Rpfleger 1968, 178; Zimmermann, Die Testamentsvollstreckung, 2. Auflage 2003, Rdnr. 366; Bengel/Reimann/Schaub, Handbuch der Testamentsvollstreckung, 4. Auflage 2010, Kapitel 5, Rdnr. 5; Winkler, Der Testamentsvollstrecker, 20. Auflage 2010, Rdnr. 273; a.A.: KGJ 51, A. 214 [Beschluss vom 19.12.1918]; OLG München JFG 20, 373 [Beschluss vom 08.11.1939]; vgl. BayObLGZ 1995, 363; Demharter, Grundbuchordnung, 28. Auflage 2012, § 13 GBO, Rdnr. 50; Hügel/Reetz, Grundbuchordnung, 2. Auflage 2010, § 13 GBO, Rdnr. 59; Soergel/Damrau, Bürgerliches Gesetzbuch, 13. Auflage 2002, § 2205 BGB, Rdnr. 91).

Demgemäß war der angegriffene Zurückweisungsbeschluss auf die Beschwerde des Beteiligten Ziff. 1 aufzuheben.

3.

Mit der Aufhebung des Zurückweisungsbeschlusses in der Hauptsache ist auch die Gebühr gemäß § 130 Abs. 1 KostO entfallen (Korintenberg/Lappe, Kostenordnung, 18. Auflage 2010, § 130 KostO, Rdnr. 5), soweit sie entstanden ist. Die (korrigierte) Kostenrechnung vom 30.04.2012 war daher aufzuheben. Damit ist zugleich das Rechtsmittel des Beteiligten Ziff. 1 gegen diese Kostenrechnung erledigt.

4.

Die Kostenentscheidung im Beschwerdeverfahren beruht auf § 131 Abs. 3 KostO. Gründe für die Anordnung einer Kostenerstattung bestehen nicht. Die Festsetzung des Gegenstandswertes des Beschwerdeverfahrens beruht auf §§ 131 Abs. 4, 30 Abs. 2 KostO.

5.

Die Frage, ob im Falle angeordneter Testamentsvollstreckung dem Erben ein Antragsrecht auf Grundbuchberichtigung zusteht, ist von grundsätzlicher Bedeutung, weshalb gemäß § 78 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 GBO die Rechtsbeschwerde zugelassen wurde.

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