OLG Stuttgart 8 W 412/10 Grundbucheinsicht: Berechtigtes Interesse eines Grundstücksmaklers

August 4, 2017

OLG Stuttgart Beschluß vom 28.9.2010, 8 W 412/10

Grundbucheinsicht: Berechtigtes Interesse eines Grundstücksmaklers

Leitsätze

Will der Grundstücksmakler den Kaufpreis einer angeblich von ihm vermittelten Immobilie erfahren, kann er sich auf ein berechtigtes Interesse zur Einsichtnahme in die Grundakten nur dann berufen, wenn eine beträchtliche Wahrscheinlichkeit für die behauptete Entstehung eines Provisionsanspruches besteht (Anschluss an OLG Dresden, Beschluss vom 3. Dezember 2009, Az. 3 W 1228/09, veröff. u.a. in NJW-RR 2010, 1175).

Tenor

1. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Notariats Walddorfhäslach – Grundbuchamt Pliezhausen – vom 25. Januar 2010, GRG Nr. 61/2010, wird

zurückgewiesen.

2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Beschwerdewert: 3.000 EUR

Gründe

1.
1
Am 2. September 2009 hat der Antragsteller beim Notariat um Auskunft aus dem Grundbuch dahin ersucht, ob die Immobilien …, Flurstücke …, …, …, … von den Beteiligten Ziff. 2 an die Beteiligten Ziff. 3 verkauft, wann der Kaufvertrag beurkundet und zu welchem Preis die Immobilien veräußert wurden. Sein berechtigtes Interesse hat er damit begründet, dass zu entscheiden sei, ob für ihn ein Anspruch auf Maklerprovision gegen die Beteiligten Ziff. 2 und 3 bestehe.
2
Das Grundbuchamt hat am 21. September 2009 nach Anhörung der Beteiligten Ziff. 2 und 3 die erbetenen Auskünfte bezüglich des Grundstücks der Gemarkung …, Flurstück …., erteilt mit Ausnahme der Kaufpreishöhe.
3
Nachdem sich der Antragsteller hiermit nicht zufrieden gab, wurde der weitergehende Antrag auf Erteilung einer unbeglaubigten Kopie des Kaufvertrages über das in Bezug genommene Grundeigentum auf Gemarkung …, hilfsweise der Antrag auf Mitteilung des ausweislich des Kaufvertrags vereinbarten Kaufpreises mit Beschluss vom 25. Januar 2010 durch das Grundbuchamt als unbegründet zurückgewiesen, inzidenter auch das Auskunftsbegehren bezüglich der Grundstücke …. und …. (Flurstücke …).
4
Gegen die am 27. Januar 2010 zugestellte Entscheidung hat der Antragsteller durch seinen Verfahrensbevollmächtigten am 19. Februar 2010 Beschwerde eingelegt und sein berechtigtes Interesse nochmals erläutert.
5
Das Notariat hat nicht abgeholfen und die Akten mit dem ausführlich begründeten Beschluss vom 20. September 2010 dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.
2.
6
Gegen die Versagung der Grundbucheinsicht gem. § 12 GBO aufgrund des nach dem 31. August 2009 eingegangenen Gesuchs ist die Beschwerde nach §§ 71 ff GBO n.F. zulässig, über die gemäß § 72 GBO das Oberlandesgericht entscheidet, in dessen Bezirk das Grundbuchamt seinen Sitz hat.
7
Die Beschwerde hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
8
Zunächst wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die sorgfältigen und zutreffenden Ausführungen des Notars in dem Zurückweisungsbeschluss vom 25. Januar 2010 und in dem Nichtabhilfe-/Vorlagebeschluss vom 20. September 2010 verwiesen, denen sich der Senat in vollem Umfang anschließt.
9
Die vom Grundbuchamt vertretene Rechtsauffassung steht nicht im Widerspruch zu der Entscheidung des Senats vom 13. Januar 1992 (OLG Stuttgart Rpfleger 1992, 247), in der darauf hingewiesen wurde, dass das Grundbuch ein öffentliches Register ist (a.A. Kohler in MünchKomm zum BGB, 5. Aufl. 2009, Vorb. Rn. 22 – Beck-Online, mit weiteren Nachweisen zur Gegenmeinung). Das Recht zur Einsicht in § 12 GBO und für die nicht in Bezug genommenen Grundakten in § 46 GBVfg ist jedoch jeweils von der Darlegung eines berechtigten Interesses abhängig gemacht worden, also auf Personen beschränkt, die ein verständiges Anliegen verfolgen. Die Offenlegung des Grundbuchs für diesen Personenkreis dient ebenso wie die Möglichkeit zur Einsicht in sonstige Verzeichnisse (z. B. Handelsregister, Schuldnerverzeichnisse) einem überwiegenden Allgemeininteresse und ist deshalb vom Eigentümer im wesentlichen hinzunehmen. Eine den Belangen des Rechtsverkehrs dienliche Nutzung des Grundbuchs wäre danach nicht mehr gewährleistet, wenn über seine Offenlegung nur in einem Verfahren entschieden werden dürfte, an dem der Eigentümer oder sonstige Berechtigte beteiligt würden.
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So ist in der Rechtsprechung und Literatur auch das Recht des Maklers zur Grundbucheinsicht zum Zwecke der Verwirklichung seines Provisionsanspruchs bejaht worden (OLG Stuttgart/Senat Rpfleger 1983, 272; LG Köln NJW-RR 1999, 455; Kohler, a.a.O., Rn. 22; Mansel in Jauernig, BGB, 13. Aufl. 2009, § 654 BGB Rn. 9; Wilsch in Beck’scher Online-Kommentar, Stand 1. Juni 2010, § 12 GBO Rn. 54; je m.w.N.). Dieses wird aber nicht nur eingeschränkt durch die Darlegung eines berechtigten Interesses, das die Vorlage des schriftlichen Maklervertrages oder zumindest einen hinreichend schlüssigen Sachvortrag erfordert, sondern es wird darüber hinaus eine beträchtliche Wahrscheinlichkeit für die behauptete Entstehung eines Provisionsanspruchs verlangt (OLG Karlsruhe NJW-RR 1996, 1043; OLG Dresden NJW-RR 2010, 1175; Wilsch, a.a.O., Rn. 54).
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Hieran mangelt es jedoch, wenn weder ein Maklervertrag noch eine sonstige Vereinbarung vorgelegt werden kann, wie hier bezüglich der Grundstücke …. Allein die Bezugnahme auf das Mail vom 24. Juli 2008 und der Hinweis, dass auch ein Maklernachweis bei Gelegenheit der Ausführung eines anderen Auftrags zur Provisionspflicht führen kann, reichen nicht aus, um eine beträchtliche Wahrscheinlichkeit für die behauptete Entstehung eines Provisionsanspruchs bejahen zu können, der grundsätzlich einen entsprechenden – zumindest konkludent abgeschlossenen – Maklervertrag voraussetzt (vgl. hierzu Sprau in Palandt, BGB, 69. Aufl. 2010, § 652 BGB Rn. 2 ff, 22 ff, m.w.N.).
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Zwar ist der Begriff des „berechtigten Interesses“ im Sinne des § 12 Abs. 1 Satz 1 GBO sowie bezüglich der Grundakten des § 46 Abs. 1 GBVfg umfassender als der des „rechtlichen Interesses“. Denn es genügt, dass der Antragsteller ein verständiges, durch die Sachlage gerechtfertigtes Interesse verfolgt und entsprechende sachliche Gründe vorträgt, die die Verfolgung unbefugter Zwecke oder bloßer Neugier ausgeschlossen erscheinen lassen. Insoweit ist auch ein berechtigtes Interesse nicht nur zu bejahen, wenn durch die Einsicht ein rechtlich erhebliches Handeln ermöglicht werden soll. Vielmehr kann ein tatsächliches, insbesondere wirtschaftliches Interesse ausreichen (Demharter, GBO, 27. Aufl. 2010, § 12 Rdnr. 7 bis 9; zuletzt: KG Berlin NJW-RR 2004, 1316; LG Stuttgart ZEV 2005, 313; einschränkend dagegen: LG Offenburg NJW-RR 1996, 1521; OLG Düsseldorf NJW-RR 1997,720; BayObLG DNotZ 1999,739; je m. w. N.).
13
Dennoch ist der Entscheidung des OLG Dresden vom 3. Dezember 2009, Az. 3 W 1228/09 (NJW-RR 2010, 1175 m.w.N.), beizupflichten, dass bei der „erweiterten“ Grundbucheinsicht gem. § 12 Abs. 3 GBO i.V.m. § 46 Abs. 1 GBVfg in die gesamten Grundakten bei der Feststellung des hierauf gerichteten berechtigten Interesses des Maklers nicht aus dem Blickfeld geraten darf, dass Informationen über den Kaufpreis nicht zum eigentlichen Grundbuchinhalt gehören, auf dessen Publizität § 12 Abs. 1 GBO abzielt (KG Berlin NJW-RR 2004, 1316).
14
Im einzelnen wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen auf die Ausführungen des OLG Dresden in dem Beschluss vom 3. Dezember 2009, denen sich der Senat voll inhaltlich anschließt.
15
Das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Beteiligten Ziff. 2 und 3 steht dem berechtigten Interesse des Antragstellers an der Erteilung einer unbeglaubigten Kopie des Kaufvertrags und auch an der Mitteilung des vereinbarten Kaufpreises entgegen.
16
Der erhebliche Eingriff in dieses Grundrecht durch eine uneingeschränkte Einsicht nicht nur in den Grundbuchinhalt, sondern darüber hinaus in die Grundakten erfordert eine sorgfältige und strenge Prüfung des berechtigten Interesses des Antragstellers, zumal die durch die Gewährung der Akteneinsicht Betroffenen weder zuvor anzuhören noch im Nachhinein beschwerdeberechtigt sind (BVerfG NJW 2001, 503; BGH NJW 1981, 1563).
17
Diese Prüfung hat das Grundbuchamt gewissenhaft und rechtsfehlerfrei durchgeführt. Denn der Antragsteller hat durch die bereits erteilten Auskünfte die Möglichkeit erlangt unter Berücksichtigung der Einwendungen der Beteiligten Ziff. 2 und 3 gegen die Entstehung eines Provisionsanspruches, dessen Berechtigung dem Grunde nach zu überprüfen und ihn gegebenenfalls im Rahmen einer Stufenklage zu titulieren und danach zu realisieren.
18
Im Übrigen beruht auch vorliegend – wie in dem vom OLG Dresden entschiedenen Fall – der vom Antragsteller behauptete Provisionsanspruch zumindest bezüglich der Erbringung einer kausalen Maklerleistung allein auf den Angaben des Antragstellers, nachdem der Kaufvertragsabschluss zwischen den Beteiligten Ziff. 2 und 3 zu einem Zeitpunkt erfolgte, als der Maklervertrag bereits gekündigt und beendet war.
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Damit ist für das Bestehen eines Provisionsanspruchs des Antragstellers allenfalls eine gewisse, nicht aber eine ganz beträchtliche Wahrscheinlichkeit anzunehmen, die aber erforderlich wäre, um das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Beteiligten Ziff. 2 und 3 hinter dem berechtigten Interesse des Antragstellers auf Kenntnis der Kaufpreishöhe zurücktreten zu lassen.
20
Die Beschwerde war deshalb mit der Kostenfolge aus §§ 1, 84 FamFG (Demharter, a.a.O., § 1 GBO Rn. 27, m.w.N.) und § 131 Abs. 1 Nr. 1 KostO als unbegründet zurückzuweisen.
21
Die Wertfestsetzung beruht auf §§ 131 Abs. 4, 30 Abs. 2 Satz 1 KostO.
22
Die Rechtsbeschwerde ist gem. § 78 Abs. 1 und 2 GBO nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen, insbesondere wird nicht von der einen vergleichbaren Sachverhalt betreffenden Entscheidung des OLG Dresden abgewichen.

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