OLG Zweibrücken, 3 W 28/97
Auslegung einer Nacherbeneinsetzung ungeborener eheliches Kinder in einem notariellen Testament
Tenor
Gründe
I.
Die am 5. September 1995 verstorbene Erblasserin hatte am 22. Dezember 1975 ein notarielles Testament errichtet, in dem u.a. folgendes bestimmt ist:
„Zu meinem alleinigen Erben setze ich ein meinen Sohn …, wohnhaft …, und zwar als Vorerben. Von den gesetzlichen Beschränkungen befreie ich ihn nicht.
Nacherbin ist seine Tochter …. Sollte mein Sohn noch weitere eheliche Kinder hinterlassen, so sollen diese zu gleichen Teilen mit der Tochter …. Nacherben sein. Der Nacherbfall tritt ein mit dem Tode des Vorerben.“
Der in dem Testament angeführte Sohn der Erblasserin ist deren einziges Kind. Er ist verwitwet und hat neben seiner Tochter … keine weiteren ehelichen Abkömmlinge. Am 4. Juni 1996 ließ er sich sterilisieren. Sodann hat er die Erteilung eines Erbscheins beantragt, in dem er als alleiniger Vorerbe und seine Tochter … als Nacherbin nach seinem Tode ausgewiesen werden solle. Das Nachlaßgericht hat den Erbscheinsantrag zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Antragstellers blieb ohne Erfolg. Mit seiner weiteren Beschwerde verfolgt der Antragsteller seinen Antrag auf Erteilung des Erbscheins weiter.
II.
Die weitere Beschwerde des Antragstellers ist in förmlicher Hinsicht nicht zu beanstanden (§§ 27 Abs. 1, 29 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 4, 20 Abs. 1 und 2 FGG). In der Sache bleibt das Rechtsmittel ohne Erfolg. Die angefochtene Entscheidung beruht nicht auf einer Verletzung des Gesetzes (§§ 27 Abs. 1 FGG, 550 ZPO). Beide Vorinstanzen haben die Erteilung des beantragten Erbscheins mit Recht abgelehnt.
Das Landgericht ist zu dem Ergebnis gelangt, daß der Erbscheinsantrag des Antragstellers in inhaltlicher Hinsicht nicht der Erbfolge entspricht, die die Erblasserin mit ihrem Testament vom 22. Dezember 1975 festgelegt hat. Dies läßt Rechtsfehler nicht erkennen und hält den mit der weiteren Beschwerde geführten Angriffen stand.
Einer an diesen Grundsätzen ausgerichteten Überprüfung hält die von der Zivilkammer in Übereinstimmung mit dem Nachlaßgericht vorgenommene Auslegung des Testaments vom 22. Dezember 1975 stand. Sie widerspricht weder den Denkgesetzen noch der Lebenserfahrung und berücksichtigt alle bei Erlaß der angefochtenen Entscheidung bekannten wesentlichen Umstände. Die Auslegung verstößt auch nicht gegen gesetzliche Auslegungsregeln. Ihr Ergebnis ist durch den Wortlaut des notariellen Testaments gedeckt.
Darin werden als Nacherben ausdrücklich die ehelichen Kinder bezeichnet, die der Antragsteller hinterläßt. Deshalb liegt es nahe, daß auch solche ehelichen Kinder gemeint sind, die im Zeitpunkt des Todes der Erblasserin noch nicht geboren oder erzeugt sind, aber bis zum Tode des Antragstellers noch zu dessen bereits vorhandener Tochter hinzutreten können. Mit seinen gegen diese Auslegung erhobenen Einwendungen versucht der Antragsteller lediglich die Wertung des Tatrichters durch seine eigene zu ersetzen. Dies muß für das Verfahren der weiteren Beschwerde indes unbehelflich bleiben.
Ist wie im vorliegenden Falle eine künftige Person zum Nacherben eingesetzt, so besteht bis zu dem Zeitpunkt, zu dem feststeht, ob sie geboren wird oder entsteht, ein Schwebezustand. Er findet dann sein Ende, wenn Gewißheit darüber eintritt, daß mit der Geburt oder Entstehung der künftigen Person nicht mehr zu rechnen ist (Staudinger/Behrends/Avenarius, BGB 13. Aufl. § 2101 Rdn. 9; MüKo zum BGB/Grunsky, 2. Aufl. § 2101 Rdn. 5; Soergel/Harder, BGB 12. Aufl. § 2101 Rdn. 2; vgl. auch BGH NJW 1965, 1590). Eine solche Gewißheit hat sich das Landgericht nicht zu verschaffen vermocht. Es hat dies damit begründet, es sei nicht auszuschließen, daß der Antragsteller eine neue Ehe eingehe, aus der weitere Kinder hervorgehen. Die durchgeführte Sterilisation vermöge jedenfalls für die ersten zwei bis drei Jahre die Zeugungsunfähigkeit des Antragstellers nicht zwingend und endgültig herbeizuführen. Diese Feststellung findet ihre Grundlage in der ärztlichen Stellungnahme der Dres. … und … vom 30. Juli 1996, in der ausgeführt wird, die bei dem Antragsteller ausgeführte beiderseitige Samenstrangresektion könne in den ersten Jahren nach ihrer Vornahme mit einer Erfolgsquote von 20 bis 30 % wieder rückgängig gemacht werden. Die daraus vom Landgericht gezogene Folgerung, die Geburt weiterer Nacherben könne jedenfalls derzeit nicht ausgeschlossen werden, verstößt weder gegen Denkgesetze noch gegen allgemeine Erfahrungssätze und hält den Anforderungen an die Überzeugungsbildung des Tatrichters stand. Dabei kann die in den Vorinstanzen nicht angesprochene Frage offenbleiben, ob die in dem Testament vom 22. Dezember 1975 enthaltene Nacherbeneinsetzung sich überhaupt auf leibliche Abkömmlinge des Antragstellers beschränkt oder ob nach dem Willen der Erblasserin auch Adoptivkinder von ihr erfaßt werden sollten (vgl. dazu etwa BayObLGZ 1959, 493; BayObLG Rechtspfleger 1985, 66; Palandt/Edenhofer, BGB 55. Aufl. § 2084 Rdn. 7; Senatsbeschluß vom 18. September 1995 – 3 W 149/95, jeweils m.w.N.).
III.
Eine Kostenentscheidung gemäß § 13 a FGG ist nicht veranlaßt, weil außer dem Antragsteller niemand förmlich am Verfahren der weiteren Beschwerde teilgenommen hat. Den Wert des Beschwerdegegenstandes für das Verfahren der weiteren Beschwerde hat der Senat gemäß §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 1, 107 Abs. 2 Satz 1 KostO in Übereinstimmung mit der unbeanstandeten Wertfestsetzung der Vorinstanz bestimmt.
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