OLG Zweibrücken 3 W 7/14- Einsichtsrecht der Presse in das Grundbuch

Juli 21, 2017

OLG Zweibrücken 17.07.2014, 3 W 7/14
Beschluss

Zum Umfang des Einsichtsrechts der Presse in das Grundbuch.(Rn.5)

Tenor

Der Beschluss des Amtsgerichts – Grundbuchamt – Saarburg vom 20. Januar 2014 wird aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung in eigener Zuständigkeit unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats an das Amtsgericht zurückgegeben.

Gründe

I.

Der Beteiligte begehrt Einsicht in das Grundbuch und die dazugehörigen Grundbuchakten hinsichtlich der im Betreff genannten Grundstücke. Diese sind mit historischen Gebäuden bebaut. Eigentümerin der Grundstücke war zum Zeitpunkt der Antragstellung durch den Beteiligten am 7. November 2013 eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach luxemburgischem Recht mit Sitz in Luxemburg (wovon der Beteiligte jedoch keine sichere Kenntnis hatte). Der Beteiligte begründete seinen Antrag damit, dass er als Journalist für eine Hintergrundreportage recherchieren wolle. Einerseits handle es sich bei den auf den Grundstücken befindlichen Gebäuden um stadtgeschichtlich bedeutsame Kulturdenkmäler, deren Erhalt für die Allgemeinheit möglicherweise gefährdet sei. Zum anderen bestehe der Verdacht, dass die Grundstücke von den Eigentümern oder deren Hintermännern zu illegalen Finanzgeschäften bzw. deren Verschleierung genutzt würden.

Mit Beschluss vom 28. November 2013 gab die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle beim Grundbuchamt dem Ersuchen dergestalt statt, dass dem Beteiligten ein beglaubigter Grundbuchauszug hinsichtlich des Bestandsverzeichnisses sowie der Abteilung I des betroffenen Grundbuchs erteilt, die Einsicht in Abteilung II und III des Grundbuchs ebenso wie die Einsicht in die dazugehörigen Grundbuchakten jedoch verweigert wurde. Zur Begründung führte das Grundbuchamt aus, ein Interesse der Presse an uneingeschränkter Kenntnisnahme des Grundbuch- und Grundbuchakteninhalts sei gegenüber dem Persönlichkeitsrecht der Eingetragenen nur dann vorrangig, wenn es sich um eine Frage handle, die die Öffentlichkeit wesentlich angehe und wenn die Recherche der Aufbereitung einer ernsthaften und sachbezogenen Auseinandersetzung diene, beides Voraussetzungen, deren Vorliegen hier nicht ersichtlich sei. Hiergegen wandte der Beteiligte sich zunächst mit seiner Erinnerung vom 3. Januar 2014, der die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Grundbuchamtes mit Beschluss vom 12. Januar 2014 nicht abhalf, was mit Beschluss vom 20. Januar 2014 der zuständigen Rechtspflegerin beim Amtsgericht – Grundbuchamt – Saarburg bestätigt wurde. Gegen diesen Beschluss legte der Beteiligte die hier verfahrensgegenständliche Beschwerde vom 29. Januar 2014 ein, der das Amtsgericht wiederum nicht abgeholfen sondern die Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt hat.

II.

Die Beschwerde ist gemäß § 71 GBO zulässig. Der Senat ist nach §§ 72 GBO, 13 a GVG i.V.m. § 4 Abs. 3 Nr. 2 b GerOrgG Rheinland-Pfalz zur Entscheidung über das Rechtsmittel berufen.

In der Sache führt das Rechtsmittel auch zum Erfolg. Dem Antragsteller ist die von ihm begehrte Einsicht in das Grundbuch und die Grundbuchakten nach §§ 12 Abs. 1 Satz 1 GBO, 46 GBV i. V. m. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG in vollem Umfang seinem Antrag gemäß zu gewähren.

Nach der Rechtsprechung des Senats und der höchstrichterlichen Rechtsprechung steht fest, dass die in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verbürgte Pressefreiheit nicht nur die Freiheit der Verbreitung von Nachrichten und Meinungen gewährleistet, sondern vielmehr auch den gesamten Bereich publizistischer Vorbereitungstätigkeit schützt, zu der insbesondere die Beschaffung von Informationen gehört (Senat, Beschluss vom 24. Januar 2013, Rpfleger 2013, 383; BVerfG, Beschluss vom 28. 8. 2000, NJW 2001, 503; BGH, Beschluss vom 17.8.2011, NJW-RR 2011, 1651, jeweils mit ausführlichen weiteren Nachweisen). Daher vermag ein schutzwürdiges Interesse der Presse und vergleichbarer publizistisch tätiger Medien daran, von den für ein bestimmtes Grundstück vorgenommenen Eintragungen Kenntnis zu erlangen, das nach § 12 Abs. 1 Satz 1 GBO, 46 Abs. 1 GBV für die Gestattung der Einsicht erforderliche berechtigte Interesse über den ursprünglichen, dem allgemeinen Rechtsverkehr mit Grundstücken dienenden Regelungszweck hinaus zu begründen (BVerfG, aaO.; BGH, aaO.; OLG Stuttgart, Beschluss vom 27.6.2012, Az. 8 W 228/12, zitiert nach Juris). Schutzwürdige Belange der im Grundbuch Eingetragenen bzw. in den Grundbuchakten Genannten stehen einer Einsichtnahme durch den Antragsteller hier nicht entgegen. Deren Rechtsposition genießt zwar ebenfalls grundrechtlichen Schutz, weil die Gestattung der Grundbucheinsicht durch einen Dritten aufgrund der im Grundbuch enthaltenen personenbezogenen Daten einen Eingriff in das durch Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützte Recht auf informationelle Selbstbestimmung, bzw. im Falle von juristischen Personen in die in Art. 2 Abs. 1 GG als Bestandteil der allgemeinen Handlungsfreiheit geschützte Freiheit im wirtschaftlichen Verkehr darstellt (BVerfG, aaO; BVerfGE 66, 116; BGH aaO.). Die widerstreitenden Grundrechtspositionen der Pressefreiheit einerseits und der informationellen Selbstbestimmung bzw. der Freiheit im wirtschaftlichen Verkehr andererseits sind nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung im Rahmen der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs des „berechtigten Interesses“ gemäß §§ 12 Abs. 1 Satz 1 GBO, 46 Abs. 1 GBV in einen Ausgleich zu bringen und gegeneinander abzuwägen (BVerfG aaO.; BGH aaO.). Danach überwiegt das Interesse der Presse an der Kenntnisnahme des Grundbuchinhaltes, wenn die Recherche der Aufbereitung einer ernsthaften und sachbezogenen Auseinandersetzung dient und es sich um eine Frage handelt, die die Öffentlichkeit wesentlich angeht (BVerfG aaO.; BGH aaO.). Dafür, dass die aus den Nachforschungen möglicherweise resultierende Berichterstattung lediglich dazu dienen könnte, eine in der Öffentlichkeit vorhandene Neugierde und Sensationslust zu befriedigen, bestehen keine Anhaltspunkte. Vielmehr wird dies sogar durch den zur Akte gereichten Artikel im Lokalteil der Tageszeitung … vom 21./22. Dezember 2013 widerlegt, der sich mit dem Themenkomplex, zu dem hier weiter recherchiert werden soll, in angemessener, sachlicher Weise befasst. Anders als das Grundbuchamt geht der Senat auch davon aus, dass die Frage, zu der hier recherchiert werden soll, von wesentlichem bzw. überwiegendem Interesse für die Allgemeinheit im Sinne der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist. Der Umstand, dass für das Stadtbild und die städtische Identität wertvolle historische Gebäude möglicherweise Gefahr laufen, als Spekulationsobjekte missbraucht und insbesondere dem Verfall preisgegeben zu werden, ist ein Thema, das zumindest für die lokale und regionale Öffentlichkeit durchaus eine solche Bedeutung hat, dass die Geheimhaltungsinteressen der durch eine entsprechende Recherche möglicherweise Betroffenen dahinter zurückzutreten haben.

Entgegen der Auffassung des Grundbuchamtes war dem Antragsteller im Hinblick auf sein berechtigtes Informationsanliegen hier auch der gesamte Inhalt des Grundbuchs und der Grundbuchakten betreffend die beiden verfahrensgegenständlichen Grundstücke zugänglich zu machen und die Information nicht auf einen Grundbuchauszug der Abteilung I und das Bestandsverzeichnis zu beschränken. Es obliegt nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung nämlich allein dem Antragsteller, die sich aus dem Grundbuch ergebenden Informationen unter Berücksichtigung des Gegenstands seiner Nachforschungen einzuordnen und zu bewerten. Eine Beschränkung seines Einsichtsrechts würde im Ergebnis auf eine Vorauswahl des Grundbuchamtes hinsichtlich relevanter und nicht relevanter Eintragungen hinauslaufen. Dies verbietet sich jedoch insbesondere dann, wenn sich die journalistische Recherche nach dem Inhalt des Gesuchs auf einen Sachverhalt bezieht, der nicht durch eine unmittelbar aus dem Inhalt des Grundbuchs zu erzielende Information zu klären ist (BVerfG aaO.; BGH aaO.). So liegt der Fall hier. Nach der Begründung des Antrags und den Ausführungen des Antragstellers mit der Begründung seiner Erinnerung und später der Beschwerde kommt es ihm darauf an, die hinter den Eigentumswechseln der betroffenen Grundstücke stehenden Finanztransaktionen und deren Beteiligte zu recherchieren.

Schließlich ist auch nicht ersichtlich, dass der Antragsteller – was das Grundbuchamt bei der Entscheidung über das Gesuch zu prüfen hat (BVerfG aaO.; BGH aaO.) – in unproblematischer Weise andere Mittel nutzen könnte, um die erwünschten Informationen unter geringerer Beeinträchtigung der Interessen der im Grundbuch Eingetragenen bzw. in den Grundbuchakten Genannten zu erhalten.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (§§ 22 Abs. 1, 25 Abs. 1 GNotKG), ebensowenig die Festsetzung des Gegenstandswerts.

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